TE Vfgh Erkenntnis 1986/6/7 B392/85

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Veröffentlicht am 07.06.1986
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Index

32 Steuerrecht
32/07 Stempel- und Rechtsgebühren, Stempelmarken

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Erlaß des BMF vom 10. Oktober 1978 betreffend Stempelgebühren für Schriften auf dem Gebiete des Gewerberechtes; vorliegender Fall einem Anlaßfall gleichzuhalten; nach Aufhebung des Gebührenerlasses mangels gesetzmäßiger Kundmachung Rechtsverletzung wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V

Spruch

Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit zwei Schriftsätzen zeigte die bf. Gesellschaft im Mai 1984 die Verlegung ihres Betriebes bei der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt an und versah diese Schriftsätze gemäß §14 TP6 Abs1 GebührenG mit je 120 S Bundesstempelmarke. Auf Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft, die die Anzeige unter §14 TP6 Abs2 Z1 GebührenG subsumierte, wurden für jede der beiden Eingaben 280 S an Bundesstempelmarken nachgereicht. Gleichzeitig beantragte die bf. Gesellschaft beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien die Rückerstattung des vorgeschriebenen und entrichteten Betrages von 560 S.

Da das Finanzamt über das Rückerstattungsansuchen nicht innerhalb von 6 Monaten entschied, ging die Zuständigkeit aufgrund eines Antrages der bf. Gesellschaft gemäß §311 BAO an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland über. Diese wies den Antrag mit Bescheid vom 21. Mai 1985 als unbegründet ab.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der ua. eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Wie sich aus dem Verwaltungsakt und der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, wendete die Finanzlandesdirektion bei ihrer Entscheidung den Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 10. Oktober 1978, Zl. 1106000/1-IV/11/78, betreffend Stempelgebühren für Schriften auf dem Gebiete des Gewerberechtes, AÖF 1978/273, an.

Diesen Erlaß hat der VfGH aus Anlaß eines anderen bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens einem Verordnungsprüfungsverfahren unterzogen.

Mit Erk. VfSlg. 10518/1985 qualifizierte der Gerichtshof den Erlaß als RechtsV und hob ihn mangels gesetzmäßiger Kundmachung als gesetzwidrig auf.

2. a) Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer V auf den Anlaßfall zurück: Es ist daher so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim VfGH anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985; VfGH 3. März 1986 B865/85).

b) Die mündliche Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren, das zur oben genannten Entscheidung V35/84 führte, fand am 25. Juni 1985 statt. Die vorliegende Beschwerde wurde am 11. Juni 1985 eingebracht, war also zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten. Demgemäß wirkt sich die Aufhebung des Erlasses auch zugunsten der bf. Gesellschaft aus.

3. Die bel. Beh. wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene V an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß dadurch die Rechtssphäre der Bf. nachteilig beeinflußt wurde. Sie wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B392.1985

Dokumentnummer

JFT_10139393_85B00392_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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