TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/7 90/18/0066

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.1990
beobachten
merken

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

TuberkuloseG §37 Abs4;
TuberkuloseG §37 idF 1973/372;
TuberkuloseG §41 Abs5 idF 1973/372;
TuberkuloseG §41 Abs5;
TuberkuloseG §42 Abs2 idF 1973/372;
TuberkuloseG §42;

Betreff

N gegen Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 5. Februar 1990, Zl. 580.899/1-VI/16a/90, betreffend regelmäßige Geldbeihilfe nach dem Tuberkulosegesetz.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 9. März 1989 beantragte der derzeit 76-jährige Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg die Zuerkennung einer regelmäßigen Geldbeihilfe nach § 41 Abs. 1 lit. a des Tuberkulosegesetzes, BGBl. Nr. 127/1968 in der Fassung BGBl. Nr. 142/1974 (TuberkuloseG). Mit Bescheid vom 6. April 1989 gab der Landeshauptmann der Steiermark diesem Antrag keine Folge, weil laut ärztlichem Amtssachverständigen der Tuberkuloseprozeß beim Beschwerdeführer mit 28. Februar 1989 stabilisiert sei und demnach der später gestellte Antrag abgewiesen werden mußte. Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung mit der Behauptung, seine Tuberkuloseerkrankung sei keineswegs stabilisiert. Der Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst als Berufungsbehörde ließ zunächst die medizinische Frage klären und kam in der Folge zur Ansicht, daß beim Beschwerdeführer eine aktive, nicht stabilisierte Tuberkuloseerkrankung vorliege. Sodann ließ der genannte Bundesminister Erhebungen über die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau und seines volljährigen Sohnes Rudolf durchführen. Mit Schreiben vom 6. Dezember 1989 hielt der Bundesminister dem Beschwerdeführer vor, daß ihm zwar nach den medizinischen Voraussetzungen Wirtschaftshilfe ab 1. März 1989 gebühren würde, daß jedoch die im einzelnen zitierten Anrechnungsbestimmungen folgendes ergäben:

    Der Richtsatz nach § 41 Abs. 2 lit. a TuberkuloseG

betrage                              monatlich S  9.826,--

hievon sei abzuziehen die Pension des

Beschwerdeführers von der Pensionsversicherung der Arbeiter

von                                  monatlich S  7.133,40

und ferner die nach der Mindestbemessungsgrundlage nach dem

ASVG

heranzuziehende Unterhaltsverpflichtung des volljährigen Sohnes

von                                  monatlich S  5.687,--,

sodaß die Summe der abzuziehenden Beträge bereits den Richtsatz übersteige. Hiebei bleibe das Einkommen des Beschwerdeführers aus der Kriegsopferversorgung außer Betracht.

Der Beschwerdeführer äußerte sich zu diesem Schreiben nicht.

