TE Vfgh Erkenntnis 1986/3/7 G259/85, G260/85, G261/85

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Veröffentlicht am 07.03.1986
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/12 Studien an den Hochschulen künstlerische Richtung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
BG über technische Studieneinrichtungen §19 Abs8
KHStG §56 Abs2

Beachte

Kundmachung am 4. Juli 1986, BGBl. 348/1986; Anlaßfälle B772 - 774/84 vom 13. Juni 1986 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach Muster VfSlg. 10697/1985

Leitsatz

Kunsthochschul-StudienG; §56 Abs2 eröffnet die Möglichkeit der Führung des akademischen Grades "Magister der Künste" nur jenen, die ihr Studium nach Inkrafttreten des KunstakademieG 1948 abgeschlossen haben; Unsachlichkeit dieser Regelung im Hinblick auf den Inhalt des KunstakademieG und auf die in §19 Abs8 BG über technische Studienrichtungen, BGBl. 290/1969, für Absolventen der Studienrichtung Architektur an der Akademie für angewandte Kunst getroffene Regelung; Aufhebung einiger Worte in §56 Abs2

Spruch

In §56 Abs2 des Kunsthochschul-Studiengesetzes, BGBl. 187/1983, wird der Klammerausdruck "(§1 Abs1 Kunstakademiegesetz, BGBl. Nr. 168/1948)" als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Nach §45 Kunsthochschul-Studiengesetz (KHStG), BGBl. 187/1983, ist den Absolventen der ordentlichen Studien an den Kunsthochschulen und der Akademie der bildenden Künste der akademische Grad "Magister der Künste", lateinische Bezeichnung "Magister artium", zu verleihen. Für Personen, die ihr Studium nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes vollendet haben, bestimmt §56 Abs2:

"Personen, die vor dem Inkrafttreten des Studienplanes ein ordentliches Studium an der Akademie der bildenden Künste, an einer Kunsthochschule (§6 Kunsthochschul-Organisationsgesetz, BGBl. Nr. 54/1970) oder an einer Kunstakademie (§1 Abs1 Kunstakademiegesetz, BGBl. Nr. 168/1948) mit Diplom (Reifeprüfung) abgeschlossen haben, sind berechtigt, den im §45 Abs1 angeführten akademischen Grad zu führen. Der Rektor hat auf Antrag die Berechtigung zur Führung dieses akademischen Grades mit Bescheid festzustellen. Soweit es sich um ordentliche Studien handelte, die den Studienrichtungen 1 bis 26 sowie 29 bis 37 der Anlage A vergleichbar sind, ist dem Absolventen der akademische Grad nach erfolgreicher Absolvierung eines Ergänzungsstudiums zu verleihen.

..."

1. Beim VfGH sind Beschwerden gegen Bescheide anhängig, in denen ein Antrag auf Feststellung der Berechtigung zur Führung dieses akademischen Grades mit der Begründung abgewiesen wurde, die Antragsteller hätten ihr Studium noch vor Inkrafttreten des Kunstakademiegesetzes 1948 beendet.

Die Bf. zu B772/84 hat ihr Studium an der ehemaligen Reichshochschule für angewandte Kunst in Wien am 1. März 1945 mit Diplom (Fachklasse für Raumkunst, gewerbliche und industrielle Entwürfe) abgeschlossen, die Bf. zu B773/84 und B774/84 am 1. Juli bzw. 30. Juni 1948 an der seinerzeitigen Akademie für angewandte Kunst (Fachklasse für Mode und Werkstätte für Textilarbeiten). Die im Instanzenzug ergangenen Bescheide des Gesamtkollegiums der Hochschule für angewandte Kunst in Wien begründen die Auffassung, die Berechtigung zur Führung des in Rede stehenden akademischen Grades stehe früheren Absolventen ähnlicher Studien nur zu, wenn das Studium nach Inkrafttreten des Kunstakademiegesetzes 1948 (kundgemacht am 31. August 1948) abgeschlossen wurde, mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des §56 Abs2 KHStG. Die RV habe eine weiter gefaßte Regelung vorgesehen, der Gesetzgeber habe aber nicht mehr sämtliche Vorgängeranstalten der Kunstakademien, sondern nur mehr jene angeführt, für die das Kunstakademiegesetz 1948 (als das erste Bundesgesetz über Organisation und Bildungsauftrag der ehemaligen Kunstakademien) gegolten hatte.

