TE Vfgh Erkenntnis 1986/3/4 B370/85

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Veröffentlicht am 04.03.1986
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6930 Wasserversorgung

Norm

Nö GemeindewasserleitungsG 1978 §11 Abs3
BVG Umweltschutz §1 Abs2
Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 24.3.1982 §10 Abs3

Leitsatz

Nö. GemeindewasserleitungsG §11 Abs3; V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 24. März 1982 über die Erhebung von Wasserversorgungsabgaben und Wassergebühren §7 und §10 Abs3; Vorschreibung einer Mindestwassergebühr; Vorschreibung, die nicht auf den tatsächlichen Wasserverbrauch abstellt, nicht unsachlich; kein Anhaltspunkt für Willkür; keine besonderen Einwirkungen auf die Umwelt durch den Wasserverbrauch der Benützer der Gemeindewasserversorgungsanlage im Hinblick auf das BVG über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491/1984

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Eichgraben hat mit Abgabenbescheid vom 29. Oktober 1984 dem Dr. K und der Dipl.-Kfm. H R für ihre Liegenschaft in Eichgraben eine Mindestwassergebühr von 180 S pro Monat für das 4. Quartal 1984 vorgeschrieben. Diese Vorschreibung gründete sich auf §7 der V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 24. März 1982, Z 81-810-WVA-1982 idF der

V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 12. Dezember 1983, Z 8-810-1983. Mit der letztgenannten V wurden die §§6, 7 und 8 der V vom 24. März 1982 geändert. Diese Abänderung der Wasserabgabenordnung wurde gemäß §5 Abs3 des nö.

Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 mit 1. Mai 1984 nach erfolgter zweiwöchiger Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Eichgraben in der Zeit vom 13. Dezember 1983 bis 27. Dezember 1983 rechtswirksam. Mit Bescheid vom 31. Jänner 1985, Z 81-810-0-1985/1, gab der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben der von Dr. K und Dipl.-Kfm. H R gegen den Abgabenbescheid erhobenen Berufung nicht Folge. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, gemäß §11 Abs3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes vom 14. März 1978, LGBl. 6930-0, könne der Gemeinderat für die ersten sechs Jahre nach Inbetriebnahme der Gemeindewasserleitung, wenn diese in Bauabschnitten ausgeführt werde, gemäß §6 Abs6 des angeführten Gesetzes nach Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes durch V festlegen, daß eine Mindestwassergebühr zu entrichten sei. Die Mindestwassergebühr dürfe den Betrag nicht überschreiten, der sich bei einem Verbrauch von 10 Kubikmeter Wasser monatlich ergeben würde. Die Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes sei bereits erfolgt. Für die Einhebung der Mindestwassergebühr gelte §7 der V des Gemeinderates vom 12. Dezember 1983.

2. Der gegen diesen Bescheid von den Genannten erhobenen Vorstellung gab die nö. Landesregierung mit Bescheid vom 18. April 1985, Z II/1-BE-395-91/1-85, unter Berufung auf §61 der nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-4, nicht Folge. In der Begründung des Bescheides berief sich die Behörde im wesentlichen darauf, aus §11 Abs3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes und §7 der vom Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben erlassenen V ergebe sich, daß die Vorschreibung einer Mindestwassergebühr für die Liegenschaft des Dr. K und der Dipl.-Kfm. H R in Eichgraben in der Höhe von 180 S pro Monat für das 4. Quartal 1984 durch die Abgabenbehörde erster Instanz zu Recht erfolgt sei, da sowohl "der Abgabentatbestand verwirklicht, als auch der Abgabenanspruch entstanden war". Die Abgabenbehörde zweiter Instanz habe daher in richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes die Berufung gegen den Bescheid erster Instanz als unbegründet abgewiesen. Die Genannten seien daher durch den Inhalt des in Vorstellung gezogenen abgabenrechtlichen Bescheides zweiter Instanz in ihren Rechten nicht verletzt worden.

