TE Vfgh Erkenntnis 1986/10/11 V2/85, V3/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.1986
beobachten
merken

Index

55 Wirtschaftslenkung
55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
ViehwirtschaftsG 1976 §6 Abs3
ViehwirtschaftsG 1976 §21a
ViehwirtschaftsG 1976 §10 Abs5, §10 Abs8
12. Öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission vom 26.04.82
29. Öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission vom 08.06.82

Beachte

Kundmachung am 27. Jänner 1987, BGBl. 25/1987

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Antrag des VwGH auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Z1 und der Z17 der 12. öffentlichen Bekanntmachung der nach §17 ViehwirtschaftsG (VWG) eingerichteten Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 26. April 1982 (betreffend den Import von Rindfleisch) und der 29. öffentlichen Bekanntmachung dieser Kommission vom 8. Juni 1982, soweit mit ihr der Importausgleich für einen bestimmten Zeitraum festgesetzt wurde; Verordnungscharakter der öffentlichen Bekanntmachungen nach §6 Abs3 VWG, jedenfalls hinsichtlich der Regelung des Zeitraumes der Anwendung des Verfahrens und hinsichtlich der Festsetzung des Importausgleichs nach §10 Abs5 VWG; Geltungsdauer der 12. öffentlichen Bekanntmachung ist zeitlich nicht beschränkt worden; Geltungsbereich der 12. öffentlichen Bekanntmachung durch 29. öffentliche Bekanntmachung nicht geändert; aber Anwendungsbereich auf Sachverhalte ausgedehnt, die bis zum 31. März 1983 der 12. öffentlichen Bekanntmachung zu unterstellen sind; Mangel der Präjudizialität der Z1 (Stammfassung) der 12. öffentlichen Bekanntmachung; hingegen Präjudizialität der Z17 der 12. öffentlichen Bekanntmachung und der Z1 idF der 29. öffentlichen Bekanntmachung, die noch dem Rechtsbestand angehören - Deutung des Feststellungsantrages als Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmungen 12. öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission vom 26. April 1982; 29. öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission vom 8. Juni 1982; Kundmachung der 12. öffentlichen Bekanntmachung vor Erteilung der Zustimmung durch den Bundesminister für Finanzen entgegen der ausdrücklichen Anordnung des letzten Satzes des §10 Abs5 VWG; keine Sanierung dieses Kundmachungsmangels durch nachträgliche Zustimmung oder dadurch, daß binnen zwei Tagen nach Beschlußfassung eine Versagung der Zustimmung nicht erfolgt; für die Kundmachung der 29. öffentlichen Bekanntmachung keine Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft und des Bundesministers für Finanzen eingeholt; Aufhebung der präjudiziellen Verordnungsstellen als gesetzwidrig

Spruch

I. Der Antrag festzustellen, daß die Z1 (Stammfassung) der 12. öffentlichen Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 26. April 1982, Zl. 39.218/01-III/8/1982, gesetzwidrig war, wird zurückgewiesen;

II. Die Z17 der 12. öffentlichen Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 26. April 1982, Zl. 39.218/01-III/8/1982, und die Z1 dieser Bekanntmachung idF der 29. öffentlichen Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 8. Juni 1982, Zl. 39.218/01-III/8/1982, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Nach §6 Abs1 des Viehwirtschaftsgesetzes 1976 (im folgenden werden Bestimmungen des Viehwirtschaftsgesetzes 1976 in der Stammfassung BGBl. 258/1976 unter Berücksichtigung der Nov. BGBl. 270/1978, BGBl. 287/1980 und BGBl. 310/1982, somit idF vor der Wiederverlautbarung BGBl. 621/1983 zitiert, im folgenden abgekürzt VWG) bedürfen Einfuhren der im §1 des Gesetzes genannten Waren aus dem Zollausland der Bewilligung der nach §17 des genannten Gesetzes beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eingerichteten Vieh- und Fleischkommission (im folgenden Kommission genannt).

Nach §6 Abs2 VWG hat die Kommission die entsprechenden Einfuhren zu veranlassen, soweit es die Stabilität der Preise der im §1 genannten Waren und die Bedarfslage erfordern; sie hat zu diesem Zweck ein allgemeines Einfuhrverfahren (Abs3) vorzusehen oder eine Ausschreibung (Abs4) vorzunehmen.

