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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung von Beschlüssen des Gemeinderates der Gemeinde Serfaus betreffend die Gründung einer Weggemeinschaft; mangelnder Verordnungscharakter dieser kundgemachten Gemeinderatsbeschlüsse - bloße, durch §53 TGO 1966 gebotene Information der Gemeindeangehörigen über Vorgänge, die Gegenstand einer Beschlußfassung im Gemeinderat waren Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Serfaus vom 24. Feber 1984 betreffend die Erklärung eines zu errichtenden Weges zum öffentlichen Interessentenweg und die nach dessen Errichtung vorgesehene Auflassung eines öffentlichen Weges; Erklärung eines zu errichtenden Weges zum öffentlichen Interessentenweg hat lediglich die Wirkung einer Einreihung der neu zu errichtenden Verkehrsfläche in eine Kategorie des §2 Tir. StraßenG; kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers, insbesondere nicht in sein Eigentum an jenen Grundflächen, über die die neu zu errichtende Verkehrsfläche führen soll; auch kein Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers durch die Inaussichtstellung der Auflassung von WegteilenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit Kundmachung vom 21. November 1983 lud die Gemeinde Serfaus zu einer Interessentenversammlung zur Gründung einer Weggemeinschaft iS des §46 Tir. Straßengesetz, LGBl. 1/1951, idF LGBl. 10/1970 (künftig: TStG) für den 7. Dezember 1983 ein. Aus der Niederschrift über die am 7. Dezember 1983 durchgeführte Verhandlung ergibt sich, daß "alle anwesenden Interessenten und Grundeigentümer, ausgenommen W A, der projektierten Trassenführung, der Öffentlichkeitserklärung und der Weggemeinschaftsbildung im Prinzip" zustimmten und ihr Einverständnis zur Übernahme bestimmter Anteile der Weggenossenschaft erklärten. In Aussicht genommen wurde des weiteren, daß die Grundablöse für die Neuwegtrasse im Zuge der Bauverhandlung vereinbart werden solle; alle anwesenden Grundeigentümer, ausgenommen W A, stimmten schließlich zu, den zum Bau der Weganlage erforderlichen Grund an das öffentliche Gut abzutreten. Abschließend fand die Wahl eines provisorischen Ausschusses, bestehend aus einem Obmann, einem Obmannstellvertreter, einem Kassier und einem Schriftführer, statt.
1.2. Am 24. Feber 1984 fand eine Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Serfaus statt, bei der folgende Beschlüsse betreffend die Gründung einer Weggemeinschaft gefaßt wurden:
"1. a) Der Gemeinderat beschließt, den zu errichtenden Weg von der Landesstraße Nr. 16 (Fisser Landesstraße) bis zu den Gp. 1384/1 und 1384/2, (Waldparzellen der Agrargemeinschaften Ried und Serfaus) einschließlich der Wegäste Fallmied und Schmid Elsa (der Wegast Auer Wilhelm bleibt Privatweg) zum öffentlichen Interessentenweg im Sinne des 5. Hauptstückes des TStG, LGBl. Nr. 1/1951, zu erklären.
b) Weiters wird generell beschlossen, die nach Errichtung der Neuweganlage nicht mehr benötigten Wegteile der alten öffentlichen Weganlage, Wegparzellen Nr. 2350 und 2353/1 als öffentlichen Weg aufzulassen und den Grundeigentümern, die zur neuen Wegtrasse Grund beigestellt haben, nach Bau und Vermessung der neuen Weganlage zu übereignen. Die aufzulassenden Wegteile werden im Zuge der Bauverhandlung und Neuwegvermessung festgelegt.
c) Im Sinne der §§44 und 46 TStG wird beschlossen, die Besitzer nachstehender Liegenschaften als Interessenten zu bezeichnen und ihre Beitragsanteile zu den aus Güterweg- und Gemeindemitteln nicht gedeckten Herstellungs-, Asphaltierungs-, Grundablöse- und Erhaltungskosten wie folgt festzulegen:
LNr. EZ Eigentümer Beitragsanteile
... (es folgt eine Aufstellung von 27 Liegenschaften und der festgelegten, insgesamt 126, Beitragsanteile) ...
d) Die Eigentümer der unter Punkt c) genannten Liegenschaften werden zur Weggemeinschaft Serfaus-Fines-Serfauserfeld zusammengefaßt, der eine eigene Satzung gegeben wird. Die Satzung liegt im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht auf."
Des weiteren wurde ein Beschluß betreffend eine Mitfinanzierung der "Dorfbahn Serfaus" gefaßt und der Haushaltsplan der Gemeinde für 1984 beraten.
Die auszugsweise Niederschrift über die Gemeinderatssitzung wurde am 27. Feber 1984 an der Gemeindetafel angeschlagen.
1.3. Durch Anschlag an der Gemeindetafel wurde schließlich am 27. Feber 1984 folgende Verordnung kundgemacht:
"Der Gemeinderat hat - gestützt auf das Ergebnis der Verhandlung vom 7. 12. 1983, bei der sich die erforderliche Mehrheit der erschienenen Parteien dafür ausgesprochen hat - in seiner Sitzung vom 24. 2. 1984 beschlossen, den zu errichtenden Weg von der Fisser Landesstraße bis Gpn. 1384/1, 1384/2, Waldparzellen der Agrargemeinschaften Ried und Serfaus, einschließlich der Wegäste Fallmid und Schmid Elisabeth (der Wegast Auer bleibt Privatweg) zum öffentlichen Interessentenweg im Sinne des 5. Hauptstückes des TStG, LGBl. Nr. 1/1951, zu erklären. Weiters wird generell beschlossen, die nach Errichtung der Neuweganlage nicht mehr benötigten Wegteile der alten öffentlichen Weganlage Wegparzellen 2350, 2353/1 als öffentlichen Weg aufzulassen und den Grundeigentümern zu übereignen, die zur neuen Weganlage (Wegtrasse) Grund beigestellt haben. Die aufzulassenden Wegteile werden nach Bau und Vermessung der neuen Weganlage festgelegt."
2.1. Mit einem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, die "Verordnung des Gemeinderates der ... Gemeinde Serfaus vom 24. 4. 1984 ... im vollen Umfange als gesetzwidrig aufzuheben". Der Gemeinderat habe in einer Sitzung am 24. Feber 1984 unter Punkt 1. a) der Sitzungsniederschrift beschlossen, einen näher bezeichneten Weg zum öffentlichen Interessentenweg zu erklären, unter Punkt 1. b) festgelegt, daß nach Errichtung der Neuweganlage nicht mehr benötigte Wegteile als öffentlicher Weg aufzulassen und jenen Grundeigentümern zur Verfügung zu stellen seien, die bei Anlegung der neuen Wegtrasse Grund bereitgestellt haben, unter Punkt 1. c) die Interessenten, darunter den Antragsteller, unter Festlegung der Beitragsanteile bezeichnet und unter Punkt 1. d) beschlossen, eine Weggemeinschaft zu schaffen und dieser eine Satzung zu geben. Dieser Gemeinderatsbeschluß sei am 27. Feber 1984 durch Anschlag an der Gemeindetafel kundgemacht worden. Der Gemeinderat habe mit gleichem Datum eine Verordnung erlassen; da diese mit den Punkten 1. a) und 1. b) der kundgemachten Beschlußfassung des Gemeinderates vom 24. Feber 1984 wortgleich und somit identisch sei, sei von einer einheitlichen Verordnung im Umfange des gesamten in den Punkten 1. a) bis 1. d) festgelegten Gemeinderatsbeschlusses auszugehen. Die angefochtene Verordnung sei "ohne Erlassung eines Bescheides gefällt und ... daher gegen den Antragsteller unmittelbar wirksam" geworden. Der Antragsteller sei grundbücherlicher Eigentümer von Liegenschaften, die über einen Weg, der auf der Grundparzelle 2351/3 (öffentliches Gut) verlaufe, erschlossen werden; von diesem Weg führe zur Hofstelle des Antragstellers ein ausschließlich über die ihm gehörige Grundparzelle 788 verlaufender landwirtschaftlich nutzbarer Weg. Mit der angefochtenen Verordnung werde wohl lediglich der Beginn und das Ende des projektierten Interessentenweges bezeichnet - der Wegast Auer solle Privatweg bleiben, worunter wohl nur die Abzweigung vom zu errichtenden Interessentenweg gemeint sein könne -; aufgrund einer Kopie des im Akt erliegenden Wegplanes müsse jedoch davon ausgegangen werden, daß der zu errichtende Weg über Grundparzellen des Antragstellers führen werde. Bei der Errichtung des Weges müsse demnach Grundeigentum des Antragstellers in beträchtlichem Ausmaße in Anspruch genommen werden, wofür nach dem Wortlaut der Verordnung eine Entschädigung nicht vorgesehen sei. Die Verordnung sehe auch nicht vor, daß der Antragsteller am Grundeigentum des alten aufzulassenden Weges partizipieren solle. Der Antragsteller werde durch die angefochtene Verordnung somit in seinen Rechten dadurch verletzt, daß für die Errichtung der in Aussicht genommenen Weganlage ihm gehöriges Grundeigentum in beträchtlichem Ausmaß ohne Entschädigung in Anspruch genommen werde. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums. Da die Verordnung lediglich Beginn und Ende der in Aussicht genommenen Wegtrasse festlege, sei sie auch wegen ihrer völligen Unbestimmtheit gesetzwidrig. Da der Interessentenweg auch Grundstücke einer angrenzenden politischen Gemeinde erfasse, sei zur Erlassung der Verordnung nicht die Gemeinde Serfaus, sondern die Bezirksverwaltungsbehörde Landeck zuständig, sodaß die Verordnung auch insofern gesetzwidrig sei. Die Festlegung der Beitragsanteile verstoße gegen §46 Abs2 TStG; zu §46 Abs1 leg. cit. stehe im Widerspruch, daß "der Wortlaut der Verordnung im Sinne einer künftigen Beigebung der Satzung zu verstehen" sei.
2.2. Die Tir. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, den Individualantrag mangels Legitimation des Antragstellers zurückzuweisen. Es treffe keinesfalls zu, "daß allein durch die angefochtene Verordnung Grundeigentum des Antragstellers und sogar entschädigungslos in Anspruch genommen werde". Nach Erlassung einer Verordnung, die die Bildung eines öffentlichen Interessentenweges zum Gegenstand habe, werde erst mittels Bescheid die Weggemeinschaft gebildet; erst durch diesen Bescheid würden die Interessenten festgestellt, deren Beitragsverhältnisse festgelegt und die Satzung genehmigt. Dieser Bescheid werde allen Interessenten zugestellt. In weiterer Folge sei ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen, in dem allen durch das Bauvorhaben berührten Liegenschaftseigentümern Parteistellung zukomme. Letztendlich komme allen Eigentümern, deren Grund in Anspruch genommen werde, in einem nachfolgenden Enteignungsverfahren wiederum Parteistellung zu. Erst dann komme die Auflassung und Aufteilung des bestehenden öffentlichen Weges in Frage. Durch die Punkte 1. a) und 1. b) des Gemeinderatsbeschlusses vom 24. Feber 1984 bzw. den ersten und zweiten Satz der Verordnung laut Kundmachung vom 27. Feber 1984 werde die Rechtssphäre des Antragstellers somit nicht unmittelbar berührt.
Den Punkten 1. c) und 1. d) des Gemeinderatsbeschlusses vom 24. Feber 1984 komme demgegenüber Verordnungscharakter schon deshalb nicht zu, weil die Beschlußfassung lediglich der Willensbildung des Kollegialorganes Gemeinderat diene; diesbezügliche Bescheide seien noch zu erlassen. Der Antrag sei somit zur Gänze unzulässig.
