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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzBeachte
Kundmachung am 29. August 1986, BGBl. 449/1986Leitsatz
StVO 1960 idF BGBl. 412/1976; zum Zwecke der Ermöglichung von Arbeiten zur Straßenerhaltung notwendige vorhersehbare Verkehrsbeschränkungen sind durch V gemäß §43 Abs1 litb zu verhängen; §43 Abs1 litb jedoch keine geeignete Grundlage für jene (häufig erforderlichen) vorhersehbaren Verkehrsbeschränkungen, bei denen die Beschränkungen nicht exakt örtlich und zeitlich vorherbestimmt werden können; keine "verfassungskonforme" Interpretation dieser Bestimmung möglich, insbesondere nicht im Hinblick auf §90 Abs3 leg. cit. - Verstoß des §43 Abs1 litb gegen den GleichheitsgrundsatzSpruch
I. §43 Abs1 litb der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 idF der Nov. BGBl. 412/1976, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1987 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. verpflichtet.
II. Das Verfahren G80/86 wird hinsichtlich der Prüfung des §44b der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 idF der Nov. BGBl. 412/1976, eingestellt.
III. Dem Antrag des VwGH auf Aufhebung des §44a und des §44b der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 idF der Nov. BGBl. 412/1976, wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Beim VfGH ist (zu B525/82) ein Verfahren zur Prüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides der Oö. Landesregierung anhängig, mit dem über den Bf. wegen einer Verwaltungsübertretung nach §52 lita Z10a StVO 1960 eine Geldstrafe verhängt wurde, weil er auf der Westautobahn A 1 als Lenker eines PKW die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 18 km/h überschritten hat. Die Verhängung der Strafe wurde im wesentlichen damit begründet, daß am Tatort die Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h kundgemacht gewesen sei, die auf der V des Bundesministers für Verkehr vom 17. August 1976, Z 69.164/3-IV/5-76, beruhe. Diese V normiert Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich von Autobahnen in Oberösterreich, sofern auf diesen Straßen einzelne Fahrstreifen für den Verkehr gesperrt werden und stützt sich ihrerseits auf §43 Abs1. litb StVO 1960.
b) Aus Anlaß dieses Verfahrens hat der VfGH ua. beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des §43 Abs1 litb und des §44b StVO 1960 in der hier maßgeblichen Fassung der Nov. BGBl. 412/1976 einzuleiten; dieses Verfahren ist zu G80/86 protokolliert.
2. a) Weiters ist beim VfGH (zu B592/83) ein Verfahren zur Prüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides der Wr. Landesregierung anhängig, mit dem der Bf. einer Verwaltungsübertretung nach §1 Abs1 der V des Bundesministers für Verkehr, BGBl. 514/1978, über ein Fahrverbot für Kleinmotorräder auf bestimmten Autobahnen schuldig erkannt und mit einer Geldstrafe bestraft wurde, weil er die Südosttangente A 23 (eine gemäß §43 Abs3 lita StVO 1960 zur Autobahn erklärte Straße) als Lenker eines Kleinmotorrades befahren hatte. Die genannte V stützt sich ausdrücklich auf die Ermächtigung des §43 Abs1 litb StVO 1960.
b) Aus Anlaß dieses Verfahrens hat der VfGH ua. beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung des §43 Abs1 litb StVO 1960 idF BGBl. 412/1976 einzuleiten; dieses Verfahren ist zu G84/86 protokolliert.
3. a) Zu B437/84 wird beim VfGH ein im Instanzenzug ergangener Bescheid der Wr. Landesregierung bekämpft, mit dem über die Bf. eine Geldstrafe verhängt wurde, weil sie mit einem PKW ein allgemeines Fahrverbot (mit bestimmten Ausnahmen wie solchen für Taxi, Fiaker, Busse usw.) nicht beachtet hat, obwohl keine der Ausnahmen für sie zugetroffen hat. Die der Bestrafung zugrundeliegende V ist auf §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 gestützt.
b) Auch aus Anlaß dieses Verfahrens hat der VfGH ua. beschlossen, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §43 Abs1 litb StVO 1960 idF BGBl. 412/1976 einzuleiten; dieses Verfahren wird zu G121/86 geführt.
4. a) Weiters ist beim VfGH (zu B792/83) ein Verfahren zur Prüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides anhängig, mit dem die Sbg. Landesregierung über den Bf. eine Verwaltungsstrafe verhängt hat, weil er als Lenker eines PKW auf einer Bundesstraße die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Die V, mit der diese Verkehrsbeschränkung verfügt wurde, stützt sich auf §43 Abs1 litb StVO 1960.
b) Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde ua. beschlossen, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung der StVO 1960 einzuleiten; dieses Verfahren ist zu G122/86 protokolliert.
