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90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht;Norm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Verordnung der BH Innsbruck vom 27.9.1982 betreffend ein Fahrverbot für LKW auf einem Gemeindeweg; angesichts des Zustandes des Weges und des Bedarfes, dem der Weg dient, vertretbare Annahme, daß der Weg für den Verkehr mit LKW (ohne Gewichtslimitierung) nicht geeignet sei; keine unsachliche Interessenabwägung; keine Verletzung der Erfordernisse des §94 f Abs1 litb StVO 1960 im Verordnungserlassungsverfahren; Abweisung des AntragesSpruch
Dem Antrag wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VwGH ist unter Z85/03/0149 eine Beschwerde des K T gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. Juli 1985 anhängig. Mit diesem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Bf. schuldig erkannt, am 9. Oktober 1982 um
9.35 Uhr in Raitis als Lenker des Fahrzeuges Zugmaschine T ... und Auflieger T ... den Weg in östlicher Richtung zum Haus Nr. ...10 trotz des gekennzeichneten Fahrverbotes für Lastkraftfahrzeuge befahren und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §52 Z7a StVO begangen zu haben. Gemäß §99 Abs3 lita StVO wurde über ihn eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarrest von 1 Tag) verhängt.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde stellte der VwGH mit Beschluß vom 11. März 1987 den Antrag, gemäß Art139 Abs1 B-VG iVm Art89 Abs2 B-VG die V der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 27. September 1982, Z4-28/9-3/82, betreffend Verkehrsverhältnisse Mutters, Ortsteil Raitis, idF der V vom 8. Oktober 1982, Z4-28/10-3/82, als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu festzustellen, daß die V der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 27. September 1982, Z4-28/9-3/82, gesetzwidrig war.
Nach der Darlegung, daß die bekämpfte V vom 27. September 1982 zur Entscheidung des Falles von ihm anzuwenden sei und dem Hinweis, daß ein Individualantrag des Bf. des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Prüfung dieser V vom VfGH mit Beschluß vom 6. Dezember 1984 mangels Legitimation des Antragstellers zurückgewiesen worden sei, begründet der VwGH den Antrag folgendermaßen (der Wortlaut der bekämpften V ist wiedergegeben):
"Die V vom 27. September 1982 hat folgenden Wortlaut:
'Gemäß §43 Abs1 litb Zif. 1 und Abs2 litb StVO verfügt die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck auf Antrag der Gemeinde Mutters wie folgt:
Auf dem Gemeindeweg in Raitis, GP. 1270, KG. Mutters, wird ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge verfügt, da dieser Weg nach Ansicht von Straßenfachleuten zur Befahrung mit Schwerfahrzeugen einen unzureichenden Unterbau hat.
Die Kundmachung dieser V erfolgt gemäß §44 StVO durch Anbringung des Vorschriftszeichens gemäß §52 Zif. 7 a StVO 'Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge' am Beginn des Gemeindeweges, GP. 1270, KG. Mutters, in Raitis.
Die V tritt mit Aufstellung des Verkehrszeichens in Kraft.'
Nach §43 Abs1 litb Z. 1 StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken ....., wenn es u. a. die Beschaffenheit der Straße erfordert, u. a.
Verkehrsbeschränkungen, insbesondere Gewichtsbeschränkungen zu erlassen.
Gemäß §43 Abs2 litb StVO hat die Behörde zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere von Lärm- oder Geruchsbelästigungen, wenn es zum Schutz der Bevölkerung oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch V zu bestimmen, daß Straßen oder Straßenteile dauernd oder zeitweise mit allen Fahrzeugen oder mit bestimmten Fahrzeugarten oder mit bestimmten Ladungen nicht befahren werden dürfen.
Die Behörde hat, wie der Wortlaut der V zeigt, das Fahrverbot nur damit begründet, daß dieser Weg nach Ansicht von Straßenfachleuten zur Befahrung mit Schwerfahrzeugen einen unzureichenden Unterbau habe, sich also in Wahrheit nur auf §43 Abs1 litb Z. 1 StVO gestützt. Dies erfolgte, wie die von der Bezirkshauptmannschaft vorgelegten Unterlagen (Ablichtungen des Verordnungsaktes) zeigen, allein auf Grund einer bloßen Mitteilung der Gemeinde (vgl. den Antrag vom 15. Juli 1982 und die Stellungnahme vom 13. September 1982), daß die Straße nach Ansicht von Straßenfachleuten zur Befahrung mit Schwerfahrzeugen einen unzureichenden Unterbau habe bzw. daß die Straße vor zwei Jahren ausgebessert worden sei und sich nunmehr in einem Zustand befinde, der erkennen lasse, daß Straßen dieser Bauart für den Schwerverkehr ungeeignet seien, obwohl die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol in ihrer Stellungnahme vom 17. August 1982 nach Besichtigung des maßgeblichen Straßenstückes, welches nur rund 100 m lang sein soll, keinerlei Beschädigungen feststellen konnte und darauf verwiesen hat, daß es sich um die einzige Zufahrt zur Landwirtschaft der Familie des Bf. sowie zu einem weiteren Anwesen handle. Anschließend gehe die asphaltierte Straßenstrecke in einen schmalen Schotterweg über, der nicht für das Befahren durch Lastkraftwagen geeignet sei.
