TE Vfgh Erkenntnis 1986/6/16 V43/84

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Veröffentlicht am 16.06.1986
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10.12.82 betreffend Änderung des Flächenwidmungsplanes
Nö ROG 1976 §16 Abs1
Nö ROG 1976 §22 Abs1

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Gerichtsantrag auf teilweise Aufhebung der V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Dezember 1982 (betr. Änderung des Flächenwidmungsplanes); Präjudizialität der V nur insoweit sie sich auf die Festsetzung der Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" für die Grundstücke bezieht, auf denen die Errichtung eines Kraftwerkes baubehördlich bewilligt wurde; mangelnde Präjudizialität der V, soweit sich diese Widmungsfestsetzung auf andere Grundstücke beziehen sollte, als auch hinsichtlich sonstiger damit zusammenhängender Festsetzungen V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Dezember 1982 (betr. Änderung des Flächenwidmungsplanes); keiner Bestimmung des Nö. ROG 1976 ist eine bestimmte Mindestgröße des von einer Widmung betroffenen Gebietes zu entnehmen; in ihrer Summe müssen die zulässigen Widmungsarten zu Ergebnissen führen können, die vor dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz Bestand haben; rechtmäßige Annahme einer wesentlichen Änderung der Grundlagen - kein Verstoß gegen §22 Abs1 Nö. ROG 1976 durch die vorgenommene Umwidmung (Festsetzung der Nutzungsart "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk"); durch Vornahme der Umwidmung im Hinblick auf bestehendes E-Werk und deshalb, um die Bebauung auf Errichtung des für das thermische Kraftwerk erforderlichen Gebäudes zu beschränken und damit eine Charakterisierung als Industriegebiet auszuschließen, kein Widerspruch zu §16 Abs1 Z6

Spruch

1. Dem Antrag des VwGH wird, soweit sich die V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Dezember 1982, kundgemacht durch Anschlag an der Gemeindetafel vom 5. April 1983 bis 25. April 1983, auf die Festlegung der Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" für die Grundstücke 623 und 624 KG Ybbs bezieht, nicht Folge gegeben.

2. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In dem mit Bescheid der Nö. Landesregierung vom 4. März 1977 gemäß §21 Abs5 und 7 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1, genehmigten, am 30. März 1977 in Kraft getretenen Flächenwidmungsplan für die Stadtgemeinde Ybbs waren die Grundstücke in einem nordwestlich an den Schleifmühlbach angrenzenden Bereich, insbesondere die nordwestlich des Schleifmühlbaches (Oberwasserkanal) gelegenen Grundstücke 623 und 624 KG Ybbs und auch die weiter nordwestlich angrenzenden Grundstücke, als "Bauland - Wohngebiet" iS des §16 Abs1 Z1 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976 ausgewiesen.

Das vom Grundstück 624 umgebene Baugrundstück 380 war mit der Signatur "UW - Umspannwerk" gekennzeichnet. Der Komplex des ausgewiesenen Baulandes war von einer im Anschluß an das Grundstück Nr. 624 gelegenen, etwa von Südwest nach Nordost verlaufenden und zwei Verkehrsflächen verbindenden Aufschließungsstraße unterbrochen.

2. In dem Protokoll über die Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Dezember 1982 ist zu Tagesordnungspunkt 23 folgendes festgehalten:

"Eingehend in diesen Tagesordnungspunkt teilt der Bürgermeister mit, daß die beabsichtigten Änderungen des Flächenwidmungsplanes während acht Wochen hindurch kundgemacht wurden und auch eine Verständigung der Nachbargemeinden über dieses Vorhaben erfolgt ist. Hierauf verliest er die Stellungnahme des Amtes der Nö. Landesregierung, Abt. R/2 sowie die eingegangene Erinnerung vom Gemeinderat A ...

Mit jeweils einstimmigem Beschluß genehmigt der Gemeinderat die Abänderungen des derzeit gültigen Flächenwidmungsplanes wie folgt:

a) Die Grundflächen entlang dem Schleifmühlbach einerseits und der Unterauerstraße andererseits, in der unmittelbaren Umgebung des bestehenden E-Werkes Dr. W werden vom Bauland - Wohnen auf Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk mit einem Grüngürtel, der dieses Gebiet im Nordwesten vom Bauland trennt, umgewidmet. Gleichzeitig wird die im angrenzenden Bauland vorgesehene Aufschließungsstraße entsprechend den bereits vorgenommenen Grundabtretungen korrigiert.

b) ...

c) ...

