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95 TechnikNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
IngenieurkammerG; mangelnde inhaltliche Vorausbestimmung für die Regelung zur Befreiung von der Beitragspflicht in §29 Abs3 (Verordnungsermächtigung) - Verstoß gegen Art18 B-VG (mit Hinweis auf VfSlg. 5742/1968) Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer; Gesetzwidrigkeit des ersten Satzes des §6 Abs2 infolge der Verfassungswidrigkeit der materiellen Grundlage (§29 Abs3 IKG)Spruch
I. §29 Abs3 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 71/1969, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1987 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im BGBl. verpflichtet.
II. Der erste Satz des §6 Abs2 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer, erlassen vom Kammertag am 30. Juni 1970, kundgemacht im Teil "Amtliche Nachrichten der Bundes-Ingenieurkammer sowie der Ingenieurkammern für Wien, Niederösterreich und Burgenland, für Steiermark und Kärnten, für Oberösterreich und Salzburg und für Tirol und Vorarlberg" in der Zeitschrift "Konstruktiv", Nr. 72, vom 21. April 1980, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1987 in Kraft.
Der Bundesminister für Bauten und Technik ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im BGBl. verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim VfGH ist zu B529/83 ein Beschwerdeverfahren anhängig, dem im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1. Mit Schreiben vom 7. Feber 1983 ersuchte der Bf. die Bundes-Ingenieurkammer - er ist Mitglied dieser Körperschaft öffentlichen Rechts - gemäß §29 Abs3 Z2 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 71/1969 (IKG), um gänzliche Befreiung von der Beitragspflicht zum Versorgungsfonds und zur Sterbekasse und begründete sein Begehren damit, als Angestellter der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts AG bestünde für ihn und seine Hinterbliebenen der rechtliche Anspruch auf eine Firmenzuschußpension. Das Kuratorium der Wohlfahrtseinrichtungen lehnte dieses Ansuchen mit Bescheid vom 29. April 1983 mit der Begründung ab, daß alle Ziviltechniker prinzipiell zur Beitragsleistung verpflichtet seien, sofern nicht Befreiungsgründe gemäß §6 Abs2 des Statuts vorlägen. Da die Ansprüche des Bf. auf anderweitige Pensionen keinen solchen Befreiungsgrund darstellten, sei das Ansuchen abzulehnen.
Die dagegen vom Bf. gemäß §28 Abs5 IKG an den Kammertag gerichtete Beschwerde wurde von diesem nach §24 Abs4 Z7 IKG mit Bescheid vom 29. Juni 1983 abgewiesen, weil keiner der in §6 Abs2 des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen (erlassen vom Kammertag der Bundes-Ingenieurkammer am 30. Juni 1970) angeführten Fälle vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in welcher sich der Bf. in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt erachtet, Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides äußert und die Aufhebung dieses Bescheides begehrt.
2. a) Die §§27 bis 29 IKG regeln die Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer.
§27 schreibt die Errichtung und Betreibung eines Versorgungsfonds und eines Sterbekassenfonds ohne eigene Rechtspersönlichkeit, jedoch mit zweckgebundenem Sondervermögen vor, legt die Zwecke dieser Fonds fest und bestimmt in seinem Abs4, daß die Fondsbeiträge vom Kammertag unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der gemäß dem Statut zu erbringenden Leistungen in einer solchen Höhe festzusetzen sind, die den Erfordernissen der Fonds unter Berücksichtigung ihres dauernden Bestandes und der Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit entspricht.
§28 weist Bestimmungen über die Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen auf.
