Inhalt:
I. Nachteilige Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen
II. Maßgeblicher Zeitpunkt der Äquivalenzprüfung
III. Bestimmung des Wertverhältnisses
IV. Omnilaterale Abfindungsvereinbarungen
V. Konflikt mit dem Pflichtteilsrecht?
VI. Ergebnis
Literatur:
F. Bydlinski, Optionsvertrag und Äquivalenzverschiebung, in FS Georgiades (2005) 53; Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010); Jabornegg, HGB; W. Jud, Privatrechtliche Grundlagen und Voraussetzungen des Firmenwertes (good will) und seine Berücksichtigung in der Unternehmensbewertung, in Egger/Jud/Lechner/Wünsch, Unternehmensbewertung (1981) 147; Kalss, Die mangelnde Anwendbarkeit der laesio enormis auf einen Aufgriffspreis im Gesellschaftsvertrag eines Familienunternehmens, GesRZ 2013, 244; Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht (2008); Kalss/Probst, Familienunternehmen (2013); Karollus, Auslegung und Gültigkeit einer Substanzwertklausel, NZ 1995, 193; Kletečka/Schauer, ABGB-ON; Koppensteiner, Über Buchwertklauseln (II), GesRZ 1991, 120; Krejci, Optionsausübung und laesio enormis insbesondere bei gesellschaftsvertraglichen Aufgriffspflichten, in FS Koziol (2010) 215; Krejci, Unternehmenswert und laesio enormis, in FS Binder (2010) 781; Rummel, ABGB3; Rüffler, Ausschluss von Gesellschaftern und Übertragungsverpflichtungen, in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung in der GmbH - Möglichkeiten und Grenzen (2005) 71; Rüffler, Zweifelsfragen zu gesellschaftsvertraglichen Aufgriffsrechten für den Fall des Konkurses eines GmbH-Gesellschafters, wbl 2008, 353; Schmidsberger, Beschränkungen der Übertragung von Geschäftsanteilen, in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung in der GmbH - Möglichkeiten und Grenzen (2005) 93; Schwimann/Kodek, ABGB4; Straube, UGB I4; Umlauft, Die Auswirkungen des Insolvenzrechts auf gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte, GesRZ 2009, 4.
In vielen Gesellschaftsverträgen sind Klauseln vorgesehen, wonach ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil den anderen Gesellschaftern zu einem festgelegten Abfindungspreis abtreten muss, wenn er aus der Gesellschaft ausscheidet.[1] Regelmäßig ist die Abfindung vergleichsweise niedrig bemessen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Bspw sollen die Mitgesellschafter davor geschützt werden, dass Dritte in die Gesellschaft eindringen, weil die Mitgesellschafter eine hohe Abfindung nicht aus ihren frei verfügbaren Mitteln aufbringen können.[2] Zudem kann eine hohe Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters das Wohl der Gesellschaft zumindest mittelbar beeinträchtigen. Die Abfindung darf zwar wegen des Grundsatzes der Kapitalerhaltung nicht unmittelbar aus dem Gesellschaftsvermögen bezahlt werden. Allerdings werden jene Gesellschafter, die abgesehen von ihrer Beteiligung nur ein geringes Vermögen haben und für die Abfindung einen Kredit aufnehmen müssen, in den folgenden Jahren auf erhöhte Ausschüttungen bestehen, sodass der Gesellschaft letztlich doch Vermögen entzogen wird. Ganz allgemein sind Abfindungsklauseln zulässig, die dem ausscheidenden Gesellschafter weniger als den Verkehrswert seines Anteils geben.[3] Unzulässig sind Vereinbarungen, welche die Gläubiger des Gesellschafters benachteiligen, wenn sie bspw eine niedrige Abfindungssumme lediglich für den Fall der Insolvenz des Gesellschafters vorsehen (§ 879 ABGB).[4] Eine weitere Grenze ist das Pflichtteilsrecht (dazu noch Pkt V).[5]
Beträgt die Abfindung für den Anteil weniger als die Hälfte des Verkehrswerts, wird sich der ausscheidende Gesellschafter idR auf die laesio enormis gem §§ 934 f ABGB berufen. Die laesio enormis ist auf den Gesellschaftsvertrag grds anwendbar.[6] Gesellschaftsverträge sind zwar entgeltfremde Verträge.[7] Es muss daher jeweils nach dem Zweck der Norm entschieden werden, ob die Bestimmungen über entgeltliche oder unentgeltliche Verträge zur Anwendung gelangen.[8] Bei der Vereinbarung von Abfindungsklauseln steht aber nicht der gemeinsame Zweck im Vordergrund. Die einzelnen Gesellschafter möchten für ihre Einlage möglichst viel an Gegenleistung erhalten, dh einen möglichst hohen Anteil am Bilanzgewinn, am Liquidationsgewinn sowie bei einem Ausscheiden aus der Gesellschaft eine möglichst hohe Abfindung. Die Vereinbarung von Abfindungsklauseln ist daher mit einem Austauschvertrag durchaus vergleichbar, sodass die Regeln über entgeltliche Verträge und insbesondere die §§ 934 ff ABGB für diese Vereinbarung „passen".[9] §§ 934 f ABGB sind somit auf Gesellschaftsverträge grds anwendbar.[10] Die subsiäre Anwendbarkeit der Bestimmungen steht mit keinen Besonderheiten des Gesellschaftsrechts in Widerspruch.
