TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/25 88/07/0071

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Veröffentlicht am 25.02.1992
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Index

L66502 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Kärnten;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §20;
FlVfGG §28;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §52 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §67 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 21. März 1988, Zl. Agrar 11-477/5/88, betreffend Minderheitsbeschwerde gegen einen Beschluß einer Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft "NX", vertreten durch den Obmann F in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Mitglied der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Agrargemeinschaft. Deren (außerordentliche) Vollversammlung beschloß am 24. November 1986 unter Tagesordnungspunkt 2) "mit 60 Anteilen dafür, mit 16. Ant. dagegen, 10 Ant. Enthaltung, daß sämtliche Grundstücke im Eigentum der (Mitbeteiligten), welche im Zusammenlegungsgebiet E gelegen sind, im Rahmen des Z-Verfahrens einer Einzelteilung unterworfen werden".

Die vom Beschwerdeführer dagegen fristgerecht erhobene Minderheitsbeschwerde wies die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) mit Bescheid vom 21. Juli 1987 gemäß § 51 Abs. 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 - FLG 1979 -, LGBl. Nr. 64, als unbegründet ab.

Die Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 21. März 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 abgewiesen. Begründend bezog sich die Rechtsmittelbehörde nach Darlegung des bisherigen Verwaltungsgeschehens auf § 51 Abs. 2 FLG 1979 - wonach über unter anderem zwischen einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern aus dem Gemeinschaftsverhältnis entstehende Streitigkeiten die Agrarbehörde entscheidet - und § 51 Abs. 1 FLG 1979 - worin die agrarbehördliche Überwachung der Agrargemeinschaften geregelt ist. Des weitern wurde folgendes ausgeführt:

Über den Zweck der körperschaftlich eingerichteten Mitbeteiligten bestimme § 1 ihrer Verwaltungssatzung, daß sie die Befriedigung der Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaften durch bestmögliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens bezwecke. Dieser durch die Organisationsnormen der Mitbeteiligten vorgegebene Zweck werde durch die grundsätzliche Feststellung ergänzt, daß Agrargemeinschaften weitgehend selbständige Körperschaften seien, die ihr Vermögen, insbesondere ihren Grundbesitz, nach eigenem Gutdünken zu verwalten und zu bewirtschaften berechtigt seien. Eine Einschränkung erfahre diese Dispositionsfreiheit dort, wo der Autonomie einer Agrargemeinschaft die Verpflichtung zur Beobachtung ihrer Wirtschaftsvorschriften bzw. die Satzungsmäßigkeit ihrer Willensbildung gegenüberstehe. Auf den vorliegenden Berufungsfall abgestimmt bedeute dies, daß ein aufsichtsbehördliches Prüfungsverfahren darauf abzustellen sei, ob der Inhalt des Vollversammlungsbeschlusses vom 24. November 1986 gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße und ob allenfalls im Zustandekommen dieses Vollversammlungsbeschlusses eine Satzungswidrigkeit zu erblicken sei. Ein formeller Mangel hafte dem bekämpften Vollversammlungsbeschluß nicht an. Er sei aber auch in seinem Inhalt nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet. Denn mit dem am 24. November 1986 unter Tagesordnungspunkt 2) gefaßten Beschluß mache die Mitbeteiligte lediglich von dem in § 65 ff FLG 1979 vorgesehenen Recht Gebrauch, bei der Behörde einen Antrag auf Einleitung eines Einzelteilungsverfahrens zu stellen. Dieser Beschluß berechtige daher den Obmann zu nicht mehr, als bei der ABB einen solchen Antrag einzubringen, ohne seine Kompetenzen im Sinne der Bestimmung des § 13 Z. 1 lit. b der Satzungen der Mitbeteiligten - wonach dem Obmann unter anderem der Vollzug der Beschlüsse der Vollversammlung obliegt - zu überschreiten und sich damit dem Vorwurf eines rechtswidrigen Verhaltens auszusetzen. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Berufung geltend mache, daß das Eigentumsrecht bestimmter im genannten Zusammenlegungsgebiet gelegener Grundstücke der Mitbeteiligten durch dritte Personen bestritten werde, so verkenne er unter Bedachtnahme auf obige Ausführung, daß diese Einwendungen in einem späteren Verfahrensstadium bezüglich der ins Auge gefaßten Einzelteilung geltend zu machen sein würden. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, wobei sich der Beschwerdeführer in seinem Recht "auf Aufhebung eines gesetzwidrigen Vollversammlungsbeschlusses und auf gesetz- und satzungsmäßige Verwaltung" der Mitbeteiligten verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Mitbeteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit in der Beschwerde die Anschauung vertreten wird, einem Beschluß der Vollversammlung auf Einleitung eines Einzelteilungsverfahrens stünde § 53 FLG 1979 entgegen, ist sie nicht im Recht; denn § 53 FLG 1979 verpflichtet allein die Agrarbehörde, und zwar (erst) vor Erlassung des Bescheides auf Einleitung eines Teilungsverfahrens, gesondert über einen Eigentumsstreit betreffend agrargemeinschaftliche Grundstücke zu entscheiden.

Gemäß § 67 Abs. 2 FLG 1979 hat die Agrarbezirksbehörde, wenn die wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, das (Einzelteilungs-)Verfahren durch Bescheid einzuleiten. Liegen die wirtschaftlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für eine Einzelteilung nicht vor, hat die Agrarbezirksbehörde gemäß § 67 Abs. 1 FLG 1979 den Antrag mit Bescheid abzuweisen. Zu den rechtlichen Voraussetzungen gehört gemäß § 65 Abs. 1 FLG 1979 - von den Fällen einer amtswegigen Einleitung nach § 24 Abs. 2 lit. b abgesehen - das Vorliegen eines Antrages "der Parteien", die in § 65 Abs. 2 FLG 1979 im einzelnen bezeichnet werden. Die Einzelteilung ist gemäß § 52 Abs. 5 FLG 1979 entweder die Auflösung der Agrargemeinschaft durch Umwandlung der Anteilsrechte in Einzeleigentum (Einzelteilung im engeren Sinne) oder die Ausscheidung einzelner Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zwischen den übrigen Mitgliedern (Sonderteilung).

Im Beschwerdefall ist seitens der Agrargemeinschaft ganz offenkundig eine Einzelteilung im engeren Sinn nicht beabsichtigt, da nur das Ausscheiden der im bezeichneten Zusammenlegungsgebiet gelegenen agrargemeinschaftlichen Grundstücke in Aussicht genommen wurde; aus dem im Berufungsverfahren abgegebenen Gutachten des agrartechnischen Mitgliedes der belangten Behörde ergibt sich, daß das Gesamtausmaß des Grundbesitzes der Mitbeteiligten 38,11 ha beträgt, wovon im angegebenen Zusammenlegungsgebiet Grundflächen im Ausmaß von 1,22 ha liegen.

Ebensowenig scheint aber auch eine Sonderteilung beabsichtigt zu sein, denn von einem Ausscheiden bestimmter einzelner Mitglieder der Mitbeteiligten war nach Lage der Verwaltungsakten nie die Rede, ganz abgesehen davon, daß zur Stellung eines Antrages auf Sonderteilung gemäß § 66 letzter Satz FLG 1979 nur die ausscheidenden Mitglieder berechtigt sind.

Wäre keine Minderheitsbeschwerde eingebracht worden, hätte die Agrarbehörde die entsprechende Prüfung (mit negativem Ergebnis) der rechtlichen Voraussetzungen nach § 67 Abs. 1 FLG 1979 vorzunehmen gehabt. Das bedeutet jedoch nicht, daß im Fall einer Streitigkeit nach § 51 Abs. 2 FLG 1979 Beschlüsse eines Organes einer Agrargemeinschaft, auch wenn sie mit dem Gesetz nicht in Einklang stehen, nur deswegen aufrechtzuerhalten wären, weil sie unter Bedachtnahme auf die Rechtslage ohnedies den von ihnen angestrebten (rechtswidrigen) Erfolg letztlich nicht herbeizuführen in der Lage wären. Vielmehr hat die Agrarbehörde, der gemäß § 51 Abs. 1 FLG 1979 die Überwachung der Agrargemeinschaft insbesondere auch bezüglich deren Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen obliegt, bei einer Streitigkeit gemäß § 51 Abs. 2 FLG 1979 GEGEN einen mit dem Gesetz nicht in Einklang stehenden Vorgang zu entscheiden, was im Fall einer gegen einen dem Gesetz widersprechenden Vollversammlungsbeschluß gerichteten Minderheitsbeschwerde zur (vom Beschwerdeführer begehrten) Aufhebung jenes Beschlusses führen muß.

Da die belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannte, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß nicht ersichtlich ist, auf welche Gesetzes- oder Satzungsbestimmung sich die ABB stützen konnte, wenn sie (und nicht der Obmann oder bei dessen Verhinderung sein Stellvertreter) zu besagter Vollversammlung eingeladen hat.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2; Stempelgebühren waren nur in dem zur Rechtsverfoglung erforderlichen Umfang zu ersetzen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988070071.X00

Im RIS seit

25.02.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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