Hinweis:
Die vorliegenden Anmerkungen zu § 10b GmbHG sind keine umfassende Kommentierung, sie können und wollen eine solche auch nicht ersetzen. Sie bieten aber eine erste Hilfestellung für die Praxis, insbesondere solange die gedruckten GmbHG-Kommentare noch nicht aktualisiert wurden. Die erste umfassende Kommentierung wird voraussichtlich der neu erscheinende GmbHG-Kurzkommentar von Ulrich Torggler bieten, auf den an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen sei (https://www.manz.at/list.html?inline=1&back=e7b4a5e12a825c2e95effaac32c6a2dd&isbn=978-3-214-02854-1&xid=3323667&page=1). Über Anregungen und Kritik aus der Praxis freue ich mich.
Zum Autor:
MMag. Dr. Mathias Walch ist als Universitätsassistent am Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der Universität Innsbruck tätig.
Kontakt: Mathias.Walch@uibk.ac.at
http://www.uibk.ac.at/unternehmensrecht/unternehmensrecht/
Inhalt
Literatur zu § 10b GmbHG
Materialien
I. Vorbemerkungen zu § 10b GmbHG
1. Motive zur Gründung einer GmbH Rz 1
2. Funktion des Mindeststammkapitals Rz 5
3. Liberalisierung der Kapitalaufbringung Rz 7
II. Die Regelung im Einzelnen
1. Überblick Rz 11
2. Abs 1 Rz 12
3. Abs 2 Rz 14
4. Abs 3 Rz 19
5. Abs 4 Rz 21
6. Publizität der Gründungsprivilegierung Rz 23
7. Keine Bildung einer Gründungsrücklage Rz 24
8. Abs 5 Rz 25
III. Bereits bestehende GmbHs (§ 127 GmbHG) Rz 31
IV. Einfache Gründung nach § 5 Abs 8 NTG Rz 33
Literatur zu § 10b GmbHG:
Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115; Reich-Rohrwig, GmbH alt/neu/gründungsprivilegiert, ecolex 2014, 295; Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335
Zum Muster einer Firmenbuchgabe siehe Reich-Rohrwig, Firmenbucheingabe für neu gegründete gründungsprivilegierte GmbH, ecolex 2014, 339
Materialien
Regierungsvorlage:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00024/fname_337611.pdf
Erläuterungen zur Regierungsvorlage:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00024/fname_337614.pdf
Ministerialentwurf:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00003/fname_335766.pdf
Erläuterungen zum Ministerialentwurf:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00003/fname_335767.pdf
Rz 1
Die Gründung eines Unternehmens ist mit finanziellen Risiken verbunden. Potentielle Unternehmer haben ein Interesse daran, ihr persönliches Risiko zu begrenzen, falls das Unternehmen am Markt scheitert. Eine Möglichkeit zur Minimierung des Risikos ist die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet nur die Gesellschaft, nicht die Gesellschafter (§ 61 Abs 2 GmbHG). So verlockend dies klingt, ist aus Praxissicht ist darauf hinzuweisen, dass sich potentielle Unternehmensgründer mit einer GmbH in aller Regel nicht zur Gänze von ihrem persönlichen Haftungsrisiko befreien können. In der Gründungsphase hat das Unternehmen (und damit die GmbH) einen hohen Kapitalbedarf, den sie regelmäßig durch Bankkredite decken muss. Banken bestehen in aller Regel auf persönliche Sicherheiten der Gesellschafter (Bürgschaft, Pfand, ...), sodass die Gesellschafter letztlich doch einen großen Teil ihres Privatvermögens verlieren, wenn die GmbH scheitert.
Rz 2
Aus steuerlicher Sicht lassen sich keine allgemeinen Aussagen darüber treffen, ob sich die Gründung einer GmbH empfiehlt. Dies hängt von vielen Faktoren ab, etwa wie viel Gewinn ausgeschüttet wird. Zu bedenken ist auch, dass eine GmbH mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand verbunden ist, der vor allem bei kleinen GmbHs ins Gewicht fällt. Als Faustregel gilt, dass ab einem voraussichtlichen jährlichen Gewinn (!) in Höhe von ca € 100.000,- über die Gründung einer GmbH nachgedacht werden kann.[1]
Rz 3
Mit der durch das GesRÄG 2013 (BGBl I 2013/109) eingeführten „GmbH light" wollte der Gesetzgeber Neugründungen fördern und Gründern den Zugang zur GmbH erleichtern.[2] Kleineren Unternehmern wird indessen regelmäßig von der Gründung einer GmbH abzuraten sein. Zu denken ist bspw an zahlreiche Dienstleister, die ein Ein- bis Drei-Mann-Unternehmen betreiben. Hauptmotiv für die Gründung einer GmbH wären entweder die Begrenzung des Haftungsrisikos oder steuerliche Vorteile. Da sich beide Ziele in der Praxis regelmäßig nicht erreichen lassen werden, lässt sich durchaus kritisch fragen, für wen die „GmbH light" eigentlich geschaffen wurde.
Rz 4
Nimmt man die Zahl der Neugründungen als Maßstab für den Erfolg des GesRÄG 2013, war die GmbH light durchaus erfolgreich. Nach Zahlen des BMJ wurden in den Monaten nach der Reform ca 1.000 GmbH/Monat gegründet, während es in den Vergleichsmonaten des Vorjahres lediglich 600 GmbH/Monat waren.[3] Bei diesen Zahlen ist jedoch unklar, wie hoch die Zahl der „echten" Neugründungen von Jungunternehmern ist.
