TE Vfgh Erkenntnis 1986/6/25 B755/84

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Veröffentlicht am 25.06.1986
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1983 §4 Abs1
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Tir. GVG 1983; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zueinem Grunderwerb durch den in der BRD wohnhaften Bf. gemäß §6 Abs1litc; vertretbare Annahme der Schaffung eines Zweitwohnsitzes undmangelnder ordnungsgemäßer Selbstbewirtschaftung; keine Willkür;keine Abtretung der Beschwerde an den VwGH

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom 15. November 1983 verkaufte A P die Bp. ...

Wohnhaus Nr. ... und die angrenzenden Gp. ... und ... im Gesamtausmaß

von zirka 2100 Quadratmeter aus seiner Liegenschaft EZ ... KG St.

Sigmund an den Bf. um einen Kaufpreis von 460000 S.

Beide Vertragspartner sind österreichische Staatsbürger.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde St. Sigmund im Sellraintal vom 23. Jänner 1984 wurde der beabsichtigten Eigentumsübertragung gemäß §4 Abs1 iVm. §6 Abs1 litc GVG 1983 die Zustimmung versagt.

2.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 21. August 1984, Z LGv-980/4, als unbegründet abgewiesen.

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, an den VfGH gerichtete Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Ua. aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde leitete der VfGH von Amts wegen gemäß Art140 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lita, c, d, e und f des §13 Abs4 Z1 GVG 1983 ein.

Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.

5. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen. Der VfGH hat hiezu erwogen:

5.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet der Bf., weil dem mit ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäft die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt werde, obwohl einem Verkauf des übrigen über 19 ha umfassenden Besitzes durch den Liegenschaftseigentümer A P an Ing. H S, einen Baumeister, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt worden sei. Es seien keine Umstände erkennbar, aus denen sich das unterschiedliche Vorgehen der Behörde rechtfertige. Dazu komme, daß der Verkäufer seinen Landwirtschaftsbesitz nur mehr recht und schlecht geführt habe; abgesehen von einigen Hühnern sei kein Vieh mehr gehalten worden. Das verfahrensgegenständliche Wohnhaus sei "im Renovierungsstadium"; bei den von ihm erworbenen Grundstücken handle es sich um minderwertigen Wiesengrund, auf dem eine landwirtschaftliche Nutzung nur für Kleintierhaltung möglich sei. Der Bf. sei wohl beruflich in Starnberg (in der BRD) beschäftigt, beabsichtige jedoch, auf den Kaufgrundstücken eine Hühnerzucht aufzuziehen. Es müsse ihm unbenommen bleiben, einen Berufswechsel durchzuführen. Er sei in der Gemeinde auch bereits seit einiger Zeit polizeilich gemeldet.

In einem ergänzenden Schriftsatz wird vom Bf. sodann zusätzlich geltend gemacht, daß einem Verkauf des Schloßhotels S an einen Araber die grundverkehrsbehördliche Zustimmung erteilt worden sei, obwohl ebenfalls landwirtschaftlicher Besitz Gegenstand dieses Rechtsgeschäftes gewesen sei. Er verweise weiters darauf, daß in der Gemeinde T einer deutschen Firma die Genehmigung zum Bau eines Hotels erteilt worden sei, obwohl auch in diesem Fall landwirtschaftlicher Grund und Wald betroffen gewesen sei. Auch dem Bau einer riesigen Appartementanlage bei S sei die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt worden. Aus diesen Gründen fühle sich der Bf. im Gleichheitsrecht verletzt, zumal er das kaufgegenständliche Haus sogar auf seine Kosten renovieren habe lassen. Es müsse schließlich im Interesse der Grundverkehrsbehörde liegen, der Eigentumsübertragung an ihn zuzustimmen, damit er eine landwirtschaftliche Nutzung mit Kleinvieh vornehmen könne, wohingegen ansonsten von einer Landwirtschaft gar nicht mehr gesprochen werden könne.

5.2. Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, daß es sich beim Kaufgegenstand um ein Wohnobjekt in St. Sigmund mit 1960 Quadratmeter umgebendem Grund handle. Es sei wohl richtig, daß hinsichtlich des Besitzes des Verkäufers die Hofeigenschaft vor einiger Zeit aufgehoben worden sei, was aber keinesfalls bedeute, daß es sich um keinen landwirtschaftlichen Betrieb mehr handle. Vielmehr liege ein geschlossener Landwirtschaftsbetrieb vor, wenn dieser auch aus persönlichen Umständen auf Verkäuferseite nicht selbst bewirtschaftet werde. Zum Kaufgegenstand sei festzuhalten, daß sich die Grundstücke im Freiland befänden. Daraus ergebe sich, daß im Falle der Zustimmung zum gegenständlichen Eigentumserwerb innerhalb einer nur landwirtschaftlichen Zwecken gewidmeten Zone ein landwirtschaftsfremdes Objekt und damit ein widmungsfremder Einbruch geschaffen würde. Bei der Behauptung des Käufers, er werde sich mit Kleintierzucht beschäftigen, handle es sich um eine reine Schutzbehauptung; es könne nicht angenommen werden, daß der in Starnberg in der BRD wohnhafte Erwerber in St. Sigmund ständig wohnen und dort Landwirtschaft betreiben werde. Jedenfalls könne unter diesen Umständen eine kontinuierliche Anwesenheit am Kaufobjekt nicht angenommen werden. Die bel. Beh. sei daher der Ansicht, daß das Kaufobjekt lediglich Freizeit- und Ferienzwecken des Erwerbers dienen werde. Dieser Verwendungszweck sei aber nicht geeignet, den Entzug des Kaufobjektes aus einem landwirtschaftlichen Betrieb zu rechtfertigen, zumal zwischenzeitlich der Verkauf der übrigen landwirtschaftlichen Grundstücke A P an Ing. S rückgängig gemacht worden sei. Der begehrten Genehmigung stehe aber auch entgegen, daß der Erwerber zu einer ordnungsgemäßen Selbstbewirtschaftung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes, wie dies durch §6 Abs1 litc GVG geboten ist, nicht imstande sei.

