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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG; Beschluß der OBDK, das gegen die Bf. anhängige Disziplinarverfahren in analoger Anwendung des §412 StPO abzubrechen - prozeßleitende Verfügung; mangelnde normative Wirkung - kein BescheidSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die Bf. war Rechtsanwalt in Mödling.
Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Oktober 1984 wurde sie wegen mehrerer Disziplinarvergehen zur Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte verurteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. Berufung.
Inzwischen verfügte der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Beschluß vom 30. April 1985 die amtswegige Löschung der Bf. in der Liste der Rechtsanwälte, da mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 26. Feber 1985, GZ 5 Nc 32/84, der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über Dr. R D mangels eines zur Deckung der Kosten eines Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens rechtskräftig gemäß §72 KO abgewiesen wurde und hiedurch die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §34 Abs1 lita RAO erloschen ist.
b) Die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) faßte daraufhin am 8. Juli 1985 in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß, das gegen die Bf. anhängige Disziplinarverfahren (in analoger Anwendung des §412 StPO) abzubrechen.
Dieser Beschluß wurde damit begründet, daß gemäß §2 des Disziplinarstatutes, RGBl. 40/1872, idgF (DSt) nur Rechtsanwälte der Disziplinarbehandlung unterlägen, die Bf. aber seit der Löschung in der Liste der Rechtsanwälte nicht mehr Rechtsanwalt sei.
2. Gegen diesen Beschluß der OBDK wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
3. Die OBDK als bel. Beh. legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden und gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Letztere Maßnahme scheidet hier von vornherein aus.
Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist aber auch kein Bescheid iS der zitierten Verfassungsbestimmung: Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8744/1980) ist nämlich ein Verwaltungsakt nur dann als ein solcher Bescheid zu qualifizieren, wenn er gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn er also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat.
Das Abbrechen eines Verfahrens in analoger Anwendung des §412 StPO ist nun bloß eine prozeßleitende Verfügung, die jederzeit widerrufen werden kann und aus der niemandem ein Recht erwächst. Einem derartigen Ausspruch mangelt daher jede normative Wirkung.
Die Beschwerde war demnach wegen Unzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.
Schlagworte
Bescheidbegriff, Verfahrensanordnung, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B677.1985Dokumentnummer
JFT_10139394_85B00677_00