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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Tir. GVG; mit Ersatzbescheid (neuerliche) Abweisung des Antrages auf Erteilung der Bieterbewilligung durch den Landesgrundverkehrsreferenten gemäß §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc; vertretbare Annahme, daß der Bf. als Rechtsanwalt den entfernt liegenden Hof neben einem weiteren, von ihm betriebenen Hof, nicht selbst bewirtschaften werde; keine Verletzung im Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und im Recht auf ErwerbsausübungsfreiheitSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Edikt vom 29. November 1978 hat das Bezirksgericht Silz die Versteigerung der Liegenschaften EZ ... und ..., beide KG Haiming, für den 12. März 1979 mit dem Bemerken anberaumt, daß als Bieter nur Personen zugelassen werden, die eine Bietergenehmigung des Landesgrundverkehrsreferenten vorweisen können.
Der Bf. hat fristgerecht um Erteilung der Bietergenehmigung beim Landesgrundverkehrsreferenten angesucht.
2.1. Mit Bescheid des Landesgrundverkehrsreferenten vom 12. Dezember 1978 wurde diesem Antrag keine Folge gegeben und gleichzeitig festgestellt, daß der Erwerb der zur Versteigerung gelangenden Liegenschaften durch den Antragsteller den Bestimmungen der §§4 bis 6 GVG 1970 widerspricht.
2.2. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 16. Jänner 1979 wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, daß der Bf. in Innsbruck als Rechtsanwalt tätig sei und dort eine über eine große Klientel verfügende Kanzlei in Gemeinschaft mit anderen Anwälten führe. Des weiteren sei bei der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt worden, daß der Bf. seine ganze Freizeit auf einem Hof in Terfens (hinsichtlich des Erwerbes desselben behänge ein Siedlungsverfahren nach den Bestimmungen des Tir.
landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes) verbringe. Es sei daher völlig ausgeschlossen, daß der Bf. zu einer Selbstbewirtschaftung des hier maßgeblichen Betriebes in der Lage sei. Der allfällige Erwerb des versteigerungsgegenständlichen Landwirtschaftsbetriebes durch den Bf. widerspreche daher dem öffentlichen Interesse an der Schaffung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes und an der Stärkung des leistungsfähigen Bauernstandes.
2.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der er die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Erwerbsfreiheit und auf Liegenschaftserwerbsfreiheit im wesentlichen mit der Begründung geltend machte, daß die Ausübung zweier Berufe durchaus möglich sei und die räumliche Entfernung heute keine Rolle mehr spiele. Er beantragte daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.
Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrte.
2.4. Ua. aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH die Verfassungsmäßigkeit der Worte "vom Bundesminister für Justiz" in §13 Abs5 des GVG 1970 idF LGBl. 6/1974 - auf dieser Bestimmung beruhte die Bestellung des aus dem Richterstand kommenden Mitgliedes der Landesgrundverkehrsbehörde - von Amts wegen geprüft und die in Prüfung gezogenen Worte mit Erk. VfSlg. 9536/1982 als verfassungswidrig aufgehoben.
2.5. Mit Erk. des VfGH vom 9. Dezember 1982, B28/79, wurde sodann der Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 16. Jänner 1979 wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben.
2.6. Mit (Ersatz-)Bescheid vom 2. Dezember 1983, Z LGv-780/9-82, wurde die Berufung gegen den Bescheid des Landesgrundverkehrsreferenten vom 12. Dezember 1978 neuerlich abgewiesen.
Der Begründung wurden im wesentlichen gleiche Gesichtspunkte zugrunde gelegt, mit denen bereits der Bescheid vom 16. Jänner 1979 begründet worden war.
3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, an den VfGH gerichtete Beschwerde, in der - wie in der Beschwerde gegen den aufgehobenen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde vom 16. Jänner 1979 - die Verletzung des Gleichheitssatzes, des Rechtes auf freie Berufswahl und auf Liegenschaftserwerbsfreiheit geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
4. Ua. aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH von Amts wegen gemäß Art140 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lita, c, d, e und f des §13 Abs4 Z1 GVG 1983 ein.
Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.
5. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen. Der VfGH hat hiezu erwogen:
5.1. Zunächst ist festzuhalten, daß sich der VfGH mit der Frage, ob Art6 MRK dadurch verletzt wurde, weil der Landesgrundverkehrsreferent Dr. David Streiter, der den Bescheid erster Instanz erlassen hat, dem Berichterstatter der bel. Beh. und damit einem Mitglied eines Tribunals in seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens dienstlich vorgesetzt war, deshalb nicht auseinandersetzen muß, weil Dr. David Streiter bereits Ende 1982 in den Ruhestand trat, während der angefochtene Bescheid erst am 2. Dezember 1983 erlassen wurde. Damit scheidet die Möglichkeit einer Verletzung des Art6 MRK aus dieser Sicht aus.
