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L2 DienstrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzBeachte
Kundmachung am 27. Feber 1987, LGBl. für Stmk. 13/1987Leitsatz
Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz, LGBl. 30/1957; Gleichheitswidrigkeit der Worte "statt der Entlassung" in §122 Abs2 aus den in VfSlg. 9965/1984 genannten Gründen (betreffend eine gleiche Bestimmung im §61 Abs2 HDG 1956)Spruch
Im §122 Abs2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz, LGBl. für das Land Stmk. 30/1957, werden die Worte "statt der Entlassung" als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Stmk. ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der VwGH stellt gemäß Art140 Abs1 B-VG an den VfGH aus Anlaß eines bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens mit Beschl. vom 19. März 1986, A53/86, den Antrag, im §122 Abs2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz, LGBl. für das Land Stmk. 30/1957, (DO 1956) die Worte "statt der Entlassung" als verfassungswidrig aufzuheben.
b) §122 Abs2 DO 1956 lautet (die angefochtene Wendung ist hervorgehoben):
"Der zu einer Disziplinarstrafe rechtskräftig verurteilte Beamte oder seine gesetzlichen Erben können die Wiederaufnahme des Verfahrens auch nach vollzogener Strafe beantragen, wenn sie neue Tatsachen oder Beweismittel beibringen, die bisher nicht bekannt waren oder beigebracht werden konnten und die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet sind, den Freispruch oder die Verhängung einer Ordnungsstrafe oder statt der Entlassung eine mildere Disziplinarstrafe zu begründen."
c) Dem Antrag des VwGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Bf. des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - ein Beamter der Stadt Graz - wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Disziplinaroberkommission (beim Magistrat Graz) vom 29. Dezember 1980 schuldig erkannt, ein Dienstvergehen nach §78 DO 1956 begangen zu haben. Über den Beamten wurde gemäß §82 Abs1 litb DO 1956 die Disziplinarstrafe der Ausschließung von der Vorrückung in höhere Bezüge auf die Dauer von zwei Jahren, unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von zwei Jahren, verhängt.
Der Bf. begehrte mit Antrag vom 17. September 1981 die Wiederaufnahme dieses Verfahrens wegen Hervorkommens neuer Tatsachen und Beweismittel.
Die Disziplinaroberkommission wies diesen Antrag im Instanzenzug mit dem nun vor dem VwGH angefochtenen Bescheid gemäß §124 Abs1 DO 1956 ab. In der Begründung stützte sich die Disziplinaroberkommission auf §122 Abs2 DO 1956; sie erachtete das Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag als für eine Neubeurteilung der Disziplinarsache iS der angeführten Gesetzesbestimmung nicht geeignet.
d) Der VwGH geht von der Präjudizialität der angefochtenen Wendung aus.
Er trägt gegen sie jene Bedenken vor, die den VfGH seinerzeit bewogen, mit Erk. vom 6. März 1984, G10/83 (= VfSlg. 9965/1984) eine gleiche Bestimmung im §61 Abs2 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. 151/1956, (HDG 1956) als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Stmk. Landesregierung hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Es spricht nichts gegen die Annahme des VwGH, er habe bei Entscheidung in dem bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren §122 Abs2 DO 1956, damit auch die angefochtene Wortfolge, anzuwenden.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist der Gesetzesprüfungsantrag zulässig.
2. Der VfGH hat mit Erk. VfSlg. 9965/1984 im §61 Abs2 HDG 1956 - der im hier maßgebenden letzten Teil völlig dem §122 Abs2 DO 1956 glich - die Worte "statt der Entlassung" mit folgender Begründung aufgehoben:
"a) §61 Abs2 HDG sieht drei Fallgruppen vor. Eine Wiederaufnahme ist nur zulässig, wenn Umstände vorliegen, auf Grund derer die Aussicht besteht,
aa) daß ein Freispruch erfolgen wird,
bb) daß statt der Disziplinarstrafe eine Ordnungsstrafe verhängt oder
cc) daß statt der Entlassung eine mildere Disziplinarstrafe ausgesprochen werden wird.
Der klare Wortlaut des Gesetzes läßt eine andere Auslegung nicht zu.
§61 Abs2 HDG schließt somit alle jene Fälle von der Möglichkeit einer Wiederaufnahme aus, in denen zwar die anderen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gegeben wären, in denen aber zu erwarten ist, daß statt einer verhängten Disziplinarstrafe - ausgenommen jener der Entlassung - eine mildere Disziplinarstrafe verhängt werden würde.
b) Es findet sich - wie im Einleitungsbeschluß vorläufig angenommen - tatsächlich keine sachliche Rechtfertigung dafür, daß nach §61 Abs2 HDG zwar eine Wiederaufnahme des Verfahrens dann zulässig ist, wenn möglicherweise statt der Disziplinarstrafe des Verweises eine Ordnungsstrafe (§13 HDG) verhängt wird, daß sie aber dann ausgeschlossen ist, wenn beispielsweise die Aussicht besteht, daß statt der verhängten Disziplinarstrafe der Versetzung in den Ruhestand mit Minderung des Ruhegenusses um 25% möglicherweise die Disziplinarstrafe der Versetzung in den Ruhestand mit Minderung des Ruhegenusses um bloß 5% oder etwa gar nur der Verweis ausgesprochen wird. In der Regel ist die Chance, mit einer milderen Disziplinarstrafe belegt zu werden, für den disziplinär bestraften Heeresangehörigen wesentlich bedeutsamer als die Chance, daß über ihn statt einer Disziplinarstrafe eine Ordnungsstrafe verhängt wird.
c) Die in Prüfung gezogene Bestimmung verstößt somit schon aus diesem Grund gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz und war daher als verfassungswidrig aufzuheben ..."
3. Diese Argumente treffen vollinhaltlich auf die gleiche Bestimmung im §122 Abs2 DO 1956 zu.
Auch die hier enthaltene Wendung "statt der Entlassung" war daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufzuheben.
4. Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.
Schlagworte
Dienstrecht, Disziplinarrecht Beamte, Dienstrechtsverfahren, Wiederaufnahme, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:G82.1986Dokumentnummer
JFT_10138992_86G00082_00