3. Die Bf. führen in ihrer gemäß Art144 B-VG an den VfGH erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid der nö. Landesregierung vom 18. April 1985 ua. aus, die V vom 24. März 1982, deren Wirksamkeit am 1. Mai 1982 beginne und am 30. April 1988 ende, sei gesetzwidrig, da im Zeitpunkt deren Beschlußfassung von einer Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes der Gemeindewasserleitung keine Rede sein könne, weil ihre Liegenschaft erst im August 1984 an die Wasserleitung angeschlossen worden sei. Nach eigenen Darstellungen der Gemeinde erstrecke sich die Herstellung weiterer Teilabschnitte noch auf Jahre hinaus. §11 Abs3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 stelle auf die Inbetriebnahme der Gesamtwasserleitung ab; "durch den Zusatz, daß im Falle der Errichtung in Teilabschnitten die Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes maßgeblich sei", sei deutlich zum Ausdruck gebracht, daß "keinesfalls der jeweilige Teilabschnitt maßgeblich" sei, weil sonst der Ausdruck "jeweils letzten Abschnittes" gebraucht worden wäre. Der einheitlich festgesetzte Zeitraum vom 1. Mai 1982 bis 30. April 1988 verletze den Gleichheitsgrundsatz, da Gebühren erst ab Anschluß an die Wasserleitung verrechnet werden könnten, anderenfalls es zu einer zeitlich ungleichen Gebührenbelastung einzelner käme. Weiters führen die Bf. aus, der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben habe in einer Sitzung vom Dezember 1982 beschlossen, die V vom 24. März 1982 in deren §§6 und 7 dahin gehend abzuändern, daß die Grundgebühr für 1 Kubikmeter Wasser von 16 S auf 18 S erhöht werden und die zu entrichtende Mindestwassergebühr daher statt bisher 160 S pro Monat 180 S pro Monat betragen solle. Diese "Kundmachung" sei jedoch niemals kundgemacht worden. Vielmehr habe der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 12. Dezember 1983 neuerlich einen wortgleichen Beschluß auf Abänderung der V vom 24. März 1982 gefaßt; diese V wäre nicht nur durch Anschlag an der Amtstafel, sondern auch durch Anschlag an weiteren von der Marktgemeinde Eichgraben aufgestellten Kundmachungstafeln sowie durch Veröffentlichung in der periodischen Zeitschrift "Der Eichgrabner" unter den "Amtlichen Mitteilungen der Marktgemeinde" kundzumachen gewesen.

Die Bf. stellen daher die Anträge, §11 Abs3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978, §§7 und 10 Abs3 der "Kundmachung bzw. Verordnung" des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben betreffend die Wasserabgabenordnung vom 24. März 1982, die "Kundmachungen des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom Dezember 1982 und vom 12. Dezember 1983 zur Gänze" sowie "den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom 29. Oktober 1984 samt dem anschließenden Rechtsmittelverfahren" "wegen Verfassungswidrigkeit" kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die nö. Landesregierung erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der VfGH am 28. September 1985 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des §10 Abs3 der V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 24. März 1982, Z 81-810-WVA-1982, über die Erhebung von Wasserversorgungsabgaben und Wassergebühren und betreffend Wasserabgabenordnung, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Eichgraben in der Zeit vom 25. März bis 8. April 1982, von Amts wegen zu prüfen.

