TE Vfgh Erkenntnis 1986/3/7 B782/84

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Veröffentlicht am 07.03.1986
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Allg
Bgld NaturschutzG §15 Abs2
Bgld NaturschutzG §19 Abs1
Bgld NaturschutzG §29 Abs3 lita
Natur- und LandschaftsschutzV Neusiedlersee. LGBl 22/1980 §2 erster Satz

Leitsatz

Bgld. NaturschutzG §§15 und 19; Natur- und LandschaftsschutzV Neusiedlersee §2; Verordnungen sind in Übereinstimmung mit der ranghöheren Norm auszulegen, sofern eine derartige Interpretation möglich ist; in §2 der V ausgesprochenes Verbot, das Landschaftsbild zu "verunstalten", entspricht dem Verbot des §19 Abs1 NSchG, es "grob zu beeinträchtigen" - kein Überschreiten der Verordnungsermächtigung; keine Bedenken gegen die V

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bgld. Landesregierung hat mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 24. August 1984 den Bf. schuldig erkannt, dadurch eine Übertretung des §2 der V der Bgld. Landesregierung vom 16. Juli 1980, LGBl. 22, mit dem der Neusiedlersee und seine Umgebung zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet erklärt wird (Natur- und LandschaftsschutzV Neusiedlersee), begangen zu haben, daß er vor dem 7. April 1983 im Teilnaturschutzgebiet Neusiedlersee im Ried Obere Froschau, KG Neusiedl am See, ein Zelt aufgeschlagen und einen nichtzugelassenen Traktor abgestellt habe, wodurch das Landschaftsbild verunstaltet worden sei. Gemäß §29 Abs1 (richtig offenkundig: Abs3) lita des Bgld. Naturschutzgesetzes, LGBl. 23/1961, idF der Nov. LGBl. 9/1973 wurden über den Bf. eine Geldstrafe und eine Ersatzarreststrafe verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der ausschließlich die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V (nämlich des §2 der Natur- und LandschaftsschutzV Neusiedlersee) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. In eventu wird begehrt, "die Beschwerde an den VfGH gem. Art144 Abs2 B-VG zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt wurde, abzutreten". Offenkundig handelt es sich hier um einen Schreibfehler. Es wird mit dem Eventualantrag sohin die Abtretung an den VwGH verlangt.

3. Die Bgld. Landesregierung als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Die hier maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Gemäß §1 des Bgld. Naturschutzgesetzes idF der Nov. 1973 (NSchG) dient dieses Gesetz dem Schutz und der Pflege der heimatlichen Natur in allen ihren Erscheinungsformen. Es werden insbesondere geschützt:

"a) ...

b) ...

c) Räumlich abgegrenzte Naturgebiete (Naturgebietsschutz);

d) die Landschaft als bildhafte Gesamterscheinung der Natur (Landschaftsschutz)".

Nach §15 Abs1 NSchG kann die Landesregierung nach Anhören der beteiligten Gemeinde bestimmte Gebiete zu Naturschutzgebieten erklären.

§15 Abs2 NSchG lautet:

"In diesen Voll- und Teilnaturschutzgebieten kann die Landesregierung durch Verordnung Eingriffe, die der Erhaltung der Schutzgebiete zuwiderlaufen, untersagen, soweit solche Eingriffe nicht im Interesse der Sicherheit von Menschen oder zur Abwehr der Gefahr bedeutsamer Sachschäden vorgenommen werden müssen."

Der den Landschaftsschutz behandelnde §19 NSchG bestimmt in seinem Abs1:

"Die Landesregierung kann Gebiete von hervorragender landschaftlicher Schönheit oder Gebiete, die für die Erholung der Bevölkerung und für den Fremdenverkehr bedeutsam sind, durch Verordnung zu Landschaftsschutzgebieten erklären und in diesen Gebieten grobe, den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe in das Landschaftsbild, sofern diese mit einem verwaltungsbehördlich genehmigten Unternehmen nicht notwendigerweise verbunden sind, verbieten."

