TE Vfgh Erkenntnis 1986/3/4 V3/83

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Veröffentlicht am 04.03.1986
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des Flächenwidmungsplanes Katzelsdorf 1978; keine Antragslegitimation der Bf., insoweit die Aufhebung der V zur Gänze - also auch betreffend Grundstücke, die nicht in ihrem Eigentum stehen - begehrt wird; Antragslegitimation bezüglich in ihrem Eigentum stehender Grundstücke gegeben; kein Widerspruch der Widmung "Betriebsgebiet" dieser Grundstücke zu den Bestimmungen des Nö. ROG 1976

Spruch

I. Dem Antrag, den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Katzelsdorf, soweit er sich auf die Widmung "Betriebsgebiet" der im Eigentum der Antragsteller stehenden Liegenschaften bezieht, aufzuheben, wird nicht Folge gegeben.

II. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaften EZ ... und EZ ..., KG Katzelsdorf.

Mit einem als "Beschwerde gemäß Art139, Abs1 letzter Satz B-VG" bezeichneten Schriftsatz beantragen sie,

"a.) den derzeit gültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Katzelsdorf im Hinblick darauf, daß durch die Widmung der Bf.-Liegenschaften der Plan wegen des erheblichen Ausmaßes dieser Liegenschaften im gesamten betroffen wird, zur Gänze aufzuheben, insbesondere jedoch, soweit er die Widmung der Bf.-Liegenschaften als Betriebsgebiet betrifft;

b.) ihnen den Kostenersatz in der Höhe von S ... zuzusprechen."

2. Die Nö. Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der der Antrag gestellt wird, das Begehren, soweit es auf Aufhebung des gültigen Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Katzelsdorf zur Gänze gerichtet ist, mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen, im übrigen auszusprechen, daß die V, soweit damit eine Widmung der Antragstellergrundstücke als Betriebsgebiet getroffen wurde, nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird.

Das gleiche Begehren wird in der von der Gemeinde Katzelsdorf abgegebenen Äußerung gestellt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Flächenwidmungsplan für die Gemeinde Katzelsdorf ist vom Gemeinderat in seiner Sitzung am 17. März 1978 beschlossen worden. Der Beschluß erhielt mit dem Bescheid der Nö. Landesregierung vom 31. Jänner 1979, II/2-R-226/3-1978, die Genehmigung gemäß §21 Abs5 und 7 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1. Die V über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes ist am 1. April 1979 in Kraft getreten.

2. a) Die Antragsteller begehren die Aufhebung des Flächenwidmungsplanes zur Gänze, somit nicht nur insoweit, als er sich auf die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke bezieht. Nach der Rechtsprechung des VfGH sind die Antragsteller durch Regelungen des Flächenwidmungsplanes, die sich nicht auf die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke beziehen, in ihrer Rechtssphäre nicht betroffen. Nur unter besonderen Umständen könnte aus solchen Regelungen für die Antragsteller eine Betroffenheit entstehen (vgl. VfSlg. 10703/1985). Daß solche Umstände gegeben wären, ist im Antrag nicht dargetan worden. Der Antrag, den Flächenwidmungsplan zur Gänze aufzuheben, ist daher mangels aktueller Betroffenheit der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen.

b) Soweit im Antrag die Aufhebung der Widmung "Betriebsgebiet" für im Eigentum der Bf. stehende Grundflächen begehrt wird, enthält er Darlegungen der gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes sprechenden Bedenken. Eine Darlegung, daß durch den Flächenwidmungsplan verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt werden - die Bf. behaupten eine Verletzung des Gleichheitsrechtes und des Eigentumsrechtes -, ist für die Zulässigkeit des Antrages nicht erforderlich.

Insoweit ist der Antrag, da er den Anforderungen des §57 Abs1 erster Satz VerfGG 1953 entspricht, zulässig (vgl. zur Zulässigkeit von Individualanträgen der Grundstückseigentümer auf Aufhebung von Flächenwidmungsplänen in NÖ VfSlg. 8463/1978, 10453/1985).

