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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktBeachte
ausschließlich unter Hinweis auf dieses Erk. ebenso: B432/85, B433/85, B434/85, B435/85 und B436/85, alle vom 20. Juni 1986Leitsatz
StudFG; Abweisung eines Antrages auf Gewährung eines Begabtenstipendiums gemäß §28 Abs1; gleichheitswidrige Auslegung des §28 Abs2 dahin, daß Zeugnisse über Teilprüfungen von Diplomprüfungen nicht als Nachweis des besonders günstigen Studienerfolges in Betracht kommen können; Verletzung im GleichheitsrechtSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 30. Oktober 1984 hat die Kommission für Begabtenförderung an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz den Antrag des Bf. auf Gewährung eines Begabtenstipendiums gemäß §28 Abs1 des Studienförderungsgesetzes 1983 (StudFG), BGBl. 436/1983, "mangels der Voraussetzung des besonders günstigen Studienerfolgs im Sinne des §28 Abs2 StudFG abgewiesen".
Der vom Bf. gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung mit Bescheid vom 10. April 1985 keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, wegen Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen des StudFG und wegen Anwendung des gesetzwidrigen Erlasses des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, GZ 68.159/40-17/84, in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich im wesentlichen auf den III. Abschnitt des Studienförderungsgesetzes 1983 - StudFG, BGBl. 436/1983 (der Umstand, daß dieser Abschnitt nach ArtII Abs2 des BG über die Änderung des Studienförderungsgesetzes 1983, BGBl. 361/1985, am 1. September 1985 außer Kraft getreten ist, ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren ohne Belang).
a) Nach §27 Abs1 lita StudFG sind Begabtenstipendien an höchstens 10 vH der inländischen Studierenden zu vergeben, die sich an einer in §1 Abs1 lita bis c genannten Anstalt in einem höheren als dem vierten einrechenbaren Semester (§20 AHStG) befinden, zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören (§1) und einen besonderen Studienerfolg aufweisen (§28).
Im §27 Abs2 StudFG ist geregelt, daß der jeweils mit der Vollziehung betraute Bundesminister durch V festzustellen hat, wie viele Begabtenstipendien auf die Universitäten, die Fakultäten und die übrigen angeführten Anstalten zu entfallen haben.
Nach §27 Abs5 StudFG hat die zuständige Kommission für Begabtenförderung die einlangenden Ansuchen nach folgenden Gesichtspunkten zu reihen:
"a) Studienerfolg des letztvergangenen Studienjahres unter Berücksichtigung der Einhaltung der vorgesehenen Studiendauer;
Studienerfolge, die bis zur Überreichung des Ansuchens in den ersten sechs Wochen des laufenden Studienjahres erzielt wurden, sind zu berücksichtigen;
b) Studienerfolg in den weiter zurückliegenden Studienjahren;
c) Reifezeugnis, beziehungsweise die an seiner Stelle nach Maßgabe der für die verschiedenen Anstalten geltenden Studienvorschriften geforderten Nachweise."
Nach §27 Abs6 hat die zuständige Kommission nach Maßgabe der Reihung gemäß Abs5 Begabtenstipendien zu bewilligen, bis die gemäß Abs2 festgesetzte Höchstzahl erreicht ist.
b) §28 StudFG (Überschrift: "Besonders günstiger Studienerfolg") lautet (soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung):
"(1) Voraussetzung für die Gewährung eines Begabtenstipendiums ist mindestens der in den Abs2 bis 6 festgesetzte Studienerfolg.
(2) An Universitäten ist der Studienerfolg nachzuweisen:
a) Durch Zeugnisse über die Ablegung von Diplomprüfungen und Rigorosen mit mindestens gutem Erfolg oder
b) durch Zeugnisse über Prüfungen oder Lehrveranstaltungen der im §16 Abs1 lita, c, d, e und f AHStG vorgesehenen Art über den Stoff von wenigstens 10 Jahreswochenstunden (20 Semesterwochenstunden) mit einer Durchschnittsnote, die nicht schlechter als 1,5 sein darf, oder
c) durch eine Bestätigung des Betreuers einer Diplomarbeit oder Dissertation (§25 Abs1 und 2 AHStG) über den sehr guten Fortgang derselben."
c) §16 Abs1 (Überschrift: "Lehrveranstaltungen") des AHStG lautet:
"(1) Von der zuständigen akademischen Behörde sind nach Maßgabe der Bestimmungen des §17 Lehrveranstaltungen einzurichten.