Der mit "Statut der Wohlfahrtseinrichtungen" überschriebene §29 lautet:
"(1) Nähere Bestimmungen über die Aufgaben des Versorgungs- und des Sterbekassenfonds, die Aufbringung und Verwaltung der Mittel, die Geschäftsführung des Kuratoriums, die Beitragspflicht, die Gewährung und Höhe der Zuwendungen, die Art der Auszahlung, allfällige Beschränkungen der Auszahlung und die Pflichten des Leistungsempfängers sind unter Bedachtnahme auf die in den §§27, 28 und 29 Abs2 bis 5 festgelegten Grundsätze in einem Statut festzusetzen. Hiebei sind die Grundsätze der Versicherungsmathematik sowie der verwaltungsorganisatorischen Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen. Das Statut ist in den Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern kundzumachen. Das Statut tritt, wenn darin nicht ein späterer Tag bestimmt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
(2) Das Statut kann Ziviltechniker von der Teilnahme an beiden oder einer der Wohlfahrtseinrichtungen ausschließen, wenn ihre Mitgliedschaft zu einer Länderkammer erst ab einem bestimmten Lebensalter beginnt, das im Statut festzusetzen ist und fünfzig Jahre nicht unterschreiten darf.
(3) Das Statut kann weiters eine gänzliche oder teilweise Befreiung von der Beitragspflicht zum Versorgungsfonds für Ziviltechniker vorsehen,
1. deren Befugnis ruht, oder
2. die den Nachweis erbringen, daß ihnen und ihren Hinterbliebenen die Anwartschaft oder der Anspruch auf eine anderweitige Versorgungsleistung oder Pension zusteht, oder
3. die den Nachweis erbringen, daß ihr steuerpflichtiges Jahreseinkommen das 400fache der jeweils in den Gebührenordnungen (§31) für die Kanzleileistung festgesetzten Zeitgebühr je Stunde unterschreitet.
(4) Für den Fall der Befreiung von der Beitragspflicht (Abs3) hat das Statut die Gewährung von Zuwendungen entsprechend dem Ausmaß der Befreiung ganz oder teilweise auszuschließen.
(5) Das Statut kann auch bestimmen, ob und inwieweit sich Ziviltechniker, die von der Beitragspflicht befreit sind, zu einer Beitragsleistung oder beitragspflichtige Ziviltechniker zu einer höheren Beitragsleistung verpflichten können, um eine oder eine höhere Zuwendung zu erhalten. Weiters kann das Statut ausscheidenden Kammermitgliedern die Fortsetzung der Beitragsleistung gestatten."
b) Die im vorliegenden Fall relevanten Abs1 bis 3 des §6 des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen haben folgenden Wortlaut (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):
"(1) Soweit im Abs2 nichts anderes bestimmt ist, ist jeder Ziviltechniker zur Teilnahme am Versorgungsfonds und zur Leistung von Beiträgen an diesen verpflichtet.
(2) Befreit von der Teilnahme am Versorgungsfonds und der Beitragspflicht sind Ziviltechniker, deren Befugnis ruht. Ausgeschlossen sind Ziviltechniker, deren Mitgliedschaft zu einer Länderkammer erst nach Vollendung des 50. Lebensjahres beginnt, sofern sie nicht zum Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft auf Grund einer früheren Mitgliedschaft am Versorgungsfonds teilnehmen.
(3) Der Beitrag zum Versorgungsfonds ermäßigt sich über Ansuchen auf 75 von Hundert oder auf 50 von Hundert, wenn glaubhaft gemacht wird, daß Gründe vorliegen, welche eine höhere Beitragspflicht als unzumutbare Härte erscheinen lassen; er ermäßigt sich auf 25 von Hundert, wenn das steuerpflichtige Einkommen des Ziviltechnikers das 400fache der jeweils in den Gebührenordnungen (§31 des IKG.) festgesetzten Ziviltechniker-Stundengebühr (Zeitgrundgebühr) unterschreitet; eine Ermäßigung auf 25 von Hundert kann gewährt werden, wenn Ziviltechniker den Nachweis erbringen, daß ihnen und ihren Hinterbliebenen die Anwartschaft oder der Anspruch auf eine anderweitige Versorgungsleistung oder Pension zusteht. Wird nachgewiesen, daß das steuerpflichtige Einkommen weniger als das 300fache der Zeitgrundgebühr beträgt, ermäßigt sich der Beitrag auf 15,75 von Hundert."
