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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Tir. GVG 1970, 1983; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu Schenkungsverträgen zwischen Mutter (gebürtige Österreicherin, nunmehr italienische Staatsangehörige) und ihren Kindern (italienische Staatsangehörige) gemäß §4 Abs2; keine Bedenken gegen §4 Abs2; denkunmögliche Auslegung des §4 Abs2 dahingehend, daß ein Untersagungsgrund vorliege, weil die Genehmigung nicht im öffentlichen Interesse liege; denkunmögliche Versagung aus "generalpräventiven Gründen"; Verletzung im EigentumsrechtSpruch
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die Bf. M E - sie ist gebürtige Österreicherin, jedoch zufolge
Verehelichung mit einem in Bozen lebenden Südtiroler italienische
Staatsangehörige - schenkte mit Schenkungsverträgen vom 6. April 1983
ihren vier Kindern Liegenschaften, nämlich der Bf. U E die EZ ... II
KG Arzl, dem Bf. W E die EZ ... II KG Wilten, dem Bf. G E die EZ ...
II KG Innsbruck und dem Bf. K E je 2/3 Anteile an den EZ ... II
und ... II KG Innsbruck, jedoch jeweils unter Vorbehalt des
Fruchtgenußrechtes in der deklarierten Absicht, mit diesen Schenkungen schon zu ihren Lebzeiten ihren Kindern die Vermögensanteile zuzuwenden, die sie im Falle ihres Ablebens erben würden. Sämtliche Schenkungsnehmer sind italienische Staatsangehörige.
2.1. Mit Bescheiden der Grundverkehrsbehörde Innsbruck-Stadt wurde den beabsichtigten Rechtserwerben gemäß §4 Abs2 GVG 1970 idF LGBl. 6/1974 - später wiederverlautbart mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) - die Zustimmung versagt.
2.2. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 9. März 1984, Z LGv-885/2-83, als unbegründet abgewiesen.
3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der aus Art7 B-VG, Art2 StGG, Art8 und 14 der MRK sowie aus Art1 des Ersten Zusatzprotokolles zur MRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Ua. aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der lita sowie des Buchstaben "c" in der litb des §13 Abs4 Z2 GVG 1983 ein.
Mit Erk. vom 17. Oktober 1985, G91/85 ua., wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.
5. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen. Der VfGH hat hiezu erwogen:
5.1. Zunächst ist festzuhalten, daß im grundverkehrsbehördlichen Verfahren der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist und damit eine Verletzung des Art6 MRK, wie sie im Fall Sramek gerügt wurde, nicht in Frage kommt.
5.2.1. Der angefochtene Bescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:
Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens seien insgesamt vier Eigentumserwerbe an Liegenschaften in Innsbruck durch ausländische Staatsangehörige. Gemäß §4 Abs2 GVG dürfe die nach §3 Abs1 leg. cit. erforderliche Zustimmung somit nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspreche, wobei ein Widerspruch insbesondere unter den in §4 Abs2 lita und b GVG beispielsweise genannten Voraussetzungen vorliege. Durch die beabsichtigten Rechtserwerbe werde wohl nicht das Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes vergrößert, es trete jedoch eine Vermehrung der Zahl der ausländischen Grundbesitzer ein. Es sei daher iS des §4 Abs2 lita GVG zu prüfen, ob im Falle einer Erteilung der Zustimmung die Gefahr einer Überfremdung für die Stadtgemeinde Innsbruck drohe. Daß die Genehmigung von Liegenschaftserwerben durch vier Ausländer geeignet sei, Beispielsfolgen zu zeitigen, werde durch zahlreiche Erfahrungen erwiesen. Jede Genehmigung führe zur Vervielfältigung der Nachfrage durch andere ausländische Interessenten, sodaß der Entscheidung sohin vor allem generalpräventive Wirkung zukomme. Den Antragstellern sei wohl beizupflichten, daß sich für die Situation am angespannten Wohnungsmarkt in Innsbruck durch eine Genehmigung der Verträge keine Änderung ergebe. Dabei werde aber außer acht gelassen, daß den Genehmigungen erhebliche Folgewirkungen zukommen würden. Liegenschaften und