Rz 5
Eine GmbH ist mit Gefahren für die Gläubiger verbunden. Schädigt bspw ein Angestellter der GmbH einen Dritten, hat der Geschädigte einen Schadenersatzanspruch gegen die GmbH (§ 1313a ABGB).[4] Verfügen nur die Gesellschafter über ein nennenswertes Vermögen, während die GmbH mittellos ist, geht der Geschädigte leer aus. Eine GmbH kann den Geschäftsverkehr belasten, wenn sie Waren kauft und anschließend insolvent wird. Für Lieferanten stellt es eine hohe Belastung dar, wenn sie bei jeder Transaktion dem Risiko ausgesetzt sind, mit einer mittelosen GmbH zu kontrahieren. Insoweit ist die Gründung einer GmbH ein Handeln zu Lasten Dritter, das nach allgemeinem Zivilrecht verpönt ist. Der Gesetzgeber hat sich dennoch dafür entschieden, GmbHs zuzulassen. Sie fördern die Wirtschaft, weil es Unternehmern möglich wird, auch risikoreiche Geschäfte einzugehen, ohne sogleich den Verlust ihres Privatvermögens fürchten zu müssen.[5]
Rz 6
Die Befreiung von der persönlichen Haftung (§ 61 Abs 2 GmbHG) ist für Unternehmer jedoch nicht „gratis". Die GmbH-Gesellschafter erkaufen sich ihre Haftungsbefreiung durch die Aufbringung des Stammkapitals.[6] Das Mindeststammkapital stellt sicher, dass die GmbH über einen gewissen Betrag an finanziellen Mitteln verfügt oder zumindest einmal verfügt hat. Gegenüber den Gläubigern bildet das Mindeststammkapital den Ausgleich für die fehlende persönliche Haftung. Die Aufbringung des Stammkapitals ist im Interesse des Gläubigerschutzes sehr streng geregelt (vgl §§ 63 ff GmbHG). Die Schwäche der Kapitalaufbringung liegt im geringen Betrag des Mindeststammkapitals. Das Mindeststammkapital in Höhe von € 35.000,- steht in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Finanzbedarf der GmbH, sodass das Mindeststammkapital als Haftungsfonds für die Gläubiger nicht mehr ist als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Die hA sieht die Funktion des Mindeststammkapitals denn auch weniger darin, den Gläubigern einen Haftungsfonds zur Verfügung zu stellen, sondern als Seriositätsschwelle.[7] GmbH-Gründer müssen einen bestimmten Geldbetrag[8] in die Hand nehmen, wenn sie eine GmbH gründen möchten.
Rz 7
In der Stammfassung des GmbHG betrug das Mindeststammkapital 20.000 Kronen (entspricht ca € 100.000,-)[9]. Mit der GmbH-Novelle 1980 wurde es auf ATS 500.000,- angehoben. Im Zuge der Euro-Umstellung wurde der Betrag auf € 35.000,- (ATS 481.610,5) umgestellt. Im europaweiten Vergleich war das Mindeststammkapital hoch. In Deutschland beträgt das Mindeststammkapital bspw € 25.000,- (DM 50.000,-)[10]. Europaweit in Bewegung geriet das GmbH-Recht im Zuge der Centros-Rsp des EuGH.[11] Angehörigen eines EU-Mitgliedstaates war es möglich, in England eine limited zu gründen, die anschließend eine „Zweigniederlassung" in einem anderen Mitgliedstaat gründete, bspw in Deutschland oder in Österreich. In England selbst entfalten diese limiteds keine Geschäftstätigkeit. Da für die Gründung einer Limited faktisch kein Stammkapital benötigt wird, können Gesellschaftsgründer den strengeren Kapitalaufbringungsvorschriften in anderen Mitgliedsstaaten ausweichen.
Rz 8
In Deutschland wuchs die Zahl der limiteds zusehends. Der deutsche Gesetzgeber reagierte, in dem er eine „GmbH light" einführte, nämlich die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)". Das damit verfolgte Ziel, die Zahl der limiteds zurückzudrängen, wurde erreicht. In Österreich nahmen die limited-Gründungen nie die Ausmaße in Deutschland an, sodass kein Handlungsbedarf gesehen wurde.[12] Während in vielen Staaten Europas die Kapitalaufbringungsvorschriften gelockert wurden oder werden (vgl zB Frankreich, Italien, Tschechien, Ungarn[13]), hielt Österreich an den bisherigen Regelungen fest.
Rz 9
Dies änderte sich erst mit dem GesRÄG 2013. Da die Zahl der GmbH-Neugründungen stagnierte, sollte das Mindeststammkapital gesenkt werden, um die GmbH attraktiver zu machen. Von zusätzlichen GmbH-Neugründungen erwartete man sich zusätzliche Impulse für die Wirtschaft. Die wichtigste Neuerung bestand in der Absenkung des Mindeststammkapitals von € 35.000,- auf € 10.000. Im Schrifttum wurde diese Reform ganz überwiegend abgelehnt.[14] ME waren viele Kritikpunkte zumindest nicht ganz unberechtigt. Festzuhalten ist jedoch, dass das Mindestkapital auch bei einem Betrag von € 10.000,- seine wichtigste Funktion erfüllen konnte, nämlich eine gewisse Seriositätsschwelle für die Gründung einer GmbH zu bilden (Rz 6). Zudem weist der europaweite Trend klar in Richtung Liberalisierung der Kapitalaufbringung. Trotz berechtigter Kritikpunkte war das GesRÄG 2013 kein Grund für einen Abgesang auf die GmbH.
Rz 10
Sofern man den Erfolg des GesRÄG 2013 ausschließlich in der Zahl der Neugründungen misst, was ja das deklarierte Ziel war, wurde dieses Ziel erreicht (Rz 4). Nur wenige Monate später sah sich der Gesetzgeber indessen zur Reform der Reform veranlasst. Grund für die Reform waren weniger gesellschaftsrechtliche, sondern staatsbudgetäre Gründe.[15] Das geringere Mindeststammkapital führte aufgrund der geringeren Mindest-KöSt zu Steuerausfällen. Zusätzliche Steuerausfälle erlitt der Fiskus dadurch, dass zahlreiche bereits bestehende GmbHs ihr Mindeststammkapital auf € 10.000,- herabsenkten. Der Gesetzgeber hatte diese drohenden Steuerausfälle bei Erlassung des GesRÄG 2013 zwar gesehen,[16] jedoch führte die veränderte budgetäre Situation nach den Nationalratswahlen 2013 zu einer veränderten Gewichtung der Prioritäten. Einerseits sollten die Erleichterungen für Unternehmensgründer beibehalten werden, andererseits mussten die durch das GesRÄG 2013 bedingten Steuerausfälle verhindert werden. Das Abgabenänderungsgesetz 2014 (BGBl I 2014/13 - AbgÄG 2014) musste diesen Spagat meistern.