Nach §20 des Statuts gelten die Bestimmungen über den Versorgungsfonds - von Ausnahmen abgesehen - auch für den Sterbekassenfonds.
3. Der VfGH hat am 18. Oktober 1985 aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des §29 Abs3 IKG sowie gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des ersten Satzes des §6 Abs2 des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen von Amts wegen zu prüfen.
Der VfGH hat seine Bedenken gegen diese Normen wie folgt zusammengefaßt:
"Der VfGH hat mit dem Erkenntnis VfSlg. 5742/1968 (unter anderem) die Bestimmung des §47 Abs2 Ärztegesetz, BGBl. 92/1949, wonach der Verordnungsgeber eine Befreiung von der Beitragspflicht zum Teil oder zur Gänze für ordentliche Kammerangehörige vorsehen konnte, die den Nachweis erbrachten, daß ihnen und ihren Hinterbliebenen die Anwartschaft oder der Anspruch auf eine gleichartige Unterstützung zusteht, wie sie vom Versorgungs- bzw. Unterstützungsfonds gewährt wird, oder die das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatten, als verfassungswidrig aufgehoben. Es liegt auf der Hand, daß §47 Abs2 Ärztegesetz dem Abs3 des §29 IKG weitestgehend gleicht. Der VfGH hat die Aufhebung der genannten Bestimmung des Ärztegesetzes wie folgt begründet:
'Diese Gesetzesstelle ermächtigt die Ärztekammern zur Erlassung von Verordnungen mit dem Inhalte der Befreiung von Beitragspflichten für die beiden darin genannten Mitgliedergruppen. Es wird dem Ermessen der Ärztekammern anheimgestellt, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Die Verordnung kann aber, weil die Befreiung auch nur zum Teil vorgesehen werden kann, nur für eine Mitgliedergruppe erlassen werden, doch auch innerhalb der beiden Gruppen können weitere Differenzierungen ohne Beschränkungen vorgenommen werden. Damit überläßt das Gesetz die Gestaltung der Materie der Befreiung von der Beitragspflicht vollständig dem Ermessen der Ärztekammern. Der Inhalt der Verordnung ist somit vom Gesetze in keiner Weise vorausbestimmt.
§47 Abs2 enthält im Widerspruch zu Art18 Abs1 und 2 B-VG eine bloß formalgesetzliche Delegation und war daher als verfassungswidrig aufzuheben.'
Es besteht hier offensichtlich überhaupt kein Unterschied zu jener Rechtslage, welche zur Aufhebung des §47 Abs2 Ärztegesetz geführt hat.
Die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung scheint auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht zuzulassen (s. VfSlg. 5742/1968, S 378).
Der VfGH geht daher vorläufig davon aus, daß §29 Abs3 IKG mit Art18 B-VG nicht in Einklang steht.
...
Der VfGH geht weiters vorläufig davon aus, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle den Abs3 des §29 IKG zur gesetzlichen Grundlage hat. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungsstelle sind die Folge der Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit ihrer gesetzlichen Grundlage (vgl. den Beschluß des VfGH vom 16. Dezember 1967, B333, 334, 335/67, betreffend die Einleitung der zum Erkenntnis VfSlg. 5742/1968 führenden Normenprüfungsverfahren)."
4. Die Bundesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das Erk. VfSlg. 5742/1968 von einer meritorischen Stellungnahme abgesehen und hat (lediglich) beantragt, im Falle der Aufhebung gemäß Art140 Abs5 B-VG zur Vorbereitung legistischer Maßnahmen eine Frist von einem Jahr festzusetzen.
Der Kammertag der Bundes-Ingenieurkammer hat in einer Äußerung (auf welche noch zurückzukommen sein wird) die Verfassungs- und die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen verteidigt.
