Kommentar zum § 209a StPO

Dr. Marlon POSSARD am 21.10.2022

Rechtlicher Status von sog. "Kronzeug:innen" in Österreich

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Verfassungsrechtlich geschützt ist das Faktum, sich selbst nicht belasten zu müssen. Im Falle einer „Kronzeug:innenschaft“ verzichtet die jeweilige Person jedoch auf genau ebendieses Recht und belastet sich, wenn notwendig, selbst. Hieraus leitet sich die strafprozessuale Möglichkeit ab, dass solchen Personen ein gewisser rechtlicher Schutz zukommt. In § 209a StPO i. d. g. F. (Österreich) finden sich wesentliche Normierungen hinsichtlich des Status als „Kronzeug:in“. Für Einzelpersonen ist § 209a StPO von Relevanz, während sich in § 209b die „Kronzeug:innen-Regelung“ auf kartellrechtliche Aspekte bezieht.

Die „Kronzeug:innen-Regelung“ beschränkt sich in Österreich auf bestimmte Deliktsformen. Einerseits kann der Status im Kontext von Wirtschaftskriminalität zuerkannt werden, andererseits bei Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht sind. Nur wenn bestimmte Voraussetzungen vollumfänglich erfüllt sind, kann die Strafverfolgungsbehörde von der Verfolgung der Straftat(en) zurücktreten.

Folgt man den gesetzlichen Vorgaben, so zeigt sich: Der:die Täter:in, die einen „Kronzeug:innen-Status“ anstrebt, muss wesentlich zur Aufklärung der Straftat(en) beitragen. Hier ist also die Wesentlichkeit der Information(en) wichtig. Diese ergibt sich daraus, dass neue Tatsachen bzw. Sachverhalte dargelegt werden müssen, ein reiner Bezug auf bereits bestehendes bzw. geoffenbartes Wissen über kriminelles Agieren reicht nicht aus. Der:die Täter:in muss also eine maßgebliche Hilfestellung für die ermittelnden Organe darstellen.

Bezugnehmend auf § 209a StPO kann festgehalten werden, dass der:die jeweilige Täter:in die Möglichkeit besitzt, durch den „Kronzeug:innen-Status“ mit keiner Strafe belangt zu werden. Eine Voraussetzung bzw. das zentrale Kriterium diesbezüglich ist jedoch, dass der:die Täter:in mit der Staatsanwaltschaft, d. h. bei wirtschaftskriminellen Handlungen mit der zuständigen WKStA, von sich aus kooperiert (= Kooperation mit StA bzw. Kriminalpolizei). Ein solches Vorgehen kann unter den Terminus der „Freiwilligkeit“ subsumiert werden. Es ist auch möglich, direkt an die Kriminalpolizei heranzutreten, anstatt sich an die StA zu wenden.

Jedenfalls muss es sich dabei um eine zuständige Strafverfolgungsbehörde handeln mit der klaren Intention, freiwillig zur Aufklärung beizutragen. Daraus resultiert sodann ein Geständnis im Kontext einer persönlichen „Reumütigkeit“.

Bezüglich des Herantretens an die Staatsanwaltschaft bzw. Kriminalpolizei im Rahmen des § 209a StPO stellte der OGH in einer Entscheidung[1] aus dem Jahr 2020 fest (= AZ 14 Os 108/20v vom 03.11.2020), dass dieses ausdrücklich und ernstlich durch den:die Täter:in zu erfolgen hat. Eine einfache Kontaktaufnahme mit den Strafverfolgungsbehörden genügt, gemäß der höchstrichterlichen Entscheidung, demnach nicht. Wenngleich von Täter:innen selbst an die Strafverfolgungsbehörden herangetreten wird, besteht kein (automatischer) Anspruch auf Gewährung eines solchen spezifischen Zeug:innen-Standes. Demnach kennt das Gesetz zwar die Möglichkeit des „Kronzeug:innen-Status“, eine solche Option schließt jedoch einen Anspruch darauf nicht grundsätzlich mit ein.

§ 209a StPO fordert weiters ein, dass noch keine Einvernahme des:der Täters:in durch die Strafverfolgungsbehörden erfolgte. Weiters darf der:die Täter:in bisher noch nicht verhaftet worden sein. Auch mit anderen Zwangsmaßnahmen durfte der:die Täter:in gem. § 209a StPO noch nicht belegt worden sein. Eine Hausdurchsuchung beispielsweise wird unter eine solche Zwangsmaßnahme subsumiert.

Wird einem:r Täter:in der Status des:der „Kronzeug:in“ zuerkannt, so entgeht diese:r einer strafrechtlichen Verurteilung durch das Strafgericht, wobei der:die Täter:in zur Zahlung einer Geldstrafe aufgefordert werden kann. Weitere Möglichkeiten bilden die Erbringung gemeinnütziger Leistungen. Hierbei spricht man von einer sog. „diversionellen Erledigung“[2] des Sachverhaltes. Selbst nach Zuerkennung des „Kronzeug:innen-Status“ kann die Strafverfolgungsbehörde eine Verfolgung später wieder aufnehmen, auch wenn das Verfahren vorerst eingestellt wurde.



[1] OGH 14 Os 108/20v vom 03.11.2020 (European Case Law Identifier (ECLI): ECLI:AT:OGH0002:2020:RS0133340); Online aufrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20201103_OGH0002_0140OS00108_20V0000_000/JJT_20201103_OGH0002_0140OS00108_20V0000_000.pdf [abgerufen am: 20.10.2022]

[2] Hierbei liegt die Kompetenz der Beurteilung bei der zuständigen StA.


§ 209a StPO | 1. Version | 754 Aufrufe | 21.10.22
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Dr. Marlon POSSARD
Zitiervorschlag: Dr. Marlon POSSARD in jusline.at, StPO, § 209a , 21.10.2022
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