TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/14 91/15/0033

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Veröffentlicht am 14.10.1991
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Index

20/05 Wohnrecht Mietrecht;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

GebG 1957 §14 TP6 Abs1;
MRG §39 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Mieterschutzverbandes Österreichs in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Jänner 1991, Zl. GA 11-97/91, betreffend Stempelgebühr und Gebührenerhöhung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe an den Magistrat der Stadt Wien, Schlichtungsstelle für den 10. Bezirk, ersuchte der Beschwerdeführer um Bestätigung der Rechtskraft einer näher angeführten Entscheidung dieser Behörde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Festsetzung einer Gebühr gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 in Höhe von S 120,-- sowie eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes in Höhe von S 60,-- für diese Eingabe bestätigt. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der Tatbestand des § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 sei erfüllt, weil die Eingabe des Einschreiters in seinem privaten Interesse liege und die Gebührenbefreiung gemäß § 39 Abs. 5 MRG im vorliegenden Fall keine Anwendung finde; letzteres deswegen, weil es sich bei der vergebührten Eingabe nicht um eine Schrift handle, deren Ausstellung im Verlauf des Verfahrens vor der Gemeinde erforderlich gewesen sei. Die beantragte Bestätigung könne "naturgemäß überhaupt erst NACH ABSCHLUSZ des Verfahrens vor der Gemeinde überreicht werden". Sinn der Befreiungsbestimmung sei es nämlich, die zur Erlangung der Entscheidung der Schlichtungsstelle erforderlichen Schriften von allenfalls damit verbundenen Gebühren zu entlasten; dies treffe auf Eingaben, die erst nach Ergehen der Entscheidung überreicht würden, nicht zu. Die Gebührenerhöhung in Höhe von 50 % der nicht entrichteten Eingabengebühr sei gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 zwingend vorzunehmen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach ihrem gesamten Vorbringen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, einer festen Gebühr von S 120,--.

Gemäß § 39 Abs. 5 MRG sind die im Mietrechtsverfahren vor der Gemeinde erforderlichen Schriften und die vor ihr abgeschlossenen Vergleiche von Stempel- und Rechtsgebühren befreit.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht keine Befreiung gemäß § 39 Abs. 5 MRG gewährt. Ein in stattgebendem Sinn entschiedenes Verfahren vor der Gemeinde könne nämlich erst dann als abgeschlossen betrachtet werden, wenn die Entscheidung entweder durch fristgerechte Anrufung des Gerichtes außer Kraft trete oder ein Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO vorliege. Der Gesetzgeber spreche daher auch nicht von einer Gebührenbefreiung "im Verlauf" des Verfahrens, sondern von einer Gebührenbefreiung für das Verfahren schlechthin. Dies setze jedoch nicht nur das tatsächliche Vorhandensein der Rechtskraft voraus, sondern auch deren Beweis, welcher gegenüber dem Exekutionsgericht urkundlich darzutun sei. Dieser Nachweis bestehe in der Bestätigung der Verwaltungsbehörde, daß gegen die Entscheidung keine Anrufung des Gerichtes erfolgt sei, also genau einem solchen Schriftstück, wie er es in seiner Eingabe vom 26. Juni 1989 begehrt habe. Diese Eingabe sei insofern notwendig gewesen, als von Amts wegen eine solche Bestätigung nicht ausgestellt worden wäre (und auch niemals ausgestellt werde), sodaß der Anspruch des vom Beschwerdeführer vertretenen Antragstellers nicht hätte exekutiert werden können.

Die belangte Behörde hält dem in ihrer Gegenschrift im wesentlichen entgegen, daß sich das Verfahren vor der Gemeinde nach den Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§ 39 Abs. 3) richte und daß ein Verfahren auf jeden Fall dann abgeschlossen sei, wenn der gesetzlich vorgesehene, das Verfahren beendende Rechtsakt ergangen und gegen diesen Rechtsakt weder ein ordentliches noch ein außerordentlichen Rechtsmittel gegeben sei. Folge man der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach ein Verfahren erst abgeschlossen sei, wenn eine Bestätigung der Rechtskraft vorliege, dann bedeute dies, daß alle Verfahren als nicht beendet anzusehen wären, bei denen der Entscheidung der Gemeinde freiwillig gefolgt und keine Bestätigung der Rechtskraft erteilt werde. Dieses Ergebnis stünde mit der Rechtsordnung nicht im Einklang. Der Beschwerdeführer habe die Bestätigung für ein allfälliges Exekutionsverfahren benötigt. Dieses Verfahren unterscheide sich aber zweifelsohne von dem "Verfahren vor der Gemeinde". Infolgedessen könne weder davon gesprochen werden, daß die Eingabe des Beschwerdeführers "im Verfahren vor der Gemeinde" überreicht worden sei, noch auch davon, daß sie in einem solchen Verfahren "erforderlich" gewesen sei. Die belangte Behörde beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf die hg. Erkenntnisse vom 8. April 1991, Zl. 91/15/0023, und vom 22. April 1991, Zl. 91/15/0034.

Mit seinem zitierten Erkenntnis vom 8. April 1991 sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die Gebührenbefreiung des § 39 Abs. 5 MRG einem nach Ablauf der im § 40 Abs. 2 leg. cit. normierten Dreimonatsfrist gestellten Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle deswegen nicht zukommt, weil die mit der Eingabe begehrte Bestätigung keinesfalls für irgendwelche Zwecke des Antragstellers vor der Gemeinde benötigt wird, sondern für Zwecke des sich daran anschließenden Gerichtsverfahrens. Mit seinem weiters zitierten Erkenntnis vom 22. April 1991 sprach der Verwaltungsgerichtshof ferner aus, daß die in Rede stehende Gebührenbefreiung einer Eingabe, mit der angefragt wird, ob ein Verfahren, in dem gebührenbefreite Schriften vor der Gemeinde erstattet werden können, anhängig ist oder nicht, deswegen nicht zukommt, weil der Befreiungstatbestand für einen auch diesen Fall erfassende Auslegung nach seinem äußersten Wortsinn keine Deckung bietet.

Der vorliegende Beschwerdefall unterscheidet sich von den mit den zitierten Erkenntnissen entschiedenen Rechtssachen insofern wesentlich, als hier nicht davon die Rede sein kann, daß die begehrte Bestätigung der Vollstreckbarkeit einer Entscheidung der Schlichtungsstelle AUSSCHLIESZLICH (wie in jenen Erkenntnissen gemeint) für das Exekutionsgericht bzw. für die Parteien des Exekutionsverfahrens von Bedeutung ist. Abgesehen davon, daß in bestimmten Fällen auch eine Exekution durch die Schlichtungsstelle in Betracht kommt (vgl. hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, TZ 1 zu § 3 VVG), ist diese Verwaltungsbehörde, von der ja der Exekutionstitel ausgegangen ist, auch für die Entscheidung über allfällige Anträge auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit zuständig (vgl. hiezu § 3 Abs. 2 VVG 1950 in Verbindung mit § 7 Abs. 4 EO).

Zwar ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß zwischen dem mit Bescheid abgeschlossenen Verfahren vor der Schlichtungsstelle und dem sich möglicherweise daran anschließenden Exekutionsverfahren zu unterscheiden ist. Dies schließt jedoch nicht aus, auch ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle, dessen Zweck darin liegt, mit der Bestätigung der Vollstreckbarkeit die Grundlage sowohl für das gerichtliche wie auch in bestimmten Fällen für das verwaltungsbehördliche Exekutionsverfahren zu schaffen, als "Verfahren vor der Gemeinde" im Sinne des § 39 Abs. 5 MRG zu verstehen. Da allein die Schlichtungsstelle für die Bestätigung der Vollstreckbarkeit eines von ihr erlassenen Bescheides zuständig ist, kann auch die Notwendigkeit der Eingabe an diese Verwaltungsbehörde nicht in Abrede gestellt werden. Infolgedessen kommt der Eingabe des Beschwerdeführers vom 26. Juni 1989 gemäß § 39 Abs. 5 MRG Gebührenfreiheit zu.

Da sohin die belangte Behörde den Normgehalt der eben anzuwendenden Gesetzesstelle verkannt hat, erweist sich die Festsetzung der Eingabengebühr sowie die davon abhängige Gebührenerhöhung als inhaltlich rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991150033.X00

Im RIS seit

14.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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