Schließlich wird noch mit einstimmigem Beschluß nachstehende Verordnung zu den soeben beschlossenen Änderungen des Flächenwidmungsplanes genehmigt:

Verordnung

§1 Auf Grund des §22 Abs1 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1, wird das örtliche Raumordnungsprogramm dahingehend abgeändert, daß für die auf der hiezu gehörigen Plandarstellung rot umrandeten Grundflächen im gesamten Gemeindegebiet die auf der Plandarstellung durch rote Signatur dargestellte Widmungs- und Nutzungsart festgelegt wird.

§2 Die Plandarstellung, welche mit dem Hinweis auf diese Verordnung versehen ist, liegt im Stadtamt während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht auf.

§3 Diese Verordnung tritt nach ihrer Genehmigung durch die Nö. Landesregierung und nach ihrer darauf folgenden Kundmachung mit dem auf den Ablauf der 2wöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft."

In der der V zugrunde liegenden Plandarstellung war für die Grundflächen entlang des Schleifmühlbaches, insbesondere für Teilflächen der Grundstücke 623 und 624 KG Ybbs, die Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" an Stelle der bisherigen Widmung "Bauland - Wohngebiet" vorgesehen. An diese Widmung anschließend wurde im Norden, Westen und Süden die Widmungsart "Grünland" mit der Nutzungsart "Grüngürtel" festgelegt. Dieser Gürtel ist in der Natur an seiner schmalsten Stelle 20 m breit.

Die bisherige Aufschließungsstraße wurde weiter nach Nordwesten, insbesondere über die Grundstücke Nr. 626, 628 und 632 der KG Ybbs, verlegt.

Nachdem die Nö. Landesregierung die vom Gemeinderat am 10. Dezember 1982, TOP 23, beschlossene V gemäß §21 Abs5 und 7 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1, mit Bescheid vom 28. März 1983 genehmigt hatte, wurde sie durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel kundgemacht. Sie trat gemäß §59 Abs1 der Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-2, am 20. April 1983 in Kraft.

3. Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Ybbs vom 13. Mai 1983 wurde der W GesmbH und der Firma E-Werk W KG, Ybbs, aufgrund des Ergebnisses der am 5. Mai 1983 durchgeführten Bauverhandlung gemäß §92 Abs1 der Bauordnung für NÖ "die baubehördliche Bewilligung für das auf den Grundstücken 623 und 624, KG Ybbs, zu errichtende thermische Kraftwerk erteilt". Es wurde ausgesprochen, daß die in den Gutachten des bautechnischen Sachverständigen, des Sachverständigen für Lärmschutz, des Sachverständigen für Luftreinhaltung und des Sanitätssachverständigen enthaltenen Vorschreibungen einzuhalten sind.

Der gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 13. Mai 1983 von Anrainern erhobenen Berufung hat der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ybbs mit Bescheid vom 22. Feber 1984 keine Folge gegeben.

Die in den Berufungen vorgebrachten Einwendungen gegen das Bauvorhaben wurden zum Teil als unbegründet ab-, zum Teil zurückgewiesen.

Die von Anrainern gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 22. Feber 1984 erhobene Vorstellung hat die Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 24. April 1984 als unbegründet abgewiesen.

4. a) Aus Anlaß der gegen den Bescheid der Nö. Landesregierung vom 24. April 1984 erhobenen Beschwerde stellt der VwGH gemäß Art139 B-VG iVm. Art89 Abs2 B-VG an den VfGH den Antrag, "die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Dezember 1982, betreffend Änderung des Flächenwidmungsplanes, insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als für Grundflächen entlang des Schleifmühlbaches einerseits und der Unterauerstraße andererseits in der unmittelbaren Umgebung des bestehenden E-Werkes Dr. W die Widmung Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk und damit zusammenhängende Festsetzungen (Grüngürtel, Aufschließungsstraße) vorgenommen wurden".

b) Die Nö. Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie geltend macht, daß nicht die ganze V präjudiziell sei. Sie begehrt, den Antrag des VwGH,

1. soweit er die Aufhebung der Festlegung der Widmungen "Grünland - Grün-Gürtel" und "Verkehrsfläche" (Aufschließungsstraße) bezweckt, mangels Präjudizialität zurückzuweisen und,

2. soweit er auf die Aufhebung der Festlegung der Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" abzielt, als unbegründet abzuweisen.

c) Die Äußerung der Stadtgemeinde Ybbs stimmt mit den Ausführungen in der Äußerung der Nö. Landesregierung im wesentlichen wörtlich überein.

