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44 ZivildienstNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
ZivildienstG; amtswegiger Widerruf der verfügten Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung gemäß §5a Abs3; in §5a Abs3 und 4 vorgesehener Widerruf von der Befreiung von der Wehrpflicht widerspricht nicht der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1; keine Bedenken gegen §5a Abs3 unter dem Blickwinkel des Art133 Z4 B-VG; im Falle eines Widerrufs Verletzung des Rechts auf Befreiung von der Wehrpflicht nur dann, wenn weiterhin glaubhaft ist, daß der Betroffene durch die Ableistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würde; keine Verletzung des durch §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks ZivildienstleistungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. A C stellte unter Berufung auf §5 des Zivildienstgesetzes (ZDG), BGBl. 187/1974, den Antrag, ihn von der Wehrpflicht zu befreien.
Mit Bescheid der Zivildienstkommission (ZDK), Senat 3, vom 3. Juni 1977, Z 107301/1-ZDK/3/77, wurde A C gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG von der Wehrpflicht befreit und festgestellt, daß er zivildienstpflichtig sei.
2. A C leistete den ordentlichen Zivildienst in der Zeit vom 2. Oktober 1978 bis 14. Jänner 1979 beim Evangelischen Krankenhaus in Wien und vom 15. Jänner 1979 bis zum 31. Mai 1979 beim Postamt 1103 Wien. Mit Schreiben vom 22. Juli 1983 regte der Bundesminister für Inneres an, von Amts wegen die verfügte Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §5a ZDG zu widerrufen. Der Bundesminister berief sich hiebei auf Beanstandungen bei der Leistung des Zivildienstes sowie auf gerichtliche Strafen, die über A C verhängt wurden.
3. Die ZDK, Senat 8, widerrief mit Bescheid vom 1. Feber 1984, Z 107301/2-ZDK/8/83, die mit dem unter I.1. angeführten Bescheid der ZDK verfügte Befreiung von der Wehrpflicht unter Berufung auf §5a Abs3 ZDG idF BGBl. 496/1980 und stellte fest, daß A C daher wehrdienstpflichtig sei.
4. Der gegen diesen Bescheid von A C erhobenen Berufung gab die Zivildienstoberkommission (ZDOK), Senat 1, mit Bescheid vom 3. September 1984, Z 107301/3-ZDOK/1/84, Folge; sie behob den erstinstanzlichen Bescheid und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurück.
5. Die ZDK, Senat 8, widerrief darauf mit Bescheid vom 20. Dezember 1984, Z 107301/4-ZDK/8/84, nach Durchführung einer nichtöffentlichen Verhandlung die mit dem unter I.1. angeführten Bescheid verfügte Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §5a Abs3 ZDG neuerlich und stellte fest, daß A C wehrdienstpflichtig sei.
6. Der gegen diesen Bescheid der ZDK von A C erhobenen Berufung gab die ZDOK, Senat 3, mit Bescheid vom 9. Mai 1985, Z 107301/5-ZDOK/3/85, nach Durchführung einer nichtöffentlichen Verhandlung gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge. Dieser Bescheid wurde wie folgt begründet:
"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die mit Entscheidung der ZDK vom 3. 6. 1977, Zl. 107301/1-ZDK/3/77, verfügte Befreiung des A C von der Wehrpflicht gemäß §5a Abs3 Zivildienstgesetz, BGBl. Nr. 187/1974, in der geltenden Fassung, widerrufen und festgestellt, daß der Genannte wieder wehrpflichtig sei. Allein schon der Umstand, daß A C immer wieder Suchtgift anderen Menschen zur Verfügung gestellt habe, lasse eindeutig erkennen, daß die von ihm im Hinblick auf Gewaltanwendung behaupteten Gewissensgründe nicht mehr gegeben seien. Er habe es - zumindest billigend - in Kauf genommen, durch Verbreitung von Suchtgift anderen Menschen Leid zuzufügen und damit ihr Wohlbefinden zu beeinträchtigen. Suchtgift sei zwar keine Waffe im technischen Sinn, vermöge aber nichtsdestotrotz - wenn man unter Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen auch die Anwendung von Gewalt mittels Gegenständen verstehe, die geeignet sind, die Gesundheit und das Leben von Menschen schwer zu beeinträchtigen bzw. zu zerstören - die gleichen, wenn nicht sogar schrecklichere Auswirkungen auf Menschen zu verursachen als Waffen im Sinne des Waffengesetzes 1967. Aus diesem Grund sei der erkennende Senat zur Überzeugung gelangt, daß A C die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen nicht mehr ablehne und er daher auch bei Leistung des Wehrdienstes nicht mehr in schwere Gewissensnot geraten würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch den ausgewiesenen Vertreter des A C, Rechtsanwalt Dr. B K, fristgerecht erhobene Berufung.
