TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/18 90/19/0209

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Veröffentlicht am 18.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AVG §13a;
AVG §37;
BäckAG 1955 §1 Abs1;
Nachtarbeit der Frauen 1969 §5 Abs1 lita;
VStG §6;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 30. Jänner 1990, Zl.MA 63-W 6/89/Str., betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "als Arbeitgeber in Wien n, X-Gasse 33 (Bäckereiwaren-Erzeugungsbetrieb)" eine namentliche genannte Dienstnehmerin am 3. August 1988 während der Nacht, nämlich zwischen 4.30 Uhr und 4.35 Uhr, beschäftigt. Er habe dadurch § 3 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. Nr. 237/1969, verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt. Nach der Begründung sei der angelastete Sachverhalt vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Er habe vorgebracht, daß zur Tatzeit ein Notfall im Sinne des § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Nachtarbeit der Frauen vorgelegen sei, sodaß die Bestrafung zu Unrecht erfolgt sei. Das Vorliegen des Notfalles sei im wesentlichen damit begründet worden, daß sich ein Arbeitnehmer auf Urlaub befunden habe, ein zweiter Arbeitnehmer erkrankt und gleichzeitig am Backofen ein technisches Gebrechen aufgetreten sei, das einer sofortigen Behebung bedurft habe. Aufgrund des nicht vorhergesehenen Personalengpasses habe die im Spruch genannte Arbeitnehmerin ersucht werden müssen, im Expedit ersatzweise auszuhelfen. Es sei - so heißt es in der Begründung - durchaus glaubhaft, daß es zur Tatzeit zum Eintritt der geschilderten Ereignisse gekommen sei; die belangte Behörde habe jedoch in diesem Umstand einen Notfall im Sinne des § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Nachtarbeit der Frauen deshalb nicht erkennen können, da für den Arbeitgeber die Erkrankung eines Arbeitnehmers kein unvorhergesehenes Ereignis darstelle. Der Arbeitgeber habe für so einen Fall durch entsprechende Disposition Vorsorge für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu treffen. Die belangte Behörde habe in der durch den Beschwerdeführer durchgeführten Reparatur des Backofens - mag dieses technische Gebrechen auch für den Beschwerdeführer unvorhergesehen gewesen sein - keine Ausnahmesituation erkennen können, die die Beschäftigung der Arbeitnehmerin während der Nachtzeit gerechtfertigt hätte. Im vorliegenden Fall mangle es am Kausalzusammenhang, da die Arbeitnehmerin nicht zur Behebung des technischen Gebrechens eingesetzt, sondern lediglich für das Ausliefern von Waren herangezogen worden sei. Der Beschwerdeführer habe somit nicht glaubhaft gemacht, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift, der er zuwidergehandelt habe, unverschuldet nicht möglich gewesen sei. Die verhängte Geldstrafe mache nur ein Zehntel der in § 9 Abs. 1 des Gesetzes über die Nachtarbeit der Frauen vorgesehenen Strafobergrenze aus und sei nicht überhöht. Durch die Beschäftigung der Arbeitnehmerin weit vor Beginn der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit (6.00 Uhr) sei das durch die Strafdrohung geschützte Interesse erheblich gefährdet worden. Auch sei nicht erkennbar, daß der Verwaltungsübertretung nur ein geringes Verschulden zugrunde liege. Die Erhebung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse habe ergeben, daß der Beschwerdeführer vermögenslos sei. Er verfüge über ein monatliches Einkommen von S 10.000,-- und habe für zwei Kinder zu sorgen. Eine Strafherabsetzung sei trotz der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse und der Sorgepflichten des Beschwerdeführers und trotz des Umstandes, daß er durch Tilgung seiner Vorstrafen die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit wiedererlangt habe, im Hinblick auf die ohnedies niedrige Strafe nicht in Betracht gekommen. Außerdem solle die Strafe auch durch ihr Ausmaß geeignet sein, den Beschwerdeführer von der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten wirksam abzuhalten, was von einer niedrigeren Strafe nicht erwartet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen gilt seinem § 1 zufolge für die Beschäftigung von Dienstnehmerinnen. Es gilt jedoch - unter anderem - gemäß § 2 Abs. 3 lit. d nicht für Dienstnehmerinnen, für die die Vorschriften des Bäckereiarbeitergesetzes, BGBl. Nr. 69/1955, gelten. Gemäß § 1 Abs. 1 des letztgenannten Bundesgesetzes gelten dessen Vorschriften für Dienstnehmer einschließlich der Lehrlinge, die in Backwaren-Erzeugungsbetrieben beschäftigt und bei der Erzeugung von Backwaren verwendet werden, und zwar auch dann, wenn sie nebenbei zu anderen Arbeiten herangezogen werden. Als Backwaren-Erzeugungsbetriebe sind Betriebe anzusehen, in denen Brot und sonstige für den menschlichen Genuß bestimmte Backwaren einschließlich der Zuckerbackwaren für den Verkauf oder den Verbrauch im Betrieb erzeugt werden.