Rz 11
Das AbgÄG 2014 erhöht das Mindeststammkapital wieder auf € 35.000. Neu eingeführt wird § 10b GmbHG, der Erleichterungen für bestimmte GmbHs vorsieht. Während der ersten 10 Jahre beträgt das Mindeststammkapital („faktisch"; dazu Rz 22) nur € 10.000, wobei insgesamt mindestens € 5.000,- eingezahlt sein müssen. Im Ergebnis beträgt der „Einstiegspreis" somit € 5.000. Dies entspricht praktisch der Rechtslage nach dem GesRÄG 2013, als das Mindeststammkapital € 10.000,- betrug, worauf insgesamt € 5.000,- eingezahlt sein mussten. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Gründungsprivilegierung spätestens nach 10 Jahren wegfällt und das („faktische") Mindeststammkapital dann € 35.000,- beträgt. § 10b GmbHG trat am 1. März 2014 in Kraft (§ 127 Abs 13 GmbHG). Auf Gesellschaften, die die vor dem 1. März 2014 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet wurden, ist die Rechtslage nach dem GesRÄG 2013 weiterhin anwendbar (§ 127 Abs 14 GmbHG; siehe dazu Rz 31 f)
Rz 12
Möchten die Gesellschafter die Gründungsprivilegierung in Anspruch nehmen, müssen sie das bereits im Zuge der Gründung im Gesellschaftsvertrag festhalten. Es empfiehlt sich eine Formulierung wie:
Die Gesellschaft nimmt die Gründungsprivilegierung nach § 10b GmbHG in Anspruch.
Strittig ist, ob sich die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung auch aus anderen Umständen ergeben kann oder der Hinweis zwingend notwendig ist.[17] ME kann darauf verzichtet werden, wenn sich die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung aus anderen Umständen im Gesellschaftsvertrag ergibt, bspw wenn die Gesellschafter die Höhe der gründungsprivilegierten Stammeinlage festlegen, ohne ausdrücklich festzuhalten, dass die Gesellschaft die Gründungsprivilegierung in Anspruch nimmt.[18] Da die Gründungsprivilegierung ohnehin gem § 5 FBG aus dem Firmenbuch ersichtlich ist, ist der Verkehrsschutz jedenfalls sichergestellt. Wortlaut und Materialien sprechen ebenfalls nicht dafür, dass es zwingend eines gesonderten Hinweises auf die Gründungsprivilegierung bedarf. Solange noch keine höchstgerichtliche Rsp vorliegt, ist solch ein Hinweis für die Kautelarjurisprudenz allerdings jedenfalls empfehlenswert.[19]
Rz 13
Nach Gründung der GmbH kann die Gründungsprivilegierung nicht mehr in Anspruch genommen werden, eine nachträgliche Satzungsänderung ist unzulässig. Der entscheidende Zeitpunkt ist die Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch.[20]
Rz 14
Neu eingeführt wird der Begriff der gründungsprivilegierten Stammeinlage. Die Gesellschafter müssen nicht nur die Höhe der „gewöhnlichen" Stammeinlage angeben, die jeder einzelne übernimmt, sondern auch die Höhe der „gründungsprivilegierten" Stammeinlage. Die gründungsprivilegierte Stammeinlage ist jener Teil der Stammeinlage, den die Gesellschafter während aufrechter Gründungsprivilegierung leisten müssen, wobei ein Teil davon nicht sofort fällig ist. Der Begriff der gründungsprivilegierten Stammeinlage ist ein wenig unglücklich gewählt. Privilegiert sind die Gesellschafter hinsichtlich der nicht-privilegierten Stammeinlage (Differenz von „gewöhnlicher" und gründungsprivilegierter Stammeinlage), weil sie diese nicht sofort leisten müssen. Hingegen sind sie hinsichtlich der gründungsprivilegierten Stammeinlage sofort leistungspflichtig und nicht privilegiert.
Rz 15
Da die gründungsprivilegierte Stammeinlage nur den Teil der Stammeinlage bezeichnet, den die Gesellschafter während aufrechter Gründungsprivilegierung leisten müssen, stellt § 10b Abs 2 Halbsatz 2 GmbHG lediglich überflüssigerweise klar, dass die gründungsprivilegierte nicht höher als die „gewöhnliche" Stammeinlage sein kann.
Rz 16
Die Summe der gründungsprivilegierten Stammeinlagen muss mindestens € 10.000,- betragen. Sie kann höher als € 10.000,- sein, auch höher als € 35.000.[21] In aller Regel lautet das gründungsprivilegierte Stammkapital auf € 10.000,- und das „gewöhnliche" Stammkapital auf € 35.000. Gründungsprivilegierte und gewöhnliche Stammeinlage müssen sich nicht im gleichen Verhältnis zueinander befinden. Bspw kann A eine Stammeinlage in Höhe von € 20.000,- und eine gründungsprivilegierte Stammeinlage in Höhe von € 1.000,- übernehmen, während B eine Stammeinlage in Höhe von € 15.000,- und eine gründungsprivilegierte Stammeinlage in Höhe von € 9.000,- übernimmt. Zwischen „gewöhnlichem" und gründungsprivilegiertem Stammkapital können große betragsmäßige Unterschiede bestehen. Zulässig wäre bspw eine GmbH mit € 1.000.000,- Stammkapital, aber einem privilegierten Stammkapital von nur € 10.000.[22]
Rz 17
Jeder Gesellschafter muss eine gründungsprivilegierte Stammeinlage übernehmen, dh es gibt bei einer gründungsprivilegierten Gesellschafter keinen Gesellschafter, der ausschließlich eine gewöhnliche Stammeinlage übernimmt.[23] Falls ein Gesellschafter die Gründungsprivilegierung für sich nicht in Anspruch nehmen will, muss er eine privilegierte Stammeinlage übernehmen, die der Höhe nach seiner „gewöhnlichen" Stammeinlage entspricht (zB gründungsprivilegierte und gewöhnliche Stammeinlage je € 17.500).
