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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
MRK Art6 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2007/09/0379 2007/09/0378Rechtssatz
Es ist unerheblich, in welchem Verfahren die vom UVS verlesene Niederschrift aufgenommen wurde, weil das Gesetz eine Einschränkung auf jenes Verfahren, in dem das Verlesene verwertet wird, nicht kennt. In den dem erstangefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Verfahren konnte der UVS seine - den Beschwerdeführer belastenden - Feststellungen in den für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Punkten ausschließlich auf jene Vernehmung der Ausländerin vor dem Landesgendarmeriekommando stützen, die sodann im Verfahren vor dem UVS - infolge eines von den Parteien des Verfahrens erklärten Verlesungsverzichtes iSd § 51i VStG - als verlesen zu gelten hatte. Die Angaben der vom UVS vernommenen Entlastungszeugen wertete er als unglaubwürdig, so dass einzig die als verlesen zu geltenden Angaben der Ausländerin zur Verurteilung des Beschwerdeführers führte. In dieser Konstellation ist jedoch auch auf Art. 6 EMRK Bedacht zu nehmen. Zwar ist es grundsätzlich nicht in jedem Fall mit Art 6 Abs. 1 oder Abs. 3 lit. d EMRK unvereinbar, wenn in einer mündlichen Verhandlung aus einem anderen Verfahren gewonnene Aussagen verlesen werden, auf die die Entscheidung in der Folge Bezug nimmt. In der Verwertung dieser Aussagen müssen jedoch die Verteidigungsrechte beachtet werden. In der Regel verlangen diese Rechte, dass der Angeklagte eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhält, die Glaubwürdigkeit eines gegen ihn aussagenden Zeugen grundsätzlich in Frage zu stellen; sei es in dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge die Aussage ablegt, sei es zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens (vgl. ua E VfGH 19. Juni 2002, B 1404/01, VfSlg. 16554/2002, mwN). Die maßgebliche Zeugenaussage der Ausländerin wurde in dem dem erstangefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Verfahren anlässlich einer nichtöffentlichen Vernehmung vor dem Landesgendarmeriekommando abgegeben, bei der der Beschwerdeführer nicht anwesend war. Ihm war auf diese Weise jegliche Möglichkeit genommen, diese Zeugin in einer kontradiktorischen mündlichen Verhandlung zu befragen, auf deren Aussagen sich der UVS aber in der Folge bei der Feststellung des von ihm als entscheidungserheblich erachteten Sachverhalts ausschließlich gestützt hat. Damit belastete er den erstangefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007090232.X01Im RIS seit
30.04.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013