Eigentumswohnungen in Innsbruck seien nämlich, vor allem verglichen mit den Preisen im benachbarten Deutschland und anderen Nachbarländern, als relativ preisgünstig zu bezeichnen. Der Erwerb derartiger Grundstücke stelle für Ausländer eine gute Kapitalanlage dar, da eine gewinnbringende Vermietung leicht möglich sei. Ausländer seien auch durchaus in der Lage, erheblich über dem Verkehrswert liegende Preisangebote zu stellen. Dies erschwere es aber, den in volkswirtschaftlicher Hinsicht notwendigen Ausdehnungsraum für heimische Unternehmen zu bewahren, was zu einer negativen Beeinflussung volkswirtschaftlicher und sozialpolitischer Interessen führe. Die Zustimmung zum Grunderwerb durch Ausländer könne somit nur dann erteilt werden, wenn hiefür wesentliche im öffentlichen Interesse gelegene Umstände vorlägen. Die beabsichtigten Eigentumsübertragungen widersprächen daher vor allem aus generalpräventiver Sicht den volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen iS des §4 Abs2 GVG.
5.2.2. Die Bf. behaupten, durch eine sinnwidrige und diskriminierende Gesetzesanwendung in den durch Art8 und 14 MRK sowie Art1 des Ersten Zusatzprotokolles zur MRK gewährleisteten Rechten verletzt zu sein. Es finde sich kein objektiver, vernünftiger Rechtfertigungsgrund, weshalb es "einer hochbetagten Tiroler Mutter verwehrt sein soll, ihren leiblichen und ebenfalls in Tirol seit der Geburt ansässigen Kindern ihre Liegenschaften im Schenkungswege zu überlassen, während ein Übergang von Todes wegen nicht genehmigungspflichtig sein soll(e). Es gehört nämlich auch zur Entwicklung eines normalen zusammenhaltenden Familienlebens, daß bereits die Kinder zu Lebzeiten einen Teil oder sämtliche Vermögenswerte ihrer Eltern erhalten."
Derartige Vorgänge seien durchaus üblich, schon um Erbauseinandersetzungen zu vermeiden. Es sei geradezu sinnwidrig, wenn im bekämpften Bescheid aus generalpräventiven Gründen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt werde, um im Ausland den Eindruck hintanzuhalten, daß in Tirol "Grundstücke wohlfeil sind und noch erworben werden können". Eine solche Argumentation widerspreche den Denkgesetzen schon im Hinblick auf die grundlegenden rechtlichen Unterschiede zwischen einem Kauf und einer Schenkung. Eine Regelung, derzufolge ein Erbanfall keiner Genehmigung bedürfe, hingegen der Rechtserwerb im Wege einer Schenkung zwischen Eltern und Kindern genehmigungspflichtig sei, erweise sich als diskriminierend; es müßten ja die Kinder auf den möglichst baldigen Tod ihrer Eltern hoffen, um in den Genuß der Liegenschaften zu kommen, deren schenkungsweise Überlassung verwehrt sei. Eine derartige Auslegung des Gesetzes sei diskriminierend und verstoße gegen Art1 des Ersten Zusatzprotokolles zur MRK.
5.2.3. Die Beschwerde ist wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums begründet.
Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentum ein. Er stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §4 Abs2 GVG. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Bestimmung (vgl. hiezu auch VfSlg. 6546/1971, 7274/1974, 8501/1979, zuletzt 10688/1985) liegt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur vor, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hat. Dies ist jedoch tatsächlich der Fall.
Gemäß §4 Abs2 GVG darf die für den Ausländergrunderwerb erforderliche Zustimmung nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht. Ein Widerspruch zu solchen Interessen liegt nach lita insbesondere dann vor, wenn in der betreffenden Gemeinde oder Ortschaft mit Rücksicht auf das Ausmaß des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes oder auf die Zahl der ausländischen Grundbesitzer eine Überfremdung einzutreten droht, oder nach litb, wenn ein zu erwerbendes Grundstück in einem wegen seiner Lage und Erschließung besonders für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeigneten Gebiet liegt und das darauf bestehende oder zu errichtende Wohnobjekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen soll.