Die Beschwerden sind der Meinung, in der Sache lasse sich zwischen der Reichshochschule für angewandte Kunst bzw. der Akademie für angewandte Kunst vor Inkrafttreten des Kunstakademiegesetzes 1948 und nach diesem Zeitpunkt nicht unterscheiden. In Ausbildungszweck und Ausbildungsgang sei keine Änderung eingetreten.

2. Das belangte Gesamtkollegium der Hochschule wies in seiner Gegenschrift auf ein nach Einlangen der Beschwerden beim VfGH gefälltes Erk. des VwGH hin, worin die Rechtsansicht des belangten Kollegiums geteilt wird, vertrat aber dessenungeachtet die Auffassung (Hervorhebungen im Original),

"... daß allen Absolventen der ho. Lehranstalt, die nach

Hochschulwerdung, dh. nach dem 9. 10. 1941 (Hebung zur

Reichshochschule für angewandte Kunst ...) ein gültiges Diplom

erlangt haben, aus Gleichheitsgründen Anspruch auf Verleihung des

akademischen Grades Mag. art. hätten. Es darf beispielsweise bemerkt

werden, daß allen Absolventen der Studienrichtung Architektur, die an

der ho. Lehranstalt nach dem 9. 10. 1941 ein Diplom der

Studienrichtung Architektur erlangt haben, der akademische Grad eines

Magister architecturae nachverliehen wird. Weiters darf darauf

hingewiesen werden, daß ... für die zit. Hochschulwerdung eine

wesentliche Aufstockung des Lehrangebotes als auch eine Erhöhung der

Semesteranzahl auf durchschnittlich mindestens 8 Bedingung war.

Hingegen erfolgte weder bei Umwandlung der Hochschule für angewandte

Kunst in die Akademie für angewandte Kunst ... noch durch das

Kunstakademiegesetz BGBl. Nr. 168/48 im Bereich der Studienpläne eine derartige Abänderung, noch ergingen diesbezügliche Ausführungsbestimmungen. Weiters ist zu bedenken, daß in Ermangelung eines entsprechenden Hinweises im §56 Abs2 KHSTG 1983 für Absolventen der Akademie der bildenden Künste eine zeitl. Begrenzung der Nachverleihung des akademischen Grades Mag. art. nicht gegeben ist. Dies bedeutet, daß etwa akademische Maler der Akademie der bildenden Künste und akademische Maler der szt. Reichshochschule f. angewandte Kunst bzw. Hochschule für angewandte Kunst (1945 - 1947) nunmehr von gesetzeswegen unterschiedlich behandelt werden. In diesem Sinne ist das Gesamtkollegium der Hochschule für angewandte Kunst in Wien der Ansicht, daß die im §56 Abs2 KHSTG 1983 vorgenommene Einschränkung des Personenkreises, der für eine Nachverleihung des akademischen Grades 'Magister der Künste' in Frage komme, sachlich ungerechtfertigt sei und den Gleichheitsgrundsatz entgegen der Auffassung des VwGH ... verletze."

Das belangte Kollegium legte dazu ua. das Statut der "Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums für Kunst und Industrie" und die Vorläufige Satzung der Reichshochschule für angewandte Kunst Wien vor.