Der Bf. im Anlaßbeschwerdeverfahren hat im Rahmen des vorliegenden Verordnungsprüfungsverfahrens (weitere) Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen vom 30. Juni 1970 betreffend dessen Kundmachung vorgebracht (was im fortgesetzten Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen sein wird).
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die bel. Beh. im Anlaßbeschwerdeverfahren hat dem Begehren des Bf. um gänzliche Befreiung von der - von ihm an sich nicht bestrittenen - Beitragspflicht zum Versorgungsfonds und zum Sterbekassenfonds deshalb nicht Rechnung getragen, weil kein Grund für eine Befreiung von der Beitragsleistung vorliege.
Der VfGH hätte daher bei Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides die Regelung des §29 Abs3 IKG über die Befreiung von der Beitragspflicht und die darauf beruhende (einzige) Vorschrift über die gänzliche Befreiung von dieser Verpflichtung, nämlich den ersten Satz des §6 Abs2 des Statutes, anzuwenden, sodaß diese Vorschriften präjudiziell sind.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Normenprüfungsverfahren zulässig.
2. Der Kammertag der Bundes-Ingenieurkammer weist in seiner Äußerung - soweit sie sich auf die vom VfGH aufgeworfenen Bedenken bezieht - auf den Zusammenhang der Bestimmungen der §§27 und 29 IKG hin, insbesondere darauf, daß "im Rahmen des §27 Abs4 eine Äquivalenz der Beiträge zu den Versicherungsleistungen der Fonds der Wohlfahrtseinrichtungen zu wahren" sei. Daher erscheine es nicht zutreffend, ein Ermessen dahingehend anzunehmen, daß es dem Verordnungsgeber gänzlich freistehe, Ausnahmen zur grundsätzlich bestehenden Beitragspflicht zu statuieren. Das IKG räume daher dem Verordnungsgeber die Möglichkeit ein, Ermäßigungstatbestände für Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis nach den Grundsätzen des §27 Abs4 zu konkretisieren, dies zumindest für jene, die entweder über eine vergleichbare andere Pensions- und Sozialversicherung verfügen oder deren jährliches Einkommen aus der Ziviltechnikertätigkeit weniger als das 400fache der für die Kanzleileistung festgesetzten Zeitgrundgebühr beträgt.
Bei Vergleich der hier in Prüfung gezogenen Bestimmungen - heißt es in der Äußerung weiter - und der mit dem Erk. VfSlg. 5742/1968 aufgehobenen Normen seien zwar bestimmte Ähnlichkeiten zu bemerken, bei genauerer Betrachtung zeige sich aber, daß gravierende Unterschiede vorlägen:
"1. Die Fonds der Wohlfahrtseinrichtungen sind ein Sondervermögen der BIK (§27 Abs1 IKG). Eine gleichzeitige Einhebung der Beiträge mit den Kammerumlagen ist daher nicht möglich (Ziviltechniker sind Mitglieder einer Länderkammer), ebensowenig die Bestimmung eines Anteiles an den Kammerumlagen als Beitrag zur WE.
2. Das Vermögen der Fonds ist zweckgebunden. Eine Vermengung mit den Aufwendungen aus Verwaltung und ähnliches der Kammern ist daher nicht zulässig (§27 Abs1 IKG).
3. Die Mittelaufbringung (Beiträge, auch Nachlässe hiervon) ist derart zu bestimmen, daß dem sozialen Zweck der Gewährung von Unterstützungen im Anfalle entsprochen wird (§27 Abs4 IKG).
4. Strikte Trennung der Verwaltung der Fonds von der der BIK (§28 Abs1 IKG).
5. Bestimmung der Mittelaufbringung durch den Kammertag (§24 IKG), dem höchsten Organ der BIK.
6. Bestimmung der Mittelaufbringung und allfälliger Beitragsnachlässe und -befreiungen nach streng vorgegebenen Richtlinien (§27 bis 29 IKG).