II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

Der VwGH begehrt die Aufhebung der V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Dezember 1982 sowohl insoweit, als für Grundflächen entlang des Schleifmühlbaches einerseits und der Unterauerstraße andererseits in der unmittelbaren Umgebung des bestehenden E-Werkes Dr. W die Widmung Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk festgesetzt wurde, als auch insoweit, als damit zusammenhängende Festsetzungen (Grüngürtel, Aufschließungsstraße) vorgenommen wurden.

Wie sich aus dem Inhalt des Bescheides des Gemeinderates vom 22. Feber 1984 (I/3) ergibt, ist mit diesem Bescheid die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Kraftwerkes auf den Grundstücken Nr. 623 und 624 KG Ybbs erteilt worden.

Nach Auffassung des VfGH ist damit offenkundig, daß sowohl bei der Erteilung der Baubewilligung als auch bei der Erlassung des beim VwGH angefochtenen Bescheides der Nö. Landesregierung vom 24. April 1984, mit dem die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen wurde, die V vom 10. Dezember 1982 nur insoweit angewendet wurde, als mit dieser V für die Grundstücke 623 und 624 die Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" festgesetzt wurde. Die V ist daher nur insoweit präjudiziell. Deshalb ist der Antrag nur insoweit zulässig, als sich die V auf die Festsetzung der Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" für die angeführten Grundstücke bezieht. Der darüber hinaus gehende Antrag ist sowohl insoweit, als sich die Festsetzung der Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" auf andere Grundstücke beziehen sollte, als auch insoweit, als vom Antrag die Aufhebung der sonstigen damit zusammenhängenden Festsetzungen (Grüngürtel, Aufschließungsstraße) umfaßt wird, als unzulässig zurückzuweisen.

III. Zur Sache hat der VfGH erwogen:

1. Die Bedenken des VwGH gegen die Gesetzmäßigkeit der V vom 10. Dezember 1982 (im präjudiziellen Umfang) gehen zunächst dahin, daß ihm fraglich erscheint, ob der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ybbs zu Recht davon ausgehen durfte, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes überhaupt vorlagen. Nach Wiedergabe des §22 Abs1 des Nö. ROG 1976 wird im Antrag ausgeführt:

"Im Beschwerdefall sind den vorgelegten Plänen und Unterlagen zufolge als 'Bauland - Wohngebiet' gewidmete Grundflächen dahin gehend umgewidmet worden, daß die Widmung 'BS (Bauland - Sondergebiet) - Kraftwerk' festgesetzt wurde. Eine Prüfung der Frage, aus welchen Gründen wenige Jahre vorher die Widmung 'Bauland - Wohngebiet' festgesetzt worden ist, ist der Aktenlage nach nicht vorgenommen worden. Die Äußerung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Oktober 1984 läßt erkennen, daß er der Meinung ist, bei der für die erstmalige Erlassung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1976 durchgeführten Grundlagenforschung sei das bereits seit dem Jahre 1898 bestehende Wasserkraftwerk auf diesen Grundflächen nicht genügend berücksichtigt worden. Der VwGH hält nun die Bestimmung des §22 Abs1 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976 nicht dahingehend für interpretierbar, daß früher bei der Erstellung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes, insbesondere in der Form eines Flächenwidmungsplanes, unterlaufene Fehler als 'wesentliche Änderung der Grundlagen' beurteilt werden können. Aber auch der Wunsch, ein Wärmekraftwerk zu errichten, dürfte nicht ausreichen, eine wesentliche Änderung der Grundlagen im Sinne des Gesetzes darzutun. In der erwähnten Stellungnahme des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. November 1982 ist zwar ein Amtssachverständiger davon ausgegangen, daß ein Änderungsanlaß im Sinne des §22 Abs1 Z2 des Gesetzes gegeben ist, allein eine nähere Begründung für diese Auffassung kann dieser Stellungnahme nicht entnommen werden. Der VwGH vermag daher auf Grund der ihm übermittelten Unterlagen nicht die Auffassung zu vertreten, daß eine wesentliche Änderung der Grundlagen, welche zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes geführt haben, eingetreten sei. Trifft aber diese Auffassung zu, dann war der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ybbs nicht berechtigt, die mehrfach genannte Umwidmung vorzunehmen."

