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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ARG 1984 §27 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 4. Juli 1991, Zl. 3/07-7090/8-1990, betreffend Bestrafungen wegen Übertretung des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0468, und vom 23. Mai 1991, Zl. 91/19/0037, verwiesen. Mit der erstgenannten Entscheidung war der damals vom Beschwerdeführer angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg (der belangten Behörde) vom 23. Juli 1990 im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden, weil die belangte Behörde bei Gebrauchmachen von der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage nicht von der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe (S 500,--) ausgegangen sei und diese unterschritten habe, vielmehr die im erstinstanzlichen Straferkenntnis über den Beschwerdeführer verhängte Strafe (S 5.000,--) zugrunde gelegt und diese auf die Hälfte herabgesetzt habe. Mit dem zweitgenannten Erkenntnis war der damals vom Bundesminister für Arbeit und Soziales bekämpfte, von der belangten Behörde im zweiten Rechtsgang erlassene Bescheid vom 3. Dezember 1990 gleichfalls wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden; dies mit der Begründung, daß es die belangte Behörde bei der Gebrauchnahme von § 20 VStG in Verkennung der Rechtslage unterlassen habe, die im konkreten Fall zum Tragen kommenden Milderungsgründe und Erschwerungsgründe einander gegenüberzustellen und darzulegen, daß und weshalb das Gewicht der Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe beträchtlich überwiege.
2. In dem daraufhin ohne Vornahme weiterer Verfahrensschritte fortgesetzten Verfahren gab die belangte Behörde im dritten Rechtsgang der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes in Verbindung mit Abschnitt XVII Z. 1 lit. a der Arbeitsruhegesetz-Verordnung und § 27 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis (des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 21. August 1989).
3. Gegen diesen Bescheid - im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches - richtet sich die vorliegende Beschwerde. Mit ihr werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Soweit der Beschwerdeführer unter dem Titel der Verletzung von Verfahrensvorschriften eine unzureichende Ermittlung des Sachverhaltes infolge Unterlassung verschiedener beantragter Beweisaufnahmen behauptet, mit der Folge, daß sich bei Aufnahme dieser Beweise (Einvernahme namentlich genannter Personen als Zeugen und des Beschwerdeführers selbst) herausgestellt hätte, daß sich der Beschwerdeführer in einem Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG oder in einer Situation befunden habe, die "diesem Entschuldigungsgrund zumindest nahe kam und einen Milderungsgrund gemäß § 19 VStG darstellt (§ 34 Zif. 12 StGB)", darüber hinaus aber auch eine einem "Notstand jedenfalls ähnelnde Situation und die daraus folgenden wesentlichen Milderungsgründe im Sinne des § 19 VStG (hätten) bewiesen werden können (§ 34 Zif. 11 StGB)", sei zunächst auf das Vorerkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0468 (Punkt II.1.) und das dort bezogene Erkenntnis vom 13. Juli 1990, Zl. 90/19/0263, verwiesen (§ 43 Abs. 2 VwGG). Daraus ergibt sich, daß das Vorliegen eines Rechtsirrtums und damit eines besonderen Milderungsgrundes im Sinne des § 34 Z. 12 StGB zu verneinen ist. Daß die Tat, wie in der Beschwerde behauptet, unter Umständen begangen wurde, die dem Schuldausschließungsgrund des Rechtsirrtums nahe kam, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, konnte doch die Berufung des Beschwerdeführers auf die Gesetzwidrigkeit einer zu diesem Zeitpunkt dem Rechtsbestand angehörenden und somit zu befolgenden Norm keinen besonderen Milderungsgrund gemäß § 34 Z. 11 StGB schaffen. Dazu, daß der vom Beschwerdeführer behauptete "massive wirtschaftliche Druck" keine einem "Notstand ähnelnde Situation" begründet, sei gleichfalls auf das hg. Erkenntnis Zl. 90/19/0263
(Punkt II.6.2.) verwiesen. Der besondere Milderungsgrund des § 34 Z. 11 StGB liegt aber auch dann nicht vor, wenn der Beschwerdeführer entsprechend seinem Vorbringen für die Beschäftigung der Arbeitnehmer nach 13.00 Uhr die Zustimmung des Betriebsrates eingeholt hat, vermochte doch dieses Einverständnis ebenso wie die behauptete Freiwilligkeit der Arbeitnehmer aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht mehr zu bewirken, als daß dem "wirtschaftlichen Druck" mit Erfolg begegnet wurde.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die belangte Behörde von der Aufnahme der vom Beschwerdeführer beantragten Beweise, ohne rechtswidrig zu handeln, absehen durfte. Die Verfahrensrüge erweist sich sohin in dieser Hinsicht als nicht berechtigt.