2. Mit §1 Abs1 der auf die §§15 und 19 NSchG gestützten Natur- und LandschaftsschutzV Neusiedlersee, LGBl. 22/1980, wurden der Neusiedlersee und seine Umgebung mit der im Abs2 umschriebenen Umgrenzung zum Landschaftsschutzgebiet sowie zum Teilnaturschutzgebiet (Pflanzen-, Tier- und Vogelschutzgebiet) erklärt.

Die Riede des Bf. werden von dieser V erfaßt.

Wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides deutlich gemacht wird, wurde der Bf. nicht der Übertretung einer der speziellen Verbotsbestimmungen des §2, sondern der Übertretung der im ersten Satz enthaltenen Generalklausel schuldig erkannt.

Diese lautet:

"Innerhalb des im §1 bezeichneten Gebietes ist es verboten, Landschaftsteile zu verändern, zu beschädigen oder zu beseitigen oder überhaupt Eingriffe vorzunehmen, die geeignet sind, die Natur zu schädigen, den Naturgenuß zu beeinträchtigen, das Landschaftsbild zu verunstalten oder die Sicht auf den See und die Zugänglichkeit des Seeufers zu erschweren oder zu unterbinden."

III. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. a) Der Bf. erachtet den ersten Satz des §2 der Natur- und LandschaftsschutzV Neusiedlersee deshalb für gesetzwidrig, weil hier - entgegen dem Gesetz - nicht bloß ein grober, sondern jedweder Eingriff verboten wird.

b) Die V erging in Durchführung sowohl des §15 (betreffend Naturgebietsschutz) als auch des §19 NSchG (betreffend Landschaftsschutz).

Anders als §15 Abs2 erlaubt §19 Abs1 NSchG seinem Wortlaut nach dem Verordnungsgeber lediglich, in Landschaftsschutzgebieten "grobe, den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe in das Landschaftsbild" zu verbieten.

§2 erster Satz der V enthält nun eine derartige ausdrückliche Einschränkung nicht, sondern verbietet ua., "Eingriffe vorzunehmen, die geeignet sind, den Naturgenuß zu beeinträchtigen" und "das Landschaftsbild zu verunstalten". Dennoch ist der Verordnungsgeber nicht über die ihm von Gesetzes wegen erteilte Ermächtigung hinausgegangen:

Auch V sind - ebenso wie Gesetze (vgl. zB VfSlg. 9884/1983) - in Übereinstimmung mit der ranghöheren Norm auszulegen, sofern eine derartige Interpretation möglich ist. Dies ist hier der Fall: Das Gesetz zielt darauf ab, in bestimmten Gebieten (Landschaftsschutzgebieten) die Landschaft als bildhafte Gesamterscheinung zu schützen (§1 litd NSchG); §19 Abs1 NSchG ist daher derart auszulegen, daß der Verordnungsgeber ermächtigt wird, alle Eingriffe zu verbieten, die diesem Ziel zuwiderlaufen. §19 Abs1 NSchG bezeichnet derartige Eingriffe als "grob". §2 erster Satz der V unterläßt zwar diese Apostrophierung als "grob"; die Verordnungsbestimmung verbietet jedoch, das Landschaftsbild zu "verunstalten"; dieser Ausdruck ist aber inhaltlich ident mit "grob beeinträchtigen". Die V untersagt also auch in diesem Zusammenhang nur die vom Gesetz gemeinten Eingriffe, nämlich solche, die wegen ihrer für das Landschaftsbild negativen Auswirkungen im gegebenen Zusammenhang als grob anzusehen sind, auch wenn die V sie nicht ausdrücklich mit diesem Attribut versieht.

Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles aus anderen als den vom Bf. vorgebrachten Gründen weder gegen die Natur- und LandschaftsschutzV Neusiedlersee noch gegen die weiteren, den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften Bedenken.

Der Bf. ist sohin durch den bekämpften Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

2. Da der Bf. nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet hat, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes vorliegt (zB VfSlg. 9607/1983).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Natur- und Landschaftsschutz, Auslegung einer Verordnung, Verordnungsermächtigung, VfGH / Sachentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B782.1984

Dokumentnummer

JFT_10139693_84B00782_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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