1. Kündigungsanfechtung: Der gekündigte Arbeitnehmer erlangt sein individuelles Anfechtungsrecht nur dann, wenn er den Betriebsrat (erfolglos) aufgefordert hat, seine Kündigung anzufechten: OGH 30.08.2001, 8 ObA 177/01i, RdW 2002/360. Freilich sind an Form und Inhalt dieser Aufforderung keine strengen Maßstäbe anzusetzen. Es reicht schon aus, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebsrat die Anfechtung erörtert und mit ihm dann vereinbart, die Anfechtung selbst vorzunehmen: OGH 05.09.2001, 9 ObA 191/01f, RdW 2002/361 = DRdA 2002, 279.
Auch Änderungskündigungen sind anfechtbar, wenn die Annahme des Anbotes dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist: OGH 22.04.2010, 8 ObA 23/10f, ecolex 2010/254, 695 = ARD 6086/2/2010. Somit ist eine zumutbare Änderungskündigung nicht nach § 105 ArbVG anfechtbar: OLG Wien 20.04.2009, 8 Ra 153/08s, ARD 5980/6/2009. Zu den Anfechtungsfristen bei Änderungskündigungen: OGH 22.02.2011, 8 ObA 54/10f, RdW 2011/361, 353.
Kündigung wehrhafter Arbeitnehmer: Angefochten kann eine Kündigung werden, deren Motiv die "offenbar nicht unberechtigte Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer" ist (§ 105 Abs.3 Z.1 lit.i ArbVG). Zu Deutsch: Wurde der Arbeitnehmer deshalb gekündigt, weil er auf die Erfüllung einer berechtigten und strittigen Forderung aus dem Arbeitsverhältnis bestanden hat, so kann er die Kündigung anfechten. Das Anfechtungsrecht steht also nicht zu, wenn das Anliegen entweder unberechtigt oder gar nicht strittig war: OGH 24.11.2008, 7 Ra 85/08h, ARD 5969/6/2009 (Beharren auf Urlaubswunsch). Kann der Arbeitgeber der Anfechtungsklage dadurch entgehen, daß er einfach behauptet, die berechtigten Ansprüche des Gekündigten nie in Frage gestellt zu haben?
Verpöntes Motiv der Kündigung (§ 105 Abs 5 ArbVG) - Zur Glaubhaftmachung des verpönten Motivs im Anfechtungsverfahren: OGH 22.12.2010, 9 ObA 27/10a, ARD 6147/7/2011 (Fahrkartenkontrollor). Anscheinsbeweis des gekündigten Arbeitnehmers genügt: OLG Wien, 24.04.2009, 7 Ra 111/08g, ARD 6020/5/2010; OGH 22.12.2010, 9 ObA 27/10a, ecolex 2011/45, 353.
Kein verpöntes Motiv: Ablehnung eines Vorschlages zur Neuregelung der Arbeitszeit: OGH 21.12.2011, 9 ObA 64/11v, ARD 6212/6/2012 (Gleitzeitvereinbarung aufgelöst).
Literatur dazu: Gerhartl, Anfechtung einer Kündigung wegen Geltendmachung von Rechten, taxlex 2011, 346.
2. Entlassungsanfechtung: Der Entlassungsschutz des § 106 ArbVG gilt auch für befristete Arbeitsverhältnisse. OGH 21.04.2004, 9 ObA 31/04f, DRdA 2005/20, 309 = ecolex 2004/343, 732.
3. Wartezeit zum Erwerb der Anfechtungslegitimation: 6 Monate Betriebszugehörigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG). Zur Berechnung dieser Frist: OGH 25.05.2011, 8 ObA 28/11t, ARD 6186/2/2011 (ehem. leitender Angestellter).
4. Anfechtungsfrist: beträgt eine Woche - für den Betriebsrat: ab Verständigung von der Kündigung, für den Arbeitnehmer: nach Ablauf der Frist für den Betriebsrat; wenn kein BR vorhanden: nach Zugang der Kündigung oder Entlassung: §§ 105 Abs.4 und 107 ArbVG.
Beachte dazu die Neufassung des § 105 Abs 1 ArbVG durch BGBl I 101/2010 (erläutert in Rauch, Verständigung des Betriebsrates vor einer beabsichtigten Kündigung unter Berücksichtigung der jüngsten Neuerungen, ASoK 2011, 146).
Die Tage des Postlaufes werden nur dann nicht in die Frist eingerechnet, wenn die Klage an das zuständige Arbeits- und Sozialgericht addressiert ist: OGH 27.01.2009, 8 ObA 80/08k, ARD 5965/9/2009 = RdW 2009/608, 599. Anders noch das OLG Wien: Die einwöchige Frist sei auch dann gewahrt, wenn die Klage am letzten Tag der Frist bei einem unzuständigen Arbeits- und Sozialgericht einlangt und später an das zuständige überwiesen wird: OLG Wien 18.08.2008, 9 Ra 94/08x. Siehe dazu Schmid, Fristwahrung bei Klagseinbringung bei örtlich unzuständigem Arbeits- und Sozialgericht, ASoK 2009, 128.
Nach Versäumung der Frist keine Wiedereinsetzung, wenn der Arbeitnehmer zumutbare Erhebungen über mögliche Rechtsbehelfe unterlassen hat: OLG Wien 04.05.2009, 8 Ra 21/09f, ARD 6020/4/2010.
"Verfrühte" Kündigungsanfechtung wirksam: OGH 11.05.2010, 9 ObA 26/10d, RdW 2010/706, 702 = ASoK 2010, 445.
5. Klagebegehren: Bei sozialwidriger und sittenwidriger Kündigung muß neben der Anfechtung eventual auch die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses begehrt werden: OGH 22.12.2010, 9 ObA 30/10t, ARD 6143/5/2011 = RdW 2011/360, 352.
Literatur: Enzelsberger, Beendigung und Krankenstand, ecolex 2009, 196; Rauch, Fristen für die Anfechtung von Kündigungen, ASoK 2009, 318; Wagnest, Giga-Checkliste: Kündigungsanfechtungen, ecolex-blocked 2010/41, 1 (im Juliheft) .