TE Vfgh Beschluss 1986/6/6 B79/85, B83/85

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Veröffentlicht am 06.06.1986
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
VfGG §88

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; Absperrung eines Gebietes mit der Wirkung, daß Autobusse in dieses nicht einfahren konnten; keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gegen Benützer eines Autobusses

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die Bf. sind schuldig, dem Bund zu Handen der Finanzprokuratur die mit je 5500 S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

1. Die auf Art144 B-VG gestützten, im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden wenden sich gegen - nach Auffassung der Bf. unmittelbar gegen sie gerichtete - verwaltungsbehördliche Zwangsakte, welche am 19. Dezember 1984 auf der Straße in der Nähe von Orth an der Donau in der Form gesetzt worden seien, daß Gendarmeriebeamte einen Autobus, in welchem sich die Bf. befunden hätten, am Weiterfahren gehindert hätten, sodaß die Bf. ihre Reise zu Fuß hätten fortsetzen müssen. Der Autobus sei von der Österreichischen Hochschülerschaft gemietet worden, um Manifestanten in die Stopfenreuther Au zu bringen. Die Anhaltung des Autobusses entbehre jeder gesetzlichen Grundlage.

Die Bf. beantragen, der VfGH wolle erkennen, daß sie durch das Anhalten eines von ihnen benützten Autobusses und das Verbot, den Autobus zur Erreichung des gewünschten Reisezieles zu benutzen, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sind.

2. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt, vgl. VfSlg. 7346/1974) bekämpfbar waren, wie dies etwa auf sicherheitsbehördliche Befehle zutrifft, die durch die Androhung unmittelbar folgenden physischen Zwangs gegen bestimmte Personen sanktioniert sind (VfSlg. 7829/1976, 8145/1977, 8146/1977, 8231/1977, 8289/1978, 8359/1978, 8688/1979, 8689/1979, 9457/1982, 9494/1982, 9614/1983).

Die Beschwerden richten sich gegen die Absperrung eines Gebietes mit der Wirkung, daß Autobusse in dieses nicht einfahren konnten. Ein gegen die Bf. unmittelbar geübter exekutiver Zwang (wie er etwa in einem physischen Zugriff läge) wird in den Beschwerden gar nicht behauptet, auch nicht ein Befehl mit der Androhung unmittelbar folgenden physischen Zwanges. Wie der vorliegende Sachverhalt in bezug auf den Fahrzeughalter zu beurteilen wäre, kann hier dahingestellt bleiben.

Die Bf. sind somit - da gegen sie kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt wurde - zur Einbringung der vorliegenden Beschwerden nicht legitimiert, mag auch die behauptete Vorgangsweise der Behörde mittelbare Auswirkungen (vgl. hiezu VfGH 20. 12. 1984 B936/84, betreffend eine andere Absperrmaßnahme in der Stopfenreuther Au) für die Bf. mit sich gebracht haben.

Die Beschwerden sind daher mangels Legitimation der Bf. als unzulässig zurückzuweisen.

Der Kostenersatz für einen Schriftsatz der Finanzprokuratur samt Streitgenossenzuschlag beruht auf §88 VerfGG 1953.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B79.1985

Dokumentnummer

JFT_10139394_85B00079_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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