Mit Erk. VfSlg. 10738/1985 hat der VfGH §10 Abs3 der genannten V nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

III. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Bf. erachten sich durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung des nach ihrer Ansicht verfassungswidrigen §11 Abs3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes und wegen Anwendung des nach ihrer Ansicht gesetzwidrigen §10 Abs3 der V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 24. März 1982 betreffend die Vorschreibung einer Mindestwassergebühr ab 1. Mai 1982 in ihren Rechten verletzt. Der VfGH hat in seinem Erk. VfSlg. 10738/1985 ausgesprochen - vgl. II. -, daß §10 Abs3 der genannten V nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird. Er hat in diesem Erk. ausgeführt, daß §11 Abs3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes dem Äquivalenzprinzip entspricht und daß keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Gesetzesstelle bestehen. Soweit die Beschwerde meint, es sei unsachlich, wenn der Gesetzgeber eine Mindestwassergebühr vorsieht, dh. bei der Regelung der Wasserverbrauchsgebühr nicht auf den konkreten Wasserverbrauch abstellt, ist darauf zu verweisen, daß der VfGH in seinem Erk. Slg. 8998/1980 ausgesprochen hat, die Annahme sei sachlich, daß die der Gemeinde für den Betrieb, die Erhaltung und die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage erwachsenden Kosten nur zum geringeren Teil durch den stärkeren oder geringeren Wasserverbrauch entstehen, zum überwiegenden Teil aber durch das jederzeitige Bereitstellen und Bereithalten des Wassers. Demnach ist die Vorschreibung einer Mindestwassergebühr, die nicht auf den konkreten Wasserverbrauch abstellt, nicht unsachlich. Die von der Beschwerde geltend gemachten Bedenken sind daher nicht zutreffend.

2. Die Bf. rügen weiters, die V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 12. Dezember 1983 sei nicht gehörig kundgemacht worden. Sie räumen aber selbst ein, daß entsprechend §59 Abs1 der nö. Gemeindeordnung diese V an der Amtstafel der Marktgemeinde gesetzmäßig kundgemacht wurde. Ihre Auffassung, daß darüber hinaus noch der Anschlag an weiteren Plätzen und die Veröffentlichung in einer bestimmten periodischen Zeitschrift hätte erfolgen müssen, findet im Gesetz keine Stütze.

3. Weiters machen die Bf. die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der bei der Erlassung des bekämpften Bescheides herangezogenen Rechtsvorschriften könnte gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9015/1981, 9928/1984) diese Rechtsverletzung stattgefunden haben, wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte. Dies behaupten die Bf. jedoch weder ausdrücklich noch der Sache nach. Der VfGH konnte keinen Anhaltspunkt finden, der für eine solche Annahme sprechen könnte.

4. Die Bf. behaupten auch, daß sie durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden seien. Aber auch diese Behauptung blieb unbegründet. Beim VfGH ist nichts hervorgekommen, was für eine solche Annahme sprechen würde (vgl. Ausführungen unter III.4.).

5. Schließlich behaupten die Bf., daß §11 Abs3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 und die darauf gestützten V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 24. März 1982 und vom 12. Dezember 1983 verfassungswidrig seien, weil die Umwelt nunmehr unter den Schutz der Bundesverfassung gestellt sei.

Sie beziehen sich hiebei offensichtlich auf das am 11. Dezember 1984 in Kraft getretene Bundesverfassungsgesetz vom 27. November 1984, BGBl. 491, über den umfassenden Umweltschutz, in dessen §1 Abs1 sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum umfassenden Umweltschutz bekennt. In §1 Abs2 erster Satz ist der umfassende Umweltschutz als Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einflüssen definiert. Er besteht nach Abs2 zweiter Satz insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.

Die Bf. behaupten weder, noch ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren hervorgekommen, daß durch den Wasserverbrauch der Benützer der Gemeindewasserversorgungsanlage besondere Einwirkungen auf die Umwelt entstanden wären. Aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles geht daher der VfGH davon aus, daß solche nicht bestehen. Er kann deshalb davon absehen auszuführen, welche Rechtswirkungen das angeführte Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz im Hinblick auf die Gesetzgebung und Vollziehung entfaltet.

6. Da das Beschwerdeverfahren auch nicht ergab, daß andere Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verfassungsrechtlich bedenklich wären, und die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in anderen als den geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Wasserversorgung, Wasserversorgungsanlage, Umweltschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B370.1985

Dokumentnummer

JFT_10139696_85B00370_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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