TE Vfgh Erkenntnis 1988/6/10 B240/88

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Veröffentlicht am 10.06.1988
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Handels- und Schiffahrtsvertrag mit den Niederlanden, BGBl 299/1930 idF BGBl 299/1985
Sbg GVG 1986 §8 Abs1 lita
Sbg GVG 1986 §8 Abs3
Sbg GVG 1986 §9 Abs1
AVG §56
Sbg GVG 1986 §20 Abs1
Sbg GVG 1986 §20 Abs6

Leitsatz

Genehmigungsbedürftigkeit der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden an niederländische Staatsangehörige in konkretem Verfahren zu klären - vom Gesetz geboten und zumutbar; Unzulässigkeit des Feststellungsantrages; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Verfahrenskosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Verlassenschaft nach dem am 22. November 1983 verstorbenen H J M stellte durch den mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 11. Dezember 1985 bestellten Verlassenschaftskurator an die Grundverkehrskommission am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Zell am See den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, daß ein Verkauf der Liegenschaft EZ 263 KG Aufhausen an einen oder mehrere niederländische Staatsangehörige grundverkehrsbehördlich genehmigt werde.

Die Grundverkehrslandeskommission, an die dieser Antrag zuständigkeitshalber weitergeleitet worden war, wertete ihn als Antrag auf Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft im Sinne des §20 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1986, LGBl. Nr. 73 (im folgenden: GVG 1986) und forderte die Bf. unter Berufung auf §13 Abs3 AVG 1950 zur Behebung eines Formgebrechens bzw. zur Beibringung noch fehlender Unterlagen mit dem Hinweis auf, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer Frist von drei Wochen ab dem Erhalt dieser Aufforderung nicht mehr berücksichtigt und mit Bescheid zurückgewiesen werde.

Die Bf. bestand, ohne dieser Aufforderung nachzukommen, ausdrücklich auf einer bescheidmäßigen Erledigung ihres Antrages.

Die bel. Beh. wies daraufhin diesen den Antrag unter Berufung auf §20 GVG 1986 und §13 Abs3 AVG 1950 zurück.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde und die Zuerkennung eines Aufwandersatzes von

S 2.760,-- für die Erstattung der Äußerung und die Vorlage der Akten beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach §17 Abs3 GVG 1986 sind die Entscheidungen der Grundverkehrslandeskommission endgültig und unterliegen keiner Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Ein Instanzenzug kommt somit nicht in Betracht. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise eine Sachentscheidung verweigert (vgl. etwa VfSlg. 10374/1985).

Die bel. Beh. hat den Antrag der Bf. zurückgewiesen, mithin einen materiell-rechtlichen Abspruch über diesen Antrag verweigert. Hätte sie die Sachentscheidung zu Unrecht verweigert, so hätte sie die Bf. in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. VfSlg. 6050/1969, 7268/1974).

3. Der Antrag der Bf. war der Sache nach auf die Erlassung eines Bescheides gerichtet, mit dem festgestellt werden sollte, daß nach dem GVG 1986 dem Verkauf einer bestimmten Liegenschaft an einen oder mehrere (noch nicht feststehende) niederländische Staatsangehörige kein rechtliches Hindernis entgegensteht. Er zielte mithin auf die bescheidmäßige Feststellung eines Rechtes ab (vgl. VfSlg. 7508/1975, S. 171).

Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung die Erlassung eines Feststellungsbescheides, dessen Gegenstand ein Recht oder Rechtsverhältnis ist, nicht nur dann als zulässig angesehen, wenn sie in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, sondern auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung hierüber zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie für eine Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist und insofern im Interesse einer Partei liegt (vgl. etwa VfSlg. 6050/1969 und die dort angegebene Vorjudikatur; VfSlg. 8406/1978, 8803/1980, 9993/1984).

Das GVG 1986 (§8 Abs3) verpflichtet zwar die Grundverkehrsbehörde zur Ausstellung einer Bescheinigung darüber, daß der Rechtserwerb durch einen Ausländer zufolge staatsvertraglicher Verpflichtungen keiner Zustimmung nach §8 Abs1 GVG 1986 bedarf, und ermächtigt zudem die Grundverkehrsbehörde zur Ausstellung einer Bescheinigung darüber, daß der Rechtserwerb durch einen Ausländer gemäß §8 Abs2 GVG 1986 keiner Zustimmung bedarf, es enthält jedoch keine ausdrückliche Ermächtigung zur Erlassung eines Feststellungsbescheides mit dem von der Bf. angestrebten Inhalt. Es kommt mithin darauf an, ob im vorliegenden Fall der Feststellungsbescheid, dessen Erlassung die Bf. begehrte, für sie ein notwendiges Mittel der Rechtsverteidigung war.

4. Nach §8 Abs1 lita GVG 1986 bedarf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde, wenn der Rechtserwerber Ausländer ist, staatsvertragliche Verpflichtungen nichts anderes bestimmen und nicht einer der im §8 Abs2 GVG 1986 angeführten Ausnahmefälle vorliegt. Die Zustimmung darf nach §9 Abs1 GVG 1986 nur erteilt werden, wenn kein Versagungsgrund gemäß §10 GVG 1986 vorliegt und eine der in §9 Abs1 GVG 1986 angeführten Voraussetzungen gegeben ist. Den Antrag auf Zustimmung zum Rechtsgeschäft hat nach §20 Abs1 erster Satz GVG 1986 der Rechtserwerber einzubringen. Die Entscheidung über einen solchen Antrag fällt in die Zuständigkeit der Grundverkehrslandeskommisison (§17 Abs1 litb GVG 1986). Durch §20 Abs6 GVG 1986 ist der Grundverkehrslandeskommission die Kundmachung des (beabsichtigten) Rechtsgeschäftes unter "kurzer Angabe des Veräußerers, des Gegenstandes und der Gegenleistung" in der Landeszeitung aufgetragen.

Seit dem Inkrafttreten des (unter BGBl. Nr. 299/1985 kundgemachten) Staatsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über die Änderung des Handelsund Schiffahrtsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande vom 28. März 1929 (kundgemacht unter BGBl. Nr. 299/1930) am 1. Juli 1985 bedarf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden an niederländische Staatsangehörige - bei Vorliegen der vom GVG 1986 festgelegten Voraussetzungen - der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde, weil "staatsvertragliche Bestimmungen nichts anderes bestimmen" (§8 Abs1 GVG 1986).

Aus dem Zusammenhalt der angeführten Vorschriften des GVG 1986 wird deutlich, daß die Frage, ob die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden an einen oder mehrere niederländische Staatsangehörige der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf und die Voraussetzungen für diese Zustimmung vorliegen, nur auf Grund des Inhaltes eines konkreten Rechtsgeschäftes (bei dem auch der/die Erwerber feststeht/feststehen) beurteilt werden kann. Auch die Ausstellung einer der in §8 Abs3 GVG 1986 vorgesehenen Bestätigungen setzt voraus, daß zumindest der (die) Erwerber bekannt ist (sind), weil dafür (auch) Kriterien maßgeblich sind, die in der Person des Erwerbers liegen.

Die nach dem Antrag der Bf. zu entscheidende Frage, ob der Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung für ein derartiges Rechtsgeschäft ein rechtliches Hindernis entgegensteht, kann mithin nach dem GVG 1986 nur im Rahmen eines Verfahrens entschieden werden, das auf Grund eines vom Rechtserwerber gestellten Antrages auf Zustimmung zu einem bestimmten, mit einer bestimmten Person oder mit mehreren bestimmten Personen abgeschlossenen Rechtsgeschäft eingeleitet wurde.

Es ist somit nach dem GVG 1986 ein Verfahren vorgesehen, in dem über die Frage, deren Klärung die Bf. durch Festellungsbescheid begehrt hat, abzusprechen ist. Damit ist ein Rechtsweg eröffnet, dessen Beschreitung einerseits, wie erwähnt, durch das Gesetz zwingend geboten und andererseits der Bf. zumutbar ist (vgl. dazu VfSlg. 9105/1981). Die von ihr dagegen geltend gemachten Nachteile - das Risiko der vergeblichen Aufwendung der mit der Vertragserstellung und der damit zusammenhängenden Vermessung verbundenen Kosten und des vergeblichen Zeitaufwandes für die Beglaubigung der Unterschriften - sind nicht rechtlicher, sondern wirtschaftlicher Art und vermögen an der Zumutbarkeit des gesetzlich vorgezeichneten Weges für die Bf. nichts zu ändern (vgl. dazu VfSlg. 8047/1977, wo ausdrücklich das Vorliegen bloß wirtschaftlicher Nachteile als Unterschied ua. gegenüber jenem Fall hervorgehoben wurde, über den der VfGH mit dem von der Bf. zitierten Erkenntnis VfSlg. 6392/1971 abgesprochen hatte).

Somit lagen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Erlassung des von der Bf. begehrten Feststellungsbescheides nicht vor; ihr darauf abzielender Antrag war daher nicht zulässig.

5. Daraus ergibt sich, daß die bel. Beh. den Antrag der Bf. im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat, wenngleich sie dabei von der unzutreffenden Annahme ausging, die Bf. habe einen (mit Formgebrechen behafteten) Antrag auf Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft im Sinne des §20 GVG 1986 eingebracht.

Da die bel. Beh. - wenngleich aus einem anderen als dem von ihr herangezogenen Grund - den Antrag jedenfalls zurückzuweisen hatte, die Zurückweisung als solche mithin dem Gesetz entsprach, ist es ausgeschlossen, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter oder in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Verfahrenskosten waren nicht zuzusprechen, weil ein Ersatz des von der Behörde begehrten Schriftsatzaufwandes und Vorlageaufwandes in Beschwerdeverfahren vor dem VfGH nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung der für den VwGH geltenden Bestimmungen nicht in Betracht kommt (VfSlg. 9488/1982, 10011/1984).

Schlagworte

Feststellungsbescheid, Ausländergrunderwerb

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B240.1988

Dokumentnummer

JFT_10119390_88B00240_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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