5. a) Beim VfGH sind (unter B949/84 und B787/85) zwei weitere Beschwerden anhängig, die sich gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide der Tir. Landesregierung richten, mit denen den Bf. Verwaltungsstrafen auferlegt wurden, weil sie als Lenker eines PKW eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahren haben. Die V, mit der die Verkehrsbeschränkung verfügt worden war, ist auf §43 Abs1 litb StVO 1960 gestützt.
b) Aus Anlaß dieser Beschwerden hat der VfGH ua. ebenfalls die Prüfung der Bestimmung des §43 Abs1 litb StVO 1960 idF BGBl. 412/1976 beschlossen; die Verfahren werden zu G 123 und 124/86 geführt.
II. Aus Anlaß eines bei ihm anhängigen Bescheidprüfungsverfahrens stellte der VwGH zu A77/86 ua. den (beim VfGH unter G111/86 protokollierten) Antrag, §43 Abs1 litb, §44a und §44b StVO 1960 idF BGBl. 412/1976 als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit dem beim VwGH angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde über die Bf. eine Geldstrafe wegen Nichtbefolgens eines Gebotszeichens iS der StVO 1960 verhängt, dessen Rechtsgrundlage nach dem Vorbringen des VwGH eine auf §44a Abs1 bis 3 StVO 1960 gestützte V des Magistrats der Stadt Wien war. Mit dieser V, deren Gesetzwidrigkeit festzustellen der VwGH ebenfalls beantragt hat (dieses Verfahren wird beim VfGH zu V38/86 geführt), wurden wegen der Durchführung von Straßeneinbauten erforderlich gewordene Verkehrsbeschränkungen verfügt.
III. 1. Zum Zweck der Durchführung von Straßenerhaltungsarbeiten können dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen erforderlich werden. Wie der VfGH schon in VfSlg. 9310/1981 dargelegt hat, sieht die StVO 1960 für die Verfügung derartiger Verkehrsbeschränkungen zwei verschiedene Wege vor: das Verfahren einer Verordnungserlassung nach §43 Abs1 litb StVO 1960 und ein vereinfachtes Verfahren gemäß §44b StVO.
§43 Abs1 litb StVO 1960 lautet:
"Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung,
...
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote u. dgl., zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;"
§44b StVO 1960 steht unter der Rubrik "Unaufschiebbare Verkehrsbeschränkungen" und lautet:
"(1) Im Falle der Unaufschiebbarkeit dürfen die Organe der Straßenaufsicht, des Straßenerhalters oder der Feuerwehr nach Erfordernis eine besondere Verkehrsregelung durch Anweisungen an die Straßenbenützer oder durch Anbringung von Verkehrsampeln oder Signalscheiben veranlassen oder eine der in §43 Abs1 litb Z1 und 2 bezeichneten Maßnahmen durch Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen mit der Wirkung treffen, als ob die Veranlassung oder Maßnahme von der Behörde getroffen worden wäre. Dies gilt insbesondere,
a) wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist,
b) bei unvorhersehbar aufgetretenen Straßen- oder Baugebrechen u. dgl.,
c) bei unvorhersehbar eingetretenen Ereignissen, wie zum Beispiel Brände, Unfälle, Ordnungsstörungen u. dgl., die besondere Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen oder eine besondere Verkehrsregelung (zum Beispiel Einbahnverkehr, abwechselnder Gegenverkehr, Umleitungen u. dgl.) erfordern.
(2) Ist der Grund für die Veranlassung oder Maßnahme weggefallen, so hat das nach Abs1 tätig gewordene Organ oder dessen Dienststelle die Veranlassung oder Maßnahme unverzüglich aufzuheben.
(3) Von der Veranlassung oder Maßnahme und von deren Aufhebung ist die Behörde von der Dienststelle des nach Abs1 tätig gewordenen Organs unverzüglich zu verständigen. Die Behörde hat diese Verständigungen in einem Aktenvermerk (§16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950) festzuhalten.
(4) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs2 hat die Behörde von der Dienststelle des nach Abs1 tätig gewordenen Organs die Aufhebung der Veranlassung oder Maßnahme zu verlangen, wenn der Grund dafür weggefallen ist oder die Veranlassung oder Maßnahme gesetzwidrig oder sachlich unrichtig ist."
