TE Vfgh Erkenntnis 1986/9/27 B499/85

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Veröffentlicht am 27.09.1986
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
MRK Art6
StGG Art5
Tir GVG 1983 §3 Abs1 litd, §3 Abs1 lite
Tir GVG 1983 §4 Abs1
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Tir. GVG 1983; nach Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten erfolgte Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu einer als Pachtvertrag bezeichneten Bestandgabe gemäß §4 Abs1 und §6 Abs1 litc; kein Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde stand bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung zum Landesgrundverkehrsreferenten - keine Verletzung des Art6 MRK; Genehmigungstatbestand des §3 Abs1 lite knüpft nicht an eine bestimmte Vertragsform an; rechtmäßige Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch die Grundverkehrsbehörde - kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine denkunmögliche Verneinung des Vorliegens eines Pachtvertrages; keine denkunmögliche Annahme, daß die Verwendung des Grundstückes als Grünland und Abstandsfläche keinen zureichenden Grund darstelle, das Grundstück einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb zu entziehen; keine Verletzung im Eigentumsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit "Pachtvertrag" vom 13. Dezember 1983 "verpachtete" M H (Landwirt) an Dipl.-Ing. J M (Architekt) ein Teilstück der Grundparzelle .../1 aus der EZ 61 I KG Kitzbühel-Land im Flächenausmaß von zirka 550 Quadratmeter ab 1. August 1983 "fix und unkündbar" auf die Dauer von 99 Jahren um einen pauschalen "Pachtzins" für die gesamte Vertragsdauer in Höhe von 20000 S.

1.2. Mit Antrag vom 2. Juli 1984 suchten die Vertragspartner bei der Grundverkehrsbehörde Kitzbühel um grundverkehrsbehördliche Genehmigung gemäß §3 Abs1 lite GVG 1983 mit der Begründung an, es handle sich beim Vertragsobjekt "um ein durch Herrn M H nicht mehr wirtschaftlich landwirtschaftlich nutzbares Gelände", dessen künftige Nutzung sich auf die Erhaltung "als Grünland, Grasschnitt und Benützung als Garten erstrecken" werde.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Kitzbühel vom 21. September 1984 wurde diesem Rechtserwerb gemäß §3 Abs1 lite GVG 1983 die Zustimmung erteilt.

2.2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Landesgrundverkehrsreferent am 28. September 1984 Berufung, weil mit dem Rechtsgeschäft eine die landwirtschaftliche Nutzung wesentlich beeinträchtigende oder ausschließende Nutzung bezweckt werde.

2.2.2. Die Bf. widersprachen in einer Gegenäußerung diesem Vorbringen, weil es dem "Pächter frei(stehe), das Grundstück landwirtschaftlich zu nutzen. Tatsächlich soll(e) das Grundstück auch nicht bebaut, sondern als Grünland und Abstandsfläche erhalten werden."

2.2.3. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 21. Juni 1985, Z LGV-1103/6-84, wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge gegeben und der Bestandgabe gemäß §4 Abs1 und §6 Abs1 litc GVG 1983, LGBl. 69, die Zustimmung versagt.

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und, der Sache nach, auf ein Verfahren vor einem unparteiischen und unabhängigen Tribunal geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

4. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH von Amts wegen gemäß Art140 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lita, c, d, e und f des §13 Abs4 Z1 GVG 1983 ein.

Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im landesgrundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfachgesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.

5. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen.

6. Der VfGH hat hiezu erwogen:

6.1.1. Eine Verletzung des nach Art6 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor einem unparteiischen und unabhängigen Tribunal wird behauptet, weil in der Person des Berichterstatters der bel. Beh. ein Landesbeamter an der Erlassung des angefochtenen Bescheides mitgewirkt habe, der dem Landesgrundverkehrsreferenten und damit einer Partei des Verfahrens dienstlich untergeordnet gewesen sei.

6.1.2. Es genügt, diesem Beschwerdevorbringen entgegenzuhalten, daß mit Verordnung des Landeshauptmannes von Tir. vom 21. November 1984, LGBl. 58, die Geschäftseinteilung des Amtes der Tir. Landesregierung geändert wurde, sodaß mit dem Inkrafttreten dieser Änderung am 28. November 1984 - der angefochtene Bescheid erging im Juni 1985 - kein Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung zum Landesgrundverkehrsreferenten stand. Der Beschwerdevorwurf trifft somit nicht zu.

6.2.1. Die Bf. behaupten weiters, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, weil "der gegenständliche Pachtvertrag keiner Zustimmung durch die Grundverkehrsbehörde" bedürfe. In diese Richtung zielt auch das Beschwerdevorbringen, es sei unverständlich, wie aus dem Vertragstext, mit welchem ausdrücklich auf die Bestimmungen des ABGB über das Pachtrecht Bezug genommen werde, der Schluß gezogen werden könne, daß es sich im vorliegenden Fall um kein Pachtverhältnis handle. Die bel. Beh. habe damit in einer Sache entschieden, für welche sie nicht zuständig war.

6.2.2. Der angefochtene Bescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:

"... Zufolge §3 Abs1 litd GVG bedarf die Verpachtung von Grundstücken

der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde, wenn das Grundstück das

Ausmaß von 2 ha übersteigt, bei geringerem Ausmaß nur dann, wenn sich

darauf landwirtschaftliche Wohn- oder Wirtschaftsgebäude

befinden. ... Gemäß lite bedarf der grundverkehrsbehördlichen

Zustimmung jede Überlassung land- und forstwirtschaftlicher

Grundstücke zu einer die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung

wesentlich beeinträchtigenden oder gänzlich ausschließenden

Benutzung. Auf eine Zustimmung gemäß der zuletzt zitierten

Gesetzesstelle ist der Antrag der Gesuchsteller gerichtet, ... Bei

dieser Situation bleibt zu untersuchen, ob das in Rede stehende

Rechtsgeschäft tatsächlich dem Vertragstypus 'Pacht' zuzuordnen

ist, ... Vorweg kann hiebei festgestellt werden, daß der Bezeichnung

eines Vertrages ... keine Bedeutung zukommen kann, sondern bei der

Beurteilung, welchem Vertragstypus ein Rechtsgeschäft zuzuordnen ist,

ausschließlich von den wesentlichen Vertragsinhalten auszugehen

ist. ... Nunmehr ist gemäß der Vertragsbestimmungen dem Pächter jedes

Recht nach den zivilrechtlichen Bestimmungen über das Pachtverhältnis

eingeräumt. Eine Verpflichtung zur Bearbeitung bzw. Durchführung der

landwirtschaftlichen Nutzung ist nicht verfügt, ... Dies bedeutet,

daß es dem Bestandnehmer somit auch freisteht, das Grundstück

überhaupt nicht zu bewirtschaften, woraus eindeutig der Schluß zu

ziehen ist, daß es sich hier um kein Pachtverhältnis handeln kann.

Dies wird auch durch die (ausdrückliche) Antragstellung auf Erteilung

einer Zustimmung nach §3 Abs1 lite GVG im erstinstanzlichen Verfahren

untermauert, ... Nicht vergessen darf werden, daß bei der Pacht ein

wirtschaftliches Interesse des Bestandgebers an der Tatsache und der

Art der Betriebsführung wesentlich ist, ... Dieses Interesse des

Bestandgebers bewirkt aber die Betriebspflicht des

Bestandnehmers, ... Wo eine derartige Betriebspflicht nicht besteht,

sondern das Ob und Wie der Verwendung der Willkür des Bestandnehmers überlassen ist, liegt nicht Pacht, sondern Miete vor (so auch Klang, V. Band, Seite 29). Damit ist aber nach Auffassung der Berufungsbehörde im konkreten Fall eindeutig festzuhalten, daß ein Pachtverhältnis nicht vorliegt und sohin der Erwerb unter den Tatbestand des §3 Abs1 lite GVG zu subsumieren ist."

6.2.3. Der VfGH pflichtet diesen Überlegungen der bel. Beh. im Ergebnis bei. Allerdings sind die Überlegungen der bel. Beh., ob es sich bei dem vorliegenden Rechtsgeschäft um einen Pachtvertrag handelt oder nicht, bedeutungslos, weil der Genehmigungstatbestand des §3 Abs1 lite GVG 1983 nicht an eine bestimmte Vertragsform anknüpft, sondern von Überlassung spricht. Das Rechtsgeschäft bedarf daher einer Genehmigung nach dieser Gesetzesstelle. Die Bf. haben ja auch selbst nach §3 Abs1 lite GVG 1983 bei der Grundverkehrsbehörde

1. Instanz um Zustimmung angesucht. Damit ist aber der an §3 Abs1 litd GVG 1983 anknüpfende Einwand der Bf., es liege ein genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft nicht vor, schon vom Ansatz her verfehlt.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit nicht vor.

6.3.1. Die Bf. behaupten schließlich, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein. Die bel. Beh. habe das Gesetz denkunmöglich angewendet, weil sie das Vorliegen eines Pachtvertrages verneint habe. Aus der Vertragsbestimmung "... nach seinem Belieben zu nutzen oder nutzen zu lassen ..." sei die Verpflichtung des Pächters zu einer entsprechenden Nutzung zu ersehen.

6.3.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 9708/1983, 9720/1983) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen wurden nicht geltend gemacht, solche sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles im VfGH auch nicht entstanden. Die behauptete Rechtsverletzung könnte daher nur vorliegen, wenn die bel.

Beh. denkunmöglich vorgegangen wäre. Auch davon kann keine Rede sein:

Zum Vorwurf, die bel. Beh. sei denkunmöglich vorgegangen, indem sie das Vorliegen eines Pachtvertrages verneint habe, genügt es, auf die Ausführungen des VfGH zu verweisen, mit denen klargestellt wurde, daß die bel. Beh. ihre Zuständigkeit zur Sachentscheidung zu Recht in Anspruch genommen hat, also bei Beurteilung des Vertrages rechtsrichtig vorgegangen ist. Der bel. Beh. kann aber auch nicht vorgeworfen werden, in Anwendung der §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc GVG 1983 unvertretbar vorgegangen zu sein. Wie die Bf. in ihrer Äußerung zur Berufung des Grundverkehrsreferenten selbst vorgebracht haben, ist Zweck des vorliegenden Rechtserwerbes die Verwendung des in Frage stehenden Grundstückes als Grünland und als Abstandsfläche. Im angefochtenen Bescheid wird hieran anknüpfend ausgeführt, daß eine solche Verwendung keinen zureichenden Grund darstelle, ein Grundstück einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb zu entziehen. Die in Rede stehende Grundfläche sei nur zirka 100 m von der Hofstelle des Bestandgebers entfernt und daher ohne besondere Schwierigkeiten von dieser aus - weiter - zu bewirtschaften. Für die Bf. sei auch nichts aus ihrem Hinweis auf die (Bauland-)Widmung der umliegenden Grundflächen zu gewinnen, "weil aus der für die in Rede stehende Grundfläche gegebenen Festlegung des Flächenwidmungsplanes ('Freiland' im Sinne des §15 TROG) nur geschlossen werden kann, daß im verfahrensgegenständlichen Bereich nach dem gemeindlichen Planungswillen der landwirtschaftlichen Nutzung der Vorrang einzuräumen ist bzw. die landwirtschaftliche Nutzung weiter aufrechtzuerhalten ist". Der VfGH hält diese Überlegungen der bel. Beh. durchaus für denkmöglich. Der bel. Beh. kann im Hinblick auf die Versagung der Zustimmung zum beabsichtigten Rechtserwerb jedenfalls nicht angelastet werden, einen so schweren Fehler begangen zu haben, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.

6.4. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden, war die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit Grundverkehr, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Landesgrundverkehrsreferent

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B499.1985

Dokumentnummer

JFT_10139073_85B00499_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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