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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Oö. GVG 1975; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nach §4 Abs3; Verletzung im Gleichheitsrecht durch Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit zu den materiellen Voraussetzungen iS dieser BestimmungSpruch
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Mit Kaufvertrag vom 12./17. Jänner 1983 erwarben M und T S (die Bf.) von den Eigentümern der Liegenschaft EZ ... KG Klaffer (Gerichtsbezirk Aigen) B und I H das neu vermessene Grundstück ..., Wiese, im Ausmaß von 805 Quadratmeter um den Kaufpreis von 80500 S.
Mit Schreiben vom 26. Jänner 1983 stellten sie bei der Bezirksgrundverkehrskommission Aigen den Antrag auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Rechtsgeschäftes. Im Antrag wurde bemerkt, daß die Käufer beabsichtigten, auf dem von ihnen erworbenen Grundstück ein Eigenheim zu errichten.
b) Mit dem Bescheid vom 1. September 1983 hat die Bezirksgrundverkehrskommission Aigen die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück ... durch die Verkäufer auf die Bf. "gem. §4 nicht genehmigt".
In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf die eingeholten Stellungnahmen ausgeführt, daß "rechtlich gesehen ... gem. §6 litd GVG dem Rechtsgeschäft die Genehmigung zu versagen" war, "da ohne zureichenden Grund der Landwirtschaft Boden entzogen wird".
2. a) Aufgrund der gegen den Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission von den Bf. erhobenen Berufung hat die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung einen Lokalaugenschein durchgeführt, über den folgendes festgehalten ist:
"Die 805 Quadratmeter große Kaufparzelle ... wurde am südwestlichen
Ende der langen Hangparzellen ... und ... gebildet, hat leichte
Hanglage und ist durch einen Wirtschaftsweg aufgeschlossen. Liegt im Grünland, das allerdings zum Teil schon parzelliert ist (Parzelle ... und unterhalb des Wirtschaftsweges). Zwei Häuser stehen etwa 150 bis 200 m ostwärts. Auf der Kaufparzelle ist in der Art eines Schrebergartenhäuschens eine Bauhütte aufgestellt.
Die Gemeinde Klaffer hat bereits im Jänner 1983 eine Bauplatzgenehmigung erteilt, die Grundteilung bewilligt.
Bürgermeister E erklärt, daß hier eine Siedlung geplant sei und der vorhandene Wirtschaftsweg ausgebaut würde."
b) Mit dem Bescheid vom 16. Juli 1984 hat die Landesgrundverkehrskommission der Berufung nicht Folge gegeben. In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und auf das Ergebnis des durchgeführten Lokalaugenscheines folgendes ausgeführt:
"Nach den Ergebnissen des Lokalaugenscheines liegt das Kaufobjekt im Grünland. Es bestehen zwar in der weiteren Umgebung einzelne Bauwerke und es hat der Bürgermeister der Gemeinde Klaffer auch erklärt, daß der Wirtschaftsweg, an dem das Grundstück liegt, ausgebaut werden soll. Dies ändert aber nichts daran, daß das Grundstück inmitten rein landwirtschaftlich genutzter Fluren liegt, sodaß die Annahme der Bezirksgrundverkehrskommission, es entstehe im Falle der Verbauung ein neuerlicher Einzelsplitter, zutrifft, zumal ein Bebauungsplan für dieses Gebiet nicht besteht. Damit verstößt das Rechtsgeschäft aber gegen die Vorschrift des §4 Abs3 Oö. Grundverkehrsgesetz 1975, weil die Bewirtschaftung der umliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen durch das Herausschneiden dieser Grundparzelle wesentlich erschwert wird. Die Bezirksgrundverkehrskommission hat dem Rechtsgeschäft daher zutreffend die Genehmigung versagt."
3. Gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrskommission vom 16. Juli 1984 richtet sich die unter Berufung auf Art144 Abs1 B-VG erhobene Beschwerde. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes (Art6 StGG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) und "auf Achtung der Privatautonomie (Art5 und 6 StGG)" verletzt worden zu sein.
Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Im erstinstanzlichen Bescheid ist die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung auf §6 litd Oö. GVG 1975 gestützt worden. Nach dieser Bestimmung sind die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes (§4) insbesondere nicht gegeben, wenn zu besorgen ist, daß sonst Grundstücke ohne zureichenden Grund der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides verstößt das Rechtsgeschäft gegen die Vorschrift des §4 Abs3 Oö. GVG 1975. Diese Bestimmung lautet:
"(3) Rechtsgeschäfte, von denen anzunehmen ist, daß sie für gewerbliche, industrielle oder bergbauliche Zwecke oder für Zwecke der Baulandbeschaffung abgeschlossen wurden, dürfen der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr Grund und Boden als notwendig entziehen und die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung der verbleibenden Grundstücke nicht erheblich erschweren oder unmöglich machen."
Gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht geltend gemacht worden.
Beim VfGH sind solche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden (vgl. VfSlg. 10520/1985).
2. a) In der Gegenschrift der bel. Beh. wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der von der Bezirksgrundverkehrskommission herangezogene Versagungsgrund des §6 litd Oö. GVG 1975 von der bel. Beh. deswegen nicht herangezogen worden sei, weil "das Kaufobjekt durch eine Einzelentscheidung der zuständigen Gemeinde zum Bauplatz erklärt" worden sei. Es könne daher nicht mehr gesagt werden, daß das Kaufobjekt für den vorgesehenen Zweck, nämlich zur Verbauung, aus raumordnerischen Gründen nicht verwendet werden könne und deshalb ohne hinreichenden Grund der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen würde.
Das Rechtsgeschäft verstoße jedoch gegen die Vorschrift des §4 Abs3 Oö. GVG 1975, weil "durch das Herausschneiden dieser Parzelle aus einem rein landwirtschaftlichen Gebiet eine Bewirtschaftungserschwernis für die umliegenden und an das Kaufobjekt angrenzenden landwirtschaftlichen Gründe" entstehe. "Durch Einzäunung, Zu- und Ableitung von Strom und Wasser, Kleintierhaltung" entstünden "Einwirkungen auf die umliegenden Grundstücke, die als Wirtschaftserschwernis zu werten" seien. Insbesondere werde aber durch die ungünstige Ausformung der Grenze eine maschinelle Bearbeitung der umliegenden Flächen erschwert.
Im Gegensatz zu diesen Ausführungen in der Gegenschrift enthält die Begründung des angefochtenen Bescheides nur die allgemeine Aussage, daß das Rechtsgeschäft gegen die Vorschrift des §4 Abs3 Oö. GVG 1975 verstoße, weil die Bewirtschaftung der umliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen durch das Herausschneiden der Grundparzelle ... wesentlich erschwert werde.
b) Der VfGH vermag weder den vorgelegten Verwaltungsakten noch der Begründung des angefochtenen Bescheides Ermittlungsergebnisse zu entnehmen, auf die die allgemeine Aussage in der Begründung des angefochtenen Bescheides über die Erschwerung der Bewirtschaftung der verbleibenden Grundstücke gestützt werden könnte. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Ermittlungsergebnissen die Aussage in der Gegenschrift der bel. Beh. abgeleitet werden könnte, wonach die darin angeführten Umstände (Einzäunung usw.) als Bewirtschaftungserschwernisse zu werten seien. Insbesondere hat nach den Ausführungen über die Durchführung des Lokalaugenscheines (I/2 lita) eine Erörterung, ob das Rechtsgeschäft, von dem unbestritten angenommen wurde, daß es für Zwecke der Baulandbeschaffung abgeschlossen wurde, die landwirtschaftliche Nutzung der verbleibenden Grundstücke erheblich erschwert oder unmöglich macht, nicht stattgefunden. Dazu kommt, daß nach den Ausführungen in der Gegenschrift zwar Bewirtschaftungserschwernisse gegeben wären; in keiner Weise ist aber dargelegt, aus welchen Gründen durch das Rechtsgeschäft die landwirtschaftliche Nutzung der verbleibenden Grundstücke erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde.
Damit hat die bel. Beh. zwar die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung formell auf §4 Abs3 Oö. GVG 1975 gestützt, zur Klärung der Frage aber, ob für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung die materiellen Voraussetzungen iS dieser Bestimmung vorliegen, somit in den für ihre Entscheidung maßgeblichen Punkten jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Daher sind die Bf. iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 10520/1985) durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund aufzuheben, sodaß auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen werden mußte.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Grundstück land- und forstwirtschaftliches, ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B783.1984Dokumentnummer
JFT_10139393_84B00783_00