2. Eine weitere Ermächtigung ua. zur Erlassung von Verkehrsbeschränkungen enthält §44a StVO 1960, der unter der Rubrik "Vorbereitende Verkehrsmaßnahmen" steht und folgendermaßen lautet:
"(1) Wenn auf Grund von Verkehrsbeobachtungen, Verkehrszählungen oder Verkehrserfahrungen aus Anlaß vorhersehbarer Ereignisse oder Umstände Verkehrsverhältnisse zu erwarten sind, für deren Bewältigung besondere Verkehrsmaßnahmen (Verkehrsverbote, Verkehrsbeschränkungen, Verkehrserleichterungen) notwendig sind, hat die Behörde diese unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden und die Ordnung des ruhenden Verkehrs durch Verordnung zu bestimmen.
(2) Die Verordnung nach Abs1 hat zu enthalten:
a) Die Bestimmung der Strecke, auf der die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen,
b) die Festsetzung der Zeiten, in denen die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen,
c) die Voraussetzungen, unter denen die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen,
d) die in Betracht kommenden Verkehrsmaßnahmen, wie Geschwindigkeitsbeschränkungen, Fahrverbote, Einfahrtverbote, Beschränkungen für Halten und Parken, Einbahnregelungen, Ausnahmen von bestehenden Verkehrsverboten oder Verkehrsbeschränkungen u. dgl.
(3) Verordnungen nach Abs1 treten mit der Anbringung oder Sichtbarmachung der ihnen entsprechenden Straßenverkehrszeichen in Kraft. Die Behörde hat die Person, Dienststelle oder Unternehmung zu bestimmen, welche die Straßenverkehrszeichen anzubringen oder sichtbar zu machen hat. Die Aufstellung oder Sichtbarmachung der Straßenverkehrszeichen ist der Behörde unverzüglich zur Kenntnis zu bringen; diese hat den Zeitpunkt der erfolgten Anbringung oder Sichtbarmachung in einem Aktenvermerk (§16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950) festzuhalten."
IV. 1. a) Der VfGH hat seine Bedenken im leitenden Verfahren G80/86 folgendermaßen begründet:
"Der VfGH geht vorläufig von der Annahme aus, daß bei der Verfügung einer Verkehrsbeschränkung gem. §43 Abs1 litb StVO die verordnungserlassende Behörde den (örtlichen und zeitlichen) Umfang der Verkehrsbeschränkung genau zu bestimmen hat, ihr also der Weg, den diese Gesetzesstelle zur Erlassung einer Verkehrsbeschränkung zur Verfügung stellt, nur eröffnet ist, wenn sie die Notwendigkeit der Verkehrsbeschränkung in jeder Hinsicht genau kennt. Eine derartige exakte Vorherbestimmung des notwendigen Umfangs von Verkehrsbeschränkungen scheint aber gerade bei Straßenerhaltungsarbeiten häufig nicht möglich zu sein. Damit bliebe aber der Behörde in solchen Fällen nur die Wahl, entweder Verkehrsbeschränkungen in größerem Ausmaß als erforderlich zu verfügen, was mit den Zielsetzungen der StVO 1960, insbesondere auch mit deren §90 Abs3 nicht vereinbar zu sein scheint, oder zum Instrument der 'Subdelegation' zu greifen und die Bestimmung der Örtlichkeit und der Zeit, für die eine bestimmte Beschränkung zu gelten hat, jenen Organen zu delegieren, die die Instandsetzungs- oder Erhaltungsarbeiten unmittelbar veranlassen oder durchführen; dafür scheint aber derzeit weder §43 noch eine andere Bestimmung der StVO eine Grundlage zu bieten.
Andererseits ist §44b StVO, der vorsieht, daß Verkehrsbeschränkungen - in einem vereinfachten Verfahren - auch von jenen Stellen verfügt werden können, die die Arbeiten, deren Durchführung die Verkehrsbeschränkungen erforderlich machen, direkt vornehmen lassen, auf den Fall der 'Unaufschiebbarkeit' der Maßnahme beschränkt. Zwar hat der VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 9310/1981 ausgesprochen, daß kurzfristig erforderlich werdende Maßnahmen zu dieser Gruppe von Maßnahmen zu zählen sind, doch scheinen - auch bei dieser extensiven Interpretation - jene Verkehrsbeschränkungen für Straßenerhaltungsarbeiten, die zwar vorhersehbar sind und dementsprechend geplant werden können, bei denen aber die für die Durchführung der Erhaltungsarbeiten erforderlichen Beschränkungen nicht exakt örtlich und zeitlich vorherbestimmt werden können, nicht auf diese gesetzliche Ermächtigung gestützt werden zu können.
