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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Nö. GVG 1973; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gemäß §8 Abs2 lita; Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit zur Frage, ob der Bf. als Nebenerwerbslandwirt anzusehen sei - Willkür; Verletzung im GleichheitsrechtSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 22. bzw. 29. Oktober 1982 erwarb der Bf. von der (beschränkt entmündigten, durch ihren Beistand vertretenen) Eigentümerin die Grundstücke 17/1 Wiese und 17/2 Obstgarten, KG Hochrotherd, im Ausmaß von 13473 Quadratmeter um den Kaufpreis von 200000 S.
Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirks-Bauernkammer Mödling am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Mödling versagte dem Rechtsgeschäft gemäß §8 Abs2 lita des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-3 (im folgenden Nö. GVG), die Zustimmung, da der Erwerber kein Landwirt sei, bei einem Landwirt aber das Interesse am Erwerb der Grundstücke bestehe.
Der gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom Bf. erhobenen Berufung hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 8. Feber 1984 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs2 lita Nö. GVG nicht Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.
Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs verletzt worden zu sein.
Es wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) In dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen wird ausgeführt, daß "die Kaufgrundstücke ... im Norden auf einer Strecke von ca. 220 m unmittelbar an den Eigengrundkomplex des Käufers" grenzen. Dabei handle es sich um die Grundstücke Nr. 15/1 Wiese, 15/2 Obstgarten, 15/3 Wiese und 118 Baufläche (Hausnummer 7, samt Wirtschaftsgebäude) im Gesamtausmaß von 4,2421 ha. Im Wohnhaus Nr. 7 fehlten noch die Wasserinstallationen und die sanitären Einrichtungen, ansonsten sei es adaptiert bzw. bewohnbar, auch kleine Wirtschaftsgebäude (eventuell zur Unterbringung von Schafen) seien vorhanden. Der Käufer sei Versicherungsangestellter in Wien. Laut eigener Angabe beabsichtige er, im Jahre 1984 in das Haus Nr. 7 zu übersiedeln und auf der Liegenschaft Schafe zu halten.
Als zusammenfassendes Ergebnis ist folgendes angeführt:
"Der Käufer ist derzeit kein Landwirt. Wenn er seine Absicht verwirklicht, die Liegenschaft selbst zu bewirtschaften (Schafhaltung), wäre er als Nebenerwerbslandwirt und sein landwirtschaftlicher Betrieb als Nebenerwerbsbetrieb (im Sinne des §8 Abs8 GVG) zu bezeichnen."
b) Nach Wiedergabe des Gutachtens des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen wird in der Begründung des Bescheides ausgeführt, daß der Berufungswerber (Bf.) "auf Grund der Feststellungen des Amtssachverständigen nicht als Landwirt anzusehen" sei. Hingegen habe ein Interessent, von dem die Grundstücke auch bisher bearbeitet worden seien, erklärt, daß er diese zum gleichen Preis erwerben wolle. Er sei nach den Erhebungen des Sachverständigen Vollerwerbslandwirt.
Die Grundverkehrs-Bezirkskommission Mödling habe daher den Versagungsgrund nach §8 Abs2 lita GVG zu Recht angenommen. Diese Bestimmung schließe bereits die Erteilung einer Genehmigung aus, wenn angesichts eines mit einem Nichtlandwirt abgeschlossenen Rechtsgeschäftes auch nur ein Landwirt als Interessent auftrete.
c) Wie sich aus dem Erk. des VfGH vom 26. November 1985 B380/82 ergibt, hält der VfGH an der sich aus den Erk. VfSlg. 9004/1981, 9128/1981 und 9131/1981 ergebenden Auffassung fest, daß §8 Abs1 und §8 Abs2 litd GVG bei verfassungskonformer Interpretation dann nicht zum Tragen kommen, wenn ein Landwirt als Erwerber auftritt, und zwar sowohl ein Voll- als auch ein Nebenerwerbslandwirt.
Gemäß §8 Abs2 lita Nö. GVG widerstreitet ein Rechtsgeschäft jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines oder mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke kein Landwirt ist und in der Gemeinde, in der das Grundstück oder die Grundstücke liegen, oder in den umliegenden Gemeinden ein oder mehrere Landwirte oder, in Ermangelung solcher Interessenten, ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen.
Der VfGH ist der Auffassung, daß bei verfassungskonformer Interpretation diese Bestimmung - wie auch §8 Abs2 litd - auch dann nicht zum Tragen kommt, wenn ein Landwirt als Erwerber auftritt, und zwar sowohl ein Voll- als auch ein Nebenerwerbslandwirt.
Die bel. Beh. hat allein aufgrund der Feststellung des Amtssachverständigen, daß der Bf. als Erwerber der Grundstücke nicht Landwirt ist, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt. Sie hat sich, obgleich nach den Feststellungen des Amtssachverständigen allein schon im Hinblick auf den an die Kaufgrundstücke angrenzenden Grundbesitz des Bf. auch zu untersuchen gewesen wäre, ob der Bf. nicht als Nebenerwerbslandwirt anzusehen wäre, mit der Frage, ob der Erwerb der Grundstücke durch den Bf. als Nebenerwerbslandwirt in Betracht kommen könnte, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Sie hat damit in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und damit durch ein willkürliches Verhalten iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt (vgl. VfSlg. 8808/1980, 9600/1983).
Der angefochtene Bescheid ist daher schon aus diesem Grunde aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte. Insbesondere war auch nicht zu untersuchen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß von der bel. Beh. nicht geprüft wurde, ob beim Interessenten nicht nur die Bereitschaft zur Bezahlung des Kaufpreises, sondern auch zur Übernahme der Grundstücke um den ortsüblichen Verkehrswert bestanden hätte (vgl. VfSlg. 8143/1977, VfGH 13. 6. 1985 B222/82).
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B228.1984Dokumentnummer
JFT_10139395_84B00228_00