§ 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen sieht vor, daß Dienstnehmerinnen während der Nacht (Abs. 2 und 3) nicht beschäftigt werden dürfen. Als Nacht im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt gemäß § 3 Abs. 2 ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr einschließt.

Das Verbot der Nachtarbeit (§ 3 Abs. 1) findet gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. keine Anwendung auf

a) Arbeiten, die im Falle einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, sofort notwendig werden;

b) Arbeiten an Rohstoffen oder in Bearbeitung stehenden Stoffen, die einem raschen Verderb ausgesetzt sind, sofern diese zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Rohstoffen oder Stoffen erforderlich sind und es sich hiebei um nicht vorhersehbare Arbeiten handelt.

Gemäß § 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen sind Dienstgeber oder deren Bevollmächtigte, die § 3 Abs. 1 oder den §§ 4 bis 7 leg. cit. zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterliegen, von der Berghauptmannschaft, mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, im Wiederholungsfall von S 3.000,-- bis S 30.000,-- zu bestrafen.

Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde die Art der Tätigkeit der Dienstnehmerin mangelhaft festgestellt und dabei den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt habe, weil sie ihm ihr an die Erstbehörde gerichtetes Schreiben vom 18. Oktober 1989 und die Protokolle über die Vernehmung zweier Zeugen nicht vorgehalten und ihm keine Möglichkeit zu einer Äußerung gegen habe. Die Einräumung des Parteiengehörs hätte ihm die Möglichkeit gegeben, vorzubringen und unter Beweis zu stellen, daß die Dienstnehmerin sehr wohl überwiegend "bei der Erzeugung von Backwaren verwendet wird" und lediglich nach Abschluß der Arbeiten im Expedit dann auch im Einzelverkauf zusätzlich Verwendung finde. Das Expedit sei eine Tätigkeit im Rahmen der Erzeugung von Backwaren und diene dazu, die Rohwaren zu übernehmen und zu lagern, gebackene Waren auszusortieren und insbesondere verformte und verfärbte Waren aus dem Verkaufsgut zu nehmen und sie einer allfälligen anderen Verwendung (etwa Brösel- oder Knödelwürfelerzeugung) zuzuführen; es werde dort ein Teil der Ware in Hygieneverpackungen verpackt und etikettiert, das Mindestgewicht der Ware stichprobenweise kontrolliert und schließlich die rückgelieferte Ware überprüft und aussortiert. Im Expedit werde die Ware auch abgekühlt und ausgezählt.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Dienstnehmer, die Tätigkeiten der vom Beschwerdeführer geschilderten Art, welche im übrigen an anderer Stelle der Beschwerde (Seite 9) als "Auslieferarbeiten an Wiederverkäufer" qualifiziert werden, ausüben, werden entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht "bei der Erzeugung von Backwaren" im Sinne des § 1 Abs. 1 erster Satz des Bäckereiarbeitergesetzes verwendet. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich nämlich durchwegs um Manipulationen am bereits vollendeten Backgut, die dem Begriff der "Erzeugung" nicht unterstellt werden können (vgl. das zu § 5 Abs. 1 des Bäckereiarbeitergesetzes ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1965, Slg. Nr. 6622/A).

