TE Vwgh Erkenntnis 1980/5/19 3421/78

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Veröffentlicht am 19.05.1980
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
VStG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek, Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Würth und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein des Richters Dr. Gerhard als Schriftführer, über die Beschwerde der SF in I, vertreten durch DDr. Walter Nowak, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schmerlingstraße 2/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. Oktober 1978, Zl. 1518/112-1978, betreffend Bestrafung wegen verbotswidriger Ausübung der Prostitution zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit dieser über Strafart und Strafausmaß sowie über die Kosten des Strafverfahrens abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck hatte die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis vom 29. September 1978 schuldig erkannt, am 28. September 1978 um 22.50 Uhr in der Wilhelm-Greil-Straße in Innsbruck durch Aufstellen auf einem Prostituiertenstandplatz gegenüber dem Kammerkino und Ansprechen vorbeigehender Männer Beziehungen zur Ausübung der Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle angebahnt und dadurch eine Übertretung nach § 14 lit. b des Landes-Polizeigesetzes (LGBl. für Tirol Nr. 60/1976) begangen zu haben. Gemäß dem § 19 Abs. 1 lit. a leg. cit. war über die Beschwerdeführerin unter Anrechnung der Vorhaft eine Primärarreststrafe von 21 Tagen verhängt worden.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 16. Oktober 1978 keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe sich zur Tatzeit in der Wilhelm-Greil-Straße in Innsbruck auf dem Gehsteig gegenüber den Kammerlichtspielen, einem von Geheimprostituierten bevorzugten Standplatz, aufgehalten, wobei ihre Absicht, Kunden für die Ausübung der Geheimprostitution zu werben, klar erkennbar gewesen sei. Sie hätte in herausfordernder Art und Weise Aufstellung genommen und vorbeigehende Männer angesprochen. Hiebei sei sie von zwei Funkstreifenbeamten beobachtet worden. Als sich diese mit dem Streifenfahrzeug der Beschwerdeführerin näherten, habe sie die Flucht ergriffen. Sie habe jedoch kurze Zeit später festgenommen werden können. Die Beschwerdeführerin bestreite die ihr zur Last gelegte strafbare Handlung und behaupte, sie sei in der Wilhelm-Greil-Straße nicht gestanden, sondern gegangen, und habe keine Männer angesprochen. Diese Verantwortung sei jedoch durch die Angaben der Meldungsleger widerlegt. Es sei im Verfahren nichts hervorgekommen, was irgendwelche Zweifel an deren Glaubwürdigkeit begründen könnte. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um eine polizeibekannte Prostituierte, gegen die schon häufig habe eingeschritten werden müssen und welche auch schon mehrfach einschlägig vorbestraft sei. Sie sei im Zeitpunkt der Tat ohne Beschäftigung gewesen, und gebe an, von einem Freund "unterhalten" zu werden, dessen Namen sie allerdings nicht nenne. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass sie die als erwiesen angenommenen Anbahnungshandlungen in der Absicht begangen habe, sich durch wiederkehrende Begehung der Prostitution eine fortlaufende Einnahme zu schaffen. Mangels Vorliegens von Milderungsgründen und insbesondere auf Grund der einschlägigen Vorstrafen habe die verhängte Strafe auch nicht herabgesetzt werden können.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof rügt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, die belangte Behörde unterstelle ihr zu Unrecht, durch Ansprechen männlicher Passanten Beziehungen zur Ausübung der Prostitution angebahnt zu haben. Sie habe bereits darauf hingewiesen und wiederhole dies, dass die Beamten keineswegs hören oder sonst wie erkennen hätten können, dass sie Männer angesprochen habe. Sie habe viele Bekannte und es könne wohl sein, dass sie von dem einen oder anderen gegrüßt worden sei und vielleicht im Vorbeigehen einige Worte gewechselt habe. Es gehe aber zu weit, wenn die Beamten hiezu behaupten, dass sie Anbahnungen "im Sinne von Ansprechen" erkennen konnten. Es bleibe von dem ihr zur Last gelegten Sachverhalt übrig, dass sie zum damaligen Zeitpunkt in der Wilhelm-Greil-Straße gegangen sei, und dieses genüge sicherlich nicht, um als strafbare Handlung geahndet zu werden. Den Polizeibeamten, so trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, wäre es leicht möglich gewesen, die Männer, die die Beschwerdeführerin angeblich angesprochen habe, zu befragen. Da dies nicht geschehen sei und keine hinreichenden Beweise für die ihr zur Last gelegte Handlung vorliegen, bleibe das Verfahren mangelhaft. Wenn die Behörde indessen meine, es könne schon das bloße "Vorhandensein" auf der Straße als Delikt nach § 14 Landes-Polizeigesetz gewertet werden, dann sei dies eine unrichtige Auslegung des § 14 leg. cit. Diese Bestimmung dürfe nicht so verstanden werden, dass das bloße Stehen oder Gehen oder ein nicht näher bezeichneter Wortwechsel schlechthin als Anbahnungshandlung gewertet werde.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Gemäß dem § 14 lit. b Landes-Polizeigesetz, LGBl. für Tirol Nr. 60/1976, ist die außerhalb behördlich bewilligter Bordelle erfolgende Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution verboten. In Ansehung dieses Tatbestandsbildes nahm die belangte Behörde, gestützt auf die Beobachtungen zweier Polizeibeamter, als erwiesen an, die Beschwerdeführerin habe am Tatort, einem von Geheimprostituierten bevorzugten Standplatz, in herausfordernder Art und Weise Aufstellung genommen und vorbeigehende Männer angesprochen.

Die Beschwerdeführerin verkennt in ihrem Vorbringen den Inhalt des angefochtenen Bescheides insoweit, als die belangte Behörde die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 14 lit. b leg. cit. nicht allein aus deren Aufenthalt am Tatort und dem Ansprechen vorbeigehender Männer durch die Beschwerdeführerin erschloss, sondern vielmehr schon aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin am Tatort in herausfordernder Art und Weise Aufstellung genommen hatte. Diesen von der belangten Behörde in erster Linie als erwiesen angenommenen Sachverhalt bestreitet die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht. Da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - im Zusammenhang sei unter anderem auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Februar 1978, Zl. 685/77, und vom 14. März 1978, Zl. 688/77, unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen - dieser Umstand allein schon ausreicht, um die Subsumtion des Sachverhaltes unter die von der belangten Behörde für verletzt erachtete Norm nicht rechtswidrig erscheinen zu lassen, entratet das Beschwerdevorbringen der Eignung, die Beschwerdeführerin zu entlasten. Darüber hinaus bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, was die Unterstellung des Sachverhaltes unter § 14 lit. b Landes-Polizeigesetz unter anderen Gesichtspunkten als rechtswidrig erscheinen ließe.

Solcherart war es nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde die Beschwerdeführerin nach dem Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens einer Übertretung des § 14 lit. b leg. cit.

schuldig erkannte.

     Die Beschwerde ist indes begründet, soweit sich diese gegen

die Strafhöhe richtet.

     Nach der Anordnung des § 19 Abs. 1 lit. a Landes-

Polizeigesetz begeht, wer einem im § 14 leg. cit. festgelegten Verbot zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei Vorliegen von besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafe nebeneinander verhängt werden.

Gemäß dem § 19 Abs. 1 VStG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 1. Februar 1978, BGBl. Nr. 117, ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im Grunde des Abs. 2 der bezogenen Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches anzuwenden.

Der Gesetzgeber hat im § 19 VStG 1950 in der geltenden Fassung den für die Strafbemessung maßgeblichen Sinn des Gesetzes in verfassungskonformer Weise (Verfassungsgerichtshof unter anderem VfSlg. Nr. 5240, 5810, 5980), sohin in einer Form zum Ausdruck gebracht, die dem Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall eine verlässliche Beurteilung der Frage ermöglicht, ob vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.

Nach der Anordnung des § 60 AVG 1950 - diese Bestimmung gilt zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren - sind in der Begründung eines Bescheides die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu wiederholten Malen dargetan hat, ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung; im Zusammenhang sei unter anderem auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 1966, Zl. 1846/65, unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Im Grunde des Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, so auch in seinen Erkenntnissen vom 13. Dezember 1971, Slg. NF. 8134/A, vom 16. Februar 1973, Slg. NF. 4501 /F, und vom 14. November 1974, Zl. 1513/74, ausgeführt hat, in der Begründung ihres Bescheides, die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist. In diesem Zusammenhang wird auch der hier rechtserhebliche Auffälligkeitsgrad des Verhaltens in der Öffentlichkeit, das der Beschwerdeführerin als Ausübung der Prostitution zur Last gelegt wurde, darzutun sein. Im Zusammenhang sei auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Zl. 3273/78, unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen.

Da die belangte Behörde es unterließ, ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzutun - das ist im Beschwerdefall die Beantwortung der gemäß dem § 19 Abs. 1 VStG 1950 rechtserheblichen Frage nach der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, ob und inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat -, vernachlässigte sie es, die Grundlagen für die Bemessung der Strafe im Sinne der eben zitierten Gesetzesstelle aufzuzeigen. Da sie weiters neben dem objektiven Kriterium des Unrechtsgehaltes der Tat auch die subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat (§ 19 Abs. 2 VStG 1950 in Verbindung mit § 32 StGB) - von den beiden Vorstrafen abgesehen - unerörtert ließ, entzog sie den angefochtenen Bescheid in Hinsicht auf die Strafzumessung der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechtes darüber, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie insoweit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher, soweit er den Strafausspruch betrifft, gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde nach dem § 42 Abs. 1 leg. cit. als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Mai 1980

Schlagworte

Geldstrafe und Arreststrafe Begründung von Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1980:1978003421.X00

Im RIS seit

19.05.1980

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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