TE Vfgh Erkenntnis 1986/6/12 B292/83

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Veröffentlicht am 12.06.1986
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1
B-VG Art140 Abs7 dritter Satz
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung
StGG Art5
Tir GVG §4 Abs2

Leitsatz

Art83 Abs2 B-VG; kein Entzug des gesetzlichen Richters infolge Unangreifbarkeit der als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmung des §13 Abs5 Tir. GVG 1970 im Hinblick auf die Fristsetzung Tir. GVG; denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbes gemäß §4 Abs2 - kein Auseinandersetzen der bel. Beh. mit den Umständen des Einzelfalles (Schenkung zwischen Eheleuten); Verletzung im Eigentumsrecht

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird daher aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Bf. - er und seine Gattin sind deutsche Staatsbürger - ist seit 1972 Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ... KG Lans in Tirol; Voreigentümerin war seine Tante. Da sich ein auf der Liegenschaft errichtetes villenartiges Gebäude in sehr schlechtem Zustand befand, kamen der Bf. und seine Gattin überein, ihre gesamten gemeinsamen Mittel zur Sanierung des Gebäudes zu verwenden; einen fehlenden Restbetrag brachte der Bf. durch Verkauf einer Teilfläche des Grundstückes auf. Anschließend schenkte der Bf. seiner Gattin die Hälfte der verbleibenden Grundfläche, worüber am 24. August 1982 eine Vereinbarung abgeschlossen wurde, um deren Genehmigung bei der Grundverkehrsbehörde Lans angesucht wurde.

1.2. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Lans bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 27. Oktober 1982 wurde der beabsichtigten Eigentumsübertragung die nach §3 Abs1 lita GVG 1970 erforderliche Zustimmung gemäß §4 Abs2 GVG 1970 idgF - später wiederverlautbart mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) - versagt.

1.3. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 25. März 1983, Z LGv-729/2-82, als unbegründet abgewiesen.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Ua. aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der lita sowie des Buchstaben "c" in der litb des §13 Abs4 Z2 GVG 1983 ein.

Mit Erk. vom 17. Oktober 1985, G94/85 ua., wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.

4. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen. Der VfGH hat hiezu erwogen:

4.1. Zunächst ist festzuhalten, daß im grundverkehrsbehördlichen Verfahren der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist; damit kommt eine Verletzung des Art6 MRK, wie sie im Fall Sramek gerügt wurde, nicht in Frage.

4.2. Nun zur Beschwerde:

4.2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird unter Bezugnahme darauf behauptet, daß der VfGH - wie aus Fachzeitschriften zu entnehmen sei - "die Verfassungsmäßigkeit eines Teiles des GVG 1970 überprüft und als verfassungswidrig erkannt (habe). Insoweit dadurch die Besetzung des Senates im gegenständlichen Falle als unrichtig gerügt worden sein sollte", werde dies auch zum Gegenstand der vorliegenden Beschwerde gemacht.

4.2.2. Mit diesen Ausführungen wird offensichtlich auf das Erk. VfSlg. 9536/1982 Bezug genommen, mit dem die Worte "vom Bundesminister für Justiz" in §13 Abs5 GVG 1970 als verfassungswidrig aufgehoben wurden und ausgesprochen wurde, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. September 1983 in Kraft tritt. Da der angefochtene Bescheid am 25. März 1983 und damit zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, zu dem die zitierte Gesetzesstelle im Hinblick auf die Fristsetzung verfassungsrechtlich unangreifbar war, kommt insofern eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht in Frage. Auch sonst liegt nichts vor, das einen solchen Vorwurf rechtfertigen könnte.

4.3.1. Der Bf. behauptet des weiteren, daß dem durchgeführten Administrativverfahren schwere Verfahrensmängel anhaften, insbesondere wegen Nichtdurchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, wodurch sein Anspruch auf rechtliches Gehör beeinträchtigt worden sei.

4.3.2. Diesem Beschwerdevorbringen ist schon deshalb nicht näher zu treten, weil - wenn überhaupt - eine Verletzung des Gleichheitsrechtes wegen Willkür zu prüfen wäre. Da das Grundrecht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz jedoch österreichischen Staatsbürgern vorbehalten ist, hatte sich der VfGH schon deshalb mit diesen Beschwerdevorwürfen nicht zu befassen (vgl. zB VfSlg. 9541/1982).

4.4.1. Der Bf. behauptet schließlich, der Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Der angefochtene Bescheid stütze sich in denkunmöglicher Weise auf den Untersagungstatbestand des §4 Abs2 lita GVG wegen einer drohenden Überfremdung, da sich im Gemeindegebiet von Lans unter 189 Grundbesitzern lediglich 7 Ausländer fänden. Es könne auch keine Rede davon sein, daß die beabsichtigte Eigentumsübertragung an seine Gattin bewirken könnte, daß der ausländische Grundbesitz in der Gemeinde erheblich bemerkbar würde, da seine Gattin mit ihm ja schon in den vergangenen 12 Jahren immer wieder im geschenkten Objekt gewohnt hätte, abgesehen davon, daß seine Gattin gebürtige Österreicherin sei. Die bel. Beh. habe aber auch nicht berücksichtigt, daß er durch Verkauf einer Teilfläche des Grundes sogar den Zuzug einer österreichischen Familie ermöglicht habe. Es könnten einer Genehmigung des Schenkungsvertrages aber auch nicht negative Beispielsfolgen entgegengehalten werden oder, daß der Wohnbedarf heimischer Wohnungswerber beeinträchtigt, allenfalls die Preisgestaltung heimischer Fremdenbeherbergungsbetriebe ungünstig beeinflußt würde. Die beabsichtigte Eigentumsübertragung stünde somit weder im Widerspruch zu volkswirtschaftlichen noch zu sozialpolitischen Interessen.

4.4.2. Diese Beschwerdevorwürfe erweisen sich aus folgendem Grund als berechtigt: Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentum ein. Er stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §4 Abs2 lita GVG. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Bestimmung (vgl. hiezu insbesondere VfSlg. 6546/1971, 7274/1974, 8501/1979, zuletzt 10688/1985) liegt die behauptete Grundrechtsverletzung nur vor, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hat. Dies ist tatsächlich der Fall.

Gemäß §4 Abs2 GVG darf die für den Ausländergrunderwerb erforderliche Zustimmung nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht; ein Widerspruch zu solchen Interessen liegt nach lita insbesondere dann vor, wenn in der betreffenden Gemeinde oder Ortschaft mit Rücksicht auf das Ausmaß des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes oder auf die Zahl der ausländischen Grundbesitzer eine Überfremdung einzutreten droht.

Die bel. Beh. hat sich im angefochtenen Bescheid nur in allgemeinen Ausführungen mit einer Überfremdungsgefahr auseinandergesetzt und ihn lediglich damit begründet, daß durch die Übertragung die Zahl der ausländischen Grundbesitzer erhöht wird. Sie hat sich aber überhaupt nicht mit den Umständen des Einzelfalles befaßt. Ausgehend davon, daß es sich dabei um eine Eigentumsübertragung aufgrund einer Schenkung zwischen Ehegatten handelt und daß das hiebei in Frage stehende Objekt seit vielen Jahren von den Vertragspartnern in regelmäßigen Abständen gemeinsam bewohnt wird, hält es der VfGH für denkunmöglich, auf einen Widerspruch des vorliegenden Rechtserwerbs zu volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder sonstigen nach §4 Abs2 GVG geschützten Interessen zu schließen. Unter diesen Umständen ist es belanglos, daß anstelle eines Ehegatten aufgrund des Schenkungsvertrages beide Ehegatten zu Grundeigentümern werden.

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid demnach im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Aufhebung Wirkung, Ausländergrunderwerb, Überfremdung, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B292.1983

Dokumentnummer

JFT_10139388_83B00292_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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