5.2.1. Der Bf. behauptet jedoch, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das Gleichheitsgebot, weil es dem Bf. - entgegen der Meinung der bel. Beh. - leicht möglich wäre, die vom Versteigerungsverfahren betroffenen landwirtschaftlichen Grundstücke als Erwerber zu bewirtschaften, da er ja hiefür Fachkräfte verwenden könnte; nach dem Gesetz bestehe keine Verpflichtung für ihn, die Arbeiten am Hof selbst durchzuführen. Ausgehend hievon sei er zweifellos in der Lage, neben seinem nunmehrigen Hof auch noch einen zweiten landwirtschaftlichen Betrieb zu leiten und zu betreiben. Die räumliche Entfernung zwischen den Höfen biete heute keineswegs mehr ein Problem. Als gleichheitswidrig erachtet der Bf. schließlich, daß ihm die Bietergenehmigung verweigert wurde, obwohl der Ersteher nach der inzwischen durchgeführten Versteigerung ebenfalls nicht am Hof wohne und ebenso wie der Bf. beruflich einer ganz anderen Tätigkeit nachgehe. Der Ersteher lebe auch nicht von den Hofeinnahmen und übe, wie sich in der Zwischenzeit gezeigt habe, eine landwirtschaftliche Tätigkeit am Hof überhaupt nicht aus. Es sei unverständlich, daß dem Ersteher eine Bietergenehmigung erteilt, dem Bf. jedoch eine solche mit dem angefochtenen Bescheid verweigert worden sei. Hinzu komme, daß das Verfahren von der bel. Beh. schon deshalb mangelhaft geführt worden sei, weil ihm die Fähigkeit und Möglichkeit zur wirtschaftlichen Führung des Betriebes abgesprochen worden sei, obwohl keinerlei Erhebungen zur Prüfung seiner Fähigkeiten durchgeführt worden seien.
5.2.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9474/1982) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat, oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 9726/1983).
All dies liegt nicht vor. Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §4 Abs1 und §6 Abs1 litc GVG. Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Bestimmungen genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen (vgl. zB VfSlg. 7198/1973, 7546/1975, 7685/1975, 8245/1978, 9063/1981). Nach §6 Abs1 litc GVG liegt ein spezieller Untersagungstatbestand vor, wenn zu besorgen ist, daß jemandem ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb überlassen wird, der ihn nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. Die bel. Beh. hat das Vorliegen dieses Untersagungstatbestandes im angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der Bf. in Innsbruck als Rechtsanwalt tätig sei, was einen entsprechenden Arbeits- und Zeitaufwand erfordere, und daß bei der Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt worden sei, der Bf. verbringe seine gesamte Freizeit auf einem Hof, den er in Terfens betreibe. Die bel. Beh. erachtete es deshalb für ausgeschlossen, daß der Bf. in der Lage sein werde, den mindestens 60 km weit entfernten, zur Zwangsversteigerung gelangenden Hof zusätzlich zu seinem anderen Hof selbst zu bewirtschaften; dies sei für den Bf. allein schon aus zeitlichen Gründen völlig unmöglich.
Der VfGH kann nicht finden, daß diese Überlegungen der bel. Beh. mit einer Willkür indizierenden denkunmöglichen Gesetzesanwendung belastet wären; ebensowenig ergibt das Verwaltungsgeschehen sonstige Anhaltspunkte für ein willkürliches Behördenverhalten. Der angefochtene Bescheid ist auch sonst nicht mit so schweren inhaltlichen Fehlern oder Verfahrensmängeln behaftet, daß von einem Gleichheitsverstoß die Rede sein kann. Wenn der Bf. der bel. Beh. vorwirft, sie habe dem Ersteher der inzwischen zwangsversteigerten Liegenschaft eine Genehmigung erteilt, obwohl dieser weit weniger den gesetzlichen Erfordernissen entspreche als er, kann auch hieraus für ihn nichts gewonnen werden, weil selbst bei Vorliegen einer unrichtigen Entscheidung im Falle des Erstehers für den Bf. kein Recht auf eine positive Entscheidung seines Ansuchens erwachsen wäre.
5.3. Der Bf. vermeint weiters, durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, Liegenschaften jeder Art zu erwerben, verletzt worden zu sein.
Dieses durch Art6 StGG garantierte Recht schließt Beschränkungen, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen normiert sind, nicht aus (vgl. zB VfSlg. 7546/1975, 8245/1978).
Die bel. Beh. hat dem GVG keinen Inhalt beigemessen, der es ihr erlauben würde, Maßnahmen zu treffen, die über solche grundverkehrsbehördliche Beschränkungen hinausgehen.
Der Bf. ist also durch den angefochtenen Bescheid auch in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht offenkundig nicht verletzt worden.
5.4. Der Bf. behauptet schließlich einen Eingriff in das ihm verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit.
Eine Verletzung dieses Grundrechtes würde voraussetzen, daß ihm durch verwaltungsbehördlichen Bescheid der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wurde (vgl. zB VfSlg. 9169/1981, 9680/1983).
Auch dies ist offenkundig nicht der Fall.
5.5. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.
6. Der vom Bf. für den Fall der Abweisung beantragten Abtretung seiner Beschwerde an den VwGH steht entgegen, daß die Landesgrundverkehrsbehörde gemäß §13 Abs4 bis 9 GVG als Kollegialbehörde gemäß Art133 Z4 B-VG eingerichtet und die Anrufung des VwGH im Gesetz nicht vorgesehen ist. Der Abtretungsantrag war daher ebenfalls abzuweisen.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, Versteigerung exekutive, Liegenschaftserwerbsfreiheit, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B794.1983Dokumentnummer
JFT_10139686_83B00794_00