§6 Abs3 lautet:

"(3) Das allgemeine Einfuhrverfahren ist durch öffentliche Bekanntmachung zu regeln, in der insbesondere der Zeitraum der Anwendung des Verfahrens, die Form der Antragstellung für die Erteilung der Einfuhrbewilligung, die Grundsätze der Bewilligungserteilung einschließlich einer allfälligen mengen- oder wertmäßigen Begrenzung der einzelnen Einfuhranträge und erforderlichenfalls auch das zur Einfuhr zugelassene, durch Menge oder Wert bestimmte Warenkontingent festzulegen sind."

Nach §10 Abs1 VWG wird anläßlich der Einfuhren von Waren, die im §1 genannt sind, aus dem Zollausland anstelle des Zolles nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ein Importausgleich erhoben.

§10 Abs5 (idF BGBl. 310/1982) lautet:

"(5) Für Einfuhren, die in einem allgemeinen Einfuhrverfahren bewilligt werden, ist der Importausgleich in Form von Pauschbeträgen durch öffentliche Bekanntmachungen der Kommission festzusetzen. Der Pauschbetrag ist unter Berücksichtigung der Preissituation, die in den maßgebenden Ursprungs- und Lieferländern Österreichs besteht, in einem Ausmaß festzusetzen, daß der Absatz der eingeführten Ware voraussichtlich zu den nach Abs3 maßgebenden Vergleichswerten möglich ist. Eine solche öffentliche Bekanntmachung darf nur kundgemacht werden, wenn sie von den Bundesministern für Land- und Forstwirtschaft und für Finanzen bestätigt worden ist. Die Bestätigung gilt als erteilt, falls sie nicht binnen zwei Tagen nach Beschlußfassung versagt wird."

Der Importausgleich wird im Einzelfall mit Bescheid der Kommission vorgeschrieben (§10 Abs8 VWG).

Der mit der Viehwirtschaftsgesetz-Nov. 1980 eingefügte §21a VWG lautet:

"§21a. Die Kommission hat Verordnungen und Verlautbarungen in einem von ihr herauszugebenden Verlautbarungsblatt kundzumachen. Verordnungen treten am dritten Tag nach ihrer Kundmachung in Kraft, sofern nicht in der Verordnung ein anderer Zeitpunkt des Inkrafttretens festgesetzt ist."

§22 VWG lautet:

"§22 (1) Die Kommission hat das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 anzuwenden.

(2) (idF BGBl. 287/1980) Gegen Bescheide über die Erteilung von Ein- und Ausfuhrbewilligungen sowie in den Angelegenheiten des §7a ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Gegen sonstige Bescheide der Kommission und der Unterkommission ist die Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zulässig."

2. Im "Verlautbarungsblatt der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, herausgegeben aufgrund des §21a des Viehwirtschaftsgesetzes 1976 in der geltenden Fassung, Jahrgang 1982, Wien, am 26. April 1982, 10. Stück" ist folgendes kundgemacht:

"12. Öffentliche Bekanntmachung für den Import von Rindfleisch ohne Knochen, gefroren (Verarbeitungsrindfleisch) Zl. 39.218/01-III/8/1982

Die Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (Kommission) hat in ihrer Sitzung am 26. April 1982 aufgrund des §6 Abs1 bis 3 des Viehwirtschaftsgesetzes 1976 (VWG), in der geltenden Fassung, den Import von 3.500 t Verarbeitungsrindfleisch im Rahmen eines allgemeinen Einfuhrverfahrens beschlossen.

Hiefür wurden folgende Grundsätze festgelegt:

1) Der Import hat bis zum 31. Dezember 1982 zu erfolgen.

2) ...

17) Die Kommission schreibt gemäß §10 Abs5 VWG 1976, BGBl. 258 in der geltenden Fassung mit Zustimmung der Bundesminister für Finanzen und für Land- und Forstwirtschaft einen Importausgleich in der Höhe von öS 1.232,-/100 kg als Pauschbetrag vor.

18) ..."

Der Verlautbarung lag ein Beschluß der Kommission vom 26. April 1982 zugrunde. Im Protokoll über die Sitzung der Kommission von diesem Tage ist festgehalten, daß der Vertreter des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft den Importausgleich für Rindfleisch bestätigt, wogegen der Vertreter des Bundesministers für Finanzen "die im Gesetz vorgesehene Frist von 2 Tagen in Anspruch genommen" hat. Daraufhin wurde die Sitzung um 18.30 Uhr unterbrochen; sie wurde am 27. April 1982 um 9.35 Uhr wieder aufgenommen.

Im vorgelegten Akt über die Sitzung der Kommission am 26. April 1982 befindet sich ein Aktenvermerk des Vertreters des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in der Kommission, in dem es heißt, daß das Bundesministerium für Finanzen unter Bezugnahme auf §23 Abs1 VWG durch den Vertreter des Bundesministers für Finanzen in der Kommission folgendes mitteilt:

"Dem Importausgleich im Rahmen des am 27. 4. 1982 beschlossenen Einfuhrverfahrens für 3.500 t Verarbeitungsrindfleisch in Höhe von öS 1.232,-/100 kg wird zugestimmt".

Der Aktenvermerk trägt als Datum "1982-04-27 (13.30 Uhr)". Weiters ist festgehalten, daß der Aktenvermerk bei der Vieh- und Fleischkommission um 14.15 Uhr hinterlegt wurde.

3. Im Verlautbarungsblatt der Vieh- und Fleischkommission "Jahrgang 1982, Wien, am 8. Juni 1982, 28. Stück" ist folgendes verlautbart worden:

"29. Öffentliche Bekanntmachung für den Import von Rindfleisch ohne Knochen gefroren (Verarbeitungsrindfleisch) Zl. 39.218/01-III/8/1982

Abänderung

Die Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (Kommission) hat in der Sitzung am 8. 6. 1982 beschlossen, die 12. öffentliche Bekanntmachung für den Import von Rindfleisch ohne Knochen, gefroren, (Verarbeitungsrindfleisch) Z 39.218/01-III/8/1982 wie folgt abzuändern:

Punkt 1) hat zu lauten:

'Der Import hat bis zum 31. 3. 1983 zu erfolgen'.

Alle übrigen Bestimmungen der obzitierten öffentlichen Bekanntmachung bleiben unverändert.

Diese öffentliche Bekanntmachung tritt am 9. 6. 1982 in Kraft."

4. a) Aus Anlaß einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. September 1982, Z 13.362/22-I 2/82, mit dem eine Berufung gegen einen Bescheid der Kommission über die Feststellung des Importausgleiches gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §§6 Abs3, 10 Abs5 und 8 VWG 1976 abgewiesen worden war, stellt der VwGH an den VfGH den "Antrag festzustellen, daß 1.) die Z1 und die Z17 der 12. öffentlichen Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 26. April 1982, Z 39.218/01-III/8/1982 (Festsetzung des Importausgleiches für den Zeitraum bis 31. Dezember 1982) und 2.) die 29. öffentliche Bekanntmachung derselben Behörde vom 8. Juni 1982, Z 39.218/01-III/8/1982, soweit mit ihr der Importausgleich für den Zeitraum vom 1. Jänner 1983 bis 31. März 1983 festgesetzt wurde, gesetzwidrig waren". Die Gesetzwidrigkeit sei in Fehlern beim Zustandekommen der öffentlichen Bekanntmachungen begründet (vgl. II.4.).

b) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der die Ansicht vertreten wird, daß die zitierten öffentlichen Bekanntmachungen nicht mit der vom VwGH geltend gemachten Gesetzwidrigkeit behaftet seien.

II. Der VfGH hat über den Antrag erwogen:

1. Der VfGH pflichtet der Auffassung des VwGH bei, daß es sich bei den öffentlichen Bekanntmachungen nach §6 Abs3 VWG, jedenfalls hinsichtlich der Regelung des Zeitraumes der Anwendung des Verfahrens und hinsichtlich der Festsetzung des Importausgleichs nach §10 Abs5 VWG um Verordnungen iS des Art139 B-VG handelt. Durch diese Bekanntmachungen wird für einen generell und nicht individuell bestimmten Personenkreis der Zeitraum der Anwendung eines Verfahrens und die Höhe des zu entrichtenden Importausgleiches festgesetzt. Die Festsetzung des Importausgleiches ist - wie auch der VwGH in seinem Antrag ausführt - Voraussetzung für die bescheidmäßige Feststellung des Importausgleiches nach §10 Abs8 VWG im Einzelfall.