3. Im Antrag wird ausgeführt, nach dem gültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Katzelsdorf seien die Liegenschaften der Antragsteller von Flächen, die größtenteils als Wohnbaugebiet und zu einem geringeren Teil als landwirtschaftlich genutzte Flächen gewidmet seien, eingeschlossen; diese Liegenschaften selbst seien aber als Betriebsbaugebiet gewidmet und bildeten eine industrielle Enklave im Wohnbaugebiet.

Die Festlegung dieser Widmung für die Grundstücke der Antragsteller stünde mit §14 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976 in Widerspruch. Sachliche Gründe für die Festlegung der Widmung "Betriebsbaugebiet" (richtig: Betriebsgebiet nach §16 Abs1 Z3 Nö. ROG 1976) für die Grundstücke der Antragsteller seien nicht vorgelegen. Zu dieser unsachlichen Festlegung der Widmung sei es nach den weiteren Ausführungen im Antrag vielmehr nur deshalb gekommen, weil Verhandlungen über den Erwerb der Grundstücke durch die Gemeinde Katzelsdorf zum Zwecke der Festlegung "Bauland - Wohngebiet" für diese Grundstücke gescheitert seien. Im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Katzelsdorf sei es nicht - wie es aufgrund der Lage der Liegenschaften der Antragsteller zu erwarten und das einzig richtige gewesen wäre - zur Widmung der Grundstücke der Antragsteller als "Wohnbaugebiet" (richtig: Wohngebiet nach §16 Abs1 Z1 Nö. ROG 1976) gekommen; vielmehr seien Flächen am Rande des Gemeindegebietes als "Wohnbaugebiet" bestimmt worden, obwohl diese Flächen aufgrund der Randlage eine sehr gute Eignung als "Betriebsbaugebiet" aufgewiesen hätten und aufgrund der Siedlungsstruktur der Gemeinde Katzelsdorf nicht in das "Wohnbaugebiet" gefallen wären. Die Widmung "dieser Randliegenschaften zu 'Wohnbaugebieten' im Zusammenhang mit dem Bestehenlassen der betrieblichen Widmung der Bf.-Liegenschaften" widerspreche nicht nur der Siedlungsstruktur der Gemeinde Katzelsdorf, sondern sei durch das Bestehen der betrieblichen Enklave im Wohngebiet für eine kontinuierliche Entwicklung der Gemeinde Katzelsdorf iS der bestmöglichen Nutzung und Sicherung des Lebensraumes der Gemeindemitglieder unter Bedachtnahme auf die natürlichen Gegebenheiten - so wie es der §1 des Nö. ROG 1976 als Leitziel angebe - nachteilig.

4. a) Rechtsgrundlage für das zu erlassende örtliche Raumordnungsprogramm (den Flächenwidmungsplan) der Gemeinde Katzelsdorf haben die §§13 bis 22 des Nö. ROG 1976 gebildet.

Für die Beurteilung des Vorbringens der Antragsteller kommen insbesondere die Bestimmungen des §16 in Betracht, nach dessen Abs1 das Bauland "entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Nutzungsarten zu gliedern" ist:

"1. Wohngebiete, die für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche in Wohngebäuden untergebracht werden können und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können;

2. ...

3. Betriebsgebiete, die für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt sind, die keine übermäßige Lärm- und Geruchsbelästigung und keine schädlichen störenden oder gefährlichen Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können und sich in ihrer Erscheinungsform in das Ortsbild eines Wohn- und Kerngebietes einfügen;

4. ..."

b) Die Zielsetzungen für das örtliche Raumordnungsprogramm der Gemeinde Katzelsdorf sind im "Erläuterungsbericht Flächenwidmungsplan Katzelsdorf" niedergelegt. Dieser Bericht enthält eine Beschreibung der geographischen Lage (Ortsteile Katzelsdorf, Eichbüchl, Sägewerksiedlung - Frohsdorfersiedlung) und des Klimas, Angaben über die Bevölkerungsentwicklung (1681 Einwohner, Zunahme im Zeitraum von 1961 bis 1971 etwa 21,3 vH), die Bodennutzung, die Wirtschaft (42 landwirtschaftliche - davon 11 über 20 ha, 4 Industrie- und 14 Gewerbebetriebe, in diesen Betrieben sind 190 Personen beschäftigt, 80 vH der Erwerbstätigen sind Berufspendler), die Infrastruktur, den Verkehr, die Gewässer (Fluß Leitha und der diesen Fluß am linken - westlichen Ufer entlang des Ortsgebietes begleitende Mühlbach) und folgende Feststellungen über die "Bebauung, Baulandreserven:

Katzelsdorf gliedert sich in eine mehr oder minder deutlich voneinander getrennte Bebauungseinheit.

