Kommentar zum § 28 KartG 2005

Norbert Gugerbauer3 am 03.09.2013

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Feststellungsinteresse

1) § 28 Abs 1 KartG 2005 stellt für die Feststellung beendeter Zuwiderhandlungen auf ein berechtigtes Interesse ab, ohne dieses näher zu bestimmen. In seiner Entscheidung 16 Ok 8/08 hat der Oberste Gerichtshof eingehend zur Frage des Feststellungsinteresses Stellung genommen. Demnach unterscheidet sich das in § 28 Abs 1 KartG 2005 für die Feststellung beendeter Zuwiderhandlungen geforderte berechtigte Interesse vom bereits Voraussetzung für die Antragslegitimation eines Unternehmens bildenden Vorliegen eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesses an der Entscheidung (§ 36 Abs 4 Z 4 KartG 2005; 16 Ok 13/08).

2) Zusammengefasst gelangte der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung zur Auffassung, im Hinblick auf zahlreiche systematische Erwägungen und die Folgeprobleme, die eine Verlagerung der Klärung kartellrechtlicher Vorfragen von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen in das Kartellverfahren mit sich brächte, solle eine derartige Lösung nicht im Wege der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung entwickelt, sondern im Rahmen einer Gesamtregelung des „Private Enforcement" von Kartellverstößen vom Gesetzgeber getroffen werden. Die bloße Absicht, zivilrechtliche Schadenersatzansprüche zu erheben, rechtfertige die Erhebung eines Feststellungsbegehrens im Kartellverfahren daher nicht. Auch bei einer einschränkenden Auslegung des § 28 Abs 1 KartG werde die Regelung nicht jeglichen Anwendungsbereichs beraubt. hier sei neben der Feststellung vergangener Kartellverstöße als Vorbereitung eines Bußgeldverfahrens (16 Ok 4/07 = RIS-Justiz RS0122739) auf die Klärung strittiger Rechtsfragen zu verweisen, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausreicht (16 Ok 13/08; a.A. Hoffer/Innerhofer, OZK 2008, 233).

3) Dies entspricht der heute herrschenden Auffassung im europäischen Wettbewerbsrecht (vgl auch EuGH Rs C-119/97 P, Ufex, Rz 94; Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 32 Rz 4). Demnach besteht ein berechtigtes Interesse der Kommission zur Feststellung vergangenen Zuwiderhandelns, wenn die ernste Gefahr einer Wiederaufnahme der wettbewerbswidrigen Praxis besteht und deshalb eine Klarstellung der Rechtslage geboten erscheint. Nach Immenga/Mestmäcker (aaO) steht dem der Fall gleich, dass die nachteiligen Wirkungen einer missbräuchlichen Praxis - trotz ihrer zwischenzeitlichen Aufgabe - fortbestehen, sodass auch die Notwendigkeit zu ihrer Beseitigung andauere (16 Ok 13/08). Insofern darf auch ein Antrag auf Feststellung  der Unzulässigkeit eines - angeblich -  missbräuchlichen und Wiederholungsgefahr begründenden Verhaltens gestellt werden (16 Ok 13/08).

 

Feststellungsanträge gegen Kronzeugen

4) Solange die BWB in Anwendung des § 11 Abs 3 WettbG einem Unternehmen Kronzeugenstatus zugestand, konnte sie nach § 28 Abs 1 KartG 2005 nicht gleichzeitig unter Negierung dieser Tatsache einen Feststellungsantrag damit begründen, dass wegen des - mittlerweile beendeten - Zuwiderhandelns eine Geldbuße verhängt werden könnte (16 Ok 4/09). Ebensowenig reichte ein Vorbringen, dass allenfalls in der Zukunft ein Umstand eintreten könnte, der die Zuerkennung des Kronzeugenstatus beseitigen könnte. Nach dem KartG 2005 bestand auch keine Feststellungskompetenz in Bezug auf einen sich möglicherweise in der Zukunft ereignenden Sachverhalt (16 Ok 19/04 - Tennisbälle). Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung eines vergangenen und beendeten Verhaltens nach § 28 Abs 1 KartG 2005 folgte nicht schon daraus, dass sich in Zukunft ergeben könnte, dass die BWB eine Voraussetzung des § 11 Abs 3 WettbG - insbesondere jene der Nichtausübung von Zwang nach § 11 Abs 3 Z 4 WettbG - zu Unrecht angenommen habe (16 ok 4/09).

5) Mit dem durch das KaWeRÄG 2012 eingefügten Abs 1a sollen auch gegen Kronzeugen Feststellungsanträge ermöglicht werden. Eine solche Feststellung soll als Erschwerungsgrund im Geldbußenverfahren wegen eines weiteren Verstoßes herangezogen werden können. Wegen des engen Zusammenhangs mit dem Bußgeldverfahren bleibt die Antragsbefugnis hiefür auf die Amtsparteien beschränkt (RV, 1804 d Blg XXIV GP).

 

Feststellungsanträge zur Vorbereitung von Schadenersatzklagen

6) Über den neuen Abs 1a werden Feststellungsanträge aber auch zur Vorbereitung von Schadenersatzklagen zugelassen. Feststellungsanträge zur Vorbereitung von Schadenersatzklagen sollen aber nicht zu einer Beeinträchtigung der im öffentlichen Interesse gelegenen Kartellrechtsdurchsetzung führen oder Parallelverfahren zu den gleichen Rechtsverletzungen ermöglichen. In Hinblick darauf, dass der Öffentlichkeit mit der Änderung des § 37 ohnedies der Zugang zu Entscheidungen eröffnet wird, ist diese Möglichkeit nur für solche Fälle vorgesehen, in denen nicht ohnedies bereits eine einschlägige Entscheidung des Kartellgerichts vorliegt oder ein darauf gerichtetes Verfahren anhängig ist (RV, 1804 d Blg XXIV GP).


§ 28 KartG 2005 | 6. Version | 465 Aufrufe | 03.09.13
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Norbert Gugerbauer3
Zitiervorschlag: Norbert Gugerbauer3 in jusline.at, KartG 2005, § 28, 03.09.2013
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