2. a) Der VwGH vertritt die Auffassung, daß die 12. und die 29. öffentliche Bekanntmachung (als V) im Hinblick auf den darin festgelegten Zeitraum, in dem der Import zu erfolgen hat, "(12. öffentliche Bekanntmachung: 31. Dezember 1982; 29. öffentliche Bekanntmachung: 31. März 1983) von vornherein mit befristeter Geltungsdauer ausgestattet wurden und folglich bereits außer Kraft getreten sind."

b) Der VfGH vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.

Die 12. öffentliche Bekanntmachung ist, da in ihr ein anderer Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht festgesetzt wurde, nach §21a VWG am dritten Tage nach der am 26. April 1982 erfolgten Kundmachung, somit am 29. April 1982 in Kraft getreten. Ihre Geltungsdauer ist zeitlich nicht beschränkt worden. Hingegen ist ihr - vom Geltungsbereich zu unterscheidender Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 4139/1962, 4157/1962) durch Z1 dieser Bekanntmachung auf Importe, die bis zum 31. Dezember 1982 zu erfolgen hatten, somit auf Sachverhalte ausgerichtet, die der 12. öffentlichen Bekanntmachung bis 31. Dezember 1982 unterstellt werden konnten.

Der Geltungsbereich der 12. öffentlichen Bekanntmachung ist durch die

29. öffentliche Bekanntmachung nicht geändert worden. Durch diese am 9. Juni 1982 in Kraft getretene öffentliche Bekanntmachung ist die Z1 der 12. öffentlichen Bekanntmachung aufgehoben und durch eine neue Fassung ersetzt worden. Diese neue Fassung ist zufolge der ausdrücklichen Festsetzung des Zeitpunktes des Inkrafttretens nach §21a VWG am 9. Juni 1982 und nicht erst - wie der VwGH meint - am 1. Jänner 1983 in Kraft getreten.

Mit der am 9. Juni 1982 in Kraft getretenen Neufassung der Z1 der 12. öffentlichen Bekanntmachung ist der Anwendungsbereich dieser Bekanntmachung auf Sachverhalte ausgedehnt worden, die bis zum 31. März 1983 der 12. öffentlichen Bekanntmachung zu unterstellen sind.

3. Aus den Ausführungen in Z2 litb ergibt sich, daß die am 8. Juni 1982 außer Kraft getretene Stammfassung der Z1 der 12. öffentlichen Bekanntmachung eine Rechtsgrundlage für den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. September 1982, (mit dem Berufungen gegen Bescheide der Kommission vom 1. Juli 1982 und vom 3. August 1982 als unbegründet abgewiesen worden waren; soweit eine Zurückweisung von Berufungen erfolgte, ist dies im gegebenen Zusammenhang ohne Belang) nicht mehr bilden und damit nicht präjudiziell sein konnte.

Der Antrag festzustellen, daß die Z1 der 12. öffentlichen Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 26. April 1982 gesetzwidrig war, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Des weiteren folgt daraus, daß als Rechtsgrundlage des beim VwGH angefochtenen Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft die Z17 der 12. öffentlichen Bekanntmachung und die Z1 dieser Bekanntmachung idF der 29. öffentlichen Bekanntmachung in Betracht kommen. Da diese Bestimmungen noch dem Rechtsbestand angehören, ist der vom VwGH gestellte Antrag als Begehren zu verstehen, die Z17 der 12. öffentlichen Bekanntmachung und die Z1 dieser Bekanntmachung idF der 29. öffentlichen Bekanntmachung als gesetzwidrig aufzuheben.

In diesem Sinne ist, da die Präjudizialität gegeben ist und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, der Antrag des VwGH zulässig.