Es kann somit auch unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers das für die Anwendbarkeit des Bäckereiarbeitergesetzes erforderliche Tatbestandsmerkmal der Verwendung der Dienstnehmerin "bei der Erzeugung von Backwaren" nicht als erfüllt angesehen werden; die belangte Behörde hätte daher auch bei Vermeidung der ihr vom Beschwerdeführer vorgeworfenen Verfahrensverletzungen hinsichtlich der Verneinung der Anwendbarkeit des Bäckereiarbeitergesetzes und dementsprechend der Bejahung der Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen zu keinem anderen Ergebnis kommen können. Daß das Arbeitsinspektorat dem Beschwerdeführer in der Anzeige eine Übertretung des § 9 des Bäckereiarbeitergesetzes angelastet hatte, ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung; im übrigen hat es den Antrag auf Einleitung eines Strafverfahrens mit dem dem Beschwerdeführer anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung am 12. Jänner 1989 zur Kenntnis gebrachten Schreiben vom 24. November 1988 dahin modifiziert, daß "im Gegenstande § 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen

..... übertreten wurde und es sich nicht um eine Übertretung des Bäckereiarbeitsgesetzes handelt." Von einer Verletzung der Manuduktionspflicht, wie sie der Beschwerdeführer darin erblickt, daß ihn die belangte Behörde nicht angeleitet habe, "welche Tatsachenfragen aus der rechtlichen Beurteilung heraus relevant sein können", kann im übrigen schon deshalb keine Rede sein, weil die Belehrungspflicht der Behörde gemäß § 13 a AVG 1950 auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt ist (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1989, Zl. 89/18/0027).

Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er sich auf das Vorliegen eines Notfalles im Sinne des § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen beruft. Nach seinem Vorbringen in der Beschwerde habe die Dienstnehmerin während der Tatzeit im Expedit "die erste Liefertour" zusammengestellt. Dem entspricht auch die Feststellung der belangten Behörde, daß die Dienstnehmerin "lediglich für das Ausliefern von Waren herangezogen wurde."

Derartige Arbeiten können jedoch schon ihrer Art nach weder der lit. a noch der lit. b des § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen unterstellt werden. Der Tatbestand der lit. a der genannten Bestimmung setzt voraus, daß die vom Anwendungsbereich des angeführten Bundesgesetzes ausgenommenen Arbeiten im Falle einer im Gesetz näher umschriebenen Betriebsunterbrechung sofort notwendig werden. Die im Beschwerdefall im Tatzeitraum von der Dienstnehmerin verrichteten Arbeiten gehörten jedoch zum normalen Betriebsablauf und wären auch ohne Zusammenhang mit einer Betriebsunterbrechung angefallen. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, daß sie "im Falle einer .....

Betriebsunterbrechung ..... sofort notwendig" wurden. Da es sich bei diesen Arbeiten (laut Beschwerde "Auslieferarbeiten an Wiederverkäufer") nicht um Arbeiten an Rohstoffen oder in Bearbeitung stehenden Stoffen, die einem raschen Verderb ausgesetzt sind, handelte, scheidet auch der Tatbestand der lit. b der angeführten Bestimmung aus.

Mit einem Notstand im Sinne des § 6 VStG 1950 kann sich der Beschwerdeführer nicht entschuldigen, weil ein solcher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, Zl. 88/08/0036, und die dort angeführte Vorjudikatur) dann nicht gegeben ist, wenn damit nur - wie im Beschwerdefall - die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, daß ihm vom Arbeitsinspektorat wegen des gegenständlichen Vorganges gemäß § 6 Abs. 1 ArbIG 1974 eine "Ermahnung" erteilt worden sei, und daraus Rechtsfolgen für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren abzuleiten versucht, kann darauf nicht eingangen werden, weil dieses Vorbringen unter das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG fällt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes (§ 19 VStG 1950) Gebrauch gemacht hätte, liegt doch die verhängte Geldstrafe von S 1.500,-- ohnedies nahe der Untergrenze des von S 1.000,-- bis S 15.000,-- reichenden Strafrahmens des § 9 Abs. 1 erster Strafsatz des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen. Soweit der Beschwerdeführer von einer Anwendbarkeit des Bäckereiarbeitergesetzes ausgeht, verkennt er die Rechtslage.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190209.X00

Im RIS seit

18.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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