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27 RechtspflegeNorm
DSt 1872 §2Leitsatz
Disziplinarstatut 1872; Erk. der OBDK, mit dem der Bf. wegen Einbringung einer Privatanklage gegen Funktionäre der Rechtsanwaltskammer des Disziplinarvergehens der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt wurde; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der Bf. richtete am 14. Mai 1981 und am 25. Juni 1981 Schreiben an die Sbg. Rechtsanwaltskammer, in denen er um Auskunft über die Anwendung der Honorarrichtlinien bei einer Vertretung vor dem Einigungsamt ersuchte. Da der Bf. in den Antwortschreiben vom 26. Juni 1981 und vom 6. Juli 1981 unterschiedliche Inhalte über die begehrte Auskunft erblickte, ersuchte er mit Schreiben vom 4. August 1981 um Klarstellung und führte folgendes aus:
"...
Ich bitte nunmehr um Nachricht, warum mir meine Standesvertretung erst auf Urgenz schreibt, und warum dann zwei Schreiben verschiedenen Inhaltes in meiner Kanzlei einlangen, wobei ich festhalten muß, daß ich gegenwärtig noch nicht weiß, welches Schreiben ich meiner Mandantschaft vorlegen soll, oder ob ich beide Schreiben vorlegen soll, wobei ich aber - dies vermeine ich tun zu müssen - meiner Mandantschaft wohl eine Begründung darüber abgeben muß, warum ich von meiner Standesvertretung auf Urgenz zwei Schreiben verschiedenen Inhaltes erhalte".
b) An den Bf. erging sodann nachstehendes Schreiben des Ausschusses der Sbg. Rechtsanwaltskammer vom 15. September 1981:
"Ihr Schreiben vom 4. 8. 1981 wurde in der Sitzung des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer am 15. 9. 1981 ausführlich erörtert. Es ist folgendes festzuhalten: Richtig ist, daß zwei Mitteilungen aufgrund Ihrer Anfrage ergangen sind. Der Wortlaut dieser Mitteilungen ist zwar nicht ident, doch besteht sachlich keinerlei Differenz.
Zu den weiteren polemischen Darstellungen in Ihrem Schreiben erscheint es erforderlich, Sie, sehr geehrter Herr Kollege, auf folgendes hinzuweisen:
Falls Differenzen hinsichtlich der Kostenabrechnung mit Klienten bestehen, so besteht das Institut der einvernehmlichen Kostenüberprüfung. Unabhängig davon ist der Ausschuß gerne bereit, insbesondere jüngeren Kollegen, denen offensichtlich die Erfahrung bei der Anwendung der bestehenden Tarife mangelt, auf Anfragen behilflich zu sein. Derartige Mitteilungen dienen selbstverständlich der persönlichen Information des Kollegen und sind schon allein aufgrund der Tatsache, daß meist nur eine unvollkommene Information des Ausschusses vorliegt, grundsätzlich nicht dazu bestimmt, als auch nur teilweises Überprüfungsergebnis von - nicht einmal vorgelegten Kostenabrechnungen - an die Klientel hinausgegeben zu werden. Die Tätigkeit des Ausschusses als Kollegialbehörde richtet sich nach der für ihn erkennbaren Dringlichkeit der Angelegenheiten. In diesem Zusammenhang sind vor allem Rechtssachen besonders vordringlich, bei denen Rechte von Klienten zumindest angeblich durch die Tätigkeit des Rechtsanwaltes geschädigt werden."
c) Aufgrund des Schreibens des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer vom 15. September 1981 brachte der Bf. beim BG Sbg. zu 27 U 2508/81 gegen den Präsidenten der Sbg. Rechtsanwaltskammer sowie die Mitglieder des Ausschusses die Privatanklage wegen Vergehens wider die Ehre ein. In der Privatanklage führt der Bf. nach Wiedergabe der geführten Korrespondenz folgendes aus:
"Beide Schreiben haben jeweils einen anderen Inhalt. ... Aus keinem meiner Schreiben - wie sich das Gericht leichterdings davon überzeugen wird können - geht eine polemische Darstellung hervor. Unter polemischer Darstellung versteht man einen unsachlichen Angriff. Dieser Vorwurf der eigenen Standesvertretung gegen einen Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes stellt einen schweren Eingriff dar und ich habe - da ich mich zur Schlichtung dieser Angelegenheit ja wohl nicht an meinen eigenen Ausschuß wenden kann, der für derartiges vorgesehen wäre - nur mehr die Möglichkeit zur Wiederherstellung meiner Ehre, das Bezirksgericht, das heißt, ein ordentliches Gericht, anzurufen, was hiermit geschieht. Bedenkt man, daß ein Rechtsanwalt seiner Standesvertretung gegenüber verpflichtet ist, sich jeder ungehörigen Schreibweise zu enthalten, so erscheint das Verhalten der Beschuldigten besonders schwerwiegend, zumal dadurch gegeben erscheint, daß die Standesvertretung bzw. deren Funktionäre offensichtlich ungestraft einen Rechtsanwalt beleidigen können. Die Beschuldigten, als Mitglieder des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer - dieser Ausschuß repräsentiert nach dem Gesetz diese Kammer - und als anwesend bei der Ausschußsitzung vom 15. 9. 1981, haben das Schreiben vom 15. 9. 1981 an mich beschlossen, nach dem vorher mein Schreiben vom 3. 8. 1981 ausführlich erörtert wurde, sodaß sie strafrechtlich für den Vorwurf der polemischen Darstellung haften".
d) Das BG Sbg. hat mit Beschluß vom 4. Jänner 1982 die Einleitung eines Strafverfahrens mangels Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung abgelehnt und das Strafverfahren eingestellt. Das Landesgericht Sbg. hat der vom Bf. gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde mit Beschl. vom 3. Feber 1982, 29 Bl 19/82, keine Folge gegeben.