Die laesio enormis ist zwingend und kann nur unter Unternehmern ausgeschlossen werden (§ 351 UGB). Entgegenstehende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag wären daher unwirksam. Beruft sich der ausscheidende Gesellschafter erfolgreich auf die laesio enormis, wird die Abfindungklausel ex tunc aufgehoben.[11] Den Mitgesellschaftern steht lediglich die Möglichkeit offen, dem ausscheidenden Gesellschafter den vollen Verkehrswert zu ersetzen und somit zu verhindern, dass der Geschäftsanteil an einen Dritten veräußert wird (§ 934 Satz 2 ABGB).
Der OGH musste sich bereits mit einem Fall auseinandersetzen, indem sich ein Gesellschafter im Zusammenhang mit einer Abfindungsklausel auf die laesio enormis berief.[12] Nach dem veröffentlichten Sachverhalt wurde im Jahr 1992 eine GmbH gegründet. Noch am Tag der Gründung bot ein Gesellschafter einem Mitgesellschafter die Abtretung seines Geschäftsanteils zu einem wertgesicherten Abtretungspreis in Höhe der übernommenen Stammeinlage von 50.000 Schilling an. Es handelte sich also nicht um eine gegenseitige Vereinbarung, die beiden Gesellschaftern wechselseitig ein Recht auf Übernahme des Anteils vom jeweils anderen Gesellschafter einräumt, falls dieser aus der Gesellschaft ausscheidet (dazu Pkt IV). Stattdessen hatte nur ein Gesellschafter das Recht auf Ausübung der Option. Acht Jahre später erklärte dieser, vom Abtretungsanbot Gebrauch zu machen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Wert des Geschäftsanteils weit über den vereinbarten 58.000 Schilling[13]. Der OGH entschied, dass die Voraussetzungen für die laesio enormis erfüllt seien. Maßgeblicher Zeitpunkt sei nicht nur jener des Abschlusses des Optionsvertrags, sondern auch jener der Ausübung der Option selbst. Der Abtretungsvertrag komme erst mit der Ausübung des Optionsvertrags zustande. Insofern handle es sich in Wahrheit um einen zweiaktigen Vorgang, der einem Offert und der nachfolgenden Annahmeerklärung ähnlicher sei als einem zweiseitig verbindlichen Vorvertrag. Der Optionsgeber sei nämlich allein aus dem Vorvertrag noch zu keiner Leistung verpflichtet. Zudem verlange der Zweck der laesio enormis, die objektive Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung in einem gewissen Rahmen zu gewährleisten, dass man für den Bewertungszeitpunkt nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Optionsvertrags abstellt, in welchem noch völlig ungewiss ist, ob und wann ein Leistungsaustausch erfolgen wird, sondern auf den Zeitpunkt der Optionsausübung.
Im Ergebnis ist dem OGH für den vorliegenden Fall wohl zuzustimmen, wobei der Sachverhalt für eine abschließende Beurteilung zu wenig hergibt. Allerdings verleitet die Entscheidung dazu, die Frage der Zulässigkeit von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen im Hinblick auf die laesio enormis zu verallgemeinern. ME sind Abfindungsklauseln uU auch dann nicht nach der laesio enormis anfechtbar, wenn der Abfindungspreis unter der Hälfte des Verkehrswerts liegt.