Rz 18
Die gründungsprivilegierte Stammeinlage muss mindestens € 70,- betragen.[24] Dies ergibt sich aus § 6 Abs 1 GmbHG. Die Bestimmung soll die Ernstlichkeit der Beteiligung sichern sowie nicht leistungsfähige und unerfahrene Personen von der Beteiligung abhalten.[25] Aufgrund des geringen Betrags in Höhe von € 70,- wird sie ihrem Regelungsanliegen aktuell nicht mehr gerecht.[26] Dennoch ergibt sich aus diesem Zweck, dass die Bestimmung nicht nur für die „gewöhnliche", sondern auch für die gründungsprivilegierte Stammeinlage gilt. Im Lichte des Zwecks des § 6 Abs 1 letzter HS GmbHG überzeugt die Ansicht von Bachner nicht, wonach der kleinste zulässige Betrag auf € 20,- lautet, weil die € 70,- im selben Verhältnis wie das Mindeststammkapital (Summe/3,5) herabzusetzen seien.[27] Nach § 10 Abs 1 GmbHG muss auf jede gründungsprivilegierte Stammeinlage mindestens ein Viertel, jedenfalls aber ein Betrag von 70 Euro (nicht: € 20,-) eingezahlt sein.
Rz 19
Auf die gründungsprivilegierte Stammeinlage muss mindestens ein Viertel sofort geleistet werden (§ 10 Abs 1 GmbHG). Abweichend von § 10 Abs 1 GmbHG müssen die Gründer insgesamt lediglich € 5.000,- statt € 17.500,- sofort leisten. Übernehmen bspw bei einer gründungsprivilegierten GmbH mit zwei Gesellschaftern (A und B) beide eine gründungsprivilegierte Stammeinlage von je € 5.000, müssen sie zunächst je € 1.250,- einzahlen. Dies ergibt nur € 2.500, daher müssen beide Gesellschafter jeweils zusätzlich € 1.250,- leisten, damit insgesamt € 5.000,- eingezahlt sind. Die Einzahlungen auf die Stammeinlage richten sich grds nach dem Verhältnis der übernommenen gründungsprivilegierten Stammeinlage.[28] Die Gesellschafter können - innerhalb der „Viertel-Regel", abweichendes vereinbaren.[29] Bspw können die Gesellschafter vereinbaren, dass A € 3.750,- einzahlt und B € 1.250.
Rz 20
Sacheinlagen sind bei der gründungsprivilegierten GmbH unzulässig. Die Stellung der Bestimmung in Abs 3 würde den Schluss nahelegen, dass sie sich ausschließlich auf die gründungsprivilegierten Stammeinlagen bezieht. Aufschluss geben jedoch die Materialien, wonach - in Anlehnung an die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) in Deutschland - Sacheinlagen generell unzulässig sind.[30] De lege ferenda ist diese Bestimmung kritisch zu sehen. Während ein Verbot von Sacheinlagen hinsichtlich der gründungsprivilegierten Stammeinlage überzeugt, bestünde durchaus ein praktisches Bedürfnis, dass hinsichtlich der nicht-privilegierten Stammeinlage Sacheinlagen geleistet werden dürfen. Für die Gesellschafter hätte dies den Vorteil, dass sie nach Wegfall der Gründungsprivilegierung keine Bareinlagen leisten müssen (vgl Rz 25 ff). Für die Gesellschaftsgläubiger hätten Sacheinlagen ebenfalls Vorteile, weil sie zusätzlich zur Bareinlage geleistet werden und überdies sofort bei der Gründung geleistet werden müssten.[31] Zudem ist der Vergleich mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nicht überzeugend. Da die Gründer einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) das Stammkapital nahezu beliebig festsetzen können, sollen sie jenen Betrag wählen, der im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zur Barzahlung liegt.[32] Den Gründern einer gründungsprivilegierten GmbH nach § 10 b GmbHG ist dieser Weg verschlossen.[33] Nach Bachner sprechen die angeführten Gründe dafür, dass Sacheinlagen für die nicht-privilegierten Stammeinlagen zulässig sind.[34] Diese Ansicht ist mE allerdings schweren methodischen Bedenken ausgesetzt, da der sich aus den Materialien ergebende Wille des Gesetzgebers insoweit eindeutig ist und die teleologischen Erwägungen zu schwach sind, um dieses Argument aufzuwiegen. De lege lata sind Sacheinlagen daher bei der gründungsprivilegierten GmbH generell unzulässig.[35] Gründer müssen sich somit entscheiden, ob sie eine gründungsprivilegierte GmbH gründen wollen oder stattdessen auf eine „gewöhnliche" GmbH ausweichen, damit sie Sacheinlagen einbringen können.
Rz 21
Aus methodischer Sicht ist Abs 4 eine lex specialis zu § 63 Abs 1 GmbHG. Nach § 63 Abs 1 GmbHG müssen die Gesellschafter Einzahlungen auf die von ihnen übernommenen Stammeinlagen leisten, wenn sie die Gesellschaft fällig stellt. § 10b Abs 4 GmbHG weicht davon insoweit ab, als die Gesellschaft die nicht-privilegierten Stammeinlagen während aufrechter Gründungsprivilegierung nicht einfordern kann. Die Gesellschafter müssen nur die offenen privilegierten Stammeinlagen leisten, die im Regelfall € 5.000,- betragen. Für diese Stammeinlagen können die Gesellschafter Fälligkeitstermine im Gesellschaftsvertrag festlegen oder diese per Gesellschafterbeschluss einfordern (§ 63 Abs 1 GmbHG). Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung müssen die Gesellschafter Zahlungen proportional zu ihren übernommenen privilegierten Stammeinlagen leisten (§ 63 Abs 2 GmbHG).
Rz 22
Das Mindeststammkapital beträgt auch für die gründungsprivilegierte GmbH € 35.000,- (§ 6 Abs 1 GmbHG). Dies war ein Ziel des AbgÄG 2014, um Steuerausfälle zu vermeiden, weil die Mindest-KöSt von der Höhe des Mindeststammkapitals abhängt. „Faktisch" beträgt das Stammkapital nur € 10.000,-[36], weil die nicht-privilegierten Stammeinlagen nicht fällig gestellt werden können. Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung das Ziel der Vermeidung von Steuerausfällen und die Förderung von Jungunternehmern durch erleichterten Zugang zur GmbH unter einen Hut bringen.[37] Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht wirft sie einige Fragen auf. Die nicht-privilegierte Stammeinlage ist bereits entstanden, sie ist nur noch nicht fällig. Da in der Insolvenz der Gesellschaft sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft als fällig gelten,[38] müsste auch die nicht-privilegierte Stammeinlage fällig sein. Die Gründungsprivilegierung wäre für die Gesellschafter wertlos, wenn es am meisten auf sie ankäme. Im Ministerialentwurf wurde dies noch übersehen. Nunmehr schafft Abs 4 Abhilfe, indem er bestimmt, dass die Gründungsprivilegierung auch in der Insolvenz der Gesellschaft gilt.[39] Diese Problematik ist damit gelöst. Indessen ist nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber weitere Fälle übersehen hat, in denen die Regelung eines zwar entstandenen, aber nicht fälligen und nicht fällig stellbaren Stammkapitals zu Problemen führt.[40] ME ist die Regelung daher kritisch zu sehen und wird wahrscheinlich noch Anlass für Diskussionen geben.[41]
Rz 23
Der Ministerialentwurf sah noch vor, dass die gründungsprivilegierte GmbH den Rechtsformzusatz „GmbH (gründungsprivilegiert)" führen musste. Unter dem Druck der Wirtschaft wurde diese Bestimmung gestrichen.[42] Nach § 10b Abs 6 der Regierungsvorlage musste die Gesellschaft auf ihren Geschäftsbriefen, Bestellscheinen und Webseiten (§ 14 Abs. 1UGB) auf die Gründungsprivilegierung hinweisen.[43] Diese Bestimmung wurde schließlich ebenfalls gestrichen. Die Publizität der Gründungsprivilegierung wird daher nur durch das Firmenbuch sichergestellt (vgl § 11 GmbHG; § 5 Z 2a und Z 6 FBG).
Rz 24
Die Regierungsvorlage sah die Verpflichtung zur Bildung einer Gründungsrücklage vor.[44] Die Gesellschafter konnten die Gründungsrücklage auf die Einzahlungen der einzelnen Gesellschafter verrechnen. Die Bestimmung wurde schließlich ersatzlos gestrichen. Für die Gesellschafter ist dies nicht unbedingt günstig. Zwar müssen sie keine Gründungsrücklage bilden, was zunächst ein Vorteil ist. Fällt die Gründungsprivilegierung jedoch weg, müssen sie die fällig werdenden Einlagen aus ihrem Privatvermögen leisten und dazu uU zuerst Gewinne KESt-pflichtig ausschütten[45]
Rz 25
Die Gründungsprivilegierung endet entweder durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags oder ipso iure nach Ablauf von 10 Jahren nach Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch. Vor Anmeldung der Änderung zum Firmenbuch müssen die Mindesteinzahlungserfordernisse nach § 10 Abs 1 GmbHG erfüllt sein, dh es müssen insgesamt mindestens € 17.500,- und auf jede „gewöhnliche" Stammeinlage mindestens ein Viertel eingezahlt sein.[46] Im Regelfall (Stammkapital € 35.000,-; bereits eingezahlt € 5.000,-) müssen zusätzlich € 12.500,- eingezahlt werden, wobei sich der Anteil für jeden Gesellschafter nach der übernommenen „gewöhnlichen" Stammeinlage berechnet (§ 63 GmbHG). Durch den Gesellschafterbeschluss wird der Hinweis auf die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung (siehe Rz 12) sowie die gründungsprivilegierten Stammeinlagen gestrichen, die jeder Gesellschafter übernimmt.[47] Der Abänderungsbeschluss (§ 49 GmbHG) wird in das Firmenbuch eingetragen und die Eintragungen gem § 5 Z 2a und Z 6 FBG im Firmenbuch gelöscht.[48]
Rz 26
Nach Ablauf von 10 Jahren ab Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch endet die Gründungsprivilegierung jedenfalls. Lediglich in einem Ausnahmefall wirkt die Gründungsprivilegierung über den Wegfall der Gründungsprivilegierung hinaus. Wird die Gesellschaft knapp vor Ablauf der 10-Jahres-Frist insolvent, gilt die Privilegierung der Gesellschafter weiterhin. Sie können vom Insolvenzverwalter nicht zu Zahlungen über die gründungsprivilegierte Stammeinlage hinaus verhalten werden.[49]
Rz 27
Aus methodischer Sicht folgt aus dem Ende der Gründungsprivilegierung, dass die leges speciales § 10b Abs 2 - Abs 4 GmbHG nicht mehr anwendbar sind, die § 63 Abs 1 und Abs 2 GmbHG sowie § 6 Abs 1 GmbHG und § 10 Abs 1 GmbHG vorgehen. Somit sind diese leges generales zur Gänze auf die gründungsprivilegierte GmbH anwendbar.
Rz 28
Die Differenz zwischen den bereits eingezahlten Stammeinlagen und der Mindesteinzahlung gem § 10 Abs 1 GmbHG ist sofort fällig. Es bedarf keines Einforderungsbeschlusses gem § 63 Abs 1 GmbHG und keiner Zahlungsaufforderung durch den Geschäftsführer, auch wenn sich letztere in der Praxis empfehlen dürfte.[50] Der Betrag, den jeder Gesellschafter leisten muss, berechnet sich nach dessen übernommener Stammeinlage und der darauf bereits geleisteten Einzahlungen.
Bsp:[51]
Gesellschafter A: („gewöhnliche") Stammeinlage € 17.500, darauf eingezahlt € 3.750.
Gesellschafter B: („gewöhnliche") Stammeinlage € 17.500, darauf eingezahlt € 1.750.