3. Aus Anlaß dieser Beschwerdefälle hat der VfGH die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Klammerausdrucks "(§1 Abs1 Kunstakademiegesetz, BGBl. Nr. 168/1948)" in §56 Abs2 KHStG beschlossen. Er hat vorläufig angenommen, daß die Beschwerden zulässig sind und er bei ihrer Beurteilung §56 Abs2 dieses Gesetzes anzuwenden hätte. Er hat das Bedenken geäußert, daß die darin getroffene Regelung im Verhältnis zur Regelung in anderen - verwandten - Bereichen unsachlich unterscheidet und das Gleichheitsgebot verletzt.

a) Der Prüfungsbeschluß geht von folgenden Feststellungen aus:

§1 des BG vom 30. Juni 1948 betreffend die Errichtung von Kunstakademien (Kunstakademiegesetz), BGBl. 168/1948, bestimmte:

"(1) Die Akademie für Musik und darstellende Kunst und die Akademie für angewandte Kunst sind staatliche Kunstakademien. Sie sind dem Bundesministerium für Unterricht unmittelbar unterstellte Lehranstalten, welche die Ausbildung der künstlerischen Fähigkeiten von der mittleren bis zur höchsten Stufe und die Vermittlung fachwissenschaftlicher Kenntnisse auf dem Gebiete der Kunst bezwecken.

(2) Die Akademie für Musik und darstellende Kunst dient vornehmlich der Ausbildung von Musikern, Musiklehrern, Tänzern, Schauspielern und Regisseuren, die Akademie für angewandte Kunst vornehmlich der Ausbildung von Entwerfern auf dem Gebiete der angewandten Kunst, Architekten, Malern und Bildhauern."

Das Gesetz beschränkte sich auf wenige Sätze über die Leitung durch einen Präsidenten (§2), das Lehrerkollegium und die Lehrervollversammlung (§3), die Lehrpersonen (§4), die Kunstschüler (§5) und die Kunsthochschüler (§6) und spricht in §7 bloß aus, daß die Kunsthochschüler aufgrund der erfolgreichen Ablegung von Abschlußprüfungen Diplomzeugnisse erhalten.

In den EB zur RV (541 BlgNR V. GP) war einleitend ausgeführt (Hervorhebungen im Original):

"Die Akademie für Musik und darstellende Kunst (früher: Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst) und die Akademie für angewandte Kunst (früher: Kunstgewerbeschule) waren schon vor der deutschen Okkupation führende Kunstschulen eigenen Ranges mit dem Charakter höherer Lehranstalten. Sie wurden 1941 zu Reichshochschulen erhoben. Nach der Befreiung Österreichs ergab sich die Frage, ob die beiden Institute wieder auf den Stand von 1938 gebracht oder als österreichische Kunsthochschulen weitergeführt werden sollten. Die interministerielle Vorentscheidung fiel eindeutig für die zweite Möglichkeit, die in den Dienstpostenplänen der Jahre 1946 und 1947 bereits eskomptiert worden ist. Es ist nunmehr notwendig, diese durch ein diesbezügliches Gesetz zu verankern.

Hiebei ist von der Tatsache auszugehen, daß ein staatliches Mittelschulwesen künstlerischer Richtung fehlt ... Es wird daher sowohl an der Akademie für Musik wie an der ehemaligen Kunstgewerbeschule notwendig sein, Mittel- und Hochschulausbildung an einer Anstalt zusammenzufassen.

Von wesentlicher Bedeutung ist ferner der Umstand, daß die natürliche Begabung im höheren Kunstschulwesen eine ungleich wichtigere und entscheidendere Rolle spielt als bei den Hochschulen wissenschaftlicher Richtung ...

Da sich demnach die höheren Lehranstalten künstlerischer Richtung von den wissenschaftlichen Hochschulen in diesen beiden Punkten (Mischcharakter und freie Aufnahme) grundsätzlich unterscheiden, soll die Verschiedenheit auch bereits im Namen deutlicher zur Geltung kommen. Alle höheren Lehranstalten wissenschaftlicher Richtung heißen in Österreich 'Hochschulen', während die höheren Lehranstalten künstlerischer Richtung, wie das älteste Institut dieser Gattung, die Akademie der bildenden Künste, den Namen 'Akademie' führen und zu führen haben. ...

Es wäre von vornherein sehr verständlich gewesen, bei der Neuordnung des höheren Schulwesens künstlerischer Richtung auch die Akademie der bildenden Künste zu erfassen und in das Kunstakademiegesetz einzubeziehen. Dies wäre jedoch mit einer so grundlegenden Änderung des Statuts verbunden gewesen, daß darauf verzichtet werden mußte. Die Akademie der bildenden Künste ist nämlich seit 1872 (R.G.Bl. Nr. 135/72) Vollhochschule mit einer Rektoratsverfassung. ..."