Gerade im Bereich der Arbeiten zur Straßenerhaltung scheinen aber derartige Verkehrsbeschränkungen, die - wie der Gerichtshof somit vorläufig annimmt - weder auf §43 Abs1 litb StVO noch auf §44b StVO gestützt zu werden vermögen, relativ häufig notwendig zu sein. Da die StVO für diese - nach der vorläufigen Ansicht des VfGH keineswegs seltenen - Fälle keine geeignete Ermächtigung vorzusehen scheint, die eine gesetzeskonforme Erlassung von Verkehrsbeschränkungen ermöglicht, dürfte die Regelung insgesamt dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot widersprechen und daher mit Verfassungswidrigkeit belastet sein."
b) Die Bundesregierung hat in einer Äußerung die Präjudizialität des §44b StVO 1960 bestritten und die Verfassungsmäßigkeit des §43 Abs1 litb leg. cit. verteidigt. Sie beantragte, das Verfahren hinsichtlich der Prüfung des §44b StVO 1960 einzustellen und die Bestimmung des §43 Abs1 litb leg. cit. nicht als verfassungswidrig aufzuheben, im Fall einer Aufhebung aber eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten zu bestimmen.
2. In den anderen von Amts wegen eingeleiteten Verfahren hat der VfGH auf diese Bedenken verwiesen, aber nur die Bestimmung des §43 Abs1 litb StVO 1960 in Prüfung gezogen.
3. a) Der VwGH begründet in seinem, das Verfahren G111/86 einleitenden Antrag seine Bedenken wie folgt:
"Der VfGH hat in dem sachverhaltsbezogen vergleichbaren Fall B525/82 mit Beschluß vom 3. März 1986 von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des §43 Abs1 litb und des §44b StVO 1960 in Prüfung gezogen. Seine Bedenken gegen diese beiden Bestimmungen gehen in die Richtung, daß die durch diese beiden Bestimmungen geschaffene Rechtslage insofern sachfremd - und damit gleichheitswidrig - sei, als sie keine gesetzliche Grundlage für die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen biete, die durch zwar dem Grunde nach, nicht aber in allen Einzelheiten (zeitlicher oder örtlicher Natur) vorhersehbare Ereignisse erforderlich werden.
Der VwGH ist der Auffassung, daß diese Bedenken auch gegen den - im zitierten Prüfungsbeschluß des VfGH nicht genannten - §44a StVO 1960 bestehen.
...
Auch §44a StVO 1960 enthält - wie §43 Abs1 litb und §44b StVO 1960 - die Ermächtigung zur Anordnung von Verkehrsbeschränkungen. Auch er scheint für die gegebene Fallkonstellation aber keine gesetzliche Grundlage zu enthalten. Die Erforderlichkeit der Anordnung von Verkehrsbeschränkungen auf Grund der bewilligten Bauarbeiten zur Verlegung von Fernwärmerohranlagen ist zwar vorhersehbar, ergibt sich aber keineswegs aus 'Verkehrsbeobachtungen, Verkehrszählungen oder Verkehrserfahrungen'. Sie ergibt sich vielmehr aus der Art und dem Ausmaß der auf Straßen mit öffentlichem Verkehr durchzuführenden Bauarbeiten und deren Auswirkungen auf den Verkehr.
In die vom VfGH im zitierten Prüfungsbeschluß vorgenommene zusammenfassende Gesamtschau wäre daher nach Auffassung des VwGH auch §44a StVO 1960 einzubeziehen. Die gegen §43 Abs1 litb und §44b StVO 1960 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, die der VwGH teilt, bestehen auch gegen §44a StVO 1960. Der VwGH beantragt daher die Aufhebung aller drei zur Erlassung von Verkehrsbeschränkungen ermächtigenden Gesetzesstellen."
b) Die Bundesregierung hat die Vergleichbarkeit des dem VwGH vorliegenden Sachverhaltes mit den den verfassungsgerichtlichen Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalten bestritten, die Präjudizialität der §§43 Abs1 litb und 44b StVO 1960 in diesem Verfahren verneint und insoweit die Zurückweisung des Antrags des VwGH beantragt. Weiters hat die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit des §44a StVO 1960 verteidigt und beantragt, diese Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben, im Falle einer Aufhebung aber für deren Wirksamwerden eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.
V. Der VfGH hat die genannten Verfahren gemäß §187 ZPO iVm. §35 Abs1 VerfGG zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.