7. Inhaltliche Bestimmtheit der Bestimmungen des IKG über die Wohlfahrtseinrichtungen.
Die Unterschiede der die Wohlfahrtseinrichtungen regelnden Bestimmungen zu den mit Erkenntnis vom 2. 7. 1968 aufgehobenen Bestimmungen dürften trotz materieller Ähnlichkeit so beachtlich sein, daß ein gegensätzliches Ergebnis und die Bestätigung der als bedenklich erachteten Bestimmungen als ausreichend bestimmt, gerechtfertigt erscheint."
3. Das Vorbringen des Ingenieurkammertages kann die Bedenken des VfGH nicht zerstreuen.
Diese Bedenken gehen dahin, daß das IKG - so wie seinerzeit das Ärztegesetz - die Gestaltung der Materie der Befreiung von der Beitragspflicht vollständig dem Ermessen des Verordnungsgebers überläßt. Zu dieser Frage haben die vom Ingenieurkammertag angeführten vermeintlichen Unterschiede zwischen der hier relevanten und der dem Erk. VfSlg. 5742/1968 zugrunde liegenden Regelung keinen Aussagewert (sofern es sich nicht um überhaupt unzutreffende Behauptungen handelt, wie jene, daß die §27 bis 29 IKG "streng vorgegebene Richtlinien" für allfällige Beitragsnachlässe und -befreiungen beinhalteten).
Auch aus der Bestimmung des §27 Abs4 IKG, wonach die Fondsbeiträge unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der gemäß dem Statut der Wohlfahrtseinrichtungen zu erbringenden Leistungen in einer solchen Höhe festzusetzen sind, die den Erfordernissen der Fonds unter Berücksichtigung ihres dauernden Bestandes und der Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit entspricht, ist für das hier relevante Problem nichts zu gewinnen. Denn der durch §27 Abs4 IKG vorgegebene Rahmen der Höhe der Fondsbeiträge hindert den Verordnungsgeber in keiner Weise, nach seinem Belieben Befreiungen von der Beitragspflicht - durchaus unter Bedachtnahme auf die zur Verfügung stehenden Fondsmittel - entweder nur für eine einzige der in den Z1 bis 3 des §29 Abs3 IKG angeführten Mitgliedergruppen (so wie es im vorliegenden Fall geschehen ist) oder - wenn der Verordnungsgeber die vorhandenen Mittel anders verteilen will - Befreiungen in einem geringeren Ausmaß auch für zwei oder für alle drei Gruppen von Mitgliedern zu verfügen oder weitere Differenzierungen innerhalb der Gruppen vorzunehmen. Der Verordnungsgeber kann nach seinem Dafürhalten auch überhaupt keine Befreiung von der Beitragspflicht vorsehen und dafür die Zuwendungen aus dem Fonds entsprechend höher ansetzen.
Dazu kommt, daß der dem §27 Abs4 IKG ähnliche §43 Abs5 des Ärztegesetzes, BGBl. 92/1949 (wonach der Beitrag in einer solchen Höhe festzusetzen ist, die den Erfordernissen des Versorgungs- und des Unterstützungsfonds unter Rücksichtnahme auf dauernden Bestand und Leistungsfähigkeit der Wohlfahrtseinrichtungen entspricht), im Erk. VfSlg. 5742/1968 ebenfalls nicht als inhaltliche Vorausbestimmung für die Befreiung von der Beitragspflicht angesehen wurde.
§29 Abs3 IKG ist daher wegen Verstoßes gegen Art18 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.
4. Aus der Verfassungswidrigkeit des §29 Abs3 IKG folgt die Gesetzwidrigkeit des darauf fußenden ersten Satzes des §6 Abs2 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer vom 30. Juni 1970. Diese Verordnungsbestimmung ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.
5. Die übrigen Entscheidungen beruhen auf Art140 Abs5 und 6 sowie auf Art139 Abs5 B-VG.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil die Voraussetzungen des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 vorliegen.
Schlagworte
Ziviltechniker, Determinierungsgebot, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:G234.1985Dokumentnummer
JFT_10139388_85G00234_00