2. Die Nö. Landesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Meinung, daß die wesentliche Änderung der Grundlagen, auf denen die Verordnungen der Jahre 1976 und 1977 basierten, im Jahre 1981 durch die Tatsache eingetreten ist, daß die Firma S GesmbH begonnen habe, im Bereich der Stadtgemeinde Ybbs an der Donau auf dem Gelände zwischen dem Ybbsfluß und dem Unterwasser-Kanal des E-Werkes Dr. W (zwischen dem ehemaligen Stahlwerk und der Bundesstraße 25) ein Großsägewerk zu errichten. Die Stadtgemeinde habe in der vorgenommenen Widmungsänderung die Chance gesehen, einerseits die Frage der Entsorgung einer außergewöhnlichen Menge von Rinden- und Holzabfällen zu lösen, andererseits das Problem der ständig steigenden Energiekosten durch eine autarke Belieferung von Strom und Fernwärme an öffentliche Einrichtungen und die Gemeindebürger in den Griff zu bekommen.

3. a) §22 Nö. ROG 1976 lautet:

"Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes

(1) Ein örtliches Raumordnungsprogramm darf nur abgeändert werden:

1. wegen eines rechtswirksamen Raumordnungsprogrammes des Landes oder anderer rechtswirksamer überörtlicher Planungen,

2. wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen oder

3. wegen Löschung des Vorbehaltes.

(2) Verfahren, die vor der Kundmachung der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bereits anhängig waren, werden durch die Änderung nicht berührt.

(3) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des §21 sinngemäß."

b) Für die in der angefochtenen V vorgenommene Änderung des Raumordnungsprogramms konnte, da ein rechtswirksames Raumordnungsprogramm des Landes oder eine andere rechtswirksame überörtliche Planung nicht vorgelegen und ein Vorbehalt nicht gelöscht worden ist, nur ein Änderungsanlaß nach §22 Abs1 Z2 Nö. ROG 1976 in Betracht kommen.

Die Stadtgemeinde Ybbs hat sich wegen der Frage der Möglichkeit der Änderung des mit dem Bescheid der Nö. Landesregierung vom 4. März 1977 genehmigten örtlichen Raumordnungsprogramms (I/1; im folgenden Raumordnungsprogramm 1977) an die für Angelegenheiten der örtlichen Raumplanung zuständige Fachabteilung des Amtes der Nö. Landesregierung gewendet. Im Gutachten des Amtes der Nö. Landesregierung vom 30. November 1982 wird ausgeführt:

"Begründet wird die Änderung mit der bevorstehenden Errichtung eines Fernwärmewerkes im direkten Anschluß an das bestehende Wasserkraftwerk. Dieses Fernwärmewerk soll die Rindenabfälle des im Bau befindlichen Sägewerkes S verarbeiten und einen Teil der Stadt Ybbs mit Fernwärme versorgen.

Ein Änderungsanlaß im Sinne des §22 Abs1 Punkt 2 ROG 1976 ist daher gegeben.

...

Beim Kraftwerk wurde die Widmung Bauland - Sondergebiet gewählt, weil das Kraftwerk an die städtische Grundausstattung angeschlossen ist und unmittelbar am Rand des Ybbser Siedlungsgebietes liegt. Bei der Festlegung der neuen Widmung wurde die bestehende Wohnbaulandwidmung in der Umgebung des Kraftwerkes auf den Bestand reduziert und zwischen Kraftwerk und Wohnbauland ein Grüngürtel eingefügt.

Zusammenfassend wird festgestellt, daß die beantragte Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Stadtgemeinde Ybbs den Bestimmungen des ROG 1976 entspricht und weder Versagungsgründe noch Gesetzwidrigkeiten nach §21 Abs5 ROG 1976 festgestellt werden konnten."

Maßgeblich ist, ob die nach §22 Abs1 geforderten Voraussetzungen für eine Änderung dieser Widmung durch die Festsetzung der Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" gegeben waren. Der VfGH pflichtet der Auffassung des VwGH bei, daß eine solche Änderung im Gesetz dann keine Deckung fände, wenn sie nicht wegen wesentlicher Änderungen der Grundlagen bestünde.