Für die Anordnung eines Fahrverbotes unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Belastbarkeit der Straße hätte es aber eines (auch einen entsprechenden ausführlichen Befund enthaltenden) Gutachtens eines Amtssachverständigen bedurft, wobei dieser vor allem auch eine Aussage zu treffen gehabt hätte, welcher (tonnenmäßigen) Belastung die Straße ausgesetzt werden kann. Abgesehen davon, daß das Gesetz den Begriff 'Schwerfahrzeug' nicht kennt, kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch darunter nicht jedes Lastkraftfahrzeug verstanden werden, wie dies aber durch die Anordnung der Anbringung des Zeichens nach §52 lita Z. 7a StVO geschieht. Es wäre daher nach Feststellung der tatsächlichen Belastbarkeit allenfalls eine entsprechende Gewichtsbeschränkung anzuordnen gewesen. Für einen solchen Fall sieht aber das Gesetz das Vorschriftszeichen nach §52 lita Z. 9c StVO vor und nicht das nach Z. 7a (vgl. auch Benes, Straßenverkehrsordnung, Ausgabe 1983, Anm. 10 zu §52, S. 467 f).
Abgesehen davon, daß sich die bel. Beh., wie oben ausgeführt, nur auf §43 Abs1 litb Z. 1 StVO gestützt hat, dient §43 Abs2 litb StVO nur der Hintanhaltung von Gefahren aus dem Straßenverkehr, wozu aber Umstände, wie sie im Schreiben der Gemeinde an die Bezirkshauptmannschaft vom 15. Juli 1982 enthalten sind, daß nämlich im Hofraum der 'Firma' Fahrzeuge gewaschen werden und die Schmutzwässer einschließlich Öl und Fett in den Mühlbach abgeleitet werden, nicht gehören."
3. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck und die Tiroler Landesregierung haben die Verwaltungsakten vorgelegt und Äußerungen erstattet, in denen sie die Gesetzmäßigkeit der bekämpften V verteidigen und die Abweisung des Antrages des VwGH begehren. Die Tiroler Landesregierung legte weiters ein nunmehr eingeholtes - straßenbau- und verkehrstechnisches Gutachten des Baubezirksamtes Innsbruck über die Tragfähigkeit des betreffenden Gemeindeweges vor, auf das sich die Äußerungen der beiden Behörden stützen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Angesichts der vom VwGH zu beurteilenden Rechtsfrage besteht kein Zweifel, daß die von ihm bekämpfte V für sein Verfahren präjudiziell ist. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
2. Die Bedenken des VwGH treffen nicht zu.
Aus dem Verordnungsakt geht hervor, daß die bekämpfte V auf Ansuchen des Gemeinderates der Gemeinde Mutters erlassen wurde, weil die gegenständliche, zwei Jahre zuvor asphaltierte Straße zufolge des ständigen Schwerverkehrs vor allem des Bf. des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, der mit Sattellastzügen über diese Straße zu seinem landwirtschaftlichen Anwesen zufahre, bereits sichtbare Schäden aufweise; offenkundig sei eine Straße dieser Bauart für den Schwerverkehr ungeeignet.
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck holte im Zuge der Verordnungserlassung eine Stellungnahme der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol ein, die sich gegen die Erlassung der V mit der Begründung aussprach, dieses kurze Straßenstück weise keinerlei Beschädigungen auf und der Bf., der an einem anderen Standort Inhaber einer Konzession zur Güterbeförderung mit LKW sei, doch die Möglichkeit haben müsse, zumindest mit Sattelzugmaschinen bzw. leichteren Sattelaufliegern, deren Gesamtgewicht 20 t nicht überschreite, zeitgerecht vor Beginn des Wochenend- und Feiertagsfahrverbotes seinen ordentlichen Wohnsitz zu erreichen. Dem gegenüber betonte die Gemeinde Mutters in einer Stellungnahme, daß der Gemeindeweg vom Bf. auch mit fremden Schwerfahrzeugen zur Ausübung gewerblicher Tätigkeiten genutzt werde, nach Ansicht von Straßenfachleuten die Gemeindestraße aber einen zur Befahrung mit Schwerfahrzeugen unzureichenden Unterbau habe.
Hierauf verhängte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck mit der bekämpften V gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO ein "Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge" nach §52 lita Z7a StVO, das durch Aufstellen des entsprechenden Verkehrszeichens kundgemacht wurde.
3. Nach §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 idF der Nov. BGBl. 209/1969 kann die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken unter anderem, wenn und insoweit es die Beschaffenheit der Straße erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote udgl. erlassen. Nach Z2 des §43 Abs1 litb StVO ist den Straßenbenützern unter den gleichen Voraussetzungen ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere können bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles ausgeschlossen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile verwiesen werden.
Der verordnungerlassenden Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der Ortskenntnis des antragstellenden Gemeinderates und der konkreten Situation davon ausgegangen ist, daß die Straße für den Verkehr mit Lastkraftfahrzeugen an sich nicht geeignet ist. Ebensowenig kann der Behörde entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des Bedarfes, dem die Straße dient (Zufahrt zu zwei landwirtschaftlichen Betrieben) die Verkehrsbeschränkung ohne Gewichtslimitierung verordnet hat. Die seinerzeitige Annahme des Verordnungsgebers über die Belastbarkeit der Straße wird durch ein im Verordnungsprüfungsverfahren vorgelegtes Gutachten des Baubezirksamtes Innsbruck vom 11. Juni 1987 bekräftigt, worin es heißt, daß die vorhandene Straßenkonstruktion für Fahrzeuge mit über 3,5 t Gesamtgewicht nicht geeignet sei, wobei die während und nach der Auftauperiode gegebene, verminderte Tragfähigkeit noch nicht voll berücksichtigt sei.
Es kann auch nicht gesagt werden, daß die verordnungerlassende Behörde keine sachgerechte Abwägung zwischen den Interessen der Anrainer, die Straße völlig ungehindert mit allen Fahrzeugen befahren zu können, und dem Interesse des Straßenerhalters und aller Straßenbenützer, daß die Gemeindestraße durch zu schwere Kraftfahrzeuge nicht beschädigt werde, vorgenommen hat (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 9739/1983, S. 537 f).
An dieser Beurteilung vermag das Bedenken des VwGH, daß die Behörde - wenn überhaupt - eine allgemeine Gewichtsbeschränkung nach §52 lita Z9c StVO zu verhängen gehabt hätte, nichts zu ändern. Wie aus den Akten hervorgeht, dient der betreffende Gemeindeweg als einzige Zufahrtsstraße zu landwirtschaftlichen Anwesen. Das "Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge" gilt aber ohnehin nicht für landwirtschaftliche Zugmaschinen (vgl. §2 Abs2 StVO iVm §2 Z9 KFG). Es kann der verordnungerlassenden Behörde nicht der Vorwurf eines gesetzwidrigen Vorgehens gemacht werden, wenn sie eine Gefährdung des Straßenunterbaus durch solche landwirtschaftliche Zugmaschinen auf der einzigen Zufahrt zu zwei landwirtschaftlichen Anwesen in Kauf genommen hat, eine - nicht unbedingt notwendige - Gefährdung durch Lastkraftfahrzeuge aber nicht. Hiezu kommt, daß auch der Sachverständige die Tragfähigkeit der Straße selbst für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von weniger als 3,5 t während bestimmter Zeiträume keineswegs als voll gegeben erachtet hat.
Auch darin, daß die Behörde vor Verordnungserlassung kein Sachverständigengutachten über die Belastbarkeit der Straße eingeholt hat, liegt keine (formelle) Gesetzwidrigkeit der V. Wie vorhin ausgeführt, war die Verhängung des Fahrverbotes für Lastkraftfahrzeuge an sich gerechtfertigt. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck hat vor Verordnungserlassung eine Stellungnahme der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol eingeholt, sodaß der Vorschrift des §94 f Abs1 litb StVO Genüge getan wurde (vgl. VfSlg. 8086/1977, S. 437). Weitere Verfahrensschritte, insbesondere die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen vor Verordnungserlassung, sieht die Straßenverkehrsordnung für diesen Fall nicht vor.
4. Die Bedenken des VwGH treffen daher insgesamt nicht zu, weswegen dem Antrag keine Folge zu geben war.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, StraßenpolizeiEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:V24.1987Dokumentnummer
JFT_10128789_87V00024_00