In dem Rechtsmittel wird ausgeführt, daß der Hinweis auf strafrechtliche Verurteilungen allein, ohne Studium der diesen zugrundeliegenden Akten, nicht als ordnungsgemäß durchgeführtes Ermittlungsverfahren angesehen werden könne. Der Berufungswerber bekenne sich zu den gerichtlichen Verurteilungen, doch habe sich seine Einstellung gegen Gewalt dadurch nicht geändert. Er lehne mehr denn je jegliche Art von Gewalt gegenüber anderen Menschen ab. Seine Verstöße gegen das Suchtgiftgesetz seien darauf zurückzuführen, daß er seit mehreren Jahren drogensüchtig sei. Die nicht bestrittene Heroinsucht und die Weitergabe von kleineren Mengen Heroin im Freundeskreis stünden mit seinen sonstigen Angaben nicht in Widerspruch. Völlig unverständlich sei die Schlußfolgerung der Zivildienstkommission, daß sich dadurch die Einstellung des Berufungswerbers gegenüber Gewalt im Sinne des §2 Abs1 Zivildienstgesetz geändert habe. Um dies feststellen zu können, hätte sich die Zivildienstkommission mit den schwerwiegenden Gewissensgründen, die seinerzeit zur Befreiung des Berufungswerbers von der Wehrpflicht geführt haben, beschäftigen müssen. Erst wenn diese Gewissensgründe aufgrund seines Verhaltens nicht mehr vorlägen bzw. nicht glaubhaft seien, wäre ein amtswegiger Widerruf der Befreiung von der Wehrpflicht gerechtfertigt gewesen. Die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gekommene Meinung der Zivildienstkommission, daß die Weitergabe von kleineren Mengen Rauschgift im Freundeskreis schrecklichere Auswirkungen auf Menschen zu verursachen geeignet sei als Waffen im Sinne des Waffengesetzes, stehe nicht nur mit den Erfahrungstatsachen im Widerspruch, sondern seien die Folgen kriegerischer Waffenanwendung mit jenen der Weitergabe von kleinen Mengen Heroin an Freunde nicht vergleichbar. Im übrigen könne von einer Gewaltanwendung des Berufungswerbers mit dem Ziel, andere Menschen mit Waffen zu bestimmten Handlungen zu zwingen (§2 Abs1 Zivildienstgesetz), keine Rede sein, dies insbesondere deshalb, da er selbst süchtig und daher seine Entscheidungsfreiheit und -fähigkeit entscheidend eingeschränkt sei. Weiters habe es die Zivildienstkommission unterlassen, festzustellen, ob der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, wäre er in Freiheit, weiterhin kleine Mengen Rauschgift an Freunde weitergeben würde. Außerdem seien einem Süchtigen die Folgen der Weitergabe von Suchtgift gar nicht einsichtig, und er könne sie daher auch nicht billigend in Kauf nehmen. Schließlich verwies der Berufungswerber auf sein Bemühen im Rahmen der Anhaltung in der Sonderanstalt-Wien-Favoriten, von seiner Sucht wegzukommen. Er habe nie jemanden zum Rauschgiftkonsum gezwungen und nie mit Rauschgift gehandelt. Zum Beweis seines Vorbringens beantragte der Berufungswerber die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und die Einvernahme des ihn in der Sonderanstalt-Wien-Favoriten behandelnden Arztes.