Es steht außer Zweifel, daß die Stadtgemeinde Ybbs nach der Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogramms 1977 mit dem Vorhaben der Errichtung eines Sägewerkes und mit dem damit auftauchenden Problem der Entsorgung einer außergewöhnlichen Menge von Rinden und Holzabfällen konfrontiert wurde. Dazu kam, daß durch eine Verwertung dieser Abfälle in einem zu errichtenden thermischen Kraftwerk in Verbindung mit dem bereits vorhandenen E-Werk der Firma Dr. W die Möglichkeit zur Versorgung jedenfalls von Teilen des Gemeindegebietes mit elektrischer und Wärmeenergie und damit zu einem Vorgehen im Sinne des Leitzieles nach §1 Abs2 Z8 Nö. ROG 1976, wonach die Energieversorgung über die Deckung des jeweiligen Bedarfes hinaus die zum Ausgleich regionaler Entwicklungsunterschiede notwendigen Investitionsanreize bieten soll, entstanden ist.

Wenn der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ybbs unter diesen Voraussetzungen eine wesentliche Änderung der Grundlagen angenommen und infolgedessen die Umwidmung der Grundstücke 623 und 624 KG Ybbs von "Bauland - Wohngebiet" in "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" vorgenommen hat, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, gegen die Bestimmung des §22 des Nö. ROG 1976 verstoßen zu haben.

4. a) Der VwGH bringt des weiteren gegen die Gesetzmäßigkeit der vom Gemeinderat am 10. Dezember 1982 beschlossenen V nach Anführung der Bestimmung des §16 Abs1 Nö. ROG 1976 folgendes Bedenken vor:

"Aus den vorgelegten Akten geht eindeutig hervor, daß die Umwidmung deshalb erfolgte, um die Errichtung eines thermischen Kraftwerkes zu ermöglichen, welches einen Teil der Stadt Ybbs mit Fernwärme versorgen soll, und zwar primär auf die Weise, daß Rindenabfälle (und sonstiges) verheizt werden sollen. Davon ging jedenfalls auch der Amtssachverständige in der erwähnten Stellungnahme vom 30. November 1982 aus. Bei einem solchen Vorhaben handelt es sich keinesfalls um Baulichkeiten zu Zwecken, welche ein besonderes Schutzbedürfnis erfordern, und es kann nach Auffassung des VwGH auch nicht davon ausgegangen werden, daß ein solches Vorhaben zu Zwecken bestimmt ist, welche sich nicht in die Z1 bis 5 des §16 Abs1 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976 einordnen lassen. Ein solcher Kraftwerksbau wird regelmäßig ein für ein Industriegebiet typisches Vorhaben sein, sind doch Industriegebiete nach §16 Abs1 Z4 des Gesetzes für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt, die eine übermäßige Lärm- oder Geruchsbelästigung oder andere schädliche, störende oder gefährliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können oder die sich wegen ihrer Erscheinungsform oder ihrer räumlichen Ausdehnung nicht dem Ortsbild anderer Nutzungsgebiete anpassen. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, daß die beschwerdeführenden Nachbarn in ihrer Beschwerde darauf hinweisen, die Bezirkshauptmannschaft Melk habe als Gewerbebehörde erster Instanz den Betrieb der mitbeteiligten Partei gewerberechtlich genehmigt. Allerdings, so führen die Beschwerdeführer weiter aus, habe die Gewerbebehörde zweiter Instanz ihrer Berufung Folge gegeben; in dritter Instanz habe sodann wieder die mitbeteiligte Partei Recht behalten, wogegen die beschwerdeführenden Nachbarn nunmehr Beschwerden an den VwGH erhoben hätten. Für ein Kraftwerk der vorliegenden Art, die Widmung 'Bauland - Sondergebiet' festzusetzen, widerspricht daher nach Auffassung des VwGH den gesetzlichen Bestimmungen des §16 des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976. In diesem Zusammenhang haben auch die beschwerdeführenden Nachbarn in ihrer Beschwerde an den VwGH zu Recht darauf hingewiesen, die beispielhafte Aufzählung in §16 Abs1 Z6 leg. cit. lasse keinen Schluß darauf zu, daß ein thermisches Kraftwerk unter den Begriff 'u. dgl.' fallen könnte.