4. Zur Begründung der Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der 12. und der 29. öffentlichen Bekanntmachung wird im Antrag des VwGH folgendes vorgebracht:

"Den eben genannten Regeln des §10 Abs5 VWG für das Verfahren zur Erzeugung einer als öffentliche Bekanntmachung bezeichneten Verordnung über die Festsetzung des Importausgleiches scheint bei der Erlassung der vom gegenständlichen Feststellungsantrag umfaßten Bestimmungen der 12. und der 29. öffentlichen Bekanntmachung der Kommission vom 26. April 1982 bzw. vom 8. Juni 1982 nicht entsprochen worden zu sein:

Die von der Kommission am 26. April 1982 beschlossene 12. öffentliche Bekanntmachung (siehe dazu S 15 und 21 des Sitzungsprotokolls) wurde von dieser noch am selben Tag in der gesetzlich vorgeschriebenen Form kundgemacht (§21a VWG), obwohl die gemäß §10 Abs5 dritter und vierter Satz VWG erforderliche Bestätigung des Bundesministers für Finanzen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Diese Bestätigung wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten (siehe Aktenvermerk vom 27. April 1982 und Schreiben des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 5. Jänner 1983, S 4) erst einen Tag nach der Kundmachung im Verlautbarungsblatt der Kommission, am 27. April 1982, erteilt. Hinsichtlich der von der Kommission am 8. Juni 1982 beschlossenen und am selben Tag im Verlautbarungsblatt publizierten 29. öffentlichen Bekanntmachung wurde dem Bestätigungserfordernis des §10 Abs5 dritter und vierter Satz VWG insofern nicht Rechnung getragen, als - zufolge der vorgelegten Akten und im Sinne der Äußerung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 11. Jänner 1983 an den VwGH - diese Verordnung weder vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft noch vom Bundesminister für Finanzen bestätigt worden ist.

Der VwGH vertritt demnach zusammenfassend die Ansicht, daß die - durch eine gehörige Kundmachung - zwar rechtswirksam gewordene 12. und 29. öffentliche Bekanntmachung der Kommission in einem nicht dem Gesetz gemäßen Verfahren zustande gekommen und insoweit mit Gesetzwidrigkeit behaftet sind (vgl. etwa VfSlg. Nr. 8213)".

5. Wie sich aus den Ausführungen unter I.2. ergibt, ist die 12. öffentliche Bekanntmachung in dem am 26. April 1982 herausgegebenen Verlautbarungsblatt der Kommission kundgemacht worden. Wie sich des weiteren aus diesen Ausführungen ergibt, ist an diesem Tage eine Zustimmung des Bundesministers für Finanzen zur Kundmachung dieser öffentlichen Bekanntmachung noch nicht gegeben gewesen. Die Bestätigung durch den Bundesminister für Finanzen ist vielmehr erst am 27. April 1982 erteilt worden.

Nach dem klaren Wortlaut des letzten Satzes des §10 Abs5 VWG darf eine öffentliche Bekanntmachung nur kundgemacht werden, wenn sie von den Bundesministern für Land- und Forstwirtschaft und für Finanzen bestätigt worden ist. Ferner dann, wenn eine Untersagung nicht ausgesprochen wird, nach Ablauf von zwei Tagen nach der Beschlußfassung.

Es steht fest, daß die 12. öffentliche Bekanntmachung vor Erteilung der Bestätigung durch den Bundesminister für Finanzen kundgemacht wurde. Die Kundmachung ist damit entgegen der ausdrücklichen Anordnung des letzten Satzes des §10 Abs5 VWG vorgenommen worden. Die Kundmachung vor Erteilung der Zustimmung durch beide Bundesminister oder vor Ablauf der zweitägigen Frist nach Beschlußfassung belastet die öffentliche Bekanntmachung mit einem Fehler, der ihre Gesetzwidrigkeit bewirkt.

Der VfGH ist der Auffassung, daß ein Fehler der beschriebenen Art nicht dadurch saniert werden kann, daß nach der bereits erfolgten Kundmachung entweder die Bestätigung gegeben wird oder binnen zwei Tagen nach Beschlußfassung eine Versagung der Bestätigung nicht erfolgt.

Ferner steht fest, daß für die Kundmachung der 29. öffentlichen Bekanntmachung eine Bestätigung der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft und für Finanzen überhaupt nicht eingeholt wurde.

Damit ist auch die 29. öffentliche Bekanntmachung mit einem Fehler behaftet, der ihre Gesetzwidrigkeit bewirkt.

Im umschriebenen Umfang waren daher die 12. und die 29. öffentliche Bekanntmachung als gesetzwidrig aufzuheben.

6. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Feststellung durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich einer Verordnung, Verordnung Kundmachung, Auslegung eines Antrages, Verordnungserlassung, Viehwirtschaft, Import (Fleisch)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:V2.1985

Dokumentnummer

JFT_10138989_85V00002_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten