Die österreichischen Rechtsbestimmungen hinsichtlich einer sog. Unterbringung ermöglichen es grundsätzlich, Personen auch ohne ihre Zustimmung, d. h. iZm einer „Unterbringung ohne Verlangen“ gem. § 8 UbG, nach erfolgter ärztlicher Untersuchung und durch die Exekutive, in eine psychiatrische Einrichtung zu verbringen, sofern hierfür bestimmte Voraussetzungen[1], die in § 3 UbG normiert sind, vorliegen. Das UbG nimmt in Bezug auf gesetzliche Vorschriften innerhalb des Medizinrechtes eine Sonderstellung ein, da es ausdrücklich nur dann zur Anwendung kommt, wenn ein psychiatrischer Notfall vorliegt. Daher beschränkt sich der Geltungsbereich des UbG auf psychiatrische Einrichtungen und auf den Transport des:der Unterzubringenden in die jeweilige psychiatrische Anstalt. Für die praktische Durchführung einer solchen Unterbringung nach § 9 UbG (= Vorführung durch die Exekutive) ist es seitens der Polizei notwendig, eine:n hierfür ermächtigte:n Ärzt:in iSd § 8 Abs. 1 UbG beizuziehen.
Im Ausnahmefall kann die Exekutive iRd ihr zukommenden Befehls- und Zwangsgewalt von sich aus eine Unterbringung ohne Verlangen vornehmen, d. h. ohne vorherige ärztliche Voruntersuchung, sofern diesbezüglich Gründe, die in § 9 Abs. 3 Z 1-6 UbG[2] taxativ angeführt sind, vorliegen. Eine solche Verbringung geschieht in der Praxis meist in präklinischer Zusammenarbeit mit dem örtlichen Rettungsdienst, ist jedoch iSd gesetzlichen Vorschriften nicht zwingend notwendig. Eine Unterbringung ohne Verlangen kann gem. § 9 Abs. 4 UbG auch ohne Beiziehung des Rettungsdienstes durch die Exekutive selbst erledigt werden. Die Pflicht zur Verständigung des Krankenhauses bzw. der psychiatrischen Einrichtung nach § 9 Abs. 4 UbG geht in einem solchen Fall auf die Polizei über, ansonsten ist die Abteilung vom jeweiligen Rettungsdienst betreffend die Einweisung zu kontaktieren. Wird der Rettungsdienst zur Unterbringung nach § 8 UbG beigezogen, so ist der Transport unter polizeilicher Begleitung im Patient:innenraum des Rettungsdienstfahrzeuges durchzuführen.
Hinsichtlich der Gefährlichkeit kann angemerkt werden, dass es in der Praxis immer wieder zu (gefährlichen) Einsätzen, in denen Sanitäter:innen oder Notärzt:innen einer ernsten Gefahr iRd Unterbringung ohne Verlangen ausgesetzt werden, kommt und z. B. die Mithilfe des sanitätsdienstlichen Personals bei der Fixierung der zu unterbringenden Person im Einsatzfahrzeug des Rettungsdienstes notwendig ist (bspw. durch die Fixierung im Tragesessel des Rettungsdienstes). Sofern eine Mithilfe in solchen Fällen durch das präklinische Personal erforderlich erscheint, sind die vorzunehmenden Handlungen nicht der Rechtssphäre der Sanitäter:innen bzw. Notärzt:innen zuzuordnen, sondern betrifft nach ständiger Rspr. weiterhin ausdrücklich die Zuständigkeit des Sicherheitsdienstes[3]. Halmich bspw. weist diesbezüglich ausdrücklich darauf hin, dass bei nicht-entscheidungsfähigen Personen, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, seitens des präklinischen Personals dennoch die Pflichten zur Durchführung lebensrettender Sofortmaßnahmen und zur allgemeinen Gefahrenabwehr greifen. Bei der medizinischen Versorgung solcher Patient:innen, insbesondere bei der Gabe von Medikamenten mit sedierender Wirkung, ist daher im Speziellen auf die Verhältnismäßigkeit (= „Ultima-Ratio-Prinzip“) zu achten, da ein solcher Eingriff, v. a. bei Psychosen, meist ohne aktive Zustimmung der Patient:innen erfolgt.[4]
Für die exekutivdienstliche Durchführung der Gefahrenabwehr greifen lege artis die §§ 19 und 21 SPG. In Fällen von legitimer Gefahrenabwehr durch die Polizei, wo durch das Verhalten des:der Patient:in aufgrund eines gefährlichen Angriffes nach § 21 SPG Verletzungen bei Polizist:innen herbeigeführt werden, muss die Gefahrensituation einer individuellen und detaillierten Evaluierung unterzogen werden. Besonders kann idZ auf die ständiger Rspr. des OGH vom 19.12.2023 zu 10 Ob 39/23t[5] im Kontext schadenersatzrechtlicher Forderungen seitens Exekutivbeamt:innen verwiesen werden. Die höchstgerichtliche Entscheidung umfasst die Feststellung, dass solche Forderungen primär von einer gesteigerten Gefahrensituation des:der betroffenen Polizist:in bei der Festnahmehandlung abhängen. Die Handlung muss zudem nicht mehr dem allgemeinen Berufsrisiko von Exekutivbeamt:innen zugeordnet werden können. Die Bewertung konkreter Gefahrensituationen[6] muss in weiterer Folge vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 3 UbG und der Anwendung der gelindesten Maßnahme zur Durchführung des Transportes vorgenommen werden. § 21 SPG sieht zudem vor, dass nicht nur jene Angriffe, die gegen die Exekutivbeamt:innen selbst vorgenommen werden, durch die Polizei unterbindet werden müssen, sondern auch Angriffe, die Mitarbeiter:innen des Sanitätsdienstes betreffen.
Es kann summa summarum hervorgehoben werden, dass für die praktische Durchführung einer Unterbringung auf Verlangen iSd §§ 8 und 9 UbG unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte des:der Betroffenen iSd § 1 UbG jedenfalls eine enge Zusammenarbeit zwischen der Exekutive und den Sanitäter:innen bzw. Notärzt:innen notwendig ist, um den gesetzlichen Bestimmungen zur Durchführung eines Transportes auf Grundlage des UbG bestmöglich gerecht werden zu können. Die sanitätsdienstliche Pflicht zur Dokumentation nach § 5 Abs. 1 SanG für Sanitäter:innen findet idF spezielle Beachtung, ebenso die Rechtsvorschriften zur persönlichen Freiheit von Personen iSd der Menschenwürde (siehe hierzu v. a. Art. 3 EMRG, Art. 1 Abs. 3 und 4 PersFrG und § 47 SPG).
[1] In der Praxis liegt häufig eine Selbst- bzw. Fremdgefährdung nach § 3 Abs. 1 UbG vor, die im Einzelfall zu überprüfen ist. Handlungen, die jedenfalls unter eine Eigengefährdung subsumiert werden können, sind bspw. selbst zugefügte Verletzungen oder Selbstmordversuche. Gefährdungen, die andere Personen betreffen (= Fremdgefährdung), können z. B. tätliche Angriffe oder gefährliche Äußerungen sein.
[2] Mit der Novellierung des UbG im Jahr 2023 wurden die Ausnahmen der polizeilichen Durchführung der Unterbringung ohne Verlangen ohne vorherige ärztliche Untersuchung durch den Gesetzgeber spezifiziert mit dem Ziel, in der praktischen Durchführung dieser Maßnahme verstärkt Rechtssicherheit zu schaffen.
[3] Siehe hierzu ua die höchstgerichtlichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu VwSlg 16.688 A/2005.
[4] Siehe hierzu: vgl. Halmich (2020), Recht für Notärzte, S. 119; vgl. Halmich (2021), Recht für Sanitäter, S. 107
[5] Siehe hierzu: vgl. OGH Österreich (2023): Verletzung eines Polizisten bei der Festnahme und Schadenersatz (10 Ob 39/23t vom 19.12.2023); Online abrufbar unter: https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/verletzung-eines-polizisten-bei-der-festnahme-und-schadenersatz/ [abgerufen am: 10.03.2024]
[6] Führt eine konkrete Gefahrensituation zu einem tätlichen Angriff auf Sanitäter:innen oder anderen Personen aus dem Gesundheitswesen, so greift primär § 91a StGB (Tätlicher Angriff auf mit bestimmten Aufgaben betraute Bedienstete einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt oder Angehörige des Gesundheits- oder Rettungswesens oder Organe der Feuerwehr), wobei die Patient:innensituation und die Einsichtsfähigkeit besondere Beachtung findet. Nach h. M. ist § 91a StGB als strafrechtlich subsidiär zu verstehen, was speziell bei der Einordnung von Körperverletzungsdelikten wesentlich ist.