5.3. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9474/1982) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 9726/1983).

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §6 Abs1 litc GVG. §6 Abs1 GVG 1983 führt einzelne Tatbestände an, bei deren Vorliegen "einem Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 insbesondere nicht zuzustimmen ist", und konkretisiert derart den nur allgemein formulierten Inhalt des §4 Abs1 GVG. Als spezieller Versagungstatbestand ist im §6 Abs1

litc leg. cit. genannt: "... wenn zu besorgen ist, daß

Grundstücke ... jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung

überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird". Demnach ist es in den durch das GVG zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet werden (VfSlg. 7927/1976, 8245/1978, 8518/1979).

Daß gegen diese Bestimmung verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, hat der VfGH wiederholt ausgesagt (vgl. VfSlg. 7538/1975, 7544/1975, 7546/1975, 7881/1976, 8718/1979, 9063/1981, zuletzt 10797/1986). Eine Verletzung des Gleichheitsgebotes könnte daher nur vorliegen, wenn die Behörde willkürlich vorgegangen wäre. Davon kann aber keine Rede sein.

Zunächst ist der Bf. darauf zu verweisen, daß für ihn daraus, daß in den von ihm im ergänzenden Schriftsatz zitierten Fällen grundverkehrsbehördliche Genehmigungen erteilt wurden, schon deshalb nichts zu gewinnen ist, weil selbst dann, wenn der Behörde in diesen Fällen ein Fehlverhalten anzulasten wäre, dem Bf. kein Recht auf ein gleiches Fehlverhalten zustünde (vgl. zB VfSlg. 9191/1981).

Soweit der Bf. den Vorwurf der Gleichheitsverletzung darauf stützt, daß der Verkäufer nicht nur die verfahrensgegenständlichen Grundstücke an ihn, sondern seinen gesamten sonstigen Besitz mit Genehmigung der Grundverkehrsbehörde an Ing. S veräußert habe, und soweit der Bf. noch in der Beschwerde behauptet, daß die Ausführung des angefochtenen Bescheides, das Rechtsgeschäft mit Ing. S sei rückgängig gemacht worden, nicht zutreffe, ist zunächst festzuhalten, daß in einem inzwischen eingebrachten Schriftsatz vom Bf. zugestanden wird, daß aus dem über 19 ha umfassenden Besitz des Verkäufers nur zirka 7,7 ha an Ing. S verkauft wurden. Aus dem vom Bf. mit dem erwähnten Schriftsatz vorgelegten Bescheid der Grundverkehrsbehörde betreffend den Verkauf an Ing. S geht aber auch hervor, daß es sich bei diesem um einen Landwirt handelt, der in I wohnt, und daß die Veräußerung zur weiteren Bewirtschaftung erfolgt. Demgegenüber hält sich der Bf. zugegebenermaßen aus beruflichen Gründen in Starnberg in der BRD auf und ist in St. Sigmund, seiner eigenen Darstellung entsprechend, lediglich seit "einem halben Jahr" polizeilich gemeldet. Dazu kommt, daß sich der Bf. nach dem Inhalt des an die Grundverkehrsbehörde St. Sigmund gerichteten Genehmigungsansuchens mit dem Ankauf des in Frage stehenden Kaufobjektes einen Zweitwohnsitz schaffen will. Wenn die bel. Beh. unter Berücksichtigung dieses Umstandes, des Wohn- und Berufsortes in der BRD und im Hinblick auf das geringe Ausmaß des Kaufgrundstückes das Vorbringen des Bf., er nehme einen Berufswechsel in Aussicht und wolle auf den Kaufgrundstücken Hühner halten, als bloße "Schutzbehauptung" wertet und der Ansicht ist, daß der Erwerber zu einer ordnungsgemäßen Selbstbewirtschaftung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes gar nicht imstande ist, so ist dies jedenfalls vertretbar. Der bel. Beh. kann auch sonst in sachverhaltsmäßiger Hinsicht kein denkunmögliches Vorgehen, ebensowenig in rechtlicher Hinsicht ein gehäuftes Verkennen der Rechtslage vorgeworfen werden. Die auf §6 Abs1 litc GVG gestützte Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung ist somit nicht mit Willkür belastet; damit war es nicht erforderlich, auf sonstige Fragen einzugehen.

5.4. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.

Da im grundverkehrsbehördlichen Verfahren der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist, kommt auch eine Verletzung des Art6 MRK, wie sie im Fall Sramek gerügt wurde, nicht in Frage.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, Wohnsitz Zweit-,VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B755.1984

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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