Mit Bescheid vom 5. Februar 1990 entschied der genannte Bundesminister über die Berufung des Beschwerdeführers dahin, daß gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 37 Abs. 2, § 41 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 und 5 sowie § 42 Abs. 1 TuberkuloseG der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes dahin abgeändert werde, daß die ab 1. März 1989 dem Grunde nach gebührende regelmäßige Geldbeihilfe wegen Richtsatzüberschreitung nicht zuerkannt werde. In der Begründung dieses Bescheides stellte der Bundesminister fest, daß die tuberkulöse Erkrankung des Beschwerdeführers im März 1989 noch nicht stabilisiert gewesen sei. Nach Zitierung verschiedener Bestimmungen des TuberkuloseG wurde die auch im Schreiben des Bundesministers an den Beschwerdeführer vom 6. Dezember 1989 enthaltene Berechnung angestellt und daraus geschlossen, daß der gesetzliche Richtsatz durch das Einkommen des Beschwerdeführers bereits überschritten werde, weshalb ein Anspruch auf regelmäßige Geldbeihilfe nicht bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof verweist zunächst auf seine im Erkenntnis vom 29. September 1989, Zl. 89/18/0106, dargestellte Rechtsansicht über das Verständnis des § 42 TuberkuloseG unter besonderer Berücksichtigung seines Absatzes 2. Insbesondere wurde dort ausgeführt, es bestünde kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Begriff der Angehörigen im § 41 Abs. 5 andere als die im § 42 Abs. 2 leg. cit. erwähnten Personen umfasse. Schon daraus ergibt sich, daß tatsächliche oder nur nach dem Gesetz gebührende, aber nicht erbrachte Unterhaltsleistungen des volljährigen Sohnes des Beschwerdeführers außer Betracht zu bleiben haben. Der Verwaltungsgerichtshof wird in seiner dort ausgesprochenen Rechtsansicht noch durch folgende Erwägungen bestärkt. Die Bestimmung des § 42 Abs. 2 TuberkuloseG in der Fassung der Novelle 1973 sollte nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 770 BlgNR 13 GP, Seite 8, "gegenüber der gegenwärtigen, dem ASVG entsprechenden Regelung Härten vermeiden". Zur Frage, was denn unter diesen Härten zu verstehen sei - die Erläuternden Bemerkungen sagen nichts ausdrücklich darüber - muß § 37 Abs. 4 TuberkuloseG in der Stammfassung betrachtet werden, welche Bestimmung in der Novelle 1973 ihrem Wesen nach, aber in "modifizierter Form" im § 42 enthalten war (siehe RV a.a.O. Seite 6). Die Stammfassung sah vor, daß Wirtschaftshilfe nur gewährt werde, wenn das monatliche Einkommen des Kranken oder der Person, die für dessen Unterhalt überwiegend aufkomme, ein bestimmtes Vielfaches der täglichen Höchstbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung nach dem ASVG nicht übersteige. Demnach war schon in der Stammfassung nicht die Tatsache einer Unterhaltsberechtigung des Kranken, sondern nur die Tatsache einer überwiegenden Unterhaltsleistung für den Kranken Anlaß zu einer Anrechnung zu Lasten des Kranken. Die Novelle 1973 ging aber davon grundsätzlich ab und traf, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich abschließend, nur drei positive Regelungen wie folgt:

Lebt der Kranke mit seinem Ehegatten - gegen den er nach bürgerlichem Recht, derzeit § 94 ABGB, grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch hat - im gemeinsamen Haushalt, so ist das gesamte Einkommen beider Ehegatten zur Gänze zu berücksichtigen. Sind aber beide Ehegatten krank im Sinne des TuberkuloseG, so ist das Einkommen des anderen Ehegatten nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Ist ein noch nicht 15 Jahre altes Kind krank im Sinne des TuberkuloseG, so wird nicht auf seinen Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht gegen seine Eltern (derzeit § 140 ABGB) abgestellt, sondern ausgesprochen, daß das Gesamteinkommen seiner Eltern mit 25 v.H. zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus ist keine Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen oder Unterhaltsleistungen nach dem Gesetz vorgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht der Ansicht der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, man müsse auf gleichgelagerte Vorschriften in anderen Rechtsbereichen Bedacht nehmen, dies deshalb, weil einerseits das TuberkuloseG, andererseits die von der belangten Behörde zitierten Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und der Sozialhilfegesetze der Länder ins einzelne gehende, durchaus verschiedene Regelungen über die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Unterhaltsleistungen des Anspruchswerbers enthalten, so daß - angeblich - "fehlende" Bestimmungen des einen Gesetzes nicht aus dem anderen Gesetz ergänzt werden dürfen, weil die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung nicht gegeben sind. Es wäre dem Gesetzgeber des TuberkuloseG im Jahre 1973 freigestanden, es bei der Regelung der Stammfassung im § 37 Abs. 4 zu belassen. Hat er das nicht getan, so kann über die wie oben zu verstehende Bestimmung des § 42 Abs. 2 in der Fassung der Novelle 1973 nicht damit hinweggegangen werden, daß Bestimmungen anderer Gesetze zitiert werden.

Da die belangte Behörde somit im aufgezeigten Sinn die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Da § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG als Schriftsatzaufwand nur jenen für die Beschwerde nennt, war das Kostenbegehren für den Schriftsatz vom 30. August 1990 abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180066.X00

Im RIS seit

07.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten