TE Vwgh Erkenntnis 1969/1/8 0951/68

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Veröffentlicht am 08.01.1969
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §308 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
VwGG §27;

Beachte

Vorgeschichte:0640/65 E 19. Jänner 1966 VwSlg 6838 A/1966;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Dietmann und die Hofräte Dr. Mathis, Dr. Härtel, Dr. Raschauer und Dr. Zach als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkömmissär Dr. Blaschek, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien IV, Kolschitzkygasse 15/5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. April 1968, Zl. Vd-51/ 16-68 (mitbeteiligte Parteien: Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck und BS in I), betreffend Überweisungsbetrag gemäß § 308 ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 1.000,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich des der gegenständlichen Beschwerde zu Grunde liegenden Sachverhaltes kann der Verwaltungsgerichtshof - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die eingehende Darstellung des Sachverhaltes in der gegenständlichen Rechtssache verweisen, die er in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 1967, Zl. 336/67 - mit dem über die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei der Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 1967 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, gegeben hat. Mit diesem Bescheid hatte die belangte Behörde dem Einspruch der mitbeteiligten Partei BS gegen die Erledigung der beschwerdeführenden Partei vom 13. Juli 1965 Folge gegeben. Hiebei hatte die belangte Behörde vorerst ausgesprochen, dass die Nachentrichtung der auf Grund des § 531 ASVG mit Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 22. November 1963 durch Nachversicherung nach den bis 31. Dezember 1955 in Geltung gestandenen reichsrechtlichen Vorschriften für die Zeit vom 1. Juni 1938 bis 30. April 1945 bzw. 31. Oktober 1945 festgestellten Pensionsversicherungsbeiträge gemäß § 7 der Verordnung vom 4. Oktober 1930, DRGBl. I S. 459, und gemäß dem dazu vom ehemaligen Reichsarbeitsminister ergangenen und als grundsätzliche Entscheidung zu wertenden Erlass vom 16. Juni 1937, Zl. I a 4741/37 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung 1937, IV 312), nicht nur für die Zeit des Bezuges der Bezugsvorschüsse vom 1. November 1945 bis 31. Jänner 1947, sondern auch weiterhin nach Wegfall der den Aufschub der Nachversicherung begründenden Bezüge aufgeschoben sei; nach Nachentrichtung der Beiträge sei die nach den hier noch anzuwendenden reichsrechtlichen Nachversicherungsvorschriften (§ 7 letzter Satz der angeführten Verordnung) zwischen dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung und der Nachentrichtung der Beiträge liegende Zeit als Ersatzzeit für die Aufrechterhaltung der Anwartschaft anzurechnen; diese Zeit habe also als Ersatzzeit für die Erhaltung der Anwartschaft gemäß 1267 RVO zu gelten, während der die Anwartschaft aus der nachversicherten Zeit erhalten bleibe, ohne dass Beiträge entrichtet zu werden brauchten. Weiters hatte die belangte Behörde mit dem bezeichneten Bescheid ausgesprochen, dass die durch Nachversicherung erworbenen Beitragsmonate - die hiefür nachentrichteten Beiträge gälten gemäß § 8 Abs. 2 RAVG als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge - und mit ihnen auch die vorher erworbenen und wieder zu Beitragsmonaten in der Pensionsversicherung gewordenen Zeiten bis zum 1. August 1962 (Stichtag) anrechenbar gewesen seien und dass die beschwerdeführende Partei auch diese Zeiten in den nach § 308 ASVG an die Post- und Telegraphendirektion Innsbruck zu leistenden Überweisungsbetrag einzubeziehen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof begründete die Aufhebung des angeführten Einspruchsbescheides im wesentlichen damit, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Erledigung der beschwerdeführenden Partei vom 13. Juli 1965 als Bescheid im Sinne des § 56 AVG 1950 in Verbindung mit § 410 ASVG angesehen und somit unrichtigerweise über den Einspruch meritorisch entschieden habe, anstatt diesen mangels Vorliegens eines durch Einspruch anfechtbaren Bescheides als unzulässig zurückzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof bemerkte auch in der Begründung seines Erkenntnisses, dass selbst dann, wenn man annehmen wollte, dass die beschwerdeführende Partei mit ihrer Erledigung vom 13. Juli 1965 über die Frage, ob BS Parteistellung in dem Verfahren, betreffend die Leistung eines Überweisungsbetrages zugekommen sei, bescheidmäßig abgesprochen habe, die belangte Behörde sich auf die Frage der Parteistellung zu beschränken gehabt hätte und es ihr daher verwehrt gewesen wäre, über den Antrag der Genannten auf Einbeziehung der vor dem 1. August 1962 gelegenen Zeiten in den Überweisungsbetrag meritorisch zu entscheiden (siehe hiezu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 25. April 1951, Slg. N. F. Nr. 2066/A). Im übrigen werde die beschwerdeführende Partei, soweit BS weiterhin auf Erlassung eines Bescheides bestehen sollte, hinsichtlich des in Rede stehenden Antrages der BS auch dann mit einem den Verfahrensvorschriften des § 58 AVG 1950 entsprechenden Bescheid abzusprechen haben, wenn sie bei der Auffassung verbleiben sollte, dass BS mangels Parteistellung keinen Anspruch auf eine meritorische Erledigung ihres Antrages habe.

In weiterer Folge brachte BS bei der beschwerdeführenden Partei eine mit 9. August 1967 datierte Eingabe ein, in der sie einen bescheidmäßigen Abspruch über die Frage ihrer Parteistellung im Überweisungsverfahren bzw. über die Leistung eines Überweisungsbetrages auch für die bis 31. Oktober 1945 nachgewiesenen Beschäftigungszeiten (Versicherungszeiten) begehrte. Sie hob hiebei hervor, dass sie als "neuen Rechtsgrund" die Bestimmung des § 7 der bereits oben zitierten Verordnung vom 4. Oktober 1930 und überdies die Vorschrift des § 531 Abs. 4 ASVG -

nach welcher die Anwartschaft aus den bis 31. Oktober 1945 erworbenen Versicherungszeiten auf jeden Fall als erhalten anzusehen sei - geltend mache. Die beschwerdeführende Partei sprach über diesen Antrag mit dem an BS adressierten Bescheid vom 23. November 1967 ab, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Ihr Antrag vom 9. August 1967 auf Ausstellung eines Bescheides über das am 24. Juli 1964 abgeschlossene, von Ihrer Dienststelle, der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck, angestrebte Überweisungsverfahren gemäß § 308 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) wird abgelehnt, weil zur Antragstellung nur der Dienstgeber berechtigt ist und Ihnen in diesem Verfahren Parteistellung nicht zukommt."

In der Begründung des Bescheides führte die beschwerdeführende Partei unter Bezugnahme auf § 308 ASVG aus, dass die Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg am 6. März 1963 einen Antrag auf Leistung des Überweisungsbetrages gemäß § 308 ASVG auf Grund der mit 1. Juli 1962 erfolgten Aufnahme der BS in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis eingebracht habe, über welchen nach durchgeführter Anrechnung der Vordienstzeiten für die Bemessung des Ruhegenusses am 24. Juli 1964 entschieden worden sei; da die Berechtigung zur Antragstellung nur dem Dienstgeber zustehe, komme BS in diesem Verfahren Parteistellung nicht zu.

Die Letztgenannte brachte gegen diesen Bescheid einen Einspruch ein, dem die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gab. Im Spruch dieses Bescheides führte die belangte Behörde vorerst wie folgt aus:

"Der Genannten kommt auch in diesem Überweisungsverfahren Parteistellung zu. Die ehemaligen reichsrechtlichen Nachversicherungsvorschriften, die gemäß § 1 SVÜG, BGBl. 142/47 als vorläufiges österr. Recht in Geltung geblieben sind, sind für alle Fälle, in denen die Nachversicherung noch nach diesen Bestimmungen im Sinne des § 531 ASVG durchzuführen ist, nicht durch § 543 ASVG außer Kraft gesetzt worden, sondern in ihrer Gesamtheit noch in vollem Umfang, insbesondere in ihren Sonderbestimmungen über die uneingeschränkte Aufrechterhaltung der Anwartschaft aus der nachversicherten Zeit aufrecht und anwendbar, was auch in der Anwartschaftssonderbestimmung des § 531 Abs. 4 ASVG seine volle Bestätigung findet."

Die nachfolgenden Ausführungen des Spruches des angefochtenen Bescheides decken sich größtenteils wörtlich mit den oben wiedergegebenen Ausführungen im Spruch des Bescheides der belangten Behörde vom 16. Jänner 1967, doch wird auch in ihnen wieder auf § 531 Abs. 4 ASVG Bezug genommen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides legte die belangte Behörde dar, es könne allein daraus, dass der § 308 ASVG zur Stellung des Antrages auf Leistung des Überweisungsbetrages nur den Dienstgeber berechtige, in keiner Weise gefolgert werden, dass im Überweisungsverfahren dem in erster Linie betroffenen Dienstnehmer keine Parteistellung zukommen solle. Der Gesetzgeber verpflichte freilich nur den Dienstgeber zur Stellung dieses Antrages innerhalb von 18 Monaten nach Aufrahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis; komme der Dienstgeber dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, so hafte er naturgemäß dem Dienstnehmer gegenüber für alle sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen. Mit der dem Dienstgeber allein übertragenen Verpflichtung zur Antragstellung sei ihm auch die Sorge um die richtige Höhe des Überweisungsbetrages auferlegt, woran in erster Linie nur der Dienstnehmer ein rechtliches Interesse haben könne. Dieses Interesse lasse sich dem Dienstnehmer auf keinen Fall etwa deshalb absprechen, weil er nicht zur Stellung des Antrages auf Leistung des Überweisungsbetrages berufen sei; sein rechtliches Interesse an der Höhe des Überweisungsbetrages bleibe vielmehr nach wie vor bestehen. Sei er aber an der Sache, das ist sowohl an der Pflicht zur Leistung des Überweisungsbetrages als auch an dessen Höhe, vermöge eines rechtlichen Interesses beteiligt, dann sei er gemäß § 8 AVG 1950 Partei. Hauptpartei sei im vorliegenden Falle vor allem die Post- und Telegraphendirektion Innsbruck, von der an die Behörde das Verlangen nach Durchführung eines Verfahrens in ihrer eigenen Sache auf Grund eines gesetzlichen Auftrages zur Feststellung eines Rechtes gestellt werde (Aktivpartei), und die beschwerdeführende Partei, gegen welche die Behörde ihrerseits ein Verfahren zur Begründung oder Feststellung einer Verpflichtung durchführe (Passivpartei). BS komme hier die Rolle einer an dem Verfahren außer den Hauptparteien noch mitbeteiligten Partei zu, da auf jeden Fall immer derjenige als mitbeteiligte Partei angesehen werden müsse, dessen subjektive Rechtssphäre durch den in Angelegenheit der Hauptpartei ergehenden Bescheid unmittelbar berührt werde (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1930, Slg. Nr. 16.146/A). Demnach könne auch dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift die Parteistellung einer Person nicht ausdrücklich feststelle, dieser vermöge eines materiellen Rechtsanspruches dennoch die Parteistellung gemäß § 8 AVG. 1950 zukommen. Diese müsse im vorliegenden Falle BS als einer an dem Überweisungsverfahren außer der Hauptpartei noch mitbeteiligten Partei auf jeden Fall zustehen, weil die bei der gegenständlichen Verwaltungsangelegenheit in Betracht kommende Rechtsvorschrift des § 410 Z. 7 ASVG hiefür nicht nur einen entsprechenden deutlichen Anhaltspunkt biete, sondern der Genannten ausdrücklich das Recht einer Partei einräume; denn nach dieser Rechtsvorschrift habe der Versicherungsträger insbesondere, also auf jeden Fall auch dem Versicherten gegenüber, überall dort einen Bescheid zu erlassen, wo der Versicherte die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ergebenden Rechte verlange. Ohne jeden Zweifel handle es sich bei der Leistung des Überweisungsbetrages gemäß § 308 ASVG in erster Linie für den Versicherten um eine Feststellung der sich für ihn aus dem geleisteten Überweisungsbetrag ergebenden Rechte, worüber ihm diese Rechtsvorschrift des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ausdrücklich das Recht zuspreche, einen ordnungsmäßigen anfechtbaren Bescheid zu verlangen. Mit der ausdrücklichen Einräumung dieses Rechtes sei dem Versicherten natürlich auch das Recht zugestanden, den Bescheid durch Einspruch gemäß § 412 ASVG anzufechten. Hiemit seien auch BS alle Rechte zuerkannt, die jeder Partei zustünden, welche an der Sache nicht nur vermöge eines rechtlichen Interesses, sondern auch vermöge eines Rechtsanspruches beteiligt sei und gemäß § 8 AVG 1950 als Partei zu gelten habe. Sie sei also auf Grund einer ausdrücklichen Anordnung einer in Betracht kommenden Rechtsvorschrift ohne Zweifel zu einem Teilnehmer am Verfahren geworden, in dem sie mit allen erforderlichen Rechten zur Wahrung ihres Rechtsstandpunktes und ihrer rechtlichen Interessen ausgestattet sei und in dem somit eine unmittelbare Berührung ihrer subjektiven Rechtssphäre vorliege. Schließlich habe die beschwerdeführende Partei selbst im bisherigen Verfahren die Parteistellung niemals verneint, sondern ausdrücklich zugegeben, wenn es gegolten habe, den rechtskräftigen Abschluss des Überweisungsverfahrens damit zu begründen, dass die BS als Partei zugekommenen Entscheidungen unangefochten geblieben seien. Auch der Verwaltungsgerichtshof selbst habe die Genannte in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 1967, Zl. 336/67, eingangs in den Entscheidungsgründen als "mitbeteiligte Partei" bezeichnet. In den nachfolgenden Ausführungen in der Begründung des Bescheides setzte sich die belangte Behörde eingehend damit auseinander, ob die vor dem 1. November 1945 gelegenen und durch Nachversicherung nach den ehemaligen reichsrechtlichen Vorschriften erworbenen Zeiten zum 1. August 1962, dem für die Feststellung der Anrechenbarkeit der Versicherungszeiten gemäß § 308 ASVG maßgebenden Stichtag, noch anrechenbar und daher in diesen Überweisungsbetrag einzubeziehen gewesen seien. Sie hob hiebei hervor, dass es sich bei dem neuerlichen Antrag der BS nicht etwa um die Stellung eines neuen Antrages auf Leistung des Überweisungsbetrages - "wozu gemäß § 308 ASVG nur der öffentliche Dienstgeber berufen ist" -, sondern um einen Antrag auf Berichtigung jenes Rechtsgrundes handle, aus welchem die Anrechenbarkeit der strittigen Versicherungszeiten zum Stichtag 1. August 1962 nicht gegeben sein solle. In den weiteren Ausführungen kam die belangte Behörde hinsichtlich der Einbeziehung der in Rede stehenden Zeiten in den Überweisungsbetrag zu dem rechtlichen Ergebnis, das im Spruch des angefochtenen Bescheides seinen Niederschlag gefunden hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei wendet ein, dass nur der Dienstgeber, nicht aber der Dienstnehmer gemäß § 308 Abs. 1 ASVG berechtigt sei, einen Antrag auf Leistung des Überweisungsbetrages zu stellen, und unter diesem Gesichtspunkt zu Recht der Antrag der BS auf Ausstellung eines Bescheides über das Überweisungsverfahren nach der genannten Gesetzesstelle mit dem Bescheid vom 23. November 1967 abgelehnt worden sei; demnach erscheine die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde rechtlich nicht begründet. Abgesehen davon sei aber das Überweisungsverfahren bereits abgeschlossen und liege auch kein Grund für die Wiederaufnahme dieses Verfahrens vor.

Der beschwerdeführenden Partei ist darin beizupflichten, dass nach den Bestimmungen des § 308 ASVG., welche die Leistung von Überweisungsbeträgen für den Fall der Aufnahme eines Versicherten in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis regeln, die Leistung eines Überweisungsbetrages nur dann vorzunehmen ist, wenn der Dienstgeber einen diesbezüglichen Antrag stellt. Wenn aber der Gesetzgeber in diesem Falle die Antragsberechtigung ausdrücklich nur dem Dienstgeber eingeräumt hat, so muss daraus geschlossen werden, dass einer anderen Person, die einen Antrag auf Leistung eines Überweisungsbetrages stellt - demnach auch dem Dienstnehmer -

kein Recht auf eine meritorische Erledigung dieses Antrages zukommt und sohin schon aus diesem Grund ein solcher Antrag zurückzuweisen ist. Dieser Auffassung scheint auch die belangte Behörde selbst gewesen zu sein, weil sie - wie bereits den obigen Ausführungen entnommen werden kann - an einer Stelle der Begründung ihres Bescheides ausdrücklich hervorhebt, dass zur Stellung eines neuerlichen Antrages auf Leistung des Überweisungsbetrages gemäß § 308 ASVG im gegenständlichen Falle nur "der öffentliche Dienstgeber" berufen gewesen wäre. Im übrigen kann aber der belangten Behörde im Hinblick auf das beim Dienstnehmer zufolge der Auswirkungen der Leistung des Überweisungsbetrages auf die Versicherungsleistungen bzw. auf den Ruhe(Versorgungs)genuss gegebene rechtliche Interesse nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Frage, ob BS trotz des ihr fehlenden Antragsrechtes in einem über Antrag des Dienstgebers eingeleiteten Verfahren, betreffend die Leistung eines Überweisungsbetrages für bestimmte Beschäftigungszeiten (Versicherungszeiten) der Genannten, Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zukomme, bejaht hat. Tatsächlich hat auch der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdefällen, welche die Überprüfung eines auf die Bestimmungen des § 308 ASVG Bezug nehmenden Bescheides auf Grund einer Beschwerde des Versicherungsträgers oder des Dienstgebers zum Gegenstand hatten, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die hievon betroffenen Dienstnehmer - so wie auch im gegenständlichen Beschwerdefalle BS -

als mitbeteiligte Parteien angesehen.

Die belangte Behörde wollte jedoch - wie aus den oben wiedergegebenen Ausführungen in der Begründung ihres Bescheides hervorgeht - den Antrag der BS nicht als Antrag auf Leistung eines Überweisungsbetrages werten, sondern bloß als ein Begehren, das unter Geltendmachung neuer rechtlicher Gesichtspunkte auf eine Änderung der Höhe des zu leistenden Überweisungsbetrages abgezielt habe. Auf Grund dieser Erwägung ist die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass BS, obgleich ihr ein Antragsrecht in Bezug auf die Leistung des Überweisungsbetrages an sich nicht zugestanden sei, einen Anspruch auf meritorische Entscheidung über den in Rede stehenden Antrag vom 9. August 1967 gehabt habe. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach den Bestimmungen des § 308 Abs. 1 ASVG bei einem Begehren auf Leistung des Überweisungsbetrages jene Zeiten, für die der Überweisungsbetrag geleistet werden soll, einen integrierenden Bestandteil des Antrages bilden und dass daher auch das Begehren der BS, das darauf abgezielt hat, bestimmte Zeiten, für die noch kein Überweisungsbetrag geleistet worden war, in den Überweisungsbetrag einzubeziehen, in Wahrheit nichts anderes als einen Antrag auf Leistung des Überweisungsbetrages für die von BS ins Auge gefassten Zeiten, also eines Antrages, der - wie oben bereits dargelegt wurde - nur vom Dienstgeber eingebracht werden konnte, dargestellt hat. Sollte aber die Genannte - worauf vor allem gewisse Einwendungen in ihrer Eingabe vom 28. Juni 1965 hindeuten könnten - der Auffassung gewesen sein, dass die belangte Behörde über den seinerzeitigen Antrag der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg als Dienstgeber auf Leistung des Überweisungsbetrages bescheidmäßig überhaupt noch nicht oder nur zum Teil abgesprochen habe und sie allenfalls unter diesem Gesichtspunkt im Hinblick auf die ihr in dem Verfahren zukommende Parteistellung die bescheidmäßige Erledigung dieses Antrages begehren könne, so ist hiezu festzustellen, dass tatsächlich im allgemeinen einer an einem Verwaltungsverfahren beteiligten Partei im Sinne des § 8 AVG 1950 das Recht zusteht, gemäß § 73 AVG 1950 die Entscheidungspflicht und damit das Recht auf Erlassung eines Bescheides in der Angelegenheit geltend zu machen, und zwar selbst dann, wenn das betreffende Verwaltungsverfahren nur auf Antrag einer anderen Person eingeleitet werden konnte. Da jedoch - wie aus § 357 ASVG hervorgeht - § 73 AVG 1950 im Verfahren vor den Versicherungsträgern keine Anwendung zu finden hat, kann die Geltendmachung des Rechtes auf Erlassung eines Bescheides im Verfahren vor einem Versicherungsträger nur unmittelbar durch die Einbringung einer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erfolgen (siehe hiezu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 1963, Slg. Nr. 4447). Dadurch ist auch jener Weg aufgezeigt, durch den die Parteienrechte der BS gewahrt erscheinen, und es erweisen sich demnach die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen, die dahin verstanden werden könnten, dass die Genannte ihr Recht auf Erlassung eines Bescheides nur in der von ihr angewendeten Form geltend machen könne, als nicht stichhältig. Für den Fall aber, als BS - was aus gewissen in früheren Eingaben der Genannten enthaltenen Ausführungen allenfalls geschlossen werden könnte - der Anschauung sein sollte, dass zwar eine bescheidmäßige Erledigung seitens der beschwerdeführenden Partei über den seinerzeitigen Antrag der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg auf Leistung des Überweisungsbetrages auch in Bezug auf die im gegenständlichen Fall in Rede stehenden, im Spruche des angefochtenen Bescheides angeführten Zeiten vorliege, eine rechtmäßige Zustellung dieses Bescheides an, sie - BS - aber noch nicht erfolgt sei, so steht es dieser frei, die Zustellung des Bescheides zwecks dessen Bekämpfung im Rechtsmittelweg zu begehren.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich sohin, dass die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Rechtsanschauung, wonach BS im Hinblick auf die an sich dem Dienstnehmer in dem Verfahren nach § 308 ASVG zukommende Parteistellung ein Anspruch auf meritorische Erledigung des Antrages vom 9. August 1967 zugestanden sei, unrichtig ist. Bemerkt sei jedoch, dass - wie bereits aus den obigen Ausführungen gefolgert werden kann - auch der Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 23. November 1967 insofern nicht ganz fehlerfrei war, als mit ihm der Antrag der BS "abgelehnt" und nicht zurückgewiesen worden ist, und als in ihm zum Ausdruck kommt, dass BS im Verfahren nach § 308 ASVG keine Parteistellung - und nicht bloß kein Recht auf Einbringung eines Antrages auf Leistung des Überweisungsbetrages - zustehe. Jedenfalls war aber schon im Hinblick auf die oben aufgezeigte unrichtige Rechtsanschauung der belangten Behörde der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf die weiteren Ausführungen der Beschwerde, mit denen dargetan werden sollte, dass die von der Behörde über den Antrag der BS getroffene Sachentscheidung rechtlich nicht haltbar sei, eingegangen zu werden brauchte.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt, dass selbst dann, wenn die Auffassung der belangten Behörde, wonach BS ein Recht zur Einbringung des Antrages vom 9. August 1967 zugekommen sei, richtig gewesen wäre, die belangte Behörde zu einer meritorischen Behandlung dieses Antrages nicht berechtigt gewesen wäre; vielmehr hätte sie im Hinblick auf die ihrer Meinung nach gegebene unrichtige Rechtsanschauung der beschwerdeführenden Partei und die darauf gegründete Ablehnung einer Sachentscheidung den durch Einspruch bekämpften Bescheid beheben müssen, worauf - sofern dieser Einspruchsbescheid unangefochten geblieben wäre - die beschwerdeführende Partei in der Sache neuerlich zu entscheiden gehabt hätte (siehe hiezu das bereits in dem hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1967 zitierte hg. Erkenntnis vom 25. April 1951, Slg. N. F. Nr. 2066/A).

Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf §§ 47 Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. b sowie 49 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Abschnitt A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.

Wien, am 8. Jänner 1969

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Besondere RechtsgebieteBesondere Rechtsgebiete ASVG KOVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1969:1968000951.X00

Im RIS seit

04.06.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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