Die in diesem Zusammenhang (zu §2 des Gesetzes) vertretene Auffassung -

"Nach übereinstimmendem Urteil empfiehlt es sich bei den Kunstakademien nicht, eine Hochschulautonomie mit Rektorat zu statuieren, die schon wegen des Mischcharakters nicht in Betracht gezogen werden kann." -

wird in der ursprünglichen Fassung der RV so begründet:

"Das überempfindliche Temperament der Künstler führt erfahrungsgemäß zu raschem Wechsel der Anschauungen, wobei persönliche Motive oft eine so große Rolle spielen, daß die Führung der Schulen durch kurzfristig gewählte Vertreter der Lehrkörper die notwendige Kontinuität und Objektivität vermissen ließe. Es ist also durchaus im Interesse der Institute selbst gelegen, wenn sie nicht mit den schwierigen Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung belastet werden, denen sie nicht gewachsen wären."

Ein nach der Beratung der Vorlage im Unterrichtsausschuß verfaßtes Schreiben des Bundesministers für Unterricht vom 21. Mai 1948 an den Präsidenten des Nationalrates (zu 541 BlgNR) unternimmt es, "zur Vermeidung von Mißverständnissen oder ausweitenden Interpretationen Änderungen" in den EB vorzunehmen und ersetzt diese Sätze durch folgenden Text:

"Überdies ist zu erwarten, daß die oft recht schwierigen Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung von Künstlern, die in verantwortlicher und vorbildlicher Weise schöpferisch und erzieherisch tätig sind, als lästig empfunden werden."

Erst durch das Kunsthochschul-Organisationsgesetz, BGBl. 54/1970, wurde die Akademie für angewandte Kunst in Wien zur "Hochschule für angewandte Kunst in Wien" mit Rektoratsverfassung.

b) Das Erk. des VwGH vom 30. Oktober 1984, Z 84/07/0306 (VwSlg. 11569 A/1984 S 521), führt zu §56 Abs2 KHStG im einzelnen aus:

"Wenn es zuträfe, daß der Gesetzgeber in den Kreis der zur Führung des in Rede stehenden akademischen Grades Berechtigten die Absolventen der Hochschule für angewandte Kunst in Wien seit dem tatsächlichen Bestehen dieser Anstalt unter der Bezeichnung 'Hochschule' oder 'Akademie' hätte einbezogen wissen wollen, wäre der Hinweis auf §6 des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes im §56 KHStG hinreichend gewesen, da das Kunsthochschul-Organisationsgesetz von den Kunsthochschulen (§1) als bereits bestehenden (§6) Hochschulen spricht und in diesem Zusammenhang (§6 lita) die Hochschule für angewandte Kunst in Wien mit dem Zusatz '(bisher 'Akademie für angewandte Kunst in Wien')' anführt. Durch den zusätzlichen Hinweis auf §1 Abs1 des am 1. September 1948 in Kraft getretenen Kunstakademiegesetzes, BGBl. Nr. 168/1948, mit welchem erstmals eine Rechtsgrundlage für die unter anderem dort genannte Akademie für angewandte Kunst geschaffen wurde, ist demgegenüber klargestellt, daß §56 KHStG die Hochschule bzw. Akademie für angewandte Kunst in Wien nur im zeitlichen Geltungsbereich des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes sowie des Kunstakademiegesetzes betrifft. Dazu kommt, was im angefochtenen Bescheid zutreffend erwähnt wurde, daß die Regierungsvorlage zum KHStG (1214 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP) in ihrem §55 Abs2 folgende (Übergangs-)Bestimmung vorgesehen hatte:

'Personen, die vor dem Inkrafttreten des Studienplanes ein ordentliches Studium an einer inländischen Hochschule, an einer ehemaligen inländischen Kunstakademie, an der ehemaligen Reichshochschule für angewandte Kunst in Wien, an den ehemaligen Reichshochschulen für Musik in Wien, Graz und Salzburg sowie an der ehemaligen Hochschule für angewandte Kunst in Wien mit Diplom (Reifeprüfung) abgeschlossen haben, sind berechtigt, den im §45 Abs1 angeführten akademischen Grad zu führen. Der Rektor hat auf Antrag die Berechtigung zur Führung dieses akademischen Grades mit Bescheid festzustellen.'