2. Gleiches gilt in bezug auf den in der Beschwerde geltend gemachten Begründungsmangel dergestalt, daß die "dramatische Änderung der Ansicht der belangten Behörde über Unwert und Strafwürdigkeit des gegenständlichen Verhaltens einer nachvollziehbaren Begründung (bedarf), welche im bloßen Hinweis auf schon bisher bekannte Umstände nicht erblickt werden kann".
Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerde, daß die von ihr gerügte "dramatische Änderung" der Rechtsansicht der belangten Behörde ihre Grundlage in dem eingangs der Sachverhaltsdarstellung (oben I.1.) zitierten hg. Vorerkenntnis Zl. 91/19/0037 hat. Insoweit war das Vorgehen der belangten Behörde in dem der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsgang in wesentlichen Teilen vorgezeichnet (§ 63 Abs. 1 VwGG). Der Gerichtshof kann nicht erkennen, daß im nunmehr angefochtenen Bescheid der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes nicht Rechnung getragen worden ist. Was aber das angebliche Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung anlangt, so läßt die Beschwerde außer acht, daß die belangte Behörde die ihrer Meinung nach im vorliegenden Fall gegebenen und rechtlich relevanten Strafzumessungsgründe dargelegt, insbesondere auch aufgezeigt hat, weshalb ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 20 VStG 1950) nicht vorliegen.
Ob diese in der Bescheidbegründung zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht einer inhaltlichen Überprüfung standhält, wird im folgenden zu untersuchen sein.
3. Unbekämpft läßt der Beschwerdeführer die Berücksichtigung der zwei von der belangten Behörde zu seinen Gunsten angeführten Milderungsgründe der Unbescholtenheit und der Tatsache, daß es sich beim inkriminierten Sachverhalt um eine einmalige, nicht mehr wiederholbare Situation gehandelt habe. Soweit die Beschwerde der belangten Behörde vorwirft, nicht das Vorliegen auch der besonderen Milderungsgründe des § 34 Z. 12 StGB (ein die Schuld nicht ausschließender Rechtsirrtum) und des § 34 Z. 11 leg. cit. (dem Schuldausschließungsgrund des Notstandes nahekommmende Umstände) beachtet zu haben, genügt es zur Unhaltbarkeit des Standpunktes des Beschwerdeführers auf das oben II.1. Gesagte zu verweisen.
An Erschwerungsgründen hat die belangte Behörde die Schuldform des Vorsatzes sowie die reifliche Überlegung und sorgfältige Vorbereitung der Tat durch den Beschwerdeführer angenommen. Der im angefochtenen Bescheid für das Vorliegen dieser Gründe gegebenen Begründung vermag die Beschwerde nichts Entscheidendes entgegenzusetzen. Daß kein - den Vorsatz ausschließender - Rechtsirrtum auf seiten des Beschwerdeführers vorlag, wurde bereits dargetan (oben II.1.). Auch der behauptete Druck eines drohenden schweren wirtschaftlichen Schadens vermag die Begründung der belangten Behörde, warum ihrer Meinung nach Vorsatz anzunehmen sei, nicht zu entkräften. Der besagte wirtschaftliche Druck stellt aber - ebenso wie die Herstellung des Einvernehmens mit dem Betriebsrat - auch keinen Umstand dar, der geeignet wäre, die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene reifliche Überlegung und sorgfältige Vorbereitung der Tat (§ 32 Abs. 3 StGB) auszuschließen. Was schließlich die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, die belangte Behörde habe die sich aus den angeführten Erschwerungsgründen ergebende "ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Beschuldigten gegenüber den durch das Arbeitsruhegesetz geschützten Werten" als weiteren Erschwerungsgrund angenommen, und damit gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, unterliegt er insofern einem Irrtum, als die belangte Behörde die besagte Einstellung des Beschwerdeführers - deren Ableitung aus den von ihr als gegeben angesehenen Erschwerungsgründen nicht als rechtswidrig zu erkennen ist - nicht als zusätzlichen Erschwerungsgrund, sondern als im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG 1950 bedeutsamen Umstand gewertet hat.
4. Wenn die belangte Behörde unter Zugrundelegung der für sie verbindlich geäußerten Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis Zl. 91/19/0037 zu dem Ergebnis gelangt ist, daß das Gewicht der maßgebenden Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe nicht "beträchtlich überwiegt", folglich die Voraussetzungen des § 20 VStG 1950 für die außerordentliche Strafmilderung im Beschwerdefall nicht vorliegen, kann darin eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden.
5. Aber auch der Beschwerdeeinwand, das verhängte Strafausmaß sei "nicht nur ungewöhnlich hart, sondern geradezu existenzbedrohend" läßt eine Rechtswidrigkeit der Strafzumessung nicht erkennen. Die belangte Behörde hat zwar in diesem Zusammenhang, wie von der Beschwerde zutreffend aufgezeigt, verfehlterweise auf die "Einbringlichkeit" der Strafe im Wege einer noch zu treffenden Ratenvereinbarung hingewiesen. Sie hat aber auch, was die bisherