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77 Kunst, KulturNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
DenkmalschutzG 1978; Behörde hat bei Handhabung des §5 Abs1 das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Denkmales gegenüber allen anderen vom Antragsteller geltend gemachten öffentlichen Interessen und den privaten Interessen des Eigentümers abzuwägen - kein Widerspruch des §5 Abs1, der eine derartige Verpflichtung iVm. den anderen Vorschriften des DenkmalschutzG gerade noch hinreichend bestimmt zum Ausdruck bringt, zu Art18 B-VG; Eigentumsbeschränkungen des §5 iZm. §4 Abs1 zweiter Satz vom Gesetzesvorbehalt des Art5 StGG umfaßt - keine Bedenken gegen §5 DenkmalschutzG 1978 unter dem Blickwinkel des Art5 StGG (Hinweis auf VfSlg. 9189/1981); Behörde ist verpflichtet, die wirtschaftliche Zumutbarkeit ihrer Anordnungen zu prüfen - daher keine Gleichheitswidrigkeit des §5; Abweisung eines Antrages auf Bewilligung der Zerstörung sämtlicher Objekte der Villa Hahn; kein Antrag auf Feststellung, daß das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Denkmales nicht mehr vorliege - Entscheidung denkmöglich auf die Rechtsvermutung des §2 gestützt; denkmögliche Annahme, daß solche Gründe für die Zerstörung des Denkmales, die das Interesse an der Erhaltung überwiegen, nicht vorlagen; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter stellte am 24. Mai 1984 an das Bundesdenkmalamt den Antrag auf Bewilligung der Zerstörung sämtlicher Objekte der sog. "Villa Hahn samt Nebengebäude" in Baden bei Wien, Weilburgstraße 81 - 85, infolge wirtschaftlicher und technischer Abbruchreife, sowie wegen Unzumutbarkeit der Erhaltung, Instandhaltung und Instandsetzung. Die Liegenschaft war im Jahre 1954 von der Rechtsvorgängerin der Pensionsversicherungsanstalt, der Allgemeinen Invalidenversicherungsanstalt, in der Absicht erworben worden, dort eine Rheumaheilstätte zu errichten. Die Objekte waren schon zu diesem Zeitpunkt seit Jahren dem Verfall preisgegeben.
2. Mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 13. September 1984, 9209/84, wurde der Antrag abgewiesen und die Bewilligung zur Zerstörung der Villa Hahn samt Nebengebäude, Grundparzelle 116/1 und Bauparzelle 64 und 65 EZ 234 KG Rauhenstein, gemäß §5 Abs1 des Denkmalschutzgesetzes idF BGBl. 167/1978 (folgend DSG 1978) nicht erteilt. In der Begründung wurde ausgeführt, nach dem eingeholten Sachverständigengutachten handle es sich bei dem Hauptgebäude um einen bedeutenden Bau Otto Wagners. Das Bundesdenkmalamt sei bei seiner Ermessensentscheidung nicht "an die wirtschaftliche und technische Abbruchreife gebunden". Ein Analogieschluß von der Wr. Bauordnung auf das Denkmalschutzgesetz sei schon deshalb nicht zulässig, weil die Wr. Bauordnung in NÖ nicht anzuwenden sei. Das DSG 1978 enthalte nach der Rechtsprechung des VfGH verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen. In Anbetracht der Bedeutung des Objektes könne eine Zerstörung nicht bewilligt werden.
3. In der gegen diesen Bescheid von der Pensionsversicherungsanstalt erhobenen Berufung stellte diese entschieden in Abrede, daß den vorliegenden Bauten, vorab dem Nebengebäude, Denkmaleigenschaft iS des §1 DSG 1978 zukomme. Sie leugnete nicht, daß eine völlige Renovierung der Gebäude technisch möglich sei. Sie war jedoch der Ansicht, daß die durch eine völlige Renovierung zu gewärtigende finanzielle Belastung ihr nicht zumutbar sei. In jeder Hinsicht fehle es an den notwendigen Feststellungen der Behörde und an der Einräumung einer entsprechenden Möglichkeit für die Pensionsversicherungsanstalt, an dem Verwaltungsverfahren mitzuwirken.
4. Dieser Berufung gab das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) mit Bescheid vom 12. Dezember 1984, Z 10.698/2/33/84, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §13 DSG 1978 nicht Folge.
In der Begründung wurde ausgeführt, das Objekt stehe kraft der gesetzlichen Vermutung des §2 DSG 1978 unter Denkmalschutz. Erst dann, wenn die Behörde geprüft habe, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung gegeben sei oder nicht, könne diese gesetzliche Vermutung des öffentlichen Interesses durch Erlassung eines negativen Feststellungsbescheides "zerstört" werden. Die Pensionsversicherungsanstalt habe es unterlassen, eine negative Feststellung des Interesses zu beantragen. Daher sei das Bundesdenkmalamt zu Recht von der Tatsache ausgegangen, daß es sich bei den vorliegenden Objekten um solche handle, die aufgrund des §2 DSG 1978 kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stünden. Die Pensionsversicherungsanstalt begründe ihren Antrag auf Zerstörung damit, daß die durch einen Voranschlag nachgewiesenen Kosten der notwendigen Sanierungsarbeiten 4 bis 5 Millionen Schilling betrügen, während die nicht nachgewiesenen Kosten einer Renovierung 30 bis 40 Millionen Schilling ausmachten. Eine solche Renovierung sei der Pensionsversicherungsanstalt nicht zumutbar. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und noch mehr der unbedingten Notwendigkeit des Abbruches eines Gebäudes müsse jedoch in Anbetracht der primär im Vordergrund stehenden Erhaltung des Objektes von der Pensionsversicherungsanstalt dargelegt werden, daß ein Wiederaufbau des Objektes unwirtschaftlich sei oder etwa die Kosten eines Neubaues wesentlich überschreiten würde. Hiebei sei auch zu berücksichtigen, ob es möglich sei, das Objekt an Personen zu verkaufen, die an der Restaurierung des Objektes interessiert und hiezu in der Lage seien. Auch bei nachgewiesener Unwirtschaftlichkeit bestehe keine Verpflichtung, dem Zerstörungsantrag stattzugeben.
5. Die Pensionsversicherungsanstalt erhob gegen diesen Bescheid des BMWF eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der sie geltend machte, daß §5 DSG 1978 dem Verfassungsgebot des Art18 Abs1 B-VG und dem Gleichheitsgebot sowie dem Gebot der Unversehrtheit des Eigentums widerspreche, und die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums geltend machte, die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragte.
6. Der BMWF erstattete eine Gegenschrift, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die bf. Pensionsversicherungsanstalt behauptet, daß §5 DSG 1978 dem Legalitätsprinzip als universalem Grundprinzip der österreichischen Bundesverfassung, dem Gebot der Unversehrtheit des Eigentums und dem Gleichheitsgebot widerspricht.
Gemäß §5 Abs1 DSG 1978 bedarf die Zerstörung eines Denkmals - von einer Maßnahme bei Gefahr in Verzug abgesehen - der schriftlichen Bewilligung des Bundesdenkmalamtes. Der Nachweis des Zutreffens der für eine Zerstörung geltend gemachten Gründe obliegt dem Antragsteller. Nach §4 Abs1 erster Satz desselben Gesetzes ist ua. bei Denkmälern, auf die die Bestimmungen des §2 zutreffen, die Zerstörung ohne Bewilligung gemäß §5 Abs1 verboten.
Der VfGH hat keine Bedenken in der Hinsicht, daß §5 Abs1 iVm. §4 Abs1 DSG 1978 so unbestimmt wäre, daß er dem Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG widerspräche. Der Pensionsversicherungsanstalt ist zwar einzuräumen, daß die Gesetzesstelle zunächst den Anschein erweckt, als ob sie zu unbestimmt wäre. Die gesetzliche Bestimmung, wonach dem Antragsteller der Nachweis des Zutreffens der für eine Zerstörung geltend gemachten Gründe obliegt, umschreibt jedoch in Zusammenhalt mit den anderen Vorschriften des DSG 1978, insbesondere mit §1 Abs1, das durch das Gesetz vorgeschriebene Verhalten der Behörde hinreichend. Daraus geht nämlich hervor, daß die Behörde bei der Erledigung eines Antrages auf Zerstörung oder Veränderung eines Denkmales die Gründe, die für eine Erhaltung des Denkmales seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung wegen sprechen (§1 Abs1 DSG 1978), mit jenen Gründen abzuwägen hat, die der Antragsteller gemäß §5 Abs1 zweiter Satz DSG 1978 für die Zerstörung des Denkmals geltend gemacht hat. Nach der völlig eindeutigen gesetzlichen Vorschrift des §2 DSG 1978 gilt bei Denkmalen, die sich im alleinigen oder überwiegenden Eigentum von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Fonds sowie von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften einschließlich ihrer Einrichtungen befinden, das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung insolange als gegeben, als das Bundesdenkmalamt nicht auf Antrag eines Eigentümers das Gegenteil festgestellt hat (Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung). Die Behörde hat demnach bei Handhabung des §5 Abs1 DSG 1978 das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Denkmales (§1, gegebenenfalls iVm. der Rechtsvermutung des §2 DSG 1978) gegenüber allen anderen vom Antragsteller geltend gemachten öffentlichen Interessen und den privaten Interessen des Eigentümers abzuwägen. Eine gesetzliche Regelung, die eine derartige Verpflichtung gerade noch hinreichend bestimmt zum Ausdruck bringt, widerspricht nicht dem Gebot des Art18 Abs1 B-VG.
2. Soweit die Pensionsversicherungsanstalt behauptet, §5 DSG verletze das Gebot des Art5 StGG, ist auf das Erk. VfSlg. 9189/1981 zu verweisen, in dem ausgeführt, ist, daß gegen die §§1 und 3 DSG idF vor BGBl. 167/1978 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, insbesondere auch nicht unter dem Blickwinkel des Art5 StGG. Der VfGH hat in diesem Zusammenhang weiters dargetan, daß daran auch §5 DSG idF vor BGBl. 167/1978 nichts zu ändern vermöge, da diese Bestimmung zwar die Denkmalzerstörung von der Zustimmung des Bundesdenkmalamtes abhängig mache, aber keine spezifische Erhaltungspflicht statuiere und dem Eigentümer eines Denkmals keine über den schon an sich gegebenen Erhaltungsaufwand hinausgehende Belastung auferlege. Der VfGH hält auch §5 DSG 1978 für verfassungsrechtlich unbedenklich, selbst wenn nunmehr §4 Abs1 zweiter Satz DSG 1978 eine spezifische Erhaltungspflicht insoweit festlegt, als einer Zerstörung gleichzuhalten ist, wenn der Eigentümer oder der sonst für die Instandhaltung Verantwortliche die Durchführung der für den Bestand des Denkmals unbedingt notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen in der offenbaren Absicht, es zu zerstören, unterläßt. Mit dieser spezifischen Erhaltungspflicht sollte - nach dem Willen des Gesetzgebers - nicht nur die unmittelbare Zerstörung oder Veränderung eines Denkmals verhindert, sondern getrachtet werden, daß ein Denkmal nicht im Laufe der Zeit durch Unterlassung der notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen verfalle (vgl. den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, 795 BlgNR XIV. GP). Nach der ständigen Judikatur des VfGH gilt der erste Satz des Art5 StGG, lautend: "Das Eigentum ist unverletzlich", auch für Eigentumsbeschränkungen, so auch für jene des §5 in Zusammenhalt mit § 4 Abs1 zweiter Satz DSG 1978. Auf diese Vorschrift erstreckt sich allerdings auch der im zweiten Satz des Art5 StGG normierte Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber kann daher verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (VfSlg. 9911/1983). Einen solchen Verstoß gegen Art5 StGG enthält die Bestimmung des §5 DSG 1978 - entgegen der Auffassung der Pensionsversicherungsanstalt - nicht.
3. §5 DSG 1978 würde dem Gleichheitsgebot widersprechen, wenn die Behörde die Genehmigung zur Zerstörung eines Denkmals auch dann versagen könnte, wenn dem Antragsteller die Erhaltung des Denkmals wirtschaftlich nicht zumutbar wäre. §5 Abs1 des Gesetzes sieht aber vor, daß der Antragsteller den Nachweis wirtschaftlicher Härte erbringen kann, worauf festzustellen ist, welche Kosten dem Eigentümer unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und allenfalls zu erlangender Zuschüsse (§5 Abs5 DSG 1978) zugemutet werden können. Die Behörde ist daher nach dem Gesetz verpflichtet, die wirtschaftliche Zumutbarkeit ihrer Anordnung zu prüfen (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg. 7759/1976, den Ortsbildschutz in Wien betreffend). Das Gesetz entspricht daher auch dem Gleichheitsgebot der Bundesverfassung.
4. Die Pensionsversicherungsanstalt erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid auch im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des Gesetzes in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte. Ein solcher Fall läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 9693/1983).
Ein solcher schwerwiegender Fehler der bel. Beh. liegt jedoch offenkundig nicht vor. Da die Pensionsversicherungsanstalt keinen Antrag gestellt hatte, iS des §2 DSG 1978 die Feststellung zu treffen, daß das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Denkmals entgegen der Rechtsvermutung des §2 DSG 1978 nicht (mehr) vorliegt, konnte sich die bel. Beh. jedenfalls denkmöglich auf diese Rechtsvermutung stützen. In Anbetracht dessen, daß die Pensionsversicherungsanstalt keine hinreichenden konkreten Nachweise darüber vorlegte, daß öffentliche Rücksichten oder private Interessen, die sie geltend gemacht hatte, vorlägen, konnte die Behörde weiters denkmöglich davon ausgehen, daß solche Gründe für die Zerstörung des Denkmals, die das Interesse an der Erhaltung überwiegen, nicht vorlagen. Ein so schwerwiegender Fehler, daß er mit Gesetzlosigkeit gleichzusetzen wäre, liegt daher nicht vor. Ob der angefochtene Bescheid gesetzmäßig ist, hat der VfGH nicht zu beurteilen.
Aber auch ein willkürliches Verhalten der bel. Beh. liegt nicht vor. Zwar hat sie hinsichtlich der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Erhaltung des Baudenkmals nur auf die Möglichkeit des Verkaufes der Liegenschaft an finanzkräftige Liebhaber der Bauwerke Otto Wagners hingewiesen. In Anbetracht dessen, daß die Pensionsversicherungsanstalt sich nicht um den Nachweis der wirtschaftlichen Härte im Falle der Erhaltung des Objektes bemüht hat, kann der bel. Beh. indes nicht ein gehäuftes Verkennen der Rechtslage oder eine Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit vorgeworfen werden, was Willkür indizieren würde. Ob das Verhalten der Behörde dem Gesetz entspricht, hat nicht der VfGH zu beurteilen.
5. Da im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH auch die Verletzung anderer als die von der Pensionsversicherungsanstalt geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte und eine nicht geltend gemachte Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm nicht hervorkamen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Denkmalschutz, Determinierungsgebot, Legalitätsprinzip, EigentumsbeschränkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B164.1985Dokumentnummer
JFT_10138999_85B00164_00