In der mündlichen Verhandlung vor der Zivildienstoberkommission ergänzte der Berufungswerber seine Rechtsmittelausführungen auf Befragen dahingehend, daß er sich nicht genau erinnern könne, welche Gewissensgründe er bei seinem ursprünglichen Antrag geltend gemacht habe. Er glaube, es sei ganz allgemein die Gewaltablehnung gewesen. Schwierigkeiten sollte man seiner Meinung nach nicht mit Gewalt, sondern auf andere Weise lösen. Er habe während seiner 8-monatigen Zivildienstleistung gewisse Schwierigkeiten gehabt, da er mit verschiedenen Maßnahmen in seiner Dienststelle nicht einverstanden gewesen sei. Er sei bisher insgesamt dreimal wegen Vergehens nach dem Suchtgiftgesetz zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Es habe sich jedesmal um Heroin gehandelt, und sei ihm auch die Weitergabe von Suchtgift an andere Personen zur Last gelegt worden. Er habe aber das Heroin nur an Süchtige zum Selbstkostenpreis weitergegeben und niemanden zum Suchtgiftkonsum verführt. Er wisse, daß durch den Konsum von Suchtgift ein körperlicher Schaden zugefügt werde, doch sei dies einem Süchtigen bei der Weitergabe von Suchtgift nicht so bewußt. Zum Beweis seiner Bemühungen um eine Suchtgiftabstinenz legte der Berufungswerber ein diesbezügliches, seine Angaben bestätigendes Schreiben des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes der Sonderanstalt-Wien-Favoriten vom 2. 5. 1985 vor.
Die Berufung ist nicht begründet.
Gemäß §5a Abs3 Zivildienstgesetz hat die Zivildienstkommission von Amts wegen die Befreiung von der Wehrpflicht mit Bescheid zu widerrufen, wenn der Zivildienstpflichtige durch sein Verhalten eindeutig erkennen läßt, daß er die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen aus den im §2 Abs1 Zivildienstgesetz genannten Gewissensgründen nicht mehr ablehnt und daher auch bei Leistung des Wehrdienstes nicht mehr in schwere Gewissensnot geraten würde.
Die Zivildienstkommission hat - wie das von der Zivildienstoberkommission wiederholte bzw. ergänzte Ermittlungsverfahren ergab - das Vorliegen der Voraussetzungen nach §5a Abs3 Zivildienstgesetz mit Recht bejaht.
A C kann sich an die im ursprünglichen Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht geltend gemachten Gewissensgründe 'nicht mehr so genau' erinnern. Es liegt daher die Annahme nahe, daß sich der Berufungswerber bereits im Jahre 1977 nicht dermaßen mit seinen Darlegungen identifizierte, daß für den Fall der Wehrdienstleistung tatsächlich eine schwere Gewissensnot zu befürchten war.
In der Folge wurde A C dreimal wegen des (teils versuchten) Vergehens nach dem §16 Abs1 SGG verurteilt, und zwar mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 5. Juli 1982, GZ 8 Vr 803/82-51, zu einer 7-monatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 19. Mai 1983, GZ. 19 U 749/83-9, zu einer 5-monatigen Freiheitsstrafe und schließlich mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Oktober 1984, GZ 6 b Vr 1.828/84/36, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Monaten. A C hatte in der Zeit zwischen Herbst 1981 und November 1983 wiederholt, und zwar jeweils (u. a.) Heroin teils gegen Entgelt - anderen Personen überlassen (bzw. zu überlassen versucht), die zu dem Bezug des Suchtgiftes nicht berechtigt waren.