Durch die Festlegung der nunmehr vorgesehenen Widmung wäre aber darüber hinaus der Planungsrichtlinie nach §14 Abs2 Z8 ROG nicht mehr entsprochen, wonach bei Festlegung von Wohnbauland anzustreben ist, daß es außerhalb von Störungseinflüssen liegt oder durch Abschirmung gegenüber Betriebsgebieten, Industriegebieten, Durchzugsstraßen und Materialgewinnungsstätten weitestgehend störungsfrei gehalten wird. Gerade das auf Verwaltungsebene durchgeführte Ermittlungsverfahren läßt erkennen, daß von dem Kraftwerk selbst Störungseinflüsse auf das umliegende Wohnbauland ausgehen und darüber hinaus durch häufige Zu- und Abfahrten von Lastkraftwagen (Zubringung der Abfälle vom Sägewerk) eine nicht unwesentliche Qualitätseinbuße des gegebenen Wohnbaulandes zu Recht befürchtet werden kann. Damit soll nicht verkannt werden, daß der Gemeinderat durch Festlegung eines - allerdings offenbar zu schmalen - Grüngürtels den Versuch unternahm, das Wohnbauland teilweise von Störungseinflüssen abzuschirmen.

Der VwGH ist auf Grund der dargelegten Erwägungen zusammenfassend der Auffassung, daß die vorgenommene Umwidmung von 'Bauland - Wohngebiet' in 'Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk' samt damit zusammenhängenden Festlegungen den maßgeblichen Bestimmungen des Nö. Raumordnungsgesetzes 1976 widerspricht."

b) Die Nö. Landesregierung ist in ihrer Äußerung dieser Auffassung des VwGH entgegengetreten. Sie hält die Festlegung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" mit dem Gesetz vereinbar.

5. a) §16 des Nö. ROG 1976 lautet:

"Bauland

(1) Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Nutzungsarten zu gliedern.

1. Wohngebiete, die für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche in Wohngebäuden untergebracht werden können und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können;

2. Kerngebiete, die vorwiegend für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten sowie für Bereiche des Handels, Gewerbes und Fremdenverkehrs bestimmt sind, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes (Stadtkernes) harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können;

3. Betriebsgebiete, die für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt sind, die keine übermäßige Lärm- und Geruchsbelästigung und keine schädlichen, störenden oder gefährlichen Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können und sich in ihrer Erscheinungsform in das Ortsbild eines Wohn- oder Kerngebietes einfügen;

4. Industriegebiete, die für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt sind, die eine übermäßige Lärm- oder Geruchsbelästigung oder andere schädliche, störende oder gefährliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können oder die sich wegen ihrer Erscheinungsform oder ihrer räumlichen Ausdehnung nicht dem Ortsbild anderer Nutzungsgebiete anpassen;

5. Agrargebiete, die für Baulichkeiten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude bestimmt sind;

Betriebsgebäude, die anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, dürfen nur insoweit zugelassen werden, als sie mit Rücksicht auf die Nutzung vorhanden sein müssen;

6. Sondergebiete, die für Baulichkeiten zu Zwecken, welche ein besonderes Schutzbedürfnis erfordern, oder zu Zwecken bestimmt sind, welche sich nicht in die Z1 bis 5 einordnen lassen, wie Kranken- und Kuranstalten, Heime, Hotels und Pensionen, Schulen, Spiel- und Sportanlagen, Kasernen und dergleichen.

(2) In Kern- und Agrargebieten sind auch Wohngebäude zuzulassen. In Betriebs-, Industrie- und Sondergebieten sowie in Gebieten für Einkaufszentren sind Wohngebäude nur insoweit zuzulassen, als sie mit Rücksicht auf die Nutzung vorhanden sein müssen.

(3) Im Bauland dürfen Gebäude, Bauwerke und Anlagen für Betriebe zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes errichtet werden.

(4) Baulichkeiten für die religiösen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung können erforderlichenfalls in allen Teilen des Baulandes zugelassen werden.

(5) Das Bauland kann in verschiedene Aufschließungszonen unterteilt werden, wenn eine bestimmte zeitliche Reihenfolge der Aufschließung vorgesehen ist. Die Freigabe einer Aufschließungszone erfolgt nach Eintritt der festgelegten Voraussetzungen nach Maßgabe der NÖ Bauordnung, LGBl 8200."

