TE Vfgh Beschluss 1986/3/6 WI-10/85

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Veröffentlicht am 06.03.1986
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 litb
Nö GdWO 1974 §68 Abs1
VfGG §67 Abs2
VfGG §68 Abs1

Leitsatz

Art141 Abs1 B-VG; Anfechtung der Wahl des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Guntramsdorf durch drei Gemeinderäte; die unmittelbare Anfechtbarkeit vor dem VfGH ausschließender Instanzenzug nach §68 Abs1 Nö. GemeindewahlO 1974 nur von einem Gemeinderat durchlaufen; formale Anforderungen des §67 Abs2 erster Satz VerfGG nicht erfüllt

Spruch

Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Am 14. April 1985 fand die Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Guntramsdorf, Bezirk Mödling, Land Niederösterreich, statt, bei der - laut Kundmachung des Bürgermeisters vom 15. April 1985 - auf die

Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)              2308,

Österreichische Volkspartei (ÖVP)                     997,

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)                229,

Guntramsdorfer Heimatliste (GHL)                      132,

Soziale Demokratische Bewegung Guntramsdorf (SDBG)    417

Stimmen entfielen.

Weiters wurden - lt. oa. Kundmachung - die 29 zu vergebenden Gemeinderatsmandate (§19 Nö. Gemeindeordnung 1973 (Nö. GO 1973), LGBl. 1000-4) wie folgt aufgeteilt:

SPÖ       17 Mandate,

ÖVP        7 Mandate,

FPÖ        1 Mandat,

GHL        1 Mandat,

SDBG       3 Mandate.

1.2.1. In der konstituierenden Sitzung des (neugewählten) Gemeinderates der Marktgemeinde Guntramsdorf vom 29. April 1985 wurde im Anschluß an die Wahl des Bürgermeisters mit 24 zu 5 Stimmen beschlossen, die Anzahl der geschäftsführenden Gemeinderäte mit 7 (bis dahin: 10) festzulegen.

Der Bürgermeister ermittelte sodann (s. Punkt VI. des Sitzungsprotokolls) unter Zugrundelegung einer Wahlzahl von 461,60 die den (im Gemeinderat vertretenen) Parteien zukommende Anzahl von geschäftsführenden Gemeinderäten; demnach entfielen auf die

SPÖ 5 und die ÖVP 2

geschäftsführende Gemeinderäte.

1.2.2. Nach Einbringung der Wahlvorschläge durch die SPÖ und ÖVP (§65 Abs3 Nö. Gemeindewahlordnung 1974 (GWO), LGBl. 0350-4) fand die Wahl des Gemeindevorstandes (§24 Nö. GO 1973), und zwar der geschäftsführenden Gemeinderäte und zuletzt der beiden Vizebürgermeister statt (Punkte VI. und VII. des Sitzungsprotokolls).

1.3.1. Die Soziale Demokratische Bewegung Guntramsdorf (SDBG) focht die Wahl des Gemeindevorstandes am 6. Mai 1985 durch ihren Zustellungsbevollmächtigen Alois Weichselbaum mit Beschwerde gemäß §68 Abs1 GWO wegen vermeintlicher Unrichtigkeit der Ermittlung und gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren an. Begründend wurde dazu ua. vorgebracht, daß die Verringerung der Anzahl der geschäftsführenden Gemeinderäte am 29. April 1985 gegen §65 Abs2 GWO verstoße, wonach die Zahl der Vizebürgermeister und der geschäftsführenden Gemeinderäte während einer Funktionsperiode nicht geändert werden darf. Bei richtiger Gesetzeshandhabung hätten vielmehr - gemäß dem Beschl. vom 8. April 1980 - 10 geschäftsführende Gemeinderäte gewählt werden müssen; in diesem Fall würde der SDBG das Mandat eines geschäftsführenden Gemeinderates zustehen.

1.3.2. Ferner bekämpfte Franz Groihs, Gemeinderat der Marktgemeinde Guntramsdorf, die in Rede stehende Wahl des Gemeindevorstandes am 6. Mai 1985 mit Beschwerde gemäß §68 GWO, und zwar ebenfalls wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung und rechtswidriger Vorgänge im Wahlverfahren; ua. wurde eingewendet, daß die Einladung für die Gemeinderatssitzung vom 29. April 1985 nicht fristgerecht ergangen sei.

1.4.1. Der Beschwerde der SDBG (s. Punkt 1.3.1.) wurde von der Bezirkswahlbehörde Mödling mit Bescheid vom 10. Mai 1985, Z 2-A, keine Folge gegeben.

Das dagegen erhobene Rechtsmittel (Beschwerde - §68 Abs2 GWO) wurde mit Entscheidung der Landes-Hauptwahlbehörde vom 25. Juni 1985 als unbegründet abgewiesen.

1.4.2. Die vom Gemeinderat Franz Groihs eingelegte Beschwerde (Punkt 1.3.2.) wurde von der Bezirkswahlbehörde Mödling als unzulässig zurückgewiesen (Bescheid vom 10. Mai 1985, Z 2-A). Das gegen diese Entscheidung ergriffene Rechtsmittel (§68 Abs2 GWO) wurde von der Landes-Hauptwahlbehörde mit Beschl. vom 25. Juni 1985 als unbegründet abgewiesen, und zwar mit der Maßgabe, daß (auch) der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf Abweisung zu lauten hat.

1.5.1. Mit der vorliegenden, der Sache nach auf Art141 Abs1 litb B-VG gestützten Wahlanfechtung begehren die (drei) Gemeinderäte der Marktgemeinde Guntramsdorf Ludwig Marx, Alois Weichselbaum und Franz Groihs, die Wahl des Gemeindevorstandes vom 29. April 1985 für nichtig zu erklären.

1.5.2. Die Landes-Hauptwahlbehörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin, die Wahlanfechtung als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen.

1.6. Die Abs1 und 2 des mit "Anfechtung der Wahlen des Bürgermeisters und des Gemeindevorstandes (Stadtrates), Neuwahl des Bürgermeisters, Ergänzungswahlen" überschriebenen §68 GWO lauten folgendermaßen:

"(1) Die Wahlen des Bürgermeisters und des Gemeindevorstandes (Stadtrates) können von jedem Mitglied des Gemeinderates sowie vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer jeden im Gemeinderat vertretenen Partei innerhalb von acht Tagen nach dem Tag der Wahlen sowohl wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung als auch wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren, die auf das Ergebnis der Wahlen von Einfluß waren, schriftlich mit Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist beim Gemeindeamt einzubringen und eingehend zu begründen. Es ist darin genau anzuführen, inwieweit die Wahl angefochten wird. Der Bürgermeister hat die Landesregierung sofort von der Einbringung einer Beschwerde zu benachrichtigen. Über die Beschwerde entscheidet in erster Instanz die Bezirkswahlbehörde. Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von acht Tagen ab Zustellung der Entscheidung die Beschwerde an die Landes-Hauptwahlbehörde eingebracht werden. Soferne die Beschwerde nicht zur Gänze abgewiesen wird und die von der Bezirkswahlbehörde getroffene Entscheidung durch Beschwerde nicht neuerlich angefochten wird, ist dieselbe nach Ablauf der Beschwerdefrist an der Amtstafel der Gemeinde öffentlich bekanntzumachen."

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 litb B-VG erkennt der VfGH ua. über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde.

Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung ua. auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Sie bedarf gemäß §67 Abs2 VerfGG 1953 eines Antrages von einem Zehntel der Mitglieder der Gemeindevertretung, mindestens aber von zwei Mitgliedern.

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein.

2.1.3. Einen derartigen, die unmittelbare Anfechtung der Wahl des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Guntramsdorf beim VfGH ausschließenden Instanzenzug richtet die Bestimmung des §68 Abs1 GWO ein.

Danach steht es ua. jedem Mitglied des Gemeinderates frei, die Wahl des Gemeindevorstandes sowohl wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung als auch wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren, die auf das Ergebnis der Wahlen von Einfluß waren, schriftlich mit Beschwerde, und zwar innerhalb von acht Tagen nach dem Tag der Wahl, anzufechten.

2.2.1. Aus der Bestimmung des §68 Abs1 VerfGG 1953 iZm. §67 Abs2 VerfGG 1953 (s. Punkte 2.1.1. und 2.1.2.) folgt zwingend, daß ein wahlgesetzlich eingerichteter (administrativer) Instanzenzug durchlaufen sein muß, ehe der VfGH ("binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides") angerufen werden darf: Wer also die ihm eingeräumte Befugnis, administrative Rechtsmittel zu ergreifen, ungenützt läßt, ist zur - nachträglichen - Wahlanfechtung beim VfGH nicht berechtigt, es sei denn, daß das zunächst unangefochten gelassene (ursprüngliche) Wahlergebnis infolge eines von anderer Seite angestrengten (administrativen) Rechtsmittelverfahrens verändert wird.

Für den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich daraus, daß die von den Gemeinderäten Ludwig Marx, Alois Weichselbaum und Franz Groihs eingebrachte Wahlanfechtung gemäß Art141 Abs1 litb B-VG unzulässig ist.

Denn Franz Groihs, der die ihm zur Verfügung stehenden administrativen Rechtsmittel (erfolglos) in Anspruch nahm, ist für sich allein zur Anfechtung der Gemeindevorstandswahl vor dem VfGH schon deswegen nicht legitimiert, weil als Anfechtungswerber - kraft §67 Abs2 Satz 1 VerfGG 1953 - ein Zehntel der Mitglieder der Gemeindevertretung - das sind hier drei Gemeinderäte - einschreiten müssen (s. Punkt 1.1.): Der zweite und der dritte Anfechtungswerber vor dem VfGH, das sind die Mitglieder der Gemeindevertretung Ludwig Marx und Alois Weichselbaum, hatten sich aber mit dem am 30. April 1985 kundgemachten - und im administrativen Rechtsmittelverfahren bestätigten - Ergebnis der Wahl zum Gemeindevorstand abgefunden, indem sie selbst die Ergreifung eines entsprechenden administrativen Rechtsmittels verabsäumten.

Demgemäß liegt eine den formalen Anforderungen des §67 Abs2 Satz 1 VerfGG 1953 genügende Anfechtung gemäß Art141 Abs1 litb B-VG nicht vor: Vielmehr hätten - außer dem Gemeinderat Franz Groihs - auch die beiden anderen vor dem VfGH auftretenden Gemeinderäte (Ludwig Marx und Alois Weichselbaum) vorerst Beschwerden gemäß §68 Abs1 und 2 GWO erheben, dh. den in der GWO vorgesehenen Instanzenzug durchschreiten müssen, um dann - gemeinsam - zur (Wahl-)Anfechtung iS des Art141 Abs1 litb B-VG befugt zu sein.

2.2.2. An der Unzulässigkeit der Wahlanfechtung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die in Rede stehende Wahl (außerdem) von der im Gemeinderat vertretenen Partei SDBG mit Beschwerde gemäß §68 GWO angefochten wurde, stellt doch der erste Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953 bei Wahlen zu einem Gemeindevorstand - als Gegenstück zu den im §67 Abs2 zweiter und dritter Satz VerfGG 1953 vorgesehenen Wahlanfechtungen - auf die schon gewählten Mitglieder der Gemeindevertretung ab. Dem trug der Gemeindewahlrechtsgesetzgeber auch dadurch Rechnung, daß jedem einzelnen Gemeinderatsmitglied ein administratives Beschwerderecht (§68 GWO) eingeräumt wurde.

Die Wahlanfechtung vor dem VfGH wäre - wie der Vollständigkeit halber hinzugefügt sei - gleichermaßen unzulässig, wollte man als bf. Partei im Administrativverfahren - s. Punkte 1.3.1. und 1.4.1. - nicht die SDBG, sondern Alois Weichselbaum selbst ansehen, weil auch im gedachten Fall die Anfechtungsvoraussetzungen des §67 Abs2 Satz 1 VerfGG (hier: drei einschreitende Gemeinderäte) nicht erfüllt wären.

2.3. Die Wahlanfechtung war daher aus formalen Erwägungen als unzulässig zurückzuweisen. Das Vorbringen der Anfechtungswerber in der Sache selbst mußte demgemäß - unerörtert - auf sich beruhen.

Schlagworte

Wahlen, Gemeindevorstand, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Wahlanfechtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:WI10.1985

Dokumentnummer

JFT_10139694_85WI0010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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