TE Vfgh Beschluss 1986/6/6 B283/84

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Veröffentlicht am 06.06.1986
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
DSt 1872 §17 Abs3 Z1 litc

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; (kassatorische) Stattgebung einer Berufung gegen die vom Disziplinarrat der Oö. Rechtsanwaltskammer verfügte einstweilige Maßnahme der vorläufigen Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §17 Abs3 Z1 litc Disziplinarstatut wegen Verletzung des Parteiengehörs; hier keine Verpflichtung der OBDK zur meritorischen Entscheidung; keine Beschwer; Zurückweisung mangels Legitimation

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Nachdem am 16. Mai 1983 von der Staatsanwaltschaft Wels gegen den Bf. strafrechtlich Anklage erhoben worden war, hat der Disziplinarrat der Oö. Rechtsanwaltskammer am 21. Juni 1983 als einstweilige Maßnahme gegen den Bf. gemäß §17 Abs2 (richtig 3) Z1 litc DSt. die vorläufige Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens beschlossen.

1.2. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluß der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 2. April 1984, Z Bkd 46/83, Folge gegeben, der angefochtene Beschluß des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer vom 21. Juni 1983 aufgehoben und die Disziplinarsache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an den Disziplinarrat der Oö. Rechtsanwaltskammer zurückverwiesen.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein faires Verfahren gemäß Art6 MRK, auf freie Ausübung eines Erwerbszweiges sowie die Verletzung von Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen des Disziplinarstatuts, insbesondere der §§2 und 17 und wegen Anwendung der gesetzwidrigen Geschäftsordnung des Disziplinarrates geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

3. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

3.1. Im angefochtenen Bescheid wird die Aufhebung des Beschlusses des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer vom 21. Juni 1983 wie folgt begründet:

"Berechtigt ist die Beschwerde allerdings insoweit, als die Behörde erster Instanz - wie auch in dieser Richtung gepflogene Erhebungen ergeben haben - den Disziplinarbeschuldigten tatsächlich zu dem (formell) erst am 21. Juni 1983 gestellten Antrag des Disziplinaranwaltes auf Änderung der einstweiligen Maßnahme nicht gehört hat. Die anderslautende Aussage im angefochtenen Bescheid bezieht sich auf die am 6. Dezember 1982 von der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission beschlossene Maßnahme. Die dazu geäußerte Stellungnahme ersetzt eine Anhörung des Beschuldigten zur konkret beantragten Maßnahme nicht.

Die Verletzung des Parteiengehörs - die vorliegend nach Lage des Falles im Hinblick auf die vagen Ausführungen in der Beschwerde nicht als saniert angesehen werden kann (vgl. dazu VerwGH 30. September 1958, Zl 338/56 u. a.) - zieht die Aufhebung der Entscheidung und die Rückverweisung der Sache zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides nach Anhörung des Disziplinarbeschuldigten nach sich."

3.2. Der Bf. macht zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend, weil der Beschluß des Disziplinarrates vom 21. Juni 1983 unter Anwendung des mit Erk. VfSlg. 9892/1983 als gesetzwidrig aufgehobenen §5 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer vom 14. Juni 1979 ergangen sei; diese Bestimmung erscheine auch deshalb bedenklich, weil sie entgegen §27 Abs1 lita RAO vom Ausschuß erlassen wurde.

Hiezu genügt es festzuhalten, daß mit dem angefochtenen Erk. der OBDK der Bescheid des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer vom 21. Juni 1983 aufgehoben wurde und damit dem Rechtsbestand nicht mehr angehört.

Unerfindlich ist dem VfGH der Beschwerdevorwurf, "der Zeitraum der Erledigung" belaste den angefochtenen Bescheid mit einem Widerspruch zu Art6 MRK; selbst wenn der Vorwurf einer übermäßig langen Dauer des Verfahrens berechtigt wäre, kann der Bf. durch einen Bescheid, der einen Eingriff in seine Rechte behebt, nicht beschwert sein. Aus den gleichen Gründen geht auch der Vorwurf, der angefochtene Bescheid stehe im Widerspruch zur Unschuldsvermutung des Art6 MRK, ins Leere. Auch insofern kann eine Beschwer nicht vorliegen.

Der Bf. behauptet aber auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil die bel. Beh. eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert habe. Der VfGH habe bereits mit Erk. VfSlg. 7327/1974 ausgesprochen, dem Disziplinarstatut sei zu entnehmen, daß die OBDK über eine Berufung im Regelfall meritorisch zu entscheiden habe und lediglich bei Vorliegen der in §51 Abs2 DSt genannten Voraussetzungen die bekämpfte Entscheidung kassieren und die Sache an den Disziplinarrat zurückverweisen dürfe. Der Bf. übersieht hiebei jedoch, daß ein solcher Fall nicht vorliegt, weil Disziplinarentscheidungen mit Entscheidungen über einstweilige Maßnahmen schon im Hinblick auf deren bloß vorläufigen Charakter nicht vergleichbar sind. Der angefochtene Bescheid verpflichtet den Disziplinarrat keineswegs, gegen den Bf. eine einstweilige Maßnahme zu beschließen (oder ein Disziplinarverfahren durchzuführen), er verpflichtet den Disziplinarrat lediglich, falls dieser die Verhängung einer einstweiligen Maßnahme in Aussicht nehmen sollte, vor einer Beschlußfassung dem Bf. im Wege der Anhörung die Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben, also das Parteiengehör zu wahren.

Durch eine solche verfahrensrechtliche Erledigung kann der Bf. überhaupt nicht beschwert sein.

4. Die Beschwerde war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, VfGH / Legitimation, Verwaltungsverfahren, Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B283.1984

Dokumentnummer

JFT_10139394_84B00283_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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