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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
ErbStG 1955 §2 Abs2 Z4; GrEStG 1955 §3 Z2; Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen mit Grundstücken aus der Erbmasse; Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung von Grunderwerbsteuer an die Pflichtteilsberechtigten und von Erbschaftsteuer an die ErbinSpruch
Die Bf. sind durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der am 27. November 1980 verstorbene M P hat sein Vermögen der Witwe hinterlassen und seine fünf Kinder auf den Pflichtteil gesetzt. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens kam die Erbin (am 8., 9. und 10. März 1983) mit drei Pflichtteilsberechtigten überein, die zustehenden Pflichtteilsansprüche in der Höhe von jeweils 329487,08 S ganz oder teilweise mit Grundstücken aus der Erbmasse abzugelten: die Bf. zu B253/85 wurde mit einer Liegenschaftshälfte im Schätzwert von 206000 S, die Bf. zu B255/85 mit einer Liegenschaft im Schätzwert von 217250 S und die Bf. zu B256/85 mit einer Liegenschaftshälfte im Schätzwert von 329487 S abgefunden. Für diese Vorgänge wurde Grunderwerbsteuer in der Höhe von 4120 S, 4345 S und 6590 S vorgeschrieben. Der zu B254/85 gleichfalls bf. Erbin wurde die Mindeststeuer nach §8 Abs5 ErbStG vom Einheitswert sämtlicher Nachlaßliegenschaften berechnet. Die Berufungen aller Betroffenen blieben erfolglos.
Die gegen die Berufungsbescheide erhobenen Beschwerden rügen unter Hinweis auf das Erk. VfSlg. 9446/1982 die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz.
II. Die Beschwerden sind begründet:
In dem schon von den Berufungen ins Treffen geführten Erk. VfSlg. 9446/1982 hat der VfGH in einem gleichgelagerten Fall ausführlich dargelegt, daß eine am Sinn des Gesetzes orientierte - durch seinen Wortlaut nicht ausgeschlossene - Interpretation des §2 Abs2 Z4 ErbStG und des §3 Z2 GrEStG, die ein gleichheitswidriges Ergebnis vermeidet, zur Folge hat, daß bei jedem mit einer Liegenschaft abgefundenen Pflichtteilsberechtigten ein Grundstückserwerb von Todes wegen vorliegt, der erbschaftsteuerpflichtig und grunderwerbsteuer frei ist, und daß andererseits beim Erben kein Grundstückserwerb von Todes wegen gegeben ist (S 538). An dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof im Erk. VfSlg. 10464/1985 gegen verschiedene Einwände festgehalten. Im Erk. VfSlg. 10809/1985 hat er seine Rechtsansicht neuerlich bekräftigt.
Unter diesen Umständen besteht kein Anlaß, sich mit den gegen die Rechtsprechung gerichteten Ausführungen der Behörde neuerlich auseinanderzusetzen. Nach §87 Abs2 VerfGG wird die Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen haben.
Die angefochtenen Bescheide sind ohne mündliche Verhandlung aufzuheben (§19 Abs4 Z2 VerfGG idF BGBl. 297/1984).
Schlagworte
Grunderwerbsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B253.1985Dokumentnummer
JFT_10139685_85B00253_00