Die angegebene Unterscheidung des Gesetz gewordenen Textes von der Gesetzesvorlage verdeutlicht, daß die zuvor beschriebene Eingrenzung auf den zeitlichen Geltungsbereich der bezeichneten Gesetze aus 1970 und 1948 der Absicht des Gesetzgebers entspricht. Der VwGH kann auch nicht finden, daß die darin liegende unterschiedliche Behandlung von Absolventen der genannten Anstalt das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot verletzt. Erst im Kunstakademiegesetz, das schon seinem Titel nach 'die Errichtung von Kunstakademien' betraf, ist nämlich ausgesprochen, daß die Akademie für angewandte Kunst 'staatliche Kunstakademie' mit einer gleichzeitig näher bestimmten Organisation ist und die Ausbildung der künstlerischen Fähigkeiten von der mittleren 'bis zur höchsten Stufe' und die Vermittlung fachwissenschaftlicher Kenntnisse auf dem Gebiet der Kunst bezweckt. Im Ausschußbericht zur Regierungsvorlage betreffend das Kunstakademiegesetz (569 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates - V. GP) heißt es dementsprechend, im Jahr 1945 habe (unter anderem) die 1941 zur Reichshochschule erhobene Akademie für angewandte Kunst den Charakter einer Hochschule verloren und es habe sich die Frage aufgedrängt, ob die Schule wieder in den Stand einer Kunstschule eigenen Ranges und mit dem Charakter einer höheren Lehranstalt zurückversetzt oder ob sie als österreichische Hochschule weitergeführt werden solle. Da gegen die Einrichtung als volle Hochschule beachtenswerte Einwände erhoben worden seien, habe man sich zu einer Mittelstellung zwischen Mittel- und Hochschule und zur Verleihung eines hochschulähnlichen Charakters entschlossen. Auch in den Erläuternden Bemerkungen zur selben Regierungsvorlage (541 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates - V. GP) ist davon die Rede, daß die Weiterführung der genannten Anstalt als österreichische Kunsthochschule nun 'durch ein diesbezügliches Gesetz zu verankern' sei. Daß der Geltungsbeginn der für den Charakter einer öffentlichen Lehranstalt maßgebenden Rechtsgrundlage den Anknüpfungspunkt für eine gesetzliche Abgrenzung zur Berechtigung der Führung eines näher bestimmten akademischen Grades dieser Anstalt bildet, erscheint dem VwGH keine unsachliche Regelung zu sein."

Der VfGH teilte vorläufig die Meinung des VwGH über den Inhalt der in Prüfung gezogenen Vorschrift und pflichtete ihm auch in der These zu, es stehe dem Gesetzgeber frei, die Verleihung österreichischer akademischer Grade an frühere Absolventen auf die Absolventen von solchen Lehranstalten zu beschränken, denen nach den einschlägigen österreichischen Organisationsvorschriften bereits der Charakter einer Hochschule zugekommen ist.

c) Seine Bedenken hat der VfGH sodann so umschrieben:

"Das belangte Kollegium der Hochschule weist jedoch nunmehr auf das Bundesgesetz über technische Studienrichtungen, BGBl. 290/1969, hin, welches das Studium der Architektur auch an der Akademie der bildenden Künste und der Akademie (jetzt: Hochschule) für angewandte Kunst vorsieht (§§14 bis 17) und bestimmt, daß an die Absolventen des Diplomstudiums der Architektur an der Akademie der bildenden Künste und an der Akademie (Hochschule) für angewandte Kunst der akademische Grad 'Magister der Architektur', lateinische Bezeichnung 'Magister architecturae' verliehen wird (§17). §19 Abs8 ergänzt nun aber diese Bestimmung dahin, daß Absolventen der Studienrichtung Architektur an der Akademie der bildenden Künste und an der Akademie für angewandte Kunst, die ihr Studium vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes abgeschlossen haben (Hervorhebung nicht original), das Recht zur Führung dieses akademischen Grades erhalten.