Zunächst ist der Rechtssatz des OGH von Interesse, wonach sich das Missverhältnis des Werts nach dem Zeitpunkt der Ausübung der Option bemisst, weil die Ausübung der Option eher mit einer Annahmeerklärung als mit einem Vorvertrag vergleichbar sei. Das trifft mE in dieser Allgemeinheit nicht zu. Anbotsteller und Vertragspartner eines Optionsvertrags sind zwar insofern miteinander vergleichbar, als beide an ihre Willenserklärung grds gebunden sind. Der Anbotsteller ist an das Anbot für einen gewissen Zeitraum gebunden, sofern er die Bindungswirkung nicht ganz oder teilweise einschränkt (§ 862 ABGB). Von dieser Bindungswirkung kann er sich nicht mehr einseitig befreien. Der entscheidende Unterschied zwischen Anbot und Option ist jedoch, dass bei einem Optionsvertrag bereits bei dessen Abschluss eine Einigung der Parteien erfolgt. Die Parteien verständigen sich darauf, dass eine Partei eine Option einräumt und diese dafür eine Gegenleistung erhält. Grundsätzlich obliegt es dabei den Parteien, für einen ausgewogenen Vertrag zu sorgen, dh für eine angemessene Gegenleistung. Falls Preisschwankungen zu befürchten sind, müssen die Vertragspartner diese Risiken einkalkulieren, was sich in aller Regel in einer höheren Gegenleistung für die eingeräumte Option widerspiegelt. Die laesio enormis stellt in diesem Zusammenhang sicher, dass die Gegenleistung in keinem krassen Missverhältnis zur eingeräumten Option steht. Demgegenüber erhält der Anbotsteller, der sich bspw für einen längeren Zeitraum bindet, keine andere Gegenleistung als die Hoffnung auf einen Vertragsschluss. Das Risiko von Preisschwankungen ist bei einem bindenden Anbot nicht „eingepreist".
Wenn der OGH bei Ausübung der Option (neuerlich) prüft, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen, nimmt er dem Optionsgeber das Risiko der Preisentwicklung ab. Falls die Parteien bspw 2003 vereinbart hätten, dass der Verkäufer 2013 eine Feinunze Gold zum Preis von 400 Euro liefern muss, wäre dies aus damaliger Sicht bei einem Goldkurs von unter 400 Euro kein unausgewogenes Geschäft gewesen.[14] Anfang 2013 liegt der Goldkurs jedoch bei zeitweise über 1200 Euro (Ende 2013: nur noch bei 925 Euro), sodass der Preis für die Feinunze Gold weniger als die Hälfte des tatsächlichen Werts ausmacht. Das Geschäft ist dennoch nicht unter Berufung auf die laesio enormis anfechtbar, weil sich das Missverhältnis des Wertes gem § 934 letzter Satz ABGB nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes bestimmt. Die Parteien können ebenso vereinbaren, dass der Käufer zunächst jedenfalls 100 Euro bezahlt und dafür das Recht erhält, im Jahr 2013 zu entscheiden, ob er das Geschäft zu einem Preis von 400 Euro tatsächlich abwickeln will. Ist der Kurs im Jahr 2013 unter 500 Euro (400 Euro + 100 Euro), hätte der Käufer besser auf das Geschäft im Jahr 2003 verzichtet, weil er für seine Feinunze Gold im Ergebnis 500 Euro bezahlen muss oder die bereits bezahlten 100 Euro verliert. Liegt der Kurs über 500 Euro, hat sich das Geschäft für den Käufer gelohnt.
Die Rsp des OGH, der im Jahr 2013 neuerlich prüfen würde, ob die Leistung und Gegenleistung in keinem krassen Missverhältnis stehen, würde zur Anwendbarkeit der laesio enormis führen, weil der Preis lediglich 500 Euro beträgt und der tatsächliche Wert bei 1200 Euro liegt. Der Käufer müsste zusätzlich 700 Euro zahlen, wenn er die Feinunze Gold erwerben möchte (§ 934 Satz 2 ABGB). Gänzlich außer Betracht bliebe, dass der Verkäufer dem Käufer das Risiko der Kursentwicklung abgenommen und als Gegenleistung 100 Euro erhalten hat.