Lehrveranstaltungen sind insbesondere:
a)
Seminare und Privatissima (Abs2),
b)
Vorlesungen (Abs3),
c)
Proseminare und Übungen (Abs4),
d)
Arbeitsgemeinschaften und Repetitorien (Abs5),
e)
Konversatorien (Abs6),
f)
Praktika (Abs7),
g)
..."
d) Nach §29 Abs2 StudFG sind Begabtenstipendien jeweils für ein Studienjahr zu bewilligen. Um die Bewilligung eines Begabtenstipendiums ist spätestens bis Ablauf jedes Wintersemesters bei der zuständigen Kommission für Begabtenförderung anzusuchen (Abs3).
2. a) Das Studium der Rechtswissenschaften ist nach dem BG BGBl. 140/1978 idF BGBl. 322/1982 (im folgenden rechtsw. StudG) in ein Diplomstudium und ein darauf aufbauendes Doktoratsstudium zu gliedern.
Das Diplomstudium erfordert acht Semester und besteht aus zwei Studienabschnitten. Der erste Studienabschnitt umfaßt zwei, der zweite sechs Semester.
Jeder Studienabschnitt wird mit einer Diplomprüfung abgeschlossen.
Die erste Diplomprüfung (über die in §4 Abs2 angeführten Prüfungsfächer: Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden; Römisches Privatrecht; Rechtsgeschichte Österreichs und Grundzüge der europäischen Rechtsentwicklung unter Berücksichtigung der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte; Grundzüge der Volkswirtschaftslehre und -politik) ist als Gesamtprüfung, die in Teilprüfungen vor Einzelprüfern abzulegen ist, abzuhalten.
Im ersten Studienabschnitt ist ferner ein Kolloquium aus dem Gegenstand "Soziologie für Juristen" abzulegen.
Die zweite Diplomprüfung umfaßt gemäß §5 Abs2 rechtsw. StudG folgende Prüfungsfächer: 1. Bürgerliches Recht einschließlich des Internationalen Privatrechtes; 2. Zivilgerichtliches Verfahrensrecht;
3. Handels- und Wertpapierrecht und Grundzüge des Immaterialgüterrechtes; 4. Strafrecht, Strafprozeßrecht, Grundzüge der Kriminologie und Strafvollzugsrechtes; 5. Verfassungsrecht einschließlich allgemeiner Staatslehre und Verfassungslehre; 6. Allgemeines Verwaltungsrecht einschließlich Verwaltungslehre, Verwaltungsverfahrensrecht und ausgewählter Gebiete des besonderen Verwaltungsrechtes; 7. Allgemeines Völkerrecht und Grundzüge des Rechtes der Internationalen Organisationen; 8. Arbeitsrecht und Grundzüge des Sozialrechtes; 9. eines der nachstehenden Fächer nach Wahl des ordentlichen Hörers: a) Volkswirtschaftslehre und -politik,
b) Finanzwissenschaften, c) Finanzrecht, d) Wirtschaftsrecht; 10. ein weiteres der nachstehenden Fächer nach Wahl des ordentlichen Hörers:
a) Politikwissenschaft, b) angewandte Statistik und Datenverarbeitung, c) Psychologie für Juristen, d) Politische Staaten- und Verfassungsgeschichte der Neuzeit; 11. ein drittes der nachstehenden Fächer nach Wahl des ordentlichen Hörers: a) ausgewählte Gebiete des besonderen Verwaltungsrechtes, b) Europarecht einschließlich des Rechtes supranationaler Organisationen, c) Grundzüge fremder Privatrechtssysteme, d) Kirchenrecht. Auch diese Prüfung ist als Gesamtprüfung abzuhalten. Sie hat aus Teilprüfungen vor Einzelprüfern und der Diplomarbeit zu bestehen.
Im zweiten Studienabschnitt ist ein Kolloquium aus dem Gegenstand "Betriebswirtschaftslehre" abzulegen.
Die Diplomarbeit kann frühestens am Ende des vierten Semesters des zweiten Studienabschnittes angefertigt werden (§7 Abs2).
Nach §11 Abs1 ist jeder Studierende berechtigt, die von ihm nicht als Prüfungsfächer gewählten Wahlfächer als Freifächer zu inskribieren und die im Studienplan für diese Fächer geforderten Leistungsnachweise zu erbringen. Aufgrund dieser Nachweise kann er verlangen, daß er in solchen Fächern eine Prüfung ablegen darf und ihm über diese ein besonderes Zeugnis ausgestellt wird.
b) In der rechtswissenschaftlichen Studienordnung (V des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung BGBl. 148/1979 idF BGBl. 325/1982) sind die Pflichtfächer und die Zahl der Wochenstunden, die aus den Pflichtfächern zu inskribieren sind, festgelegt. Sie enthält ferner nähere Regelungen über die Zulassung zu den Diplomprüfungen, den Umfang der Pflichtfächer und der Wahlfächer sowie über die Zulassung zu den Teilprüfungen und über die Diplomarbeit; Anspruch auf Vergabe eines Themas hat der Kandidat unter den Voraussetzungen des §9 Abs2 jedenfalls mit Ende des dritten Semesters des zweiten Studienabschnittes.
3. Der angefochtene Bescheid ist nach Wiedergabe der Bestimmung des §28 Abs2 StudFG wie folgt begründet:
"In Ihrem Begabtenstipendienfall kommt nach Ihren Angaben als Nachweis eines 'besonders günstigen Studienerfolges' für die Gewährung eines Begabtenstipendiums nur die Bestimmung des §28 Abs2 lita StudFG in Betracht.
Es mag zutreffen, daß im Sprachgebrauch des Alltags unter 'Diplomprüfung (Rigorosum, Staatsprüfung)' auch eine Teilprüfung verstanden wird.
Gemäß §6 ABGB darf jedoch einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.
Aus dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140/1978, über das Studium der Rechtswissenschaften ist aber mit Deutlichkeit zu entnehmen, daß unter einer 'Diplomprüfung' nur die Gesamtprüfung und nicht die Ablegung eines einzelnen 'Prüfungsfaches' zu verstehen ist. Hätte der Gesetzgeber die Ablegung eines Prüfungsfaches einer Diplomprüfung als Nachweis eines 'besonders günstigen Studienerfolges' anerkannt haben wollen, so hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung im Gesetz klar zum Ausdruck gebracht.
Zu diesem Ergebnis kommt man aber auch, wenn man die zeitliche Entstehung des Studienförderungsgesetzes berücksichtigt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Studienförderungsgesetzes im Jahre 1969 wurden Staatsprüfungen und Rigorosen in einer Reihe von Studienrichtungen nur kommissionell abgehalten. Erst die Bundesgesetze vom 5. Juli 1972, BGBl. Nr. 281/1972 und BGBl. Nr. 282/1972, räumten zum Beispiel den Studierenden der Rechtswissenschaften die Möglichkeit ein, Staatsprüfungen und Rigorosen auch in Teilprüfungen abzulegen.
Bei einer kommissionellen Abhaltung einer Diplomprüfung (Staatsprüfung, Rigorosum) gibt es nur eine Gesamtnote, die Beurteilung der einzelnen Prüfungsgegenstände geht in der Gesamtnote auf. In einem derartigen Fall kann der Nachweis eines 'besonders günstigen Studienerfolges' im Sinne des §28 Abs2 lita StudFG nur durch dieses Staatsprüfungs- und Rigorosenzeugnis erbracht werden.
