TE Vfgh Erkenntnis 1986/9/26 B191/86

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Veröffentlicht am 26.09.1986
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Index

80 Land-und Forstwirtschaft
80/02 Forstrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art12
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
ForstG 1975 §15
Nö ForstausführungsG §1
Nö ForstausführungsG §2

Leitsatz

ForstG §15; Nö. ForstausführungsG; verfassungsrechtlich zulässige weitmaschige Ermächtigung des Landesgesetzgebers durch §15 ForstG zur Erlassung von Durchführungsvorschriften; keine Bedenken, daß sich das Nö. ForstausführungsG nicht innerhalb der bundesgesetzlichen Ermächtigung hält; keine Gleichheitsbedenken gegen §15 ForstG und das Nö. ForstausführungsG; kein Eingriff in den Wesensgehalt des Eigentumsrechtes durch die in §15 ForstG und im Nö. ForstausführungsG vorgesehenen, sachlich gerechtfertigten Eigentumsbeschränkungen; keine Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Die Bf. sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes 529 (Wald) KG Rappottenstein im Ausmaß von 0,6255 ha. Mit Vertrag vom 11. Juni 1985 kauften sie die angrenzende, 2187 Quadratmeter große Teilfläche des ursprünglich 1,9492 ha großen Grundstückes 525 (Wald) KG Rappottenstein. Das nach der Teilung verbleibende Restgrundstück 525 hätte also ein Ausmaß von 1,7305 ha Das Grundstück der Bf. Grundparzelle 529 würde nach Hinzukommen des gekauften Trennstückes ein Ausmaß von 0,8442 ha aufweisen.

b) Am 1. Juli 1985 beantragten die Bf. bei der Bezirkshauptmannschaft Zwettl, die Teilung der Grundparzelle 525 iS des Nö. Forstausführungsgesetzes, LGBl. 6851-0, (Nö. ForstAusfG) zu bewilligen.

c) Der Landeshauptmann von NÖ wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 29. Jänner 1986 gemäß §§1 und 2 Nö. ForstAusfG diesen Antrag ab. Er begründete dies damit, daß das Grundstück der Bf. Grundparzelle 529 auch nach der Vereinigung mit dem kaufgegenständlichen Trennstück bloß ein Ausmaß von 0,8442 ha hätte, also nicht das in §1 Nö. ForstAusfG verlangte Mindestmaß von 1 ha erreichen würde. Einer der im §2 leg. cit. angeführten Ausnahmetatbestände liege nicht vor.

d) aa) Das Nö. ForstAusfG erging aufgrund der vom Bundesgesetzgeber iS des Art10 Abs2 B-VG mit §15 Forstgesetz 1975, BGBl. 440, (ForstG) dem Landesgesetzgeber erteilten Ermächtigung.

Diese bundesgesetzliche Bestimmung lautet:

"§15. (1) Die Teilung von Waldgrundstücken, durch welche die Grundstücksteile nicht mehr das für die Walderhaltung und eine zweckmäßige Waldbewirtschaftung erforderliche Mindestausmaß aufweisen würden, ist verboten. In besonders begründeten Fällen, wie bei Trassenführungen, hat die Behörde, unbeschadet sonstiger bundes- oder landesgesetzlich erforderlicher Voraussetzungen für eine Teilung von Waldgrundstücken, mit Bescheid Ausnahmen von diesem Verbot zu bewilligen.

(2) Die Landesgesetzgebung wird gemäß Art10 Abs2 B-VG ermächtigt, das Mindestausmaß unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse sowie die Voraussetzungen für die Ausnahmen festzusetzen."

b) In Ausführung dieser bundesgesetzlichen Ermächtigung bestimmen die §§1 und 2 des Nö. ForstAusfG:

"§1. Die aus einer Teilung von Waldgrundstücken entstehenden Teilstücke müssen ein Mindestausmaß von 1 ha und eine Mindestbreite von 50 m aufweisen. Die Mindestmaße gelten nicht für die Teilung eines Waldgrundstückes, das in einem Flächenwidmungsplan als Bauland oder Verkehrsfläche gewidmet ist, soweit hiefür eine rechtskräftige Rodungsbewilligung (§17 des Forstgesetzes 1975) vorliegt.

§2. Die Behörde hat eine Ausnahme von den Bestimmungen des §1 zu bewilligen, soweit

a) für ein Teilstück eine Rodungsbewilligung (§17 Forstgesetz 1975) erteilt wurde;

b) ein Teilstück mit einem benachbarten Waldgrundstück vereinigt wird und das daraus neu entstehende Grundstück dann das Mindestausmaß aufweist oder

c) ohne die Grundstücksteilung Anlagen im öffentlichen Interesse, wie der umfassenden Landesverteidigung, des Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, des Bergbaues, des Energiewesens, der Seil- und Güterwege oder Müllbeseitigung überhaupt nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand errichtet werden könnten."

2. Gegen den Berufungsbescheid vom 29. Jänner 1986 (s. oben I. 1. c) wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Bf. machen geltend, in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des Nö. ForstAusfG) verletzt worden zu sein. Sie beantragen, den bekämpften Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Sie begründen diese Behauptung wie folgt:

"1) Nach dem Grundsatzgesetz des Bundes §15 Abs1 Forstgesetz 1975 ist die Teilung von Waldgrundstücken verboten, wenn die einzelnen Grundstücksteile nicht mehr das für die Walderhaltung und eine zweckmäßige Waldbewirtschaftung erforderliche Mindestausmaß aufweisen. Nun ist davon auszugehen, daß die Waldparzelle der Beschwerdeführer vor der Teilung ein Ausmaß von 0,6255 ha aufweist und nach der Teilung ein solches von 0,8442 ha. Die Waldparzelle der Beschwerdeführer vergrößert sich daher durch die Teilung um rund ein Drittel und ist damit eine günstigere Bewirtschaftung und Walderhaltung gegeben. Dies wird auch vom forsttechnischen Sachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Zwettl ausdrücklich bestätigt. Nach dem NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, wird aber nicht darauf abgestellt, sondern bloß auf das Mindestausmaß von einem Hektar und einer Mindestbreite von 50 Metern und wird der Antrag der Beschwerdeführer auch nur deshalb abgewiesen, weil das Grundstück der Beschwerdeführer nach der Teilung nicht ein solches Mindestmaß aufweist. Es wird sohin nur auf die Zufälligkeit der Größe des Vorgrundstückes und nicht auf die bessere Bewirtschaftung abgestellt, weshalb das NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art2 Staatsgrundgesetz, RGBl. 142/1867, verstößt. Der Antrag der Beschwerdeführer oder auch anderer Teilungswerber würde ohne weiteres genehmigt werden, wenn diese bereits ein Grundstück besäßen, welches größer als ein Hektar und breiter als 50 Meter ist. Im übrigen verstößt auch das Nö. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, aufgrund einer einfachen Überlegung gegen den Gleichheitsgrundsatz: Der Bundesgesetzgeber geht in §15 Abs1 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, offenbar von einem in Natur zusammenhängenden Waldbesitz aus; dies ist aus der Formulierung Walderhaltung und zweckmäßige Bewirtschaftung zu erschließen. Auch die tatsächliche Bewirtschaftung jedes Waldes wird nach räumlich und wirtschaftlich zusammenhängenden Waldflächen und nicht nach Grundstücksparzellen vorgenommen. Denn ob ein flächenmäßig zusammenhängender Waldbesitz auf eine oder mehrere Waldparzellen mit eigener Grundstücksnummer aufteilt ist, hat meist historische Gründe. Gerade Bauernwälder sind meist in kleine Waldparzellen aufgeteilt, während der sogenannte 'Herrschaftswald' meist größere Grundstücksparzellen aufweist. Damit wird aber vom NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, den Besitzern kleinerer Waldparzellen, auch wenn diese einen flächenmäßig zusammenhängenden Waldbesitz von über einem Hektar haben, die Teilung untersagt, nicht aber den Besitzern, deren flächenmäßig zusammenhängender Waldbesitz zwar nicht größer, aber zufällig in einer einzigen Parzelle zusammengefaßt ist.

2) Grundstücksteilungen und Grenzverschiebungen zwischen Waldgrundstücken, welche kleiner als 1 Hektar und weniger breit als 50 Meter sind, werden durch das NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, unmöglich gemacht, unabhängig davon, ob dadurch die Waldbewirtschaftung und Walderhaltung beeinträchtigt wird. Selbst eine Ersitzung oder Grenzberichtigung ist nicht mehr möglich, sodaß jeder Waldeigentümer, dessen Waldgrundstück nicht das im NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, geforderte Mindestausmaß aufweist, in seinem Eigentumsrecht verletzt wird. Aus diesem Grunde verstößt das NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, auch gegen Art5 des Staatsgrundgesetzes, RGBl. 142/1867.

3) §15 Abs1 Forstgesetz, BGBl. Nr. 440, stellt ein Grundsatzgesetz des Bundes gemäß Art12 BVG dar. Der Landesgesetzgeber ist verhalten, den vom Bundesgesetzgeber aufgestellten Grundsatz zu verwirklichen, darf jedoch eine grundsätzliche Anordnung des Bundesgrundsatzgesetzgebers in ihrer rechtlichen Wirkung nicht einschränken. Gerade das aber hat das NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, getan. Denn nach der Grundsatzgesetzgebung des Bundes dürfen die Walderhaltung und zweckmäßige Waldbewirtschaftung nicht beeinträchtigt werden. Das NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, stellt jedoch nicht auf diese im Grundsatzgesetz aufgestellten Erfordernisse ab, sondern legt lediglich Mindestmaße fest, wovon nach §2 leg. cit. Ausnahmen bewilligt werden können. Damit wird aber eine Waldteilung von vornherein in allen Fällen ausgeschlossen, in denen ein bereits bestehendes Waldgrundstück durch Vereinigung mit einer Teilfläche eines anderen Waldgrundstückes zwar vergrößert wird, aber doch nicht so groß wird, daß es die im NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, nominierten (gemeint wohl: normierten) Mindestmaße erreicht, und zwar auch dann, wenn dadurch eindeutig die Walderhaltung und Waldbewirtschaftung verbessert wird. Da dies aber nach dem Grundsatzgesetz des §15 Abs1 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, nicht gewollt sein kann, steht sohin das NÖ. Forstausführungsgesetz, LGBl. 6851-0, in Widerspruch dazu und ist daher die Aufhebung des NÖ. Forstausführungsgesetzes, LGBl. 6851-0, nach Art140 BVG, und damit auch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides vorzunehmen."

3. Der Landeshauptmann von NÖ als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. a) Die dem Landesgesetzgeber mit §15 ForstG erteilte Ermächtigung zur Erlassung von Durchführungsvorschriften ist weitmaschig. Dies ist verfassungsrechtlich zulässig (vgl. die Judikatur des VfGH zum Verhältnis Grundsatzgesetzgebung - Ausführungsgesetzgebung iS des Art12 B-VG, zB VfSlg. 6885/1972 und 9800/1983).

Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich die hier präjudizielle Bestimmung des §1 Nö. ForstAusfG (wonach die aus einer Teilung von Waldgrundstücken entstehenden Teilstücke ein Mindestausmaß von 1 ha aufweisen müssen) im Rahmen der durch §15 Abs2 ForstG erteilten Ermächtigung hält, das "Mindestausmaß unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse" festzusetzen. Hiebei wird auch die sich aus §15 Abs1 erster Satz ForstG ergebende Determinante beachtet, daß das Mindestausmaß die Walderhaltung und die zweckmäßige Waldbewirtschaftung gewährleisten muß.

Wenn der nö. Landesausführungsgesetzgeber im §2 des Nö. Forst-AusfG die Ausnahmen restriktiv umschrieben hat, widerspricht dies weder dem Wortlaut des §15 Abs2 ForstG noch dem Sinn dieses Gesetzes (s. §12 leg. cit., wonach eines der wesentlichen Ziele dieses Gesetzes ist, die öffentlichen Interessen an der Walderhaltung zu wahren).

Der VfGH hat also nicht das Bedenken, daß sich das Nö. ForstAusfG nicht innerhalb der bundesgesetzlichen Ermächtigung hält.

b) Das Ziel, den Wald zu erhalten und eine zweckmäßige Waldbewirtschaftung zu gewährleisten ist ebenso sachlich gerechtfertigt, wie die zur Erreichung dieses Zieles gewählte Methode, nämlich zu verhindern, daß Waldgrundstücke, die kleiner als 1 ha sind, entstehen. Es ist nämlich bei einer Durchschnittsbetrachtung anzunehmen, daß bei Bildung wirtschaftlicher Einheiten von weniger als 1 ha Wald die angegebenen Ziele nicht oder nur bedingt erreicht werden können. Daran ändert nichts, daß dies in Einzelfällen zu Härten führen mag.

Es besteht sohin nicht das Bedenken, daß §15 ForstG oder das Nö. Forstausführungsgesetz dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen.

c) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. dazu VfSlg. 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 9189/1981) gilt der erste Satz des Art5 StGG ebenso für Eigentumsbeschränkungen, auf die sich allerdings auch der im zweiten Satz des zitierten Artikels festgelegte Gesetzesvorbehalt erstreckt:

Der Gesetzgeber kann daher verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg. 9189/1981, 9911/1983).

Die durch die erwähnten gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Eigentumsbeschränkungen sind - wie dargetan - sachlich gerechtfertigt.

Von einem Eingriff in den Wesensgehalt des Eigentumsrechts kann nicht gesprochen werden.

Bedenken, daß das Gesetz in Widerspruch zu Art5 StGG steht, hegt der VfGH demnach nicht.

d) Es bestehen unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch sonst keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des den angefochtenen Bescheid tragenden Nö. ForstAusfG.

Die Bf. wurden mithin nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerde war deshalb abzuweisen.

Da die Bf. nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend machen, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt (vgl. zB VfSlg. 9607/1983).

Schlagworte

Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Forstwesen, Waldteilung, Grundrechte, Eigentumsbeschränkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B191.1986

Dokumentnummer

JFT_10139074_86B00191_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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