VI. Der VfGH hat zur Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:
1. a) Die beim VfGH anhängigen Beschwerdeverfahren, die Anlaß zur Einleitung der Gesetzesprüfungsverfahren G80, 84 und 121 - 124/86 gegeben haben, sind zulässig. Die Rechtsgrundlagen für die in den Anlaßbeschwerdeverfahren bekämpften Bescheide bilden Verordnungen, die sich durchwegs - und zwar sowohl ausdrücklich als auch der Sache nach - auf §43 Abs1 litb StVO 1960 stützen. Diese Gesetzesbestimmung ist somit präjudiziell.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die von Amts wegen eingeleiteten Prüfungsverfahren, soweit sie sich auf §43 Abs1 litb StVO 1960 beziehen, zulässig.
b) Mit dem im Verfahren B525/82 ergangenen, das Verfahren G80/86 einleitenden Beschluß wurde vorläufig auch die Präjudizialität der Bestimmung des §44b StVO 1960 für die dem dort bekämpften Bescheid zugrunde liegende V (betreffend Verkehrsbeschränkungen zur Durchführung von Instandsetzungs-, Erhaltungs- oder Nebenarbeiten im Bereich von Autobahnen im Land Oberösterreich) angenommen. Dieser vorläufigen Annahme ist die Bundesregierung entgegengetreten. Sie vertritt die Ansicht, daß die in der genannten V verfügten Verkehrsbeschränkungen nicht unerwartet und lediglich kurzfristig eingetreten seien, sondern durchaus vorhersehbar waren, so daß die Voraussetzungen für eine Anwendung des §44b StVO 1960 überhaupt nicht vorlagen. Dementsprechend beantragt die Bundesregierung die Einstellung des Verfahrens zur Prüfung des §44b StVO 1960 mangels Präjudizialität.
Der VfGH stimmt dieser Ansicht der Bundesregierung zu. Die Bedenken des VfGH gingen im wesentlichen dahin, daß die durch die StVO bewirkte Rechtslage insofern sachfremd und damit gleichheitswidrig sei, als sie keine gesetzliche Grundlage für die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen biete, die durch Ereignisse erforderlich würden, die zwar dem Grunde nach, aber nicht in allen Einzelheiten (zeitlicher und örtlicher Natur) vorhersehbar sind. Derartige Verkehrsbeschränkungen sind aber - wie die Bundesregierung der Sache nach richtig erkennt - in der Tat ganz anders geartet, als die Verkehrsbeschränkungen, die §44b StVO 1960 vor Augen hat. Denn die Ermächtigung nach §44b ist für Fälle unvorhersehbar auftretender Notwendigkeiten gedacht und ermächtigt zur Erlassung von unaufschiebbaren Verkehrsbeschränkungen (vgl. auch Dittrich - Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, Kommentar zu §44b, RZ 1 und 2).
Es war daher das von Amts wegen zu G80/86 eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der Prüfung des §44b StVO 1960 mangels Präjudizialität einzustellen.
2. Der beim VfGH zu G111/86 protokollierte Antrag des VwGH ist nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH zur Präjudizialität bei Anträgen von Gerichten nach Art140 B-VG (vgl. zB VfSlg. 9083/1981) zulässig, zumal - entgegen der Auffassung der Bundesregierung - davon auszugehen ist, daß Verkehrsbeschränkungen aus Anlaß von Straßeneinbauten in der hier maßgeblichen Hinsicht solchen aus Anlaß von Straßenerhaltungsarbeiten ähnlich sind.
VII. In der Sache hat der VfGH erwogen:
1. Der VfGH ist im Prüfungsbeschluß davon ausgegangen, daß zum Zweck der Ermöglichung von Arbeiten zur Straßenerhaltung relativ häufig Verkehrsbeschränkungen notwendig sind, die zwar vorhersehbar sind und dementsprechend geplant werden können, bei denen aber die für die Durchführung der Erhaltungsarbeiten erforderlichen Beschränkungen nicht exakt örtlich und zeitlich vorherbestimmt werden können. Daß eine Notwendigkeit für derartige Maßnahmen relativ häufig gegeben ist, wurde im Gesetzesprüfungsverfahren an sich nicht bestritten.
Der VfGH vertrat nun die Auffassung, daß die in Rede stehenden Verkehrsbeschränkungen weder auf §43 Abs1 litb StVO 1960 noch auf §44b StVO 1960 gegründet werden können, weshalb diese Regelung dem aus dem Gleichheitsgebot erfließenden Sachlichkeitsgebot widerspreche und insgesamt verfassungswidrig sei.
Der VwGH vertrat in seinem Antrag die Auffassung, daß auch §44a StVO 1960 für die gegebene Fallkonstellation keine gesetzliche Grundlage enthalte. Die Erforderlichkeit der Anordnung von Verkehrsbeschränkungen zur Durchführung von Bauarbeiten sei zwar vorhersehbar, ergebe sich aber keineswegs aus "Verkehrsbeobachtungen, Verkehrszählungen oder Verkehrserfahrungen", sondern aus der Art und dem Ausmaß der auf Straßen mit öffentlichem Verkehr durchzuführenden Bauarbeiten und deren Auswirkungen auf den Verkehr.
2. a) Daß die Erlassung von Verkehrsbeschränkungen der in Rede stehenden Fallkonstellationen nicht auf §44b StVO 1960 gegründet werden kann, weil diese Vorschrift (nur) zur Erlassung von grundsätzlich andersartigen Verkehrsbeschränkungen ermächtigt, wurde bereits unter Punkt VI. 1. b dargelegt.
b) Aber auch der unter der Überschrift "Vorbereitende Verkehrsmaßnahmen" stehende §44a StVO 1960 bietet - wie der VwGH richtig sieht - keine geeignete Grundlage für die in Rede stehende Art von im Zusammenhang mit Straßenerhaltungsarbeiten und (anderen) Straßeneinbauten notwendig werdenden Verkehrsbeschränkungen.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß §44a leg. cit. zwar nicht für Verkehrsbeschränkungen im Zusammenhang mit Straßenerhaltungsarbeiten, wohl aber für solche, die durch Straßeneinbauten erforderlich werden, eine Deckung zu geben vermag und führt im einzelnen dazu aus:
"§44a StVO enthält ua. die Ermächtigung aus Anlaß vorhersehbarer Ereignisse oder Umstände, die aufgrund der Verkehrserfahrungen Verkehrsverhältnisse erwarten lassen, zu deren Bewältigung besondere Verkehrsmaßnahmen notwendig sind, derartige Maßnahmen mit Verordnung zu erlassen. Wenn auch, wie den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu dieser Gesetzesstelle zu entnehmen ist, in erster Linie an besondere Verkehrsverhältnisse gedacht ist, die stets die gleichen Maßnahmen erfordern, wie etwa den in große Städte rückflutenden Verkehr an Sonntagabenden, so können auch Grabungsarbeiten als vorhersehbare Ereignisse oder Umstände im Sinne des §44a StVO angesehen werden. Da das Gesetz selbst ausdrücklich von vorhersehbaren Ereignissen und Umständen spricht, können wohl immer nur solche, nicht mit der Straßenpflege und -erhaltung im Zusammenhang stehende Bauarbeiten zur Verordnungserlassung gemäß §44a StVO ermächtigen, die ausreichend bestimmbar sind. Bei den im Anlaßfall relevanten Bauarbeiten zur Verlegung von Fernwärmerohren, für die eine Baubewilligung vorlag, handelt es sich jedenfalls um ein in diesem Sinne ausreichend vorherbestimmbares Ereignis. Daß auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes diese Bauarbeiten, um die es im Anlaßfall ging, vorhersehbar waren, ergibt sich aus seinen eigenen Ausführungen (S. 3 seines Antrages): 'Die Erforderlichkeit der Anordnung von Verkehrsbeschränkungen aufgrund der bewilligten Bauarbeiten zur Verlegung von Fernwärmerohranlagen ist zwar vorhersehbar,
...'.
... Die Anmerkungen in der kommentierten Ausgabe der Straßenverkehrsordnung von Kammerhofer - Benesch (MGA, 6. Auflage S 277 f) nennen als weitere Beispiele große Veranstaltungen wie Staatsbesuche, Militärparaden, sportliche Veranstaltungen udgl. In diesem Sinne können auch Grabungsarbeiten, insbesondere wenn sie entlang der Straßenmitte vorgenommen werden, Verkehrsbeschränkungen wie die im Anlaßfall angeordneten (kundgemacht durch das Gebotszeichen gemäß §52 Z15 StVO 'vorgeschriebene Fahrtrichtung rechts') notwendig machen, sobald mit diesen Arbeiten begonnen wird. Der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs, die Erforderlichkeit der Anordnung von Verkehrsbeschränkungen auf Grund von bewilligten Bauarbeiten zur Verlegung von Fernwärmerohranlagen sei zwar vorsehbar, ergebe sich aber keineswegs aus 'Verkehrsbeobachtungen, Verkehrszählungen oder Verkehrserfahrungen' ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht zutreffend. Die Erforderlichkeit der Anordnung ergibt sich nämlich gerade aufgrund der im Zusammenhang mit derartigen Aufgrabungsarbeiten gemachten Beobachtungen und Erfahrungen."
Der VfGH vermag diese Auffassung nicht zu teilen. §44a StVO 1960 enthält keine Ermächtigung zu Verkehrsbeschränkungen aus Anlaß von Maßnahmen, die an sich vorhersehbar sind, in ihrer örtlichen und zeitlichen Bestimmung aber nicht im voraus bestimmt werden können, sondern hat ihrer Art nach andere Anlässe vor Augen. Der Gerichtshof vermag der Bundesregierung insbesondere darin nicht zu folgen, daß Grabungsarbeiten in verkehrsrechtlicher Hinsicht ähnlich zu beurteilen seien wie Staatsbesuche, Militärparaden und Sportveranstaltungen. Gerade auch in der hier relevanten Frage der Vorhersehbarkeit unterscheiden sich die genannten Anlässe für Verkehrsbeschränkungen entscheidend voneinander:
So führen etwa Dittrich - Stolzlechner (aaO, RZ 2 zu §44a) - im Einklang mit den EB zu dieser Regelung - aus, daß das Wesen "vorbereitender Maßnahmen" iS des §44a StVO 1960 darin bestehe, daß sie aufgrund von Verkehrsbeobachtungen, Verkehrszählungen oder Verkehrserfahrungen aus Anlaß vorhersehbarer Ereignisse oder Umstände im voraus bestimmt, aber erst wirksam würden, wenn der Anlaßfall es erfordere. Als Maßnahmen der erwähnten Art nennen Dittrich - Stolzlechner ua. "Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich des Einzugsgebiets großer Städte an bestimmten Tagen, während einer bestimmten Zeit und auf einer bestimmten Strecke oder Verkehrsumleitungen vor, bei oder nach großen Veranstaltungen, wie Staatsbesuchen, Militärparaden, Sportveranstaltungen udgl. oder Halteverbote für immer wiederkehrende Veranstaltungen (zB Messe-, Allerheiligenverkehr)".
Auch aus dieser Erläuterung wird deutlich, daß es bei Verkehrsbeschränkungen nach §44a leg. cit. um solche aus ganz anders gearteten Anlässen geht, als im Fall von Verkehrsbeschränkungen, die im Zusammenhang mit Straßenerhaltungsarbeiten notwendig werden.
3. a) Es bleibt daher zu untersuchen, ob §43 Abs1 litb StVO 1960 für die Erlassung von Verkehrsbeschränkungen der beschriebenen Art eine taugliche gesetzliche Grundlage bietet. Dies hatte der VfGH im Einleitungsbeschluß bezweifelt (vgl. Punkt IV.1.a).
b) Die Bundesregierung geht in ihrer Äußerung zu Recht davon aus, daß Verkehrsbeschränkungen für vorhersehbare Straßenerhaltungsarbeiten durch V gemäß §43 Abs1 litb leg. cit. zu verhängen seien:
"Jene Verkehrsbeschränkungen für Straßenerhaltungsarbeiten, die zwar vorhersehbar sind, bei denen aber die für die Durchführung der Erhaltungsarbeiten erforderlichen Beschränkungen nicht exakt örtlich und zeitlich vorherbestimmt werden können, sind nach Auffassung der Bundesregierung eindeutig von der Verordnungsermächtigung des §43 Abs1 litb StVO voll erfaßt."
Dabei teilt die Bundesregierung die Ausgangsposition des VfGH, wenn sie meint: "Hiebei ist der örtliche und zeitliche Umfang der Verkehrsbeschränkung genau zu bestimmen." Dies ermögliche nach Auffassung der Bundesregierung eine verfassungskonforme Interpretation; hiezu wird ausgeführt:
"Der VfGH meint nun, hiezu sei es erforderlich, daß die verordnungserlassende Behörde die Notwendigkeit der Verkehrsbeschränkung 'in jeder Hinsicht' genau kennt. Dies trifft jedoch nach Meinung der Bundesregierung nicht zu: Vielmehr würde es im Einklang mit §43 Abs1 litb StVO beispielsweise durchaus genügen, für vorhersehbare Straßenerhaltungsarbeiten allenfalls örtlich beschränkte, nach Bedarf jedoch in ihrem örtlichen Geltungsbereich ausdehnbare Verordnungen zu erlassen. Sollten die notwendigen Straßenerhaltungsarbeiten einen über den örtlichen Geltungsbereich der Verordnung hinausgehenden Umfang in Anspruch nehmen, so könnte die Verordnung jeweils entsprechend ausgeweitet werden. Sollte sich herausstellen, daß die ihrer Art, nicht jedoch ihrem Umfang nach vorhersehbaren erforderlichen Straßenerhaltungsarbeiten hingegen einen geringeren als den in der Verkehrsbeschränkungsverordnung vorgesehenen örtlichen Umfang haben, so wäre die Verordnung (wegen Wegfalls der gesetzlichen Voraussetzungen) unverzüglich einzuschränken.