Im angefochtenen Bescheid wird nun ausgeführt, daß die Zustimmung zum Grunderwerb durch Ausländer nur dann erteilt werden kann, wenn hiefür wesentliche, im öffentlichen Interesse gelegene Umstände vorliegen. Mißt man diese Auffassung am Gesetz, erweist sich schon hieraus, daß dem angefochtenen Bescheid eine Rechtsauffassung zugrunde liegt, die vertretbarerweise aus dem Gesetzeswortlaut nicht gewonnen werden kann. Wenn nämlich §4 Abs2 GVG festlegt, daß einem beabsichtigten Grunderwerb die Zustimmung nur erteilt werden darf, wenn der Rechtserwerb zu bestimmten, durch das Gesetz geschützten Interessen nicht im Widerspruch steht, ist es denkunmöglich, eine Untersagung darauf zu stützen, daß "hiefür wesentliche im öffentlichen Interesse gelegene Umstände" nicht vorlägen, weil nur unter dieser Voraussetzung die Zustimmung erteilt werden könne. Die Genehmigung wird demzufolge nicht deshalb verweigert, weil ein Untersagungsgrund iS des Gesetzes vorliegt, sondern weil die Genehmigung nicht im öffentlichen Interesse liege, was aber vom Gesetz keineswegs verlangt wird.
Der angefochtene Bescheid ist aber auch ansonsten auf eine gesetzesfremde Begründung gestützt. Die bel. Beh. pflichtet den Genehmigungswerbern bei, daß sich für die Situation am Wohnungsmarkt in Innsbruck durch Genehmigung der gegenständlichen Eigentumserwerbe keine Änderung ergeben könne. Der angefochtene Bescheid gründet sich tatsächlich ausschließlich auf Folgewirkungen einer Genehmigung, die geeignet seien, eine Überfremdungsgefahr herbeizuführen, sodaß aus generalpräventiver Sicht ein Widerspruch zu den nach §4 Abs2 GVG geschützten volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen bestünde. Tatsächlich wird die Verweigerung der Zustimmung zu den beabsichtigten Rechtserwerben in den vorliegenden Fällen somit auf keine Umstände gestützt, die im Beschwerdefall sachverhaltsmäßig relevant sein könnten. Was für die Verweigerung der Zustimmung zu Schenkungsverträgen - bei denen es sich auch nach Meinung der bel. Beh. offenkundig um keine Umgehungsgeschäfte handelt - die Tatsache bedeuten könnte, daß ausländische Kaufinteressenten in der Lage wären, auch erheblich über dem Verkehrswert liegende Preisanbote zu stellen, ist völlig unerfindlich. Der vorliegende Beschwerdefall hebt sich daher schon vom Sachverhalt her von der Rechtssache VfSlg. 7408/1974 - auf die sich die bel. Beh. beruft - entscheidend ab; ausgehend von dem verfehlten Ansatz ihrer Begründung hat die bel. Beh. auf die konkreten Umstände des Falles (s. insbesondere Punkt 1.) nicht Bedacht genommen. In Wahrheit wird ausschließlich aus generalpräventiven Gründen grundverkehrsrechtlich für sich gesehen unbedenklichen Rechtserwerben die Zustimmung versagt. Damit verläßt aber die bel. Beh. den Boden einer denkmöglichen Anwendung des Gesetzes. §4 Abs2 GVG ermächtigt die Behörde nicht, Rechtserwerben die Zustimmung zu verweigern, die an sich mit dem Gesetz vereinbar sind, um andere Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, von einem Rechtserwerb abzuschrecken. Auf nichts anderes zielt aber der angefochtene Bescheid ab. Damit hat die bel. Beh. die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
5.3. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
AusländergrunderwerbEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B385.1984Dokumentnummer
JFT_10139376_84B00385_00