1. Links der Leitha liegt das alte Straßendorf um Kirche, Schloß und landwirtschaftliche Gehöfte, gruppierte ältere Siedlungshäuser und Industrieansiedlungen. Hier ist die Siedlungsentwicklung durch Erschöpfung der Baulandreserven fast zum Stillstand gekommen - obwohl gegen die Leitha hin eine gewisse Entwicklung zu beachten ist.

2. ... (es erfolgt die Beschreibung der übrigen Ortsteile) ..."

Abschließend heißt es:

"Für zukünftige Betriebsgründungen sind einige Gebiete, vor allem im Bereich des alten Ortsteiles ausgewiesen. Bei in Aussichtstellung günstiger Ansiedlungen steht genug Gelände zur Verfügung, das im Bedarfsfall umgewidmet werden kann."

Im "Entwicklungskonzept" ist dargelegt, die Aufgabe der Gemeinde bestehe vor allem darin, die Voraussetzungen für das Anhalten der Bevölkerungsentwicklung zu erhalten und auszubauen, andererseits aber auch die Bautätigkeit in geregelte Bahnen zu lenken und vor allem die Landschaft zu schützen. Es sollten Arbeitsplätze geschaffen werden, jedoch möglichst auf Wirtschaftssektoren, die keine oder nur eine unbedeutende Emission hätten und daher umweltfreundlich seien.

Es sei versucht worden, die Voraussetzung für eine möglichst kompakte Siedlungslandschaft zu formen, die der dynamischen Entwicklung, die zu erwarten sei, Rechnung trage, und Möglichkeiten für unmittelbar nicht faßbare Anforderungen (zusätzliche Betriebsansiedlungen) offen zu halten.

In den dem Bericht angeschlossenen Erhebungen über den Bestand der vorhandenen Betriebe ist ua. ein Gewerbebetrieb "H & Co., P, Gipswände" (das ist der Betrieb der Antragsteller) sowie der Betrieb "Z O, Kerzenfabrik" angeführt.

c) Die Grundstücke der Antragsteller liegen im Ortsteil Katzelsdorf. Sie sind im Westen von einer Straße, im Osten vom Mühlbach und im Süden von einem Arm dieses Baches umgrenzt. In dem zur allgemeinen Einsicht aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes war für den westlichen Teil der Grundstücke (etwa in einer Breite von zirka 250 bis 300 m als "Hof Garten" bezeichnet) die Widmung "Betriebsgebiet", für den ostwärts anschließenden Teil die Widmung "landwirtschaftlich genutzte Flächen" vorgesehen. Die nördlich angrenzenden Grundstücke waren etwa in der Breite der "landwirtschaftlich genutzten Flächen" als "Wohngebiet", in der Breite des Betriebsgebietes ebenfalls als "Betriebsgebiet" gewidmet. Die südlich gelegenen Grundflächen weisen im westlichen (an die Straße angrenzenden) Teil die Widmung "Wohngebiet", im ostwärtigen Teil die Widmung "landwirtschaftlich genutzte Flächen" aus. Auch für die westlich der Straße gelegenen Grundstücke war die Widmung "Wohngebiet" vorgesehen.

d) In der von den Antragstellern zum aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes abgegebenen Stellungnahme wurde insbesondere geltend gemacht, daß in Zukunft keine betriebliche Tätigkeit mehr auf ihrem Grundstück entwickelt, dieses also nicht mehr für eine wirtschaftliche Tätigkeit genützt werde, und daß die gegenständlichen Grundstücke eine ideale Ergänzung und Abrundung des geschlossenen Wohngebietes bildeten und sich harmonisch in die zukünftige soziale und bevölkerungspolitische Entwicklung der Gemeinde einfügten.