Der entscheidende Zeitpunkt ist daher mE der Abschluss des Optionsvertrags. Aus der ex ante Sicht des Jahres 2003 ist zu beurteilen, ob ein Preis von 100 Euro für die Übernahme des Risikos von Kursschwankungen angemessen ist. Nachträglich kann sich herausstellen, dass der Käufer Glück hatte und sogar mehr als das Doppelte der gezahlten 100 Euro erhält, doch ist solch ein aleatorisches Element der österreichischen Rechtsordnung nicht fremd. Schließen beispielsweise zwei Parteien einen Leibrentenvertrag ab und verunglückt die von der Leibrente begünstigte Person einen Monat später, ist der Vertrag dennoch nicht wegen laesio enormis anfechtbar. Eine Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte wäre allenfalls dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewiss ist, dass der Leibrentenberechtigte gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung weniger als die Hälfte an Gegenleistungen erhalten wird, als er selbst geleistet hat,[15] weil er zB schon 85 Jahre alt ist. Auch für die Einräumung einer Option gilt, dass diese wegen laesio enormis anfechtbar ist, wenn die zu erwartende Leistung aus dem Optionsvertrag in einem krassen Missverhältnis zur erhaltenen Leistung steht.
Die Besonderheit der E OGH 1 Ob 67/03i lag darin, dass der Optionsunterworfene keine Gegenleistung für die Einräumung des Optionsrechts erhalten hatte. Der Optionsunterworfene hatte kein Entgelt für die Übernahme des Risikos bekommen. Eine Äquivalenzprüfung zwischen übernommenem Risiko und Entgelt für die Option war daher nicht möglich. Der Sache nach war die Vereinbarung in OGH 1 Ob 67/03i mit einem bindenden Anbot vergleichbar.[16] Der Optionsberechtigte hatte wie bei einem Anbot das Recht, durch seine Zustimmung den Vertrag in Gang zu setzen, ohne dass er für diese Befugnis seinerseits eine Verpflichtung übernommen hätte. Daher sprechen gute Gründe dafür, in diesen Fällen wie bei einer Offerte auf den Zeitpunkt abzustellen, indem der Hauptvertrag abgeschlossen wird.[17]
Als Zwischenergebnis bleibt somit festzuhalten, dass bei der Äquivalenzprüfung gem § 934 ABGB nur dann auf den Zeitpunkt der Ausübung der Option abzustellen ist, wenn der Optionsunterworfene für die Einräumung der Option keine Gegenleistung bekommt. Ansonsten kommt es auf den Zeitpunkt der Einräumung der Option an.[18] Falls der Optionsunterworfene eine Gegenleistung für die Einräumung der Option erhält, übernimmt er das Risiko nachträglicher Kursschwankungen. Die Vereinbarung kann gegen § 934 ABGB verstoßen, wenn sie für den Optionsunterworfenen ex ante sehr ungünstig ausgestaltet ist. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass die Parteien verbindlich einen Kaufvertrag zu einem fixierten Preis vereinbaren und der Liefertermin in der Zukunft liegt. Die Gegenleistung liegt darin, dass jede Partei die Chance auf eine für sie günstige Preisentwicklung hat. Dasselbe gilt für einen Vorvertrag (§ 936 ABGB).[19] Diese Vereinbarungen können ebenfalls gegen § 934 ABGB verstoßen, wenn sie ex ante bei Abschluss des Vertrags derart nachteilig für eine Partei ausgestaltet sind, dass die benachteiligte Partei voraussichtlich weniger als die Hälfte des Werts der eigenen Leistung erhalten wird.
