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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätetSpruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Mit am 14. September 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem Beschwerde gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 28. Juni 2006, Zl. 304.883/8-III/05.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt sie im Wesentlichen aus, dass der angefochtene Bescheid ihren Rechtsvertretern am 24. Juli 2006 zugestellt, die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof jedoch nicht mit 4. September, sondern mit 11. September 2006 im Tagsatzungs- und Fristenbuch der Rechtsvertreter vermerkt worden sei. Die Kanzlei bestehe nur aus den Rechtsanwaltspartnern, sie beschäftigen keine Angestellten, sämtliche anfallende Arbeiten würden von den Partnern persönlich durchgeführt.
Ein Kanzleipartner berechne an Hand eines kleinen Kalenders die Frist, wobei das Fristende bei Wochenfristen immer mit dem gleichen Wochentag, auf den die Zustellung des Schriftstückes gefallen sei, kalendiert werde. Während der eine Kanzleipartner an Hand des Kalenders laut die Wochen bis zum Fristende zähle, zähle der andere Kanzleipartner an Hand der beobachteten Seitenumblätterungen mit und kontrolliere die Fristberechnung nach dem Vieraugenprinzip.
Beim Umblättern des Kalenders, der zur Fristberechnung herangezogen wurde, seien irrtümlich zwei Seiten auf einmal umgeblättert worden, weshalb die Frist genau um eine Woche verspätet - nämlich am 11. September statt am 4. September - eingetragen worden sei.
Die Fristenvormerkung sei seit Aufnahme des Kanzleibetriebes im Mai 2005 fehlerfrei praktiziert worden. Die rechtsfreundlichen Vertreter seien durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Erhebung der Beschwerde gemäß Art144 B-VG gehindert gewesen, wobei es sich bei diesem Versehen um einen Fehler gehandelt habe, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Rechtsanwalt passieren könne.
Dieses Vorbringen wurde durch eidesstattliche Erklärungen der beiden Rechtsanwälte untermauert.
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:
1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.
a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1981, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).
Aus §39 ZPO iVm. §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.
b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.
2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung fiel am 11. September 2006 weg. Mit dem am 14. September 2006 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.
3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens der Bevollmächtigten im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß §146 ZPO (§35 Abs2 VfGG) nur insoweit zu bewilligen, als es sich bei dem Verschulden an der Fristversäumung lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Im vorliegenden Fall wurde die Fristberechnung an Hand eines kleinen Kalenders von Mag. G vorgenommen. Diese Fristberechnung wurde von Dr. O als fehlerfrei angesehen. Angesichts der Tatsache, dass damals keine Umstände vorlagen, die ein derartiges Versehen von beiden Kanzleipartnern rechtfertigen würden, kann die fehlerhafte Eintragung nicht als bloß geringfügiger Fehler gewertet werden, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen kann.
4. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war.
III. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.
IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / FristenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B1662.2006Dokumentnummer
JFT_09938996_06B01662_00