Nach §14 Abs2 Z8 Nö. ROG 1976 ist bei der Festlegung von Wohnbauland anzustreben, daß es außerhalb von Störungseinflüssen liegt oder durch Abschirmung gegenüber Betriebsgebieten, Industriegebieten, Durchzugsstraßen und Materialgewinnungsstätten weitestgehend störungsfrei gehalten wird.

Nach §14 Abs2 Z11 Nö. ROG 1976 sind bei der Festlegung von Industriegebieten und Materialgewinnungsstätten Störungen für Wohnbauland und für Erholungsgebiete weitestgehend zu vermeiden.

b) Der VfGH geht davon aus, daß keiner Bestimmung des Nö. ROG 1976 eine bestimmte Mindestgröße des von einer Widmung betroffenen Gebietes zu entnehmen ist und die natürlichen Gegebenheiten oder die tatsächlichen Benützungsverhältnisse auch die Bildung verhältnismäßig kleinräumiger Widmungseinheiten erforderlich machen können.

Dem Gesetzgeber steht die Befugnis zu, die verschiedensten Widmungsarten nach seinen rechtspolitischen Vorstellungen zu gestalten, sodaß es der planenden Gemeinde obliegt, die richtige Widmung aus der Zahl der vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeiten auszuwählen. In ihrer Summe müssen aber die zulässigen Widmungsarten zu Ergebnissen führen können, die vor dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz Bestand haben (vgl. die zwar zum Bgld. Raumplanungsgesetz gemachten, aber auch für die Rechtslage nach dem Nö. ROG 1976 geltenden Ausführungen in VfSlg. 8701/1979).

Im Sinne dieser Ausführungen hat der Gesetzgeber bei der Gliederung des Baulandes in §16 Abs1 Z1 bis 6 auf starke Mischungen von Nutzungsarten abgestellt. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß beispielsweise die den Zwecken eines Hotels dienenden, in Z6 angeführten Baulichkeiten als für Bereiche des Fremdenverkehrs bestimmte Gebäude nach Z2 oder als Baulichkeiten für Betriebe in Betriebsgebieten nach Z3, die für Zwecke von Schulen in Z6 angeführten Baulichkeiten als öffentliche Gebäude in Kerngebieten nach Z2 sowie die für Zwecke von Pensionen und Heimen in Z6 angeführten Baulichkeiten auch als Wohngebäude nach Z1 beurteilt werden könnten.

Dies bedeutet, daß der Gesetzgeber in der Bestimmung der Z6 der planenden Gemeinde eine Möglichkeit eröffnet hat, die Nutzungsart "Sondergebiet" - abgesehen vom Erfordernis eines besonderen Schutzbedürfnisses - festzulegen, um innerhalb großflächiger Widmungsgebiete die Errichtung von Baulichkeiten für bestimmte Zwecke, die sich aus spezifischen Gründen nicht in die Z1 bis 5 einordnen lassen, vorsehen zu können.

Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ybbs hat die Nutzungsart "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" für die Grundstücke 623 und 624 im Hinblick auf den vorhandenen Bestand des E-Werkes und - wie insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Ybbs betont wurde - deshalb festgesetzt, um die Bebauung auf die Errichtung des für das thermische Kraftwerk erforderlichen Gebäudes zu beschränken und damit eine Charakterisierung des Gebietes als Industriegebiet mit der damit verbundenen Ermöglichung der Errichtung von Baulichkeiten aller Art iS der Z4, wofür auch eine wesentliche Vergrößerung des Grüngürtels erforderlich gewesen wäre, auszuschließen.

Der VfGH kann nicht finden, daß der Gemeinderat bei der unter diesen Umständen vorgenommenen Festlegung der Widmung "Bauland - Sondergebiet - Kraftwerk" für die Grundstücke 623 und 624 in gesetzwidriger Weise vorgegangen wäre.

Dem Antrag des VwGH auf Aufhebung der V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ybbs vom 10. Dezember 1982 war daher insoweit, als sich die V auf die Festlegung der angeführten Widmung für die Grundstücke 623 und 624 bezieht, nicht stattzugeben.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:V43.1984

Dokumentnummer

JFT_10139384_84V00043_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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