Fehlbetrag auf € 17.500,- (§ 10 Abs 1 GmbHG) nach Wegfall der Gründungsprivilegierung: € 12.500.
Beide Gesellschafter müssen insgesamt je € 8.750,- eingezahlt haben (ein Viertel von der übernommenen Stammeinlage € 17.500,- (= € 4.375,-) zzgl die anteilige Differenz zum Fehlbetrag auf € 17.500,- (nochmals € 4.375,-).
A muss weitere € 5.000,- einzahlen (€ 8.750,- abzüglich bereits gezahlter € 3.750,-).
B muss weitere € 7.000,- einzahlen (€ 8.750,- abzüglich bereits gezahlter € 1.750,-).
Rz 29
Nach Wegfall der Gründungsprivilegierung ist die Gesellschaft berechtigt, von den Gesellschaftern die gesamte Stammeinlage einzufordern. Die Fälligkeit der offenen Resteinlage richtet sich entweder nach dem Gesellschaftsvertrag oder nach einem Gesellschafterbeschluss (§ 63 Abs 1 GmbHG). Wird die Gesellschaft nach Wegfall der Gründungsprivilegierung insolvent, sind die offenen Resteinlagen sofort fällig (vgl dazu Rz 26).[52] Der Insolvenzverwalter kann die gesamte offene Stammeinlage einfordern.
Rz 30
Fällt die Gründungsprivilegierung nach Ablauf von 10 Jahren ipso iure weg, wird der Firmenbuchstand unrichtig. Im Firmenbuch ist nämlich weiterhin die Gründungsprivilegierung eingetragen (§ 5 Z 2a und Z 6 FBG). Für den Verkehr ergibt sich der Wegfall der Gründungsprivilegierung lediglich mittelbar aus dem Datum der Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch. Solange die Mindesteinzahlungserfordernisse des § 10 Abs 1 GmbHG nicht erfüllt sind, dürfen die Firmenbucheintragungen nicht gelöscht werden.[53] Nach § 10b Abs 7 der Regierungsvorlage durfte der Hinweis auf die Gründungsprivilegierung in den Geschäftspapieren (dazu Rz 23) erst entfallen, wenn die Mindesteinzahlungserfordernisse des § 10b Abs GmbHG erfüllt waren. Nachdem der Hinweis auf die Gründungsprivilegierung in den Geschäftspapieren im Gesetzestext weggefallen ist (Rz 23), ist die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung für den Geschäftsverkehr nur noch aus dem Firmenbuch ersichtlich. Bleiben die Hinweise auf die Gründungsprivilegierung im Firmenbuch eingetragen, solange die Mindesteinzahlungserfordernisse nicht erfüllt worden, hat der Verkehr zumindest einen Hinweis, der ihn dazu veranlassen kann, hinsichtlich der bereits erfolgten Einzahlungen nachzuforschen. Fehlte auch dieser Hinweis, ergäbe sich für den Verkehr lediglich aus den bereits getätigten Einzahlungen auf die Stammeinlage (§ 5 Z 6 FBG), dass eine vormals gründungsprivilegierte GmbH vorliegt, welche die Mindesteinzahlungserfordernisse gem § 10 Abs 1 GmbHG nicht erfüllt. Für den Schutz des Verkehrs ist es mE besser, wenn er die Stammkapitalausstattung der GmbH zu gering einschätzt, weil er fälschlicherweise aufgrund der Firmenbucheintragung noch eine Gründungsprivilegierung annimmt, als wenn er fälschlicherweise von einer „regulären" GmbH ausgeht, die aber noch nicht einmal die Mindesteinzahlungserfordernisse des § 10 Abs 1 GmbHG erfüllt.
Rz 31
Auf Gesellschaften, die die vor dem 1. März 2014 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet wurden, ist die Rechtslage nach dem GesRÄG 2013 weiterhin anwendbar (§ 127 Abs 14 GmbHG). Auf Gesellschaften, die vor dem 1. März 2014 eine beabsichtigte Herabsetzung des Stammkapitals zum Firmenbuch angemeldet haben, ist § 54 Abs 3 GmbHG idF GesRÄG 2013 weiter anzuwenden (§ 127 Abs 15 GmbHG). Bereits gegründete 10.000-Euro-GmbHs sind somit nicht generell unzulässig. Einen besonderen Rechtsformzusatz oder einen Hinweis auf die Gründungsprivilegierung müssen sie entgegen § 127 Abs 18 der Regierungsvorlage nicht führen (vgl dazu Rz 23). Die Privilegierung nach dem GesRÄG 2013 ergibt sich lediglich mittelbar aufgrund des geringen Stammkapitals aus dem Firmenbuch.
Rz 32
Allerdings müssen GmbHs, deren Stammkapital das Mindeststammkapital gem § 6 Abs 1 GmbHG in Höhe von € 35.000,- nicht erreicht, bis längstens 1. März 2024 eine Kapitalerhöhung auf diesen oder einen höheren Betrag durchführen (§ 127 Abs 16 GmbHG).[54] Im Gegensatz zur gründungsprivilegierten GmbH, deren Stammkapital von Anfang an € 35.000,- beträgt, wobei ein Teil davon erst nach Wegfall der Gründungsprivilegierung fällig wird (Rz 22), erhöht sich das Stammkapital bei GmbHs, deren Stammkapital unter € 35.000,- liegt, nicht ipso iure per 1. März 2024. Solange die Gesellschafter keine Kapitalerhöhung durchführen, ändert sich das Stammkapital nicht. Bisher ist nicht geklärt, welche Sanktion droht, wenn die Gesellschafter keine Kapitalerhöhung vornehmen.[55] Die Bestimmung wird daher noch Anlass zu Diskussionen geben. Gesellschaften, die eine Kapitalerhöhung vornehmen, sind von der Eintragungsgebühr gemäß TP 10 Z I lit. b Z 4 GGG befreit (§ 127 Abs 17 GmbHG).