Das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann bei einer Abfindungsklausel in der Praxis schwierig bestimmt werden.[20] Während bei einem Leibrentenvertrag die zu erwartenden Leistungen vergleichsweise einfach geschätzt werden können, weil die einzige unbekannte Komponente die Lebenserwartung des Leibrentenberechtigten ist, ist eine Abfindungsvereinbarung schwieriger zu bewerten. Krejci weist nachdrücklich darauf hin, dass selbst im Zeitpunkt der Ausübung der Option nicht klar ist, wie hoch der tatsächliche Wert des Unternehmens ist.[21] Je nach Bewertungsansatz kann der ermittelte Unternehmenswert schwanken, zT um über 100 Prozent. Im Gegensatz zu Krejci folgt aus diesen Bewertungsschwierigkeiten mE nicht, dass die laesio enormis unanwendbar wäre.[22] Der Richter steht auch in anderen Fällen wie bspw bei der Bewertung von Kunstwerken vor Bewertungsschwierigkeiten und muss diese bewältigen.[23] Ebenso muss er trotz aller Unzulänglichkeiten einen Bewertungsansatz finden, um den „wahren" Wert des Unternehmens festzustellen.[24] Diese Ansicht deckt sich mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung: Der (für das Gesellschaftsrecht zuständige) 6. Senat hat in einer aktuellen Entscheidung erkannt, dass nach stRsp Unternehmen einer Bewertung zugänglich sind und die laesio enormis daher auf die Abtretung eines Geschäftsanteils anwendbar sei.[25] Demzufolge wird auch die Anwendbarkeit der laesio enormis auf Abfindungsklauseln nicht an der mangelnden Bewertbarkeit des Unternehmens scheitern.
Der Richter muss zunächst beurteilen, ob die Berechnung des Abtretungspreises in der Abfindungsvereinbarung derart benachteiligend ist, dass der aus der Option Verpflichtete damit rechnen muss, im Falle der Ausübung der Option voraussichtlich weniger als die Hälfte des Verkehrswerts zu erhalten. Das wird bspw bei einer Buchwertklausel der Fall sein, wenn also der Berechnung des Übernahmepreises die Buchwerte des von der Gesellschaft (künftig) betriebenen Unternehmens zugrunde gelegt werden und zu erwarten ist, dass sich hohe stille Reserven bilden werden. In einem zweiten Schritt muss der Richter prüfen, ob der aus der Option Verpflichtete eine Gegenleistung erhält und ob dieser Vorteil die nachteilige Berechnungsmethode aufwiegt. Die Bewertung des Wertverhältnisses kann sich daher äußerst kompliziert gestalten, weil die Gleichung viele unbekannte Variablen aufweist.
In einem „Sonderfall" fallen die unbekannten Variablen weg. Falls die Gesellschafter eine Abfindungsvereinbarung treffen, die für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt, ist diese für keinen der Gesellschafter benachteiligend.[26] Der „Sonderfall" ist freilich die Regel, weil ein Gesellschafter der Abfindungsvereinbarung ja nicht deshalb zustimmt, um dafür ein Entgelt zu erhalten. Die Gegenleistung besteht vielmehr darin, dass der Gesellschafter davon profitiert, wenn ein anderer Gesellschafter vor ihm ausscheidet und von derselben Abfindungsklausel betroffen ist. Lediglich für den Fall, dass nur einzelne Gesellschafter von einer Abfindungsklausel (mit einem geringen Abfindung) betroffen sind ist zu prüfen, ob diese ein Äquivalent für die Einräumung der Option erhalten.
Sollte der Abfindungspreis sehr niedrig bemessen sein, ist der ausscheidende Gesellschafter zwar stark benachteiligt. Er profitiert dafür aber umso mehr, falls vor ihm ein anderer Gesellschafter ausscheidet. Die Abfindungsvereinbarung ist per se ausgewogen, weil sie auf Gegenseitigkeit basiert. Die einzige unbekannte Variable in der Gleichung ist das voraussichtliche Ausscheiden der einzelnen Gesellschafter. Sofern bspw ein Gesellschafter mit hoher Wahrscheinlichkeit in wenigen Jahren aus der Gesellschaft ausscheidet, wäre er durch einen geringen Abfindungspreis benachteiligt. Ebenso unausgewogen wäre ein Hinauskündigungsrecht ohne wichtigen Grund, weil ein Gesellschafter gegen seinen Willen zu einem niedrigen Abfindungspreis aus der Gesellschaft ausscheiden müsste.[27] Abgesehen von diesen unausgewogenen Regelungen dürfte in vielen Fällen vorab nicht klar sein, welcher Gesellschafter zuerst ausscheiden wird, sodass das Risiko des frühzeitigen Ausscheidens auf alle Gesellschafter gleichmäßig verteilt ist.
Viele Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen werden daher die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 934 ABGB nicht erfüllen. Bei zu erwartenden geringen Abfindungssummen bspw aufgrund einer Buchwertklausel beinhalten die Abfindungsklauseln ein gewisses aleatorisches Element. Leistung und Gegenleistung stehen jedoch nicht in einem krassen Missverhältnis, das eine Anfechtung wegen laesio enormis erlauben würde.