3. Der Antrag ist tatsächlich nicht zulässig:
3.1. Soweit der Antrag die am 27. Feber 1984 kundgemachten Gemeinderatsbeschlüsse laut Punkt 1. a) bis d) der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates vom 24. Feber 1984 als Verordnung wertet und deren Aufhebung begehrt, ist er schon deshalb unzulässig, weil es sich hiebei um keine Verordnung handelt. Dazu ist auf §53 der Tir. Gemeindeordnung 1966 zu verweisen, welche Bestimmung dem in Frage stehenden Kundmachungsakt offenkundig zu Grunde liegt. Nach dieser Regelung sind nämlich alle Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindeorgane, die Verpflichtungen oder Belastungen der Gemeindebewohner zum Inhalt haben oder einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen oder an die Allgemeinheit gerichtete Mitteilungen enthalten, binnen einer Woche nach Beschlußfassung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen oder in sonst ortsüblicher Weise in der Gemeinde kundzumachen. Es handelt sich somit offenkundig um eine bloße Information der Gemeindeangehörigen über Vorgänge, die Gegenstand einer Beschlußfassung im Gemeinderat waren, wie sie durch §53 TGO 1966 geboten ist.
Da Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ausschließlich die Anfechtung von Verordnungen zum Inhalt hat, ist der Antrag insoweit schon deshalb unzulässig.
3.2. Aber auch die Anfechtung der am 27. Feber 1984 kundgemachten Verordnung, betreffend die Erklärung eines zu errichtenden Weges zum öffentlichen Interessentenweg und die nach Errichtung desselben vorgesehene Auflassung eines öffentlichen Weges, ist aus folgendem Grunde nicht zulässig:
Der Antragsteller begehrt - wohl entsprechend dem §57 Abs1 VerfGG -, diese Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Der Antragsteller legt auch iS der zitierten Vorschrift seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung im einzelnen dar; er behauptet weiters, dem Art139 Abs1 letzter Satz B-VG entsprechend, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
Wie der VfGH jedoch in seiner mit dem Beschl. VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980).
Die bekämpfte Verordnung hat aber, soweit ein zu errichtender Weg zum öffentlichen Interessentenweg erklärt wird, lediglich die Wirkung einer Einreihung der neu zu errichtenden Verkehrsfläche in eine der Kategorien des §2 TStG (nämlich in die Kategorie litd: Öffentliche Interessentenwege). Diese Einreihungserklärung ist Voraussetzung für die weiteren straßenverwaltungsbehördlichen Maßnahmen, nämlich insbesondere für den sog. straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheid und für einen allfälligen Enteignungsbescheid. Die bekämpfte Verordnung bewirkt hingegen keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers, insbesondere nicht - wie er annimmt - in sein Eigentum an jenen Grundflächen, über die die neu zu errichtende Verkehrsfläche führen soll (vgl. VfSlg. 8156/1977). Ebensowenig kann die bekämpfte Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen, soweit sie die Auflassung nicht mehr benötigter Wegteile der bestehenden öffentlichen Weganlage als öffentlicher Weg nach Errichtung der neuen Weganlage vorsieht und in Aussicht nimmt, daß diese Grundflächen den Grundeigentümern zu übereignen sind, die zur neuen Weganlage Grund beigestellt haben.
Soweit der Antragsteller mit der vorliegenden Eingabe die Schaffung einer Weggemeinschaft sowie die Erlassung einer Satzung bekämpft, geht das Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil die bekämpfte Verordnung derartiges nicht enthält.
Da die angefochtene Verordnung somit keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers bewirkt, fehlt es schon aus diesem Grunde an einer der für die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG geforderten Voraussetzungen.
4. Der Antrag war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsgegenstand, Verordnungsbegriff, Straßenverwaltung, Interessentenweg, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:V9.1984Dokumentnummer
JFT_10139074_84V00009_00