e) Mit den Einwendungen der Antragsteller hat sich der Gemeinderat in seiner Sitzung am 17. März 1978 auseinandergesetzt. Es gebe einerseits "bei der Produktion des Betriebes viele Beschwerden der Anrainer", andererseits liege das Betriebsgebiet inmitten des Baulandes. Dieses Gebiet sei "der letzte Platz, ..., der die Möglichkeit einer neuen Betriebsansiedlung" biete. Diese Ansiedlung könnte nach einer Festlegung der Widmung "Wohngebiet", die zum Verkauf der Grundstücke als Bauplätze führen würde, nicht mehr gelenkt werden.

Es wurde (einstimmig) beschlossen, für die Grundstücke der Antragsteller die im Entwurf des Flächenwidmungsplanes vorgesehene Widmung "Betriebsgebiet" festzulegen.

5. Im §2 der vom Gemeinderat am 17. März 1978 zur Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes beschlossenen V sind die Ziele der örtlichen Raumordnung wie folgt bestimmt:

"1. Erhaltung der Gemeindestruktur

a) Erhaltung des Dorfcharakters im Agrarbaugebiet

b) Erzielung einer geplanten Ansiedelung und Aufschließung in neu zu schaffenden Siedlungsgebieten

c) Erhaltung des Grünlandes und Forstgebietes, wobei diese mit einem totalen Bauverbot belegt werden

d) Schaffung und Ansiedelung von umweltfreundlichen Betrieben, wobei das zur Verfügung stehende Betriebsbaugebiet im Bereich 'Hof Garten' und zwischen Leitha und Bahnstraße herangezogen werden soll

2. Verbesserung der Gemeindestruktur

a) Schaffung eines Gemeindezentrums mit Nebeneinrichtung ...

b) ..."

Wie sich aus dem Zusammenhang der Ausführungen unter Z4 ergibt, ist die Festsetzung der Widmung "Betriebsgebiet" für einen Teil der Grundstücke der Antragsteller mit dem Ziel der Schaffung und Ansiedlung von umweltfreundlichen Betrieben vorgenommen worden. Diese Festlegung konnte unter dem Gesichtspunkt erfolgen, daß auf diesen Grundstücken bereits ein Gewerbebetrieb (der Betrieb der Antragsteller) vorhanden war und daß auch für die nördlich angrenzenden Grundflächen (für den vorhandenen Betrieb Z) die Widmung "Betriebsgebiet" festgelegt wurde.

Der VfGH kann nicht finden, daß die unter den angeführten Umständen zur Erreichung der Ziele der örtlichen Raumordnung vorgenommene Festlegung der Widmung "Betriebsgebiet" für die Grundstücke der Bf. im Nö. ROG 1976 nicht gedeckt wäre. Aus dem Umstand, daß die Festlegung der Widmung "Wohngebiet" für die Antragsteller in wirtschaftlicher Hinsicht vorteilhafter gewesen wäre, kann selbst dann, wenn Bestrebungen zu einer solchen Widmung auf Verhandlungen der Gemeinde mit den Antragstellern über den Erwerb der Grundstücke zurückzuführen sein sollten, kein Anhaltspunkt dafür gewonnen werden, daß der Gemeinderat bei der Erstellung des örtlichen Raumordnungsprogrammes gesetzwidrig vorgegangen wäre und die Festlegung der von den Antragstellern bekämpften Widmung "Betriebsgebiet" nicht in Übereinstimmung mit dem dem Gesetz entsprechenden örtlichen Raumordnungsprogramm vorgenommen hätte.

Die von den Antragstellern behaupteten Bedenken liegen nicht vor; ihr Antrag, den Flächenwidmungsplan insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als für ihre Grundstücke die Widmung "Betriebsgebiet" festgelegt wurde, war daher abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:V3.1983

Dokumentnummer

JFT_10139696_83V00003_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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