Ganz allgemein dürfen Abfindungsklauseln dürfen kein zwingendes Erbrecht verletzen. Eine niedrig bemessene Abfindungsklausel kann daher gegen das Pflichtteilsrecht verstoßen, wenn das restliche Vermögen des Erblassers nicht ausreicht, um die Pflichtteilsansprüche zu begleichen.[28] Für den Fall, dass bei omnilateralen Abfindungsvereinbarungen alle Gesellschafter die gleiche Chance hatten, dass die Mitgesellschafter früher versterben als sie selbst, steht das Pflichtteilsrecht einer niedrig bemessenen Abfindungsklausel nicht entgegen.[29] In diesem Fall ist nämlich keine Umgehung des Erbrechts zu befürchten. Der Erblasser hat bereits zu Lebzeiten eine Gegenleistung erhalten, und zwar in Form einer Chance auf den Erwerb günstiger Geschäftsanteile seiner Mitgesellschafter, falls diese früher verstorben wären. Von diesem günstigen Erwerb hätten gegebenfalls mittelbar auch die Pflichtteilsberechtigten durch den höheren Nachlass profitiert. Eine niedrig bemessene Abfindungsklausel stellt in diesem Fall auch keine gemischte Schenkung dar, die nach § 785 ABGB bei der Berechnung des Pflichtteils (pflichtteilerhöhend) anzurechnen wäre, weil die Abfindungsklausel keinen Schenkungscharakter aufweist.[30] Im Ergebnis ist eine niedrig bemessene Abfindungsklausel nicht nur mit der laesio enormis, sondern auch mit dem Pflichtteilsrecht vereinbar, sofern alle Gesellschafter ex ante dieselbe Chance haben, dass sich die Vereinbarung zu ihren Gunsten auswirkt.
(1) § 934 ABGB ist grds auf Abfindungsklauseln im Gesellschaftsrecht anwendbar.
(2) Bei „omnilateralen" Abfindungsklauseln, an denen alle Gesellschafter beteiligt sind und bei denen aus der Sicht ex ante nicht abschätzbar ist, welche Gesellschafter früher aus der Gesellschaft ausscheiden werden, kann auch ein sehr niedriger Abfindungspreis nicht nach § 934 ABGB angefochten werden.
Zur Person:
MMag. Mathias Walch ist als Universitätsassistent am Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der Universität Innsbruck tätig.
Kontakt: mathias.walch@uibk.ac.at
http://www.uibk.ac.at/unternehmensrecht/unternehmensrecht/
[1] Anwachsungsklauseln, die einen ipso-iure-Übergang des Geschäftsanteils vorsehen, sind für die GmbH unzulässig; OGH 7.8.2008, 6 Ob 150/08i, GesRZ 2009, 37 (zust Schopper).
[2] Krejci, Optionsausübung und laesio enormis insbesondere bei gesellschaftsvertraglichen Aufgriffspflichten, in FS Koziol (2010) 215 (231).
[3] OGH 16.3.2007, 6 Ob 142/05h; Umlauft, Die Auswirkungen des Insolvenzrechts auf gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte, GesRZ 2009, 4 (9 f).
[4] OGH 16.3.2007, 6 Ob 142/05h; OGH 7.8.2008, 6 Ob 150/08i; ausführlich Rüffler, Zweifelsfragen zu gesellschaftsvertraglichen Aufgriffsrechten für den Fall des Konkurses eines GmbH-Gesellschafters, wbl 2008, 353 (358 ff); Schmidsberger, Beschränkungen der Übertragung von Geschäftsanteilen, in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung in der GmbH - Möglichkeiten und Grenzen (2005) 93 (120 f); Kalss, Die mangelnde Anwendbarkeit der laesio enormis auf einen Aufgriffspreis im Gesellschaftsvertrag eines Familienunternehmens, GesRZ 2013, 244 (246).
[5] Kalss in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010) § 32 Rz 35 u 40.