Die Akademie für angewandte Kunst bestand jedoch (arg. §1 KunstakademieG) schon vor Inkrafttreten des Kunstakademiegesetzes 1948 und scheint mit der ehemaligen Reichshochschule für angewandte Kunst ident gewesen zu sein (vgl. den Erlaß vom 4. September 1947, BMU-VOBl. Nr. 63).

Der VfGH geht daher vorläufig davon aus, daß dieses Gesetz die Verleihung des akademischen Titels an frühere Absolventen nicht mit dem Inkrafttreten des Kunstakademiegesetzes 1948 begrenzt.

Angesichts der Einschätzung der beiden Fallgruppen durch das belangte Kollegium kann der VfGH vorläufig zwischen dem Studium der Architektur und den anderen Studien an der früheren Akademie oder Reichshochschule für angewandte Kunst keinen Unterschied erkennen, der eine verschiedene Behandlung in bezug auf das Recht zur Führung des einschlägigen akademischen Titels rechtfertigen könnte."

4. Die Bundesregierung hat von einer Äußerung in der Sache abgesehen.

II. Die Verfahren sind zulässig. Es ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung erweckt hätte.

III. Die Bedenken des VfGH sind auch begründet. Der Klammerausdruck in §56 Abs2 des Kunsthochschul-StudienG ist gleichheitswidrig.

Der Inhalt des Kunstakademiegesetzes 1948, dessen §1 ua. die Akademie für angewandte Kunst zur staatlichen Kunstakademie erklärt, und die im Prüfungsbeschluß auszugsweise wiedergegebenen EB der RV zum Gesetz zeigen, daß dieser Gesetzgebungsakt am Ausbildungsgang der Kunsthochschüler nichts ändern wollte und nichts geändert hat. Die schon vorher bestandene Akademie für angewandte Kunst ist mit der früheren (Reichs-)Hochschule für angewandte Kunst identisch (vgl. den Erlaß des Bundesministers für Unterricht vom 4. September 1947, VÖBl. Nr. 63, der sich auf den Ausspruch beschränkt, die Hochschule für angewandte Kunst habe mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1947 den Namen "Akademie für angewandte Kunst" zu führen).

Wenn unter diesen Umständen §19 Abs8 des BG über technische Studienrichtungen, BGBl. 290/1969, Absolventen der Studienrichtung Architektur an der Akademie für angewandte Kunst, die ihr Studium vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes abgeschlossen haben, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kunstakademiegesetzes 1948 das Recht zur Führung des akademischen Grades eines Magisters der Architektur (Magister architecturae) verleiht, ist es unsachlich, wenn §56 Abs2 Kunsthochschul-StudienG die Möglichkeit der Führung des akademischen Grades Magister der Künste (Magister artium) nur jenen eröffnet, die ihr Studium nach Inkrafttreten des Kunstakademiegesetzes 1948 abgeschlossen haben. Es findet sich keine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung.

Da das verfassungswidrige Ergebnis - wie die Auslegung durch den VwGH zeigt: zwingend - durch den in Prüfung gezogenen Klammerausdruck herbeigeführt wird, ist dieser Klammerausdruck durch Aufhebung zu beseitigen und damit die Möglichkeit einer Auslegung zu schaffen, die der Regelung im BG über technische Studienrichtungen entspricht.

Dem zur Sicherung der Gleichbehandlung erforderlichen Ausspruch über die Nichtanwendung der aufgehobenen Bestimmung auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände (Art140 Abs7 Satz 2 B-VG) steht nichts entgegen. Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG und §64 VerfGG.

Schlagworte

Hochschulen, Titel (Hochschulen)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:G259.1985

Dokumentnummer

JFT_10139693_85G00259_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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