Der Zivildienstkommission ist im Ergebnis darin beizutreten, daß bei der allgemein bekannten Gefahr des Suchtgiftkonsums für die Gesundheit und das Leben von Menschen die Weitergabe von Rauschmitteln, vor allem des besonders gefährlichen Heroins, an andere Personen mit der vom Berufungswerber der Sache nach behaupteten Hochschätzung des menschlichen Lebens und der körperlichen Integrität, die ihm jede Gewaltanwendung verwehre, nicht in Einklang zu bringen ist. Der Berufungswerber hat auch zugestanden, sich des körperlichen Schadens, der durch den Konsum von Suchtgift zugefügt wird, bewußt zu sein. Seinem Einwand, daß bei ihm als Süchtigem die Entscheidungsfreiheit bzw. Beurteilungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Weitergabe von Suchtgift und deren Folgen entscheidend eingeschränkt sei, ist entgegenzuhalten, daß die erwähnten strafgerichtlichen Verurteilungen (u. a.) die Zurechnungsfähigkeit des Berufungswerbers zu den jeweiligen Tatzeitpunkten zur Voraussetzung haben und daher von der Verantwortlichkeit des Berufungswerbers für seine Verstöße gegen das Suchtgiftgesetz auszugehen ist. Das anerkennenswerte Bemühen des Berufungswerbers, während der Zeit der Verbüßung seiner Freiheitsstrafen von der Heroinsucht loszukommen, ist für das gegenständliche Verfahren ohne Relevanz. Die - trotz gerichtlicher Abstrafung - wiederholte strafgesetzwidrige Überlassung (mehrerer Gramm!) des besonders gefährlichen Suchtgiftes Heroin an andere Personen läßt eindeutig erkennen, daß die im §2 Abs1 ZDG genannten Gewissensgründe - sofern sie überhaupt jemals gegeben gewesen sein sollten - bei A C - zumindest seit dem Jahre 1981 - nicht mehr vorliegen. Die Beteuerungen des Berufungswerbers, daß er die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen im Falle der Wehrdienstleistung aus Gewissensgründen nach wie vor ablehnt, waren bei der gegebenen Sachlage unglaubwürdig."
7. Gegen diesen Bescheid der ZDOK erhob A C gemäß Art144 Abs1 B-VG Beschwerde an den VfGH; der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung sowie wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt zu sein. Er regt überdies an, die Verfassungsmäßigkeit des §5a Abs3 bis 5 ZDG zu prüfen. Er verlangt aus diesen Gründen die Aufhebung des Bescheides.
8. Die ZDOK erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. In der Beschwerde wird behauptet, der von der bel. Beh. angewendete §5a Abs3 bis 5 ZDG sei insofern verfassungswidrig, als
a) die Abs3 und 4 des §5a gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §2 Abs1
ZDG;
b) der Abs3 des §5a gegen Art133 Z4 B-VG;
c) die Abs3 bis 5 des §5a gegen das Gleichheitsgebot des Art7 B-VG verstießen.
Dieses Vorbringen der Beschwerde erweist sich aus folgenden
Erwägungen als nicht begründet:
Zu a: Gemäß der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG sind Wehrpflichtige auf Antrag nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 von der Wehrpflicht zu befreien und zivildienstpflichtig, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden.
§5a ZDG hat folgenden Wortlaut:
"§5a. (1) Der Zivildienstpflichtige kann der Zivildienstkommission gegenüber schriftlich erklären oder mündlich zu Protokoll geben, daß er den Wehrdienst mit der Waffe nicht mehr aus den im §2 Abs1 genannten Gewissensgründen verweigere.
(2) Die Zivildienstkommission hat mit Bescheid festzustellen, ob eine rechtsgültige Erklärung vorliegt.
(3) Die Zivildienstkommission hat von Amts wegen die Befreiung von der Wehrpflicht mit Bescheid zu widerrufen, wenn der Zivildienstpflichtige durch sein Verhalten eindeutig erkennen läßt, daß er die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen aus den im §2 Abs1 genannten Gewissensgründen nicht mehr ablehnt und daher auch bei Leistung des Wehrdienstes nicht mehr in schwere Gewissensnot geraten würde.