[6] OGH 21.9.1976, 1 Ob 708/65, GesRZ 1977, 23; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 934 Rz 1
[7] OGH 16.3.1966, 6 Ob 345/65, JBl 1967,257; Grillberger in Rummel, ABGB3, § 1175 Rz 22; aA OGH 3.6.1950, 2Ob547/49; OGH 28.3.1956, 1 Ob 185/56; vgl auch Jabornegg in Jabornegg, HGB § 105 Rz 25, der zwar davon ausgeht, dass Gesellschaftsverträge entgeltlich sind. Die Bestimmungen über entgeltliche Verträge seien aber nur eingeschränkt anwendbar.
[8] U. Torggler in Straube, UGB I4 § 105 Rz 59.
[9] Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht (2008) Rz 1/69 und 1/73 aE.
[10] AA Kalss/Probst, Familienunternehmen (2013) Rz 18/83.
[11] Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 934 Rz 9.
[12] OGH 25.3.2003, 1 Ob 67/03i.
[13] 8.000 Schilling resultieren aus der Wertsicherungsklausel.
[14] Der historische Goldpreis ist bspw online abrufbar unter <http://www.finanzen.at/rohstoffe/goldpreis/euro?rd=fn>.
[15] Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 934 Rz 2.
[16] F. Bydlinski, Optionsvertrag und Äquivalenzverschiebung, in FS Georgiades (2005) 53 (66).
[17] F. Bydlinski, Optionsvertrag und Äquivalenzverschiebung, in FS Georgiades (2005) 53.
[18] Krejci, Optionsausübung und laesio enormis insbesondere bei gesellschaftsvertraglichen Aufgriffspflichten, in FS Koziol (2010) 215; Kalss/Probst, Familienunternehmen (2013) Rz 18/78 [unter mE unzutr Berufung auf OGH 4 Ob 44/11s und OGH 8 Ob 148/09m]; offen lassend OGH 19.5.2010, 8 Ob 148/09m.
[19] Vgl OGH 19.5.2010, 8 Ob 148/09m.
[20] Ausführlich Krejci, Unternehmenswert und laesio enormis, in FS Binder (2010) 781.
[21] Krejci, Unternehmenswert und laesio enormis, in FS Binder (2010) 781.
[22] Krejci, Unternehmenswert und laesio enormis, in FS Binder (2010) 781 (791): „Der Tatbestand der laesio enormis würde aber voraussetzen, dass sich ein eindeutig bestimmbarer „wahrer" Wert ermitteln ließe, der die von den Parteien vorgenommene Bewertung als grob unrichtig erscheinen lässt."; nach Krejci führt jede erlaubte Methode der Unternehmensbewertung zu einem „wahren" Wert.
[23] Dazu Krejci, Unternehmenswert und laesio enormis, in FS Binder (2010) 781 (785 ff).
[24] Vgl auch W. Jud, Privatrechtliche Grundlagen und Voraussetzungen des Firmenwertes (good will) und seine Berücksichtigung in der Unternehmensbewertung, in Egger/Jud/Lechner/Wünsch, Unternehmensbewertung (1981) 147 (190 f): „Trotzdem aber ist der gemeine Wert feststellbar."
[25] OGH 4.7.2013, 6 Ob 64/13z.
[26] Ähnlich Kalss/Probst, Familienunternehmen (2013) Rz 18/91; Kalss, Die mangelnde Anwendbarkeit der laesio enormis auf einen Aufgriffspreis im Gesellschaftsvertrag eines Familienunternehmens, GesRZ 2013, 244 (248); vgl bereits Krejci, Optionsausübung und laesio enormis insbesondere bei gesellschaftsvertraglichen Aufgriffspflichten, in FS Koziol (2010) 215 (232 f), der diese Konsequenz jedoch nicht zieht.
[27] Vgl Karollus, Auslegung und Gültigkeit einer Substanzwertklausel, NZ 1995, 193; die Kombination von Buchwertklausel und Ausschluss ohne wichtigem Grund ist sittenwidrig; dazu nur Rüffler, Ausschluss von Gesellschaftern und Übertragungsverpflichtungen, in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung in der GmbH - Möglichkeiten und Grenzen (2005) 71 (88).
[28] Siehe Fn 5.
[29] Vgl Koppensteiner, Über Buchwertklauseln (II), GesRZ 1991, 120 (120); vorsichtig zustimmend Kalss in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010) § 32 Rz 37.
[30] Vgl allgemein zur gemischten Schenkung iZm § 785 ABGB Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 785 Rz 5.