In gleicher Weise wäre auch der zeitliche Geltungsbereich solcher Verkehrsbeschränkungen gegebenenfalls in Anpassung an später bekannt werdende tatsächliche Verhältnisse entsprechend den Erfordernissen der durchzuführenden Straßenerhaltungsarbeiten zu verlängern oder - bei deren Wegfall - die Verordnung unverzüglich aufzuheben.
Kurzfristig im Zuge der Erhaltungsarbeiten sich noch ergebende unvorhergesehene weitere Arbeiten erfüllen - im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 9310/1981 - den Tatbestand des §44b StVO und ermöglichen somit die Setzung 'unaufschiebbarer Maßnahmen' im Sinne dieser Gesetzesbestimmung."
c) Mit ihrem Vorbringen vermag die Bundesregierung die Bedenken des VfGH jedoch nicht zu zerstreuen.
Diese Bedenken gingen ja gerade dahin, daß §43 Abs1 litb StVO 1960 nur die Möglichkeit gibt, eine Verkehrsbeschränkung zu verfügen, wenn die Behörde die Notwendigkeit der Beschränkung in ihrem zeitlichen und örtlichen Umfang genau kennt, was aber im Hinblick auf Straßenerhaltungsarbeiten typischerweise häufig nicht zutrifft. Die Bundesregierung leugnet die Schwierigkeit der exakten Abgrenzung an sich gar nicht, meint aber, daß der Verordnungsgeber eben rasch reagieren und die V ausdehnen bzw. einschränken müsse, wenn sich das als notwendig erweise. Der VfGH hält jedoch diese Reaktionsmöglichkeit für nicht ausreichend. Denn einerseits ist ein rasches Reagieren auf das Erkennen der Notwendigkeit, im Zusammenhang mit Straßenerhaltungsarbeiten Verkehrsbeschränkungen auszuweiten oder einzuschränken, im Hinblick auf das vom Gesetz vorgesehene Verordnungs-Erzeugungsverfahren (vgl. insbesondere §94 f. StVO 1960) nur beschränkt möglich, zum anderen aber kommt jede überflüssig zu weitgehende Verkehrsbeschränkung mit der Zielsetzung der StVO, insbesondere auch mit deren §90 Abs3 leg. cit. in einen unauflöslichen Konflikt.
Dieser Befund wird auch durch die derzeitige Praxis bestätigt. In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH hat der Vertreter der (beteiligten) Oö. Landesregierung die tatsächlich geübte Praxis der Erlassung von Verkehrsbeschränkungen gemäß §43 Abs1 litb StVO 1960 dargestellt. Daraus geht hervor, daß in solchen Fällen wie den in Rede stehenden häufig konkrete Verkehrsbeschränkungen im Rahmen von umfassenden Verordnungen nach §43 Abs1 litb StVO 1960 kurzfristig verfügt werden. Das wird auch aus dem Anlaßbeschwerdeverfahren deutlich, in dem die Landesregierung die konkreten Verkehrsbeschränkungen aufgrund einer allgemeinen Rahmenverordnung des (damaligen) Bundesministers für Verkehr erlassen hat. Eine Ermächtigung zur stufenweisen Erlassung derartiger Verordnungen enthält die in Prüfung stehende Bestimmung aber nicht.
Eine "verfassungskonforme" Interpretation der Bestimmung des §43 Abs1 litb StVO 1960 in dem von der Bundesregierung skizzierten Sinn ist also nicht möglich.
4. Insgesamt ist somit festzuhalten, daß §43 Abs1 litb StVO 1960 eine Ermächtigung zur Erlassung von Verkehrsbeschränkungen, die aus Anlaß von Straßenerhaltungsarbeiten notwendig werden, bietet, daß die Ermächtigung aber - wie sich aus dem unter Punkt VII.3. Gesagten ergibt - völlig unzureichend ist, um einerseits den sachlichen Erfordernissen zu entsprechen und andererseits nicht in Widerspruch mit anderen Bestimmungen der StVO zu kommen. §43 Abs1 litb StVO 1960 war daher als dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung widersprechend aufzuheben.
Auf die übrigen in Prüfung stehenden Bestimmungen erstreckt sich diese Verfassungswidrigkeit jedoch nicht (vgl. Punkt VI.1. und VII.2.), sodaß dem Antrag des VwGH (G111/86) insoweit nicht Folge zu geben war.
5. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen, Verordnungserlassung, Determinierungsgebot, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:G80.1986Dokumentnummer
JFT_10139373_86G00080_00