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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Disziplinarstatut 1872; Ablehnung eines Delegierungsantrages nach §27; kein Entzug des gesetzlichen Richters dadurch, daß dabei - zu Recht - nicht über die vom Bf. gerügte unrichtige Zusammensetzung des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer bei Fassung des Einleitungsbeschlusses abgesprochen wurdeSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Aufgrund mehrerer Anzeigen faßte der Disziplinarrat der Oö. Rechtsanwaltskammer nach Durchführung von Vorerhebungen am 16. Mai 1983 einen Einleitungsbeschluß, weil der Verdacht bestehe, daß der Bf. gegen die anwaltlichen Berufspflichten und gegen Ehre und Ansehen des Standes verstoßen habe.
Nach Zustellung des Einleitungsbeschlusses stellte der Beschuldigte am 9. Juni 1983 fristgerecht gemäß §27 Abs1 des Disziplinarstatutes, RGBl. 40/1872, in der geltenden Fassung (künftig: DSt.), den Antrag auf Delegierung des Disziplinarverfahrens an den Disziplinarrat der Sbg. Rechtsanwaltskammer wegen Befangenheit des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer. Der Bf. brachte hiezu vor, der Kammeranwaltstellvertreter sei mit ihm verfeindet, der Untersuchungskommissär, der auch schon in einem früheren Verfahren gegen ihn eingeschritten sei, habe ihm im vorliegenden Verfahren bei der ersten Befragung erklärt, "hier droht ihnen ja wieder eine Sperre", und bei der zweiten Vernehmung gesagt, "Sperre bekäme ich wohl keine, aber im Hinblick auf meine Vorstrafe eine empfindliche Geldstrafe"; darüber hinaus sei im seinerzeitigen Verfahren vom Disziplinarrat der Oö. Rechtsanwaltskammer eine Protokollrüge nicht gehörig berücksichtigt und auf einen von ihm gestellten Wiederaufnahmeantrag nicht eingegangen worden. Die Befangenheit des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer, die schon in dem früher durchgeführten Disziplinarverfahren in nicht nur sachlichen Erwägungen ihren Niederschlag gefunden habe, ergebe sich schließlich daraus, daß bei entsprechender Würdigung der Erhebungsergebnisse im vorliegenden Verfahren ein Ablassungsbeschluß gefaßt hätte werden können.
2. Mit Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (künftig: OBDK), die gemäß §27 Abs3 über Delegierungsanträge nach Abs1 leg. cit. zu entscheiden hat, vom 2. April 1984 wurde dem Delegierungsantrag keine Folge gegeben.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt:
"Aus Vorwürfen gegen den Kammeranwalt bzw. dessen Stellvertreter kann eine Befangenheit des zuständigen Disziplinarrates nicht abgeleitet werden (OBDK 6. 4. 1964, AnwBl. 1965, 118).
Die erwähnte disziplinäre Vorverurteilung zu D 28/80 vermag, wie die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission wiederholt entschieden hat, eine Befangenheit des Disziplinarrates in dieser späteren Disziplinarsache nicht zu begründen; dies kann hier umsoweniger der Fall sein, als die frühere Entscheidung des Disziplinarrates durch die Rechtsmittelinstanz einer Überprüfung unterzogen und im wesentlichen bestätigt worden ist (vgl. OBDK vom 6. 4. 1964, AnwBl. 1965, 118).
Ebensowenig kann eine Befangenheit des Disziplinarrates durch Aufzeigen von Bedenken gegen die Beweiswürdigung oder rechtliche Beurteilung im verfahrensgegenständlichen Einleitungsbeschluß aufgezeigt werden (OBDK vom 21. 1. 1960, AnwBl. 1961, 34).
Soweit der Beschuldigte Bedenken gegen die Objektivität bzw. Unvoreingenommenheit einzelner Senatsmitglieder hat, steht es ihm frei, nach Anberaumung der Disziplinarverhandlung über den Einleitungsbeschluß, seine Ablehnungs- und Befangenheitsgründe gegen diese hiezu laut Dienstliste einberufenen Mitglieder des Senates geltend zu machen (§§28 und 35 DSt.)."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.
4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet der Bf. mit der Begründung, daß der Disziplinarrat der Oö. Rechtsanwaltskammer am 16. Mai 1983 bei Fassung des Einleitungsbeschlusses nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt gewesen sei, weil nicht sämtliche Mitglieder des Disziplinarrates zu dieser Sitzung einberufen worden wären. Auch falls eine Anfechtung des Einleitungsbeschlusses vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts unzulässig sein sollte, hätte die bel. Beh. bei Erlassung des angefochtenen Bescheides von Amts wegen darauf Bedacht nehmen müssen, daß der Einleitungsbeschluß von einem Disziplinarrat erlassen wurde, der gesetzwidrig zusammengesetzt gewesen sei. Hiezu werde auf die inzwischen erfolgte Aufhebung des §5 der Geschäftsordnung durch das Erk. des VfGH VfSlg. 9892/1983 sowie auf die weitere Rechtsprechung des VfGH (ua. VfSlg. 5700/1968) verwiesen.
4.2. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt selbst dann nicht vor, wenn der Einleitungsbeschluß von einer Behörde gefaßt worden sein sollte, die nicht dem Gesetz entsprechend einberufen oder zusammengesetzt war. Wenn sich der Bf. auf das Erk. VfSlg. 5700/1968 beruft und daraus ableitet, die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sei der bel. Beh. anzulasten, weil sie die unrichtige Zusammensetzung des Disziplinarrates übergangen habe, übersieht er, daß dem von ihm zitierten Erk. ein im Instanzenzug ergangener Berufungsbescheid zugrunde lag. Den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildet demgegenüber die Entscheidung über einen Delegierungsantrag nach §27 Abs1 DSt., wozu die bel. Beh. nach Abs3 leg. cit. in erster (und letzter) Instanz zuständig war. Mit einer Überprüfung des Einleitungsbeschlusses hat sich die bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides somit - und zwar unabhängig davon, daß es sich bei Einleitungsbeschlüssen gemäß §29 Abs3 DSt. um keine anfechtbaren Bescheide handelt (vgl. VfSlg. 9425/1981, zuletzt VfGH 11. 6. 1983 B440/80) - zu Recht nicht befaßt.
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat somit nicht stattgefunden (vgl. hiezu insbesondere VfSlg. 7645/1975, 8144/1977, 8240/1978). Ebensowenig hat das Verfahren eine Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ergeben. Da unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften entstanden sind (vgl. auch hiezu VfSlg. 8240/1978), ist der Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B498.1984Dokumentnummer
JFT_10139697_84B00498_00