Rz 33
Das GesRÄG 2013[56] senkte das Mindeststammkapital der GmbH von 35.000 Euro auf 10.000 Euro (§ 6 Abs 1 GmbHG).[57] Die Notariatsgebühren, die bei der Gründung der Gesellschaft durch die gem § 4 Abs 3 GmbHG erforderliche Notariatsaktsform anfallen, berechnen sich nach der Ziffer des Stammkapitals. Daher verringerten sich mit der Neuerung im Falle einer Mindestkapitalausstattung reflexartig die anfallenden Notarkosten für die Gründer.[58] Dem Gesetzgeber ging diese Kostenersparnis aber nicht weit genug.[59] Um Neugründungen zu fördern, kamen dem Gründer einer Einpersonen-GmbH unter bestimmten Umständen in den Genuss eines besonders günstigen Tarifs (§ 5 Abs 8 Notariatstarifgesetz idF BGBl I 2013/109; in der Folge: NTG). Neben weiteren Voraussetzungen musste der Gründer in diesen Fällen dem Notar eine Errichtungserklärung[60] gem § 3 Abs 2 GmbHG vorlegen, die seitens des Notars, abgesehen von durch die Notariatsform bedingten Zusätzen, keine Änderung oder Ergänzung erforderte.
Rz 34
Da das Mindeststammkapital mit dem AbgÄG 2014 wieder auf € 35.000,- angehoben wurde, erhöhten sich reflexartig auch wieder die Notarkosten für die Gründer. Die mit § 5 Abs 8 NTG eingeführte Privilegierung wurde jedoch beibehalten. Voraussetzung ist, dass „sich die Beurkundung auf eine von einer natürlichen Person abgegebene Erklärung über die Errichtung einer die Voraussetzungen des Neugründungs-Förderungsgesetzes erfüllenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung [bezieht, ] bei der der Notar einen ihm von der Partei beigestellten endgültigen schriftlichen Entwurf verwenden kann, der sich auf den Mindestinhalt des § 4 Abs. 1 GmbHG, die Bestellung des Geschäftsführers, eine Gründungsprivilegierung (§ 10b GmbHG) sowie den Ersatz der Gründungskosten nach § 7 Abs. 2 GmbHG beschränkt und der, abgesehen von den durch die Notariatsform bedingten Zusätzen, keine Änderung oder Ergänzung erfordert".
Rz 35
Eine einfache Gründung nach § 5 Abs 8 NTG ist mE in der Praxis nur ganz ausnahmsweise anzuraten. Die Vorteile (geringe Kosten) wiegen die Nachteile meistens nicht auf. Der Gesellschaftsvertrag (genauer: Errichtungserklärung) ist auf eine Einpersonengesellschaft zugeschnitten, dh vor Aufnahme eines weiteren Gesellschafters oder einer absehbaren Unternehmensnachfolge auf mehrere Nachfolger sind umfangreiche Satzungsänderungen notwendig.[61] Auch sonst können zahlreiche Satzungsbestimmungen nicht aufgenommen werden, die in der Kautelarjurisprudenz längst usus sind.
Rz 36
Für den Notar ist die einfache Gründung nach § 5 Abs 8 NTG nicht unproblematisch. Ihn treffen umfangreiche Belehrungspflichten (§ 52 bzw genauer § 54 NO), obwohl er nahezu unentgeltlich handelt. Die Materialien halten dazu lediglich allgemein fest, dass bei der einfachen Gründung der Prüf- und Aufklärungsbedarf gering sei.[62] Der finanzielle Verlust dürfte für das Notariat verkraftbar sein und wird meiner Erfahrung nach vom Notariat als Beitrag zur Förderung von Neuunternehmern akzeptiert. Schwerer wiegt, dass der Notar regelmäßig Bedenken gegen die einfache Gründung anmelden muss (Rz 35). Zudem wird er Änderungen und Ergänzungen der Errichtungserklärung vorschlagen, denen der Gründer allerdings wegen der damit verbundenen höheren Gebühren ablehnend gegenüberstehen wird.[63] Sobald der Notar nämlich an der Satzung „einen Beistrich ändert", gilt die Privilegierung der einfachen Gründung nach § 5 Abs 8 NTG nicht mehr. Fazit: Zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber auch bei der einfachen Gründung an der Notariatspflicht festhält und damit Kritikern der Notariatsaktspflicht den Wind aus den Segeln nimmt. Gerade bei der einfachen Gründung zeigt sich, dass es eines Notars bedarf, der die Gründer auf die Risiken einer GmbH-Gründung aufmerksam macht. Kritikwürdig ist allerdings, dass der Notar in vielen Fällen in eine Position gedrängt wird, in der er einen vorgelegten Entwurf ablehnen oder Änderungen vorschlagen muss. Etwas Abhilfe könnte eine Mustersatzung schaffen. In Deutschland stellt der Gesetzgeber bspw in einer Anlage zum GmbHG ein Musterprotokoll für die vereinfachte Gründung einer GmbH bereit.[64] In diesem Fall könnte sich der Notar auf eine allgemeine Belehrung über die Risiken der einfachen Gründung beschränken und hätte Gewissheit, dass ihm nicht nachträglich die Beurkundung des vorgelegten Entwurfs wegen dessen Mangelhaftigkeit vorgworfen wird.
[1] Vgl U. Torggler, Gesellschaftsrecht (2013) Rz 12; vgl auch Harrer/Brugger/Urtz in Gruber/Harrer, GmbHG Vor § 1 Rz 22 ff [€ 187.440,-].
[2] Vgl ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 13.
[3] August 2013: 1053; September 2013: 1000; Oktober 2013: 1193.
[4] Daneben besteht ein Schadenersatzanspruch gegen den Angestellten, der hier ausgeklammert bleibt.
[5] Vgl Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts (2005) 66; vgl auch Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung (2004) 7.
[6] Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung in der GmbH - Überholtes oder sinnvolles Konzept? GeS 2005, 140; Krejci, Gegen Billig-Gesellschaften m.b.H., ÖZW 2008, 39 (45); BGH 27.9.1999, II ZR 371/98, NJW 1999, 3483; vgl Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung 8.
[7] K. Schmidt, Zur Zukunft des Eigenkapitalersatzrechts in Österreich, GesRZ 2004, 75 (75); Rüffler, GeS 2005, 140; Krejci, ÖZW 2008, 39 (42); Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht (2009) 167; siehe auch ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 13.
[8] Statt Bareinlagen können ganz allgemein auch Sacheinlagen geleistet werden (siehe aber zur gründungsprivilegierten GmbH Rz 20).
[9] Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts 84 f.
[10] Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG7 § 5 Rz 2.
[11] EuGH C-212/97 - Centros.
[12] Vgl idZ auch ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 12.
[13] Zu der „kleinen Kft" des mit 15.3.2014 in Kraft getretenen ungarischen BGB siehe Baumann, Neues GmbH-Recht in Ungarn, GmbHR 2014, 23 (24 f).
[14] Neben vielen anderen zB Krejci, Zum Entwurf eines GesRÄG 2013, GES 2013, 171; Reiner/Grafl/Chini, Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013: ein missglücktes Reformvorhaben? SWK 18/2013, 847.
[15] Vgl ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 27; Reich-Rohrwig, GmbH alt/neu/gründungsprivilegiert, ecolex 2014, 295.
[16] ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 3 ff.
[17] Unklar die Ansicht von Reich-Rohrwig, GmbH alt/neu/gründungsprivilegiert, ecolex 2014, 295 (296) [„Die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung muss im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden"].
[18] Restriktiver Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (115).
[19] Insoweit zutreffend Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (115).
[20] ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 27.
[21] Sofern das Stammkapital ebenfalls höher ist; vgl demgegenüber die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) in Deutschland, deren Stammkapital maximal € 24.999,- beträgt (§ 5a Abs 1 und Abs 5 dGmbHG); dazu Paura in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG2 § 5a Rz 34.
[22] Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (337).
[23] Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (335).
[24] Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (335 f)
[25] EBRV 236 BlgHH 17. Sess 59 und (iZm §10 GmbHG) 61.
[26] Zollner in Gruber/Harrer, GmbHG § 6 Rz 12; in der Stammfassung betrug die Mindeststammeinlage 500 Kronen, was heute etwa € 2.290,- entsprechen würde (Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts 84 in Fn 434).
[27] Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (116).
[28] Vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 10 Rz 5.
[29] Zollner in Gruber/Harrer, GmbHG § 10 Rz 9.
[30] ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 28.
[31] Insoweit zutreffend Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (117).
[32] Vgl Miras in Michalski, GmbHG2 § 5a Rz 35 mit berechtigter Kritik in Rz 36.
[33] Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (116 f).
[34] Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (116 f); unklar die Ansicht von Reich-Rohrwig, GmbH alt/neu/gründungsprivilegiert, ecolex 2014, 295 (296) [„Sacheinlagen sind für gründungsprivilegierte Stammeinlagen ausgeschlossen"].
[35] Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (336).
[36] Genauer: Mindestens € 10.000.
[37] ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 27.
[38] OGH 21.12.2000, 8 Ob 277/00v; RIS-Justiz RS0059959; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht (1983) 591; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 63 Rz 5 und Rz 7; Schopper in Straube, GmbHG § 63 Rz 33; RG 18.10.1932, II 91/32, RGZ 138, 106 (111); Ulmer/Casper in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG2 § 19 Rz 33.
[39] Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (336); vgl auch Reich-Rohrwig, GmbH alt/neu/gründungsprivilegiert, ecolex 2014, 295 (296).
[40] Näher dazu Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (336 f).
[41] Dazu Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (336 f).
[42] ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 27 („seitens der Wirtschaft als zu drastisch empfunden wurde").
[43] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00024/fname_337611.pdf
[44] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00024/fname_337611.pdf
[45] Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (338).
[46] Reich-Rohrwig, GmbH alt/neu/gründungsprivilegiert, ecolex 2014, 295 (296); vgl Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (117).
[47] Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (117).
[48] Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 115 (117).
[49] ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 28.
[50] Dazu näher Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (338).
[51] Vgl Rz 19 am Ende.
[52] Siehe die Nw in Fn 38.
[53] ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 27 f.
[54] Dies offenbar übersehend Reich-Rohrwig, GmbH alt/neu/gründungsprivilegiert, ecolex 2014, 295 (296) [„Übergangsvorschriften, dass solche GmbH in zehn Jahren ihr Stammkapital erhöhen müssen oder zwangsweise aufgelöst werden, existieren nicht"].
[55] Siehe dazu Walch, Die gründungsprivilegierte GmbH nach dem Abgabenänderungsgesetz 2014, ecolex 2014, 335 (338).
[56] BGBl I 2013/109.
[57] Krit dazu neben vielen anderen zB Krejci, Zum Entwurf eines GesRÄG 2013, GES 2013, 171; Reiner/Grafl/Chini, Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013: ein missglücktes Reformvorhaben? SWK 18/2013, 847.
[58] Dazu zB Schuschnigg, Das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013, Aufsichtsrataktuell 2013 H 5, 17 (19).
[59] ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 16.
[60] Die Materialien sprechen hier etwas unscharf vom „Gesellschaftsvertrag"; siehe ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 16.
[61] Krejci, Zum Entwurf eines GesRÄG 2013, GES 2013, 171 (178); in Deutschland ist die Problematik verschärft, weil auch eine Mehrpersonengesellschaft per Mustersatzung gegründet werden kann; vgl Wachter, Gründung einer GmbH nach MoMiG, GmbHR Sonderheft 10/2008, 5 (15).
[62] ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 16.
[63] Vgl idZ Hertel in Staudinger, BGB (2012) Vor §§ 127a, 128 Rz 462: „Der Notar ist nicht verpflichtet, Formulierungen des Entwurfs zu übernehmen, etwa wenn er meint, dass eine andere Formulierung den Willen der Beteiligten klarer ausdrückt".
[64] Dazu statt aller J. Mayer in MünchKommGmbHG § 2 Rz 223 ff; das dGmbHG enthält zwei Musterprotokolle, weil in Deutschland auch die vereinfachte Gründung einer Mehrpersonengesellschaft zulässig ist.