(4) Mit Rechtskraft der in den Abs2 und 3 genannten Bescheide unterliegt der Betreffende der Wehrpflicht im Sinne des Wehrgesetzes. Der Bundesminister für Inneres hat das zuständige Militärkommando unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Zeiten des geleisteten ordentlichen Zivildienstes sind in den ordentlichen Präsenzdienst einzurechnen. Vom Wehrpflichtigen gemäß Abs4 ist jedoch mindestens ein ordentlicher Präsenzdienst in der Dauer von drei Monaten zu leisten."
Dem Bf. ist zu folgen, wenn er die Ansicht äußert, daß sich der Schutzbereich der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG nicht im Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht erschöpft. Auch der aus der rechtskräftigen Befreiung von der Wehrpflicht resultierende Status eines Zivildienstpflichtigen steht unter dem Schutz der Verfassung. Mit Recht beruft sich der Bf. in dieser Hinsicht auf VfSlg. 8027/1977, wonach eine einschränkende Auslegung des §2 Abs1 ZDG unzulässig ist. Verfehlt wäre es allerdings, diesen verfassungsrechtlichen Schutz des Zivildienstpflichtigen vor der Leistung des Wehrdienstes auch dann noch als gegeben anzunehmen, wenn es dieser nicht mehr aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnt, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes nicht mehr in schwere Gewissensnot geraten würde. Eine gesetzliche Bestimmung, die den Widerruf der Befreiung von der Wehrpflicht für den Fall vorsieht, daß der Zivildienstpflichtige es nicht mehr aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnt, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes nicht mehr in schwere Gewissensnot geraten würde, widerspricht nicht der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG. Die Intention des Verfassungsgesetzgebers geht nämlich dahin, den Wehrpflichtigen so lange von der Leistung des Wehrdienstes zu befreien, als er glaubhaft bei Anwendung von Waffengewalt und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würde. Die vom Bf. gewählte Auslegung der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG würde dem Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmung widersprechen.
Zu b: Selbst wenn die Annahme des Bf. richtig wäre, daß §5a Abs3 ZDG - weil er die Aufhebung eines Bescheides im Verwaltungsweg ermöglicht - nicht im Einklang mit Art133 Z4 B-VG steht, hätte dieser Widerspruch nur die Folge, daß gegen Entscheidungen der ZDOK betreffend den Widerruf der Befreiung von der Wehrpflicht auch die Beschwerde an den VwGH zulässig wäre. Eine Verfassungswidrigkeit des §5a Abs3 ZDG wegen Verletzung des Art133 Z4 B-VG, wie sie der Bf. annimmt, wäre aber nicht gegeben.
Zu c: Ein Gesetz entspricht nur dann dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot, wenn Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sind. Der Bf. behauptet, daß §5a Abs3 bis 5 ZDG nicht sachlich begründet sei. Seine gesamte Argumentation richtet sich jedoch ausschließlich dagegen, daß ein Zivildienstpflichtiger, der seinen ordentlichen Zivildienst im vollen Ausmaß von acht Monaten im Zeitpunkt des Widerrufs abgeleistet hat, außerdem noch drei Monate Wehrdienst zu leisten hat. Er bekämpft daher mit seinem Vorbringen nur §5a Abs5 ZDG. Diese Gesetzesstelle hatte aber die ZDK nicht angewendet. Auch die ZDOK hat über das Ausmaß des noch zu leistenden Wehrdienstes nicht entschieden. Daher hat der VfGH bei Erledigung der Beschwerde §5a Abs5 ZDG ebenfalls nicht anzuwenden. Im übrigen hat der VfGH nicht das vom Bf. gegen §5a Abs5 ZDG vorgebrachte Bedenken, daß dieser aus den angeführten Gründen dem Gleichheitsgebot widerspricht. Wenn jemand nach der Befreiung von der Wehrpflicht infolge Widerrufs derselben wehrpflichtig wird, entspricht es durchaus sachlichen Erwägungen, wenn der Gesetzgeber anordnet, daß der Wehrpflichtige einer Ausbildung als Wehrpflichtiger in der Dauer von mindestens drei Monaten unterzogen wird, weil er nur nach dieser Ausbildung den Pflichten des Wehrdienstes nachkommen kann.
2. a) Der Bf. macht weiters geltend, durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung vom Wehrdienst gemäß §2 Abs1 ZDG verletzt worden zu sein.
Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (s. auch VfSlg. 9391/1982, 10247/1984, 10552/1985; VfGH 12. März 1982 B561/81).
b) Eine Verletzung dieses Grundrechtes liegt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nicht bloß dann vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; sie ist, da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt, auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Zutreffen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980), woran sich auch durch die ZDG-Nov. BGBl. 496/1980 nichts änderte (vgl. zB VfSlg. 9549/1982, 9573/1982; VfGH 26. November 1982 B667/81).
Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978 ua.), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
c) Ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht liegt daher im Falle des im §5a ZDG geregelten Widerrufs der Befreiung ebenfalls vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt oder ihr wesentliche Verstöße im verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen; insbesondere wenn sie dem bisher von der Wehrpflicht Befreiten in dem amtswegig durchgeführten Verfahren nicht die Möglichkeit einräumt, darzutun, daß und aus welchen Gründen er auch weiterhin bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würde.
d) Der Bf. meint, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf der Befreiung von der Wehrpflicht strenger seien als für die Befreiung. Die Befreiung dürfe nur widerrufen werden, wenn das Verhalten eindeutig gegen die Gewissensüberzeugung spreche, während es für eine Ablehnung der Befreiung schon ausreiche, daß der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen nicht habe glaubhaft machen können. Er übersieht hiebei, daß das - hier allein in Rede stehende - durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auch im Falle des Widerrufes der Befreiung gemäß §5a ZDG nur verletzt ist, wenn es - im Hinblick auf das Verhalten des vom Wehrdienst Befreiten nach der Befreiung vom Wehrdienst - weiterhin glaubhaft ist, daß der Betroffene durch Ableistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würde.
e) Maßgebend für die Entscheidung der bel. Beh., daß der Bf. die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen nicht mehr ablehnt und daher auch bei Leistung des Wehrdienstes nicht mehr in schwere Gewissensnot geraten würde, war der Umstand, daß dieser in der Zwischenzeit wegen Weitergabe von Suchtgift an andere drei Vorstrafen erlitten hatte. Dem kann der VfGH nicht entgegentreten. Diese Verurteilungen lassen nämlich die Auffassung zu, daß der Bf. die innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft bestehende Wertordnung geringachtet, und erlaubt es, die auch weiterhin behauptete Grundhaltung zur Anwendung von Waffengewalt als nicht mehr glaubhaft anzusehen. Der Bf. macht keine Umstände geltend, die dafür sprechen würden, daß dem angefochtenen Bescheid in dieser Hinsicht eine - hier allein relevante - wesentlich fehlerhafte Würdigung von Bescheinigungsmitteln zugrunde liege (VfSlg. 9362/1982).
f) Bei der gegebenen Beweislage, insbesondere in Anbetracht der Gerichtsakten und des im Verwaltungsverfahren vor der ZDOK gewonnenen persönlichen Eindruckes, war die ZDOK sohin durchaus berechtigt, die behaupteten Gewissensgründe als nicht mehr glaubhaft gemacht zu werten und den Widerruf der Befreiung vom Wehrdienst gemäß §5a ZDG zu bestätigen. Es erübrigte sich daher, auf das weitere Vorbringen des Bf. einzugehen.
2. Da sich im Beschwerdeverfahren auch keine Hinweise auf die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder auf eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm ergaben, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Zivildienst, Wehrpflicht, KollegialbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B585.1985Dokumentnummer
JFT_10139381_85B00585_00