TE Vwgh Erkenntnis 1959/2/26 2192/58

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Veröffentlicht am 26.02.1959
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Pilat und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Umshaus, Dr. Dorazil und Dr. Naderer als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Skorjanec als Schriftführer, über die Beschwerde des JS in Y gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom 27. August 1958, Zl. 112.177-23/58, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde, Sektionsrat Dr. AA, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie den Beschwerdeausführungen zu entnehmen ist, hat das Bundesministerium für Finanzen mit Bescheid vom 5. Dezember 1957 gemäß § 55 Abs. 2 des Gehaltsüberleitungsgesetzes (GÜG) entschieden, dass auf den Beschwerdeführer ab 1. August 1947 die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen des Gehaltsüberleitungsgesetzes über das Ruhen der Pension für die Dauer seiner Beschäftigung bei der T-A.G. und bei der Österreichischen D-A.G zutreffen. Am 22. August 1958 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des mit dem vorerwähnten Bescheid abgeschlossenen Verfahrens mit der Begründung, der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 28. Juni 1958 "festgestellt, dass die Ruhensbestimmungen des Gehaltsüberleitungsgesetzes, aus welchen die belangte Behörde ihre Zuständigkeit bezogen habe, bereits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr vorhanden bzw. nicht mehr anwendbar waren". Diese Entscheidung stelle eine völlig neue Tatsache dar. "Wäre sie schon damals erflossen, hätte das Bundesministerium für Finanzen in seinem Fall anders entschieden."

Daraufhin erging an den Beschwerdeführer ein vom 27. August 1958 datiertes Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen folgenden Inhaltes: "Mit Bezugnahme auf Ihre Eingabe vom 22. August 1958 wird mitgeteilt, dass der Verfassungsgerichtshof mit dem am 28. Juni 1958 verkündeten Erkenntnis GZ. G 20/58 den § 53 Abs. 1 GÜG als verfassungswidrig aufgehoben hat; die Aufhebung trat am 8. August 1958 (dem Tage der im Bundesgesetzblatt erfolgten Verlautbarung der Aufhebungskundmachung BGBl. Nr. 179/1958) in Kraft und wirkt in die Zukunft und nicht zurück. Damit ist auch der § 55 GÜG in der Fassung der GÜG-Novelle 1956 im bisherigen Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 GÜG unanwendbar geworden. Das Zentralbesoldungsamt wurde angewiesen, Ihnen den Ruhegenuss vom Zeitpunkt der Aufhebung des § 53 (1) GÜG angefangen ungekürzt anzuweisen. Ihrem Wiederaufnahmeantrag kann daher nicht stattgegeben werden, zumal eine nachträgliche Änderung der Rechtsanschauung kein Grund zur Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG ist."

Über die gegen diesen Bescheid gemäß Artikel 131 B-VG erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe die Abweisung seines Wiederaufnahmeantrages einmal damit begründet, dass die Aufhebung der Ruhensbestimmungen des Gehaltsüberleitungsgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof nicht zurückwirke, und des weiteren damit, dass eine nachträgliche Änderung der Rechtsanschauung keinen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 69 AVG bilde, und meint, mit dem ersten Ablehnungsgrund stütze sich die belangte Behörde offenbar "auf die vergangene Judikatur zum Art.140 B-VG", die "nichts mit den Gründen zur Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG zu tun" habe. Der zweite Ablehnungsgrund gehe aber deshalb ins Leere, weil die belangte Behörde ihre Rechtsanschauung nicht geändert habe; nach Ansicht des Beschwerdeführers sei demnach der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 lit. c AVG gegeben.

Die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Feststellung, dass die Aufhebung des § 53 Abs. 1 GÜG nicht zurückwirke, diente zweifelsohne zur Begründung dafür, dass dem Beschwerdeführer der ungekürzte Ruhegenuss erst vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Aufhebung der genannten Gesetzesbestimmung angewiesen werde, nicht aber zur Begründung der Abweisung seines Wiederaufnahmeantrages. Der Hinweis darauf aber, dass eine nachträgliche Änderung der Rechtsanschauung keinen Wiederaufnahmegrund bilde, bringt keineswegs zum Ausdruck, dass die belangte Behörde ihre Rechtsanschauung geändert habe, sondern zielte offenbar auf die Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes ab, die in dem Erkenntnis vom 28. Juni 1958 zum Ausdruck kam, auf das der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmeantrag gründete. Die Tatsache, dass der Verfassungsgerichtshof mit diesem Erkenntnis den § 53 Abs. 1 GÜG als verfassungswidrig aufhob, kann keineswegs als Wiederaufnahmegrund angesehen werden, insbesondere nicht im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG. Nach dieser Gesetzesstelle ist ein verwaltungsbehördliches Verfahren auf Antrag einer Partei wieder aufzunehmen, wenn der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde. Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1958, G 20/58, wurde § 53 Abs. 1 GÜG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bildete aber in dem der Entscheidung des Bundesministeriums für Finanzen vom 5. Dezember 1957 vorangegangenen Ermittlungsverfahren keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Wiederaufnahmeantrag das bereits wiederholt angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als eine "neue Tatsache" bezeichnet, ohne sich allerdings ausdrücklich auf § 69 Abs. 1 lit. b AVG zu beziehen; es sei daher ergänzend auch noch darauf verwiesen, dass die Aufhebung des § 53 Abs. 1 GÜG durch den Verfassungsgerichshof auch nicht den Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 lit. b AVG bildet. Denn als eine neue Tatsache im Sinne dieser Gesetzesstelle kann nur eine den Sachverhalt betreffende Tatsache angesehen werden, die bereits vor Erlassung des früheren Bescheides vorhanden gewesen, aber erst später hervorgekommen sein muss. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes stellt aber keineswegs eine solche "neue Tatsache" dar.

Da nach dem Gesagten die belangte Behörde das Fehlen eines Wiederaufnahmegrundes mit Recht angenommen hat, erweist sich die Ablehnung des Wiederaufnahmeantrages des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig, weshalb seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden musste.

Wien, am 26. Februar 1959

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1959:1958002192.X00

Im RIS seit

26.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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