Ein erheblicher Teil der Studierenden der Rechtswissenschaften, der sich um ein Begabtenstipendium bewirbt, studiert auch heute noch nach den 'alten' Studienvorschriften. Für diese Gruppe von Studierenden besteht daher nach wie vor die Möglichkeit, Staatsprüfungen und Rigorosen auch kommissionell abzulegen. Aus Ihrem Nachweis über den Studienerfolg geht hervor, daß sie die Prüfungsfächer der zweiten Diplomprüfung 'Allgemeines Völkerrecht und Grundzüge des Rechtes der Internationalen Organisationen' mit der Note 'befriedigend',
'Grundzüge fremder Privatrechtssysteme' mit der Note 'gut', 'Politikwissenschaft' mit der Note 'sehr gut', 'Finanzwissenschaften' mit der Note 'gut',
'Arbeitsrecht und Grundzüge des Sozialrechtes' mit der Note 'sehr
gut' und
'Zivilgerichtliches Verfahrensrecht' mit der Note 'gut' abgelegt
haben.
Dieser Nachweis erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des §28 Abs2 StudFG. Die zuständige Kommission für Begabtenförderung hat daher zu Recht Ihr Ansuchen um Zuerkennung eines Begabtenstipendiums wegen Fehlens der Voraussetzungen des §28 Abs2 StudFG abgewiesen."
4. a) In der Beschwerde wird im wesentlichen behauptet, die bel. Beh. unterstelle mit ihrer Auffassung, wonach der Beurteilung, ob der Nachweis des besonderen günstigen Studienerfolges nach §28 Abs2 StudFG vorliege, nur das Gesamtergebnis der Diplomprüfung zugrunde gelegt werden dürfe, während die Ergebnisse von Teilprüfungen auszuschließen seien, dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt. Hätte das Gesetz den von der bel. Beh. angenommenen Inhalt, so wäre es wegen eines Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig. Es bestünde für einen Studierenden des Diplomstudiums der Rechtswissenschaften unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des Gesetzes über das Studium der Rechtswissenschaften sowie der rechtswissenschaftlichen Studienordnung keine Möglichkeit, ein Begabtenstipendium nach dem Studienförderungsgesetz zu erlangen, da aufgrund der angeführten Bestimmungen der Nachweis des besonders günstigen Studienerfolges nach §28 Abs2 lita bis c StudFG einem solchen Studierenden überhaupt nicht gelingen könne.
b) Nach dem Wortlaut des §28 Abs2 lita StudFG ist der Studienerfolg durch Zeugnisse über die Ablegung von Diplomprüfungen (§23 Abs7 AHStG) nachzuweisen. Darunter sind Diplomprüfungen als Gesamtprüfungen, die in Teilprüfungen abzulegen sind, (§4 Abs2, §5 Abs2 rechtsw. StudG) zu verstehen.
Bei den im §28 Abs2 litb StudFG taxativ aufgezählten Prüfungen fehlen offensichtlich Teilprüfungen von Diplomprüfungen, sodaß beispielsweise wohl Zeugnisse über den Besuch von Konversatorien, Arbeitsgemeinschaften und Übungen, nicht aber Teilprüfungen von Diplomprüfungen als Nachweis des besonders günstigen Studienerfolges in Betracht kommen könnten. Wären Teilprüfungen vom Gesetz nicht erfaßt, so wäre dieses insoweit wegen Widerspruches zum Gleichheitsgebot verfassungswidrig. Der VfGH ist der Auffassung, daß das vom Gesetzgeber vorgesehene System über die Erbringung des Nachweises des besonders günstigen Studienerfolges - entgegen der im Erlaß des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, GZ 68.159/40-17/84, zum Ausdruck gebrachten Meinung - verfassungskonform in der Weise zu interpretieren ist, daß auch Teilprüfungen von Diplomprüfungen über Fächer von wenigstens 10 Jahreswochenstunden (20 Semesterwochenstunden) mit einer Durchschnittsnote, die nicht schlechter als 1,5 sein darf, den Nachweis des Studienerfolges ersetzen.
Demgegenüber hat die bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Zeugnisse über Teilprüfungen von Diplomprüfungen nicht als Nachweis des besonders günstigen Studienerfolges anerkannt und damit dem Gesetz einen Inhalt unterstellt, der iS der vorherigen Ausführungen gleichheitswidrig wäre. Dadurch ist der Bf. iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
Studienbeihilfen, AuslegungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B431.1985Dokumentnummer
JFT_10139384_85B00431_00