TE Vfgh Beschluss 2006/9/28 G10/06

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Veröffentlicht am 28.09.2006
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
PrivatfernsehG (PrTV-G) §13, §69 Abs6

Leitsatz

Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung einer Bestimmung des Privatfernsehgesetzes betreffend die Nutzung von analogen Übertragungskapazitäten des ORF infolge rückwirkender Änderung der im Anlassfall präjudiziellen Regelung

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

Begründung:

1. Mit Bescheid vom 1. Juli 2003, GZ 611.184/002-BKS/2003, setzte der Bundeskommunikationssenat gem. §13 des Bundesgesetzes, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden (Privatfernsehgesetz - PrTV-G), BGBl. I 84/2001, das Entgelt für die zeitweise Nutzung der Übertragungskapazität des Österreichischen Rundfunks (ORF) am Standort Wien 1 (Kahlenberg) zur Verbreitung eines Fernsehprogramms auf Kanal 34 durch die Puls TV City mit € 262.620,-- netto jährlich fest. Aus Anlass der dagegen seitens des ORF eingebrachten, unter B1100/03 protokollierten Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Dezember 2005 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §13 PrTV-G, BGBl. I 84/2001, ein.

2. §13 PrTV-G lautet in der in Prüfung gezogenen Fassung wie folgt:

"Nutzung von analogen Übertragungskapazitäten des Österreichischen

Rundfunks

§13. (1) Der Österreichische Rundfunk hat Zulassungsinhabern von nicht-bundesweiten Zulassungen gegen ein angemessenes Entgelt die zeitweise Nutzung ihm zugeordneter Übertragungskapazitäten zu gestatten, sofern der Österreichische Rundfunk von einem Sendestandort aus gleichzeitig zwei oder mehrere dieser Übertragungskapazitäten, über die regionale Sendungen verbreitet werden (§3 Abs2 ORF-G), mehr als zwölf Stunden täglich zur Verbreitung ein und desselben Programms in einem Verbreitungsgebiet nutzt.

(2) Zur zeitweisen Nutzung durch Inhaber einer nicht-bundesweiten Zulassung stehen jedenfalls die in Anlage 3 angeführten Übertragungskapazitäten zur Verfügung. Die Regulierungsbehörde kann nach Anhörung des Österreichischen Rundfunks in einer Verordnung weitere Übertragungskapazitäten im Sinne des Abs1 festlegen, sofern sichergestellt ist, dass trotz deren Nutzung durch Inhaber einer nicht-bundesweiten Zulassung die Versorgung der Bevölkerung im Verbreitungsgebiet mit den für dieses Verbreitungsgebiet gestalteten Fernsehprogrammen des Österreichischen Rundfunks gewährleistet ist (§3 ORF-G). Die Verordnung ist gleichzeitig mit der Ausschreibung gemäß §17 Abs2 im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' und in sonstiger geeigneter Weise zu veröffentlichen.

(3) Die Nutzung ist für eine den wirtschaftlichen und programmlichen Anforderungen des Zulassungsinhabers angemessene Dauer und unter Berücksichtigung des Versorgungsauftrages (§3 Abs2 ORF-G) des Österreichischen Rundfunks zu gestatten, wobei die Versorgung der Bevölkerung im Verbreitungsgebiet mit den für dieses Verbreitungsgebiet gestalteten Fernsehprogrammen des Österreichischen Rundfunks zu gewährleisten ist (§3 ORF-G).

(4) Der Österreichische Rundfunk hat hinsichtlich der Nutzung eine vertragliche Vereinbarung unter Zugrundelegung eines angemessenen Entgelts mit dem Zulassungsinhaber abzuschließen. Kommt zwischen dem Österreichischen Rundfunk und dem Zulassungsinhaber innerhalb von sechs Wochen ab dem Einlangen einer Nachfrage keine vertragliche Vereinbarung zu Stande, kann von den Beteiligten die Regulierungsbehörde angerufen werden.

(5) Die Regulierungsbehörde entscheidet innerhalb von zwei Monaten nach Anrufung durch die Beteiligten über die Verpflichtung zur Einräumung oder die Angemessenheit der Dauer der Nutzung oder die Höhe des Entgelts. Bei dieser Entscheidung kann die Regulierungsbehörde nach Anhörung des Landes oder der Länder, in welchem oder welchen das Programm des Inhabers der nicht-bundesweiten Zulassung verbreitet werden soll, durch geeignete Auflagen sicherstellen, dass Sendungen des Österreichischen Rundfunks, an denen ein besonderes lokales oder regionales öffentliches Informationsinteresse besteht, vom Österreichischen Rundfunk ausgestrahlt werden können."

§13 PrTV-G wurde mit Bundesgesetz vom 19. Mai 2006, BGBl. I 66/2006, novelliert. Die neue Fassung, die gem. §69 Abs6 leg.cit. rückwirkend mit 1. August 2001 in Kraft getreten ist, lautet:

"Nutzung von analogen Übertragungskapazitäten des Österreichischen

Rundfunks

§13. (1) Der Österreichische Rundfunk hat Zulassungsinhabern nicht-bundesweiter Zulassungen nach Maßgabe der folgenden Absätze die Nutzung der in Anlage 3 angeführten Übertragungskapazitäten zu gestatten.

(2) Die Nutzung ist für eine den wirtschaftlichen und programmlichen Anforderungen des Zulassungsinhabers angemessene Dauer zu gestatten, wobei die Versorgung der Bevölkerung im Verbreitungsgebiet mit den bundesweiten Fernsehprogrammen des Österreichischen Rundfunks und mit den für dieses Verbreitungsgebiet gestalteten regelmäßigen regionalen Sendungen (§3 Abs2 ORF-G) zu gewährleisten ist.

(3) Der Österreichische Rundfunk hat hinsichtlich der Nutzung eine vertragliche Vereinbarung mit dem Zulassungsinhaber abzuschließen. Für die Nutzung der Übertragungskapazität sind dem Österreichischen Rundfunk - anteilsmäßig und abhängig von der Dauer der Nutzung gemäß Abs2 - einerseits jene Kosten zu ersetzen, welche diesem selbst in Form von Abgaben für die Zuordnung oder die laufende Nutzung der Übertragungskapazität entstehen und andererseits jene Kosten, die sich unmittelbar aus den erforderlichen technischen Umstellungsmaßnahmen ergeben. Kommt zwischen dem Österreichischen Rundfunk und dem Zulassungsinhaber innerhalb von sechs Wochen ab dem Einlangen einer Nachfrage keine vertragliche Vereinbarung zu Stande, kann von den Beteiligten die Regulierungsbehörde angerufen werden.

(4) Die Regulierungsbehörde entscheidet innerhalb von vier Monaten nach Anrufung durch die Beteiligten. Die Entscheidung ersetzt eine zu treffende Vereinbarung und hat insbesondere einen Ausspruch über die Dauer der Nutzung (Abs2), die Höhe der abzugeltenden Kosten (Abs3) und die Modalitäten der Auf- und Abschaltung der Sendesignale zu enthalten. Bei ihrer Entscheidung hat die Regulierungsbehörde nach Anhörung des Landes oder der Länder, in welchem oder welchen das Programm des Inhabers der nicht-bundesweiten Zulassung verbreitet werden soll, durch geeignete Auflagen sicherzustellen, dass Sendungen des Österreichischen Rundfunks, an denen ein besonderes lokales oder regionales öffentliches Informationsinteresse besteht, vom Vsterreichischen Rundfunk ausgestrahlt werden können.

(5) Wenn der Zulassungsinhaber zugleich eine Mitbenutzung der Sendeanlagen (§19 PrTV-G) des Österreichischen Rundfunks begehrt und eine Vereinbarung über das Mitbenutzungsrecht oder das angemessene Entgelt nicht zustande kommt, hat die Regulierungsbehörde in ihre Entscheidung gemäß Abs4 auch einen Ausspruch gemäß §19 Abs3 aufzunehmen."

3. Der Verfassungsgerichtshof ist in dem dem Gesetzesprüfungsverfahren zu Grunde liegenden Beschluss davon ausgegangen, dass §13 PrTV-G, BGBl. I 84/2001, im Anlassverfahren präjudizielle Bedeutung zukomme. Diese Bestimmung wurde - wie oben unter Punkt 2 dargelegt - durch die mit BGBl. I 66/2006 getroffene Neufassung des §13 PrTV-G ersetzt. Die Neuregelung trat gem. §69 Abs6 leg.cit. rückwirkend mit 1. August 2001 in Kraft.

Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, ein vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenes Gesetz während des anhängigen Verfahrens zu ändern und so Einfluss auf das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu nehmen. Dem Gesetzgeber ist dabei aber insoweit eine Grenze gezogen, als er nicht in der "erweislichen oder doch vom Ergebnis her erschließbaren" Absicht handeln darf, ein anhängiges Gesetzesprüfungsverfahren ganz oder teilweise zu vereiteln (VfSlg. 10.091/1984). Die bloß von dieser Absicht getragene Erlassung eines Gesetzes widerspräche nämlich dem Ziel des Art140 B-VG, eine umfassende Kontrolle der Legislativakte auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten (vgl. VfSlg. 16.738/2002).

Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor: Die Novelle will vielmehr den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 15. Dezember 2005, B1100/03, geäußerten Bedenken gegen die bisherige Fassung des §13 PrTV-G Rechnung tragen (vgl. dazu 799/A BlgNR, 22. GP).

Daher ist die Neufassung für die Beurteilung der im Anlassfall anhängigen Beschwerde maßgeblich, weil sie rückwirkend, mit einem vor dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides liegenden Zeitpunkt, in Kraft getreten ist. Da die rückwirkende Änderung bewirkt, dass die Anlassbeschwerde bereits unter Anwendung des §13 PrTV-G idF BGBl. I 66/2006 zu beurteilen ist, ist nur diese Bestimmung präjudiziell im Sinne des Art140 Abs1 B-VG (vgl. z.B. VfSlg. 9167/1981, 11.401/1987).

Das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren war daher einzustellen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsgegenstand, Rundfunk, Privatfernsehen, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Novellierung, Rückwirkung, Anwendbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:G10.2006

Dokumentnummer

JFT_09939072_06G00010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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