2. Der Disziplinarrat der Sbg. Rechtsanwaltskammer hat mit Disziplinarerkenntnis vom 14. November 1983 ausgesprochen, daß der Bf. wegen der Einbringung der Privatanklage gegen den Präsidenten und die Mitglieder des Ausschusses der Sbg. Rechtsanwaltskammer iZm. der Ausübung ihres Amtes das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen hat. Über den Bf. wurde gemäß §12 Abs1 litb des Disziplinarstatutes (DSt) eine Geldbuße von 10000 S verhängt.
In der Begründung des Erkenntnisses wird ausgeführt, es widerspreche Ehre und Ansehen des Standes, wenn ein Rechtsanwalt auch in Form einer Privatanklage gerichtliche Schritte unternehme, obwohl er deren Aussichtslosigkeit hätte erkennen müssen. Dem Beschuldigten (Bf.) sei im Gegensatz zu seinen Ausführungen in der Privatanklage nach der eigenen Verantwortung in der Disziplinarverhandlung klar gewesen, daß die beiden Schreiben des Ausschusses den gleichen Inhalt haben, was schließlich auch das Beschwerdegericht feststellte. Demgemäß mußte der Inhalt des Schreibens des Beschuldigten vom 3. August 1981 als polemisierend aufgefaßt werden. Im übrigen sei dem Beschuldigten (dem Bf.) genau bekannt gewesen, daß die von ihm mit Privatanklage Beschuldigten in Ausübung einer Rechtspflicht gehandelt hätten und damit §114 Abs1 StGB zur Anwendung zu kommen habe.
3. Der vom Bf. gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates erhobenen Berufung wegen Schuld hat die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) mit dem Erk. vom 3. Dezember 1984 nicht Folge gegeben; hingegen wurde die Geldbuße mit 5000 S festgesetzt.
In der Begründung des Erkenntnisses wird ausgeführt, die OBDK habe mehrfach ausgesprochen, daß die Drohung mit unberechtigter Erstattung einer Strafanzeige und die Erstattung der Strafanzeige selbst nur dann nicht disziplinär seien, wenn der Rechtsanwalt nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes zur Überzeugung gelange, daß der durchzusetzende Anspruch gerechtfertigt und das Verhalten des Gegners strafgesetzwidrig sei. Ein Rechtsanwalt, der leichtfertig eine den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechende Strafanzeige verfasse und einbringe, begehe demnach das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (OBDK vom 12. September 1957, Anwaltsblatt 1958, 6; OBDK vom 13. September 1963, Anwaltsblatt 1964, 76; OBDK vom 28. November 1963, Anwaltsblatt 1965, 146).
4. Gegen das Erk. der OBDK vom 3. Dezember 1984 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Weiters sei er wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Soweit in der Beschwerde Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Halbsatzes des §2 des Disziplinarstatutes (DSt) geltend gemacht werden, wird auf die Ausführungen in dem an den Bf. ergangenen Erk. B763/84 vom 29. September 1986 verwiesen.
2. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die vom Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger nur vorliegen, wenn der Behörde ein willkürliches Vorgehen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides zum Vorwurf gemacht werden müßte.
Der Vorwurf der Willkür wird in der Beschwerde im wesentlichen damit begründet, daß die bel. Beh. dem Bf. das Disziplinarvergehen nur deswegen angelastet habe, weil er in eigener Sache tätig geworden sei, wogegen ihm der Vorwurf einer Disziplinarwidrigkeit nicht gemacht würde, wenn er für einen Mandanten tätig geworden wäre.
Damit sei der Bf. allen anderen Personen gegenüber im Recht auf Gleichheit verletzt. Es stehe jedermann frei, gegen andere Rechtsgenossen Privatanklagen einzubringen. Ob diese Privatanklage von dem beabsichtigten Erfolg begleitet sei oder nicht, unterliege der Entscheidung unabhängiger Gerichte. Selbst wenn eine solche Entscheidung bei Gericht nicht den angestrebten Erfolg zeitige, könne darin kein ahndbares Vergehen gesehen werden. Weiters sei die Unterscheidung, ob der Bf. in eigener Sache oder für jemand anderen tätig werde, gleichheitswidrig und sei die entsprechende Differenzierung auch überhaupt nicht begründet.
b) Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, den Vorwurf eines willkürlichen Verhaltens der bel. Beh. zu begründen. Entgegen den Behauptungen des Bf. ist in der Begründung des Erkenntnisses eingehend dargelegt, aus welchen Erwägungen die bel. Beh. zur Auffassung gelangt ist, daß mit dem Verhalten des Bf. (mit der Erhebung der Privatanklage gegen die Mitglieder des Ausschusses) der Tatbestand der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes erfüllt ist.
Die bel. Beh. hatte allein das Verhalten des Bf. an der verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des §2 DSt. zu prüfen. Sie hatte sich nicht damit zu befassen, wie das Verhalten zu beurteilen wäre, wenn der Bf. nicht in eigener Sache, sondern für einen Mandanten tätig geworden wäre.
Weder aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß die bel. Beh. aus unsachlichen Gründen ihre Schlußfolgerung gezogen hätte.
Die vom Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nicht vor.
3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B137.1985Dokumentnummer
JFT_10138987_85B00137_00