TE Vfgh Beschluss 1986/3/10 B902/85

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Veröffentlicht am 10.03.1986
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

AVG §61a: VfGG §19 Abs3 Z2 litb
VfGG §33, §35
ZPO §§146 ff
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

VerfGG 1953; ZPO §146 Abs1 idF BGBl. 135/1983; Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Beschwerdeerhebung gemäß Art144 B-VG; keine Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung, auch nicht durch belehrenden Hinweis auf die gesetzliche Möglichkeit der Erhebung einer Aufsichtsbeschwerde; Unterlassung eines Hinweises iS des §61a AVG 1950 auf die Möglichkeit der Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kein Wiedereinsetzungsgrund; Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht gegeben

Spruch

1. Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 15. Dezember 1984 wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Das Kuratorium des Versorgungsfonds der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs hat mit Bescheid vom 19. September 1984 festgestellt, daß der Bf. "seit 1. Juni 1976 dem Versorgungsfonds als zugehörig anzusehen" ist und "daher die gemäß §64 Abs2 des Tierärztegesetzes, BGBl. 16/1975, von der Hauptversammlung der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs beschlossenen Beitragsleistungen zu bezahlen" hat.

Der gegen diesen Bescheid vom Bf. erhobenen Berufung hat der Vorstand der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs mit Bescheid vom 15. Dezember 1984 keine Folge gegeben.

Dieser Bescheid enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung:

"Gegen diesen Bescheid steht ein Rechtsmittel dem ordentlichen Verfahren nicht zu. Auf die Möglichkeit der Aufsichtsbeschwerde des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz wird hingewiesen."

Aufgrund dieser Rechtsmittelbelehrung erhob der Bf. gegen den Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 15. Dezember 1984 Aufsichtsbeschwerde. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat dem Bf. mit Schreiben vom 11. April 1985 mitgeteilt, daß er aufgrund der Aufsichtsbeschwerde keinen Anlaß zu einer aufsichtsbehördlichen Verfügung gemäß §50 Abs4 des Tierärztegesetzes gefunden hat.

Der Bf. wertete das Schreiben des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 11. April 1985 als Bescheid und erhob dagegen eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Diese Beschwerde hat der VfGH mit Beschl. VfSlg. 10569/1985 zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH der Erklärung einer Behörde, daß sie zu einer aufsichtsbehördlichen Verfügung keinen Anlaß finde, jeder rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende Inhalt fehle und daß ein derartiger Verwaltungsakt daher kein Bescheid iS des Art144 Abs1 B-VG sei. Der Beschluß des VfGH ist dem Bf. am 25. November 1985 zugestellt worden.

2. Mit einem am 9. Dezember 1985 zur Post gegebenen Schreiben stellt der Bf. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 15. Dezember 1984 gemäß Art144 B-VG an den VfGH. Gleichzeitig wurde gegen den genannten Bescheid eine Beschwerde eingebracht.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird ausgeführt, der Vorstand der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs habe in seiner Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich auf die Aufsichtsbeschwerde hingewiesen; er habe damit zu erkennen gegeben, daß die Aufsichtsbehörde den Bescheid überprüfen und aufheben könne. Dabei sei keinesfalls vorhersehbar gewesen, daß die Aufsichtsbehörde iS der Ausführungen des Beschlusses des VfGH "zu B378/85 nicht mittels Bescheides erkennen würde".

Der Bf. sei sohin durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis unverschuldet an der rechtzeitigen Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 15. Dezember 1984 gehindert worden; dieses Versäumnis habe den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Handlung zur Folge gehabt. Nach ständiger Judikatur des VfGH stelle die Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung ein unvorhergesehenes Ereignis iS des §146 Abs1 ZPO dar.

3. Das VerfGG 1953 regelt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst; demnach sind nach §35 leg. cit. die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil eines Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumnis zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das ist dann der Fall, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983 und 10473/1985).

4. Zum Vorbringen des Bf. ist zunächst zu bemerken, daß seine Behauptung, der Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 15. Dezember 1984 habe eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthalten, nicht zutrifft. Die Rechtsmittelbelehrung, daß im ordentlichen Verfahren gegen den aufgrund einer Berufung gegen eine Entscheidung des Kuratoriums (§63 Abs6 des Tierärztegesetzes) ergangenen Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist, entspricht dem Gesetz. Ein weiterer Instanzenzug innerhalb der Organisation der Tierärztekammer als Selbstverwaltungskörperschaft oder ein Rechtsmittel gegen die letztinstanzliche Entscheidung eines Organes einer Selbstverwaltungskörperschaft an eine staatliche Behörde müßte im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sein (vgl. VfSlg. 6305/1970).

Durch den belehrenden Hinweis auf die - nach dem Gesetz bestehende - Möglichkeit der Erhebung einer Aufsichtsbeschwerde bei der Aufsichtsbehörde wird die Rechtsmittelbelehrung, daß ein ordentliches Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht zulässig ist, nicht unrichtig. Es ist daher ausgeschlossen, die im Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs enthaltene Rechtsmittelbelehrung als unrichtige Rechtsmittelbelehrung zu werten, die gemäß der Rechtsprechung des VfGH eine Bewilligung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Folge haben könnte. Der Sinn der Rechtsmittelbelehrung ist trotz der textlichen Fehler klar erkennbar.

Es trifft zu, daß der Vorstand der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs verpflichtet gewesen wäre, gemäß §61a AVG 1950 (nach §52 Abs1 des Tierärztegesetzes finden, soweit dieses BG nichts anderes bestimmt, auf das Verfahren in den Angelegenheiten des eigenen und des übertragenen Wirkungsbereiches die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 Anwendung), idF der Nov. 1982, BGBl. 199 (in Kraft getreten am 1. März 1983), auf die Möglichkeit der Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes hinzuweisen.

Da aber die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes nicht von der Erteilung einer Rechtsbelehrung über Rechtsmittel abhängt, sondern sich allein nach den hiefür geltenden Vorschriften richtet, kann in der Unterlassung eines Hinweises iS des §61a AVG 1950 nicht ein Umstand erblickt werden, aus dem ein Grund für die Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages abgeleitet werden könnte (vgl. VwGH 17. Mai 1984 Z 83/06/0237, 0238, 0239). Die Voraussetzungen für die Bewilligung des Antrages auf Wiedereinsetzung liegen, da der Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs keine unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthalten hat, nicht vor; der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen.

Dies war gemäß §33 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung zu beschließen.

5. Da die Wiedereinsetzung nicht bewilligt wurde, ist die Beschwerde gegen den Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 15. Dezember 1984, nach dessen Zustellung die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde erhoben wurde, mit dem am 9. Dezember 1985 zur Post gegebenen Schriftsatz jedenfalls erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist und damit offensichtlich verspätet eingebracht worden. Sie war daher als verspätet zurückzuweisen.

Schlagworte

Bescheid Rechtsmittelbelehrung, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B902.1985

Dokumentnummer

JFT_10139690_85B00902_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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