TE Vfgh Erkenntnis 1986/3/14 B668/83

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Veröffentlicht am 14.03.1986
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs3
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
GVG 1919 §5 Abs1 Z1
Tir GVG §1 Abs1 Z1
Tir GVG §6 Abs1 litc

Leitsatz

Tir. GVG; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung gemäß §4 Abs1 sowie §6 Abs1 litc und litf; keine Bedenken gegen §6 Abs1 litc; gesetzmäßige Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch die Grundverkehrsbehörde - kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Verletzung im Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes; vertretbare Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Kaufvertrag vom 18. Dezember 1979 erwarben die Bf. je zur

Hälfte von der Republik Österreich aus deren Liegenschaft ... KG

Ischgl die neugebildete Gp. ... mit 288 Quadratmeter sowie 2

Teilflächen im Ausmaß von 51 Quadratmeter und 40 Quadratmeter der

Gp. ... um einen Kaufpreis von 430 S/Quadratmeter.

1.2. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Ischgl vom 8. September 1982 wurde der beabsichtigten Eigentumsübertragung gemäß §6 Abs1 litf GVG 1970 idgF - wiederverlautbart mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) - die Zustimmung versagt.

1.3. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 30. August 1983, Z LGv-708/8-82, keine Folge gegeben und der gegenständlichen Eigentumsübertragung an die Bf. gemäß §4 Abs1 und §6 Abs1 litc und litf GVG die Zustimmung versagt.

Die Landesgrundverkehrsbehörde stellte zunächst fest, daß das neugebildete Grundstück einem nicht mehr sichtbaren ehemaligen Wassergerinne ("Mühlbach") entspreche; ein ergänzend durchgeführtes Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß es sich bei dem Kaufgrundstück um eine im Durchschnitt 2,2 m breite, fast 200 m lange Grundfläche handle. Die Teilfläche 5 derselben liege unmittelbar beim Haus des Erwerbers und sei kein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Sehr wohl werde aber seit vielen Jahren der anschließende Bereich landwirtschaftlich genutzt, wo sich das Kaufgrundstück vom umgebenden Wiesenbereich überhaupt nicht abhebe; diese Bereiche, nämlich die Teilfläche 6 und die Restparzelle mit 288 Quadratmeter, seien beidseitig von Fremdgrund umgeben, und die Erwerber hätten hiezu keine Anrainerlage. Im Bereich des Grundstückes des H K durchschneide das Kaufgrundstück der Länge nach den Hofraum ..., sodaß dessen Gartenparzellen ... und ... hiedurch von der Hofstelle ... und ... Wohn- und Wirtschaftsgebäude getrennt seien.

Diesen Feststellungen zufolge sei der überwiegende Teil des Kaufobjektes ein Grundstück iS des §1 Abs1 Z1 GVG, sodaß die Zuständigkeit der Grundverkehrsbehörde zur Entscheidung über den Eigentumserwerb durch die Bf. gegeben sei.

Da die Käufer keinen Landwirtschaftsbetrieb aufwiesen, in dessen Rahmen eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung des Kaufobjektes durchgeführt werden könnte, stehe der beabsichtigte Erwerb im Widerspruch zu §6 Abs1 litc GVG, sodaß schon aus diesem Grunde die Zustimmung zu versagen sei.

Es liege aber auch ein Widerspruch zur Bestimmung des §6 Abs1 litf GVG vor.

Für H K bestehe nämlich für den auf seinem Hofstellenbereich gelegenen Streifen der Gp. ... ein Interesse an einer dringend notwendigen Arrondierung. Wenn auch die Kaufliegenschaft im Bereich des Grundbesitzes des H K keinen Bewuchs aufweise, sei sie dennoch ein zumindest mittelbar landwirtschaftlich genutztes Grundstück, da es sich beim Grundbesitz des H K um einen landwirtschaftlichen Kleinstbetrieb handle und die in Frage stehende Teilfläche des Kaufobjektes als Manipulationsfläche (Zugang und Zufahrt zur Hofstelle) diene. Der beabsichtigte Rechtserwerb durch die Bf. stehe im Widerspruch zur Kaufbewerbung des Arrondierungsinteressenten H K und verstoße somit gegen die erwähnte Bestimmung des GVG.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Ua. aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lita, c, d, e und f des §13 Abs4 Z1 GVG 1983 ein.

Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.

4. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen. Der VfGH hat hiezu erwogen:

4.1.1. Die Bf. vermeinen zunächst, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil der Interessent H K das Kaufobjekt im Arrondierungsbereich gar nicht landwirtschaftlich nutzen, sondern die in Frage stehende Teilfläche als Parkplatz benützen wolle. K sei in Wirklichkeit Hotelier und wolle sich lediglich einen billigen Parkplatz verschaffen.

4.1.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 9737/1983).

Auf dem Boden der vom VfGH vertretenen grundsätzlichen Auffassung (VfSlg. 7898/1976, 8415/1978, 8718/1979, 9005/1981, 9063/1981) ist bei verfassungskonformer Auslegung des §1 Abs1 Z1 GVG davon auszugehen, daß der Landesgesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Grundverkehrs (soweit es sich um den Rechtserwerb durch Inländer handelt) nur den Verkehr mit solchen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen darf, die gegenwärtig einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, das sind solche, auf denen Land- und Forstwirtschaft betrieben wird (VfSlg. 8257/1978). Dies ist im vorliegenden Fall zumindest hinsichtlich eines erheblichen Teilbereiches der Kaufliegenschaft unbestritten. Damit ist aber jedenfalls insofern die Zuständigkeit der Grundverkehrsbehörde gegeben. Daß der zur Genehmigung anstehende Kaufvertrag eine untrennbare Einheit bildet, ist ebenfalls unbestritten; damit war die Grundverkehrsbehörde zur Fällung der getroffenen Sachentscheidung zuständig.

Die Bf. sind daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

4.2.1. Die Bf. behaupten weiters, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes verletzt zu sein. Bei sorgfältiger Ermittlung des Sachverhaltes und richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die bel. Beh. zu dem Ergebnis gelangen müssen, "daß die vom GVG gestellten Bedingungen" beim Kaufinteressenten K gleichfalls nicht vorliegen, "weshalb keine Veranlassung bestünde, ihm als Käufer den Vorzug zu geben".

4.2.2. Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch diesen Artikel gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen

(VfSlg. 9070/1981).

Daher läge die behauptete Grundrechtsverletzung auch dann nicht vor, wenn man die Richtigkeit des Beschwerdevorbringens unterstellen würde.

4.3.1. Die Bf. behaupten weiters eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Nach ständiger Judikatur des VfGH sei es unzulässig, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen ohne Rücksicht auf andere Interessenten nur deswegen, weil sie Landwirte sind, das vorzugsweise Recht eingeräumt werde, Liegenschaften zu erwerben.

4.3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9474/1982) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat, oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 9726/1983).

Der bel. Beh. können Vorwürfe dieser Art nicht gemacht werden.

Der angefochtene Bescheid stützt sich zunächst auf §6 Abs1 litc GVG. Daß gegen diese Bestimmung verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, hat der VfGH wiederholt ausgesprochen (vgl. VfSlg. 6991/1973, 7538/1975, 7685/1975, 7881/1976, 8011/1977, 8245/1978 und 9070/1981). Wie der VfGH weiters wiederholt ausgesprochen hat, war seit jeher (§5 Abs1 Z1, StGBl. 583/1919) im Grundverkehrsrecht auch der Gedanke tragend, es komme darauf an, ob ein "ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß vom Erwerber das Gut nicht selbst ... bewirtschaftet wird" (vgl. VfSlg. 5683/1968, 7927/1976, 8518/1979).

Im angefochtenen Bescheid wird festgestellt, daß die Bf. "keinen Landwirtschaftsbetrieb aufweisen, in dessen Rahmen eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung des Kaufobjektes durchgeführt werden könnte", was bedeute, daß der Versagungstatbestand des §6 Abs1 litc GVG erfüllt sei. Der VfGH kann nicht finden, daß die bel. Beh. diese Feststellungen in aktenwidriger Weise getroffen oder Vorbringen der Bf. einfach übergangen hätte. Der bel. Beh. kann auch keine denkunmögliche und damit allenfalls Willkür indizierende Anwendung des herangezogenen Versagungstatbestandes vorgeworfen werden.

Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das weitere Vorbringen der Bf. einzugehen. Der Vorwurf, der angefochtene Bescheid verletze die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, ist somit ebenfalls nicht begründet.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Da im grundverkehrsbehördlichen Verfahren der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist, kommt auch eine Verletzung des Art6 MRK, wie sie im Fall Sramek gerügt wurde, nicht in Frage.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit Grundverkehr, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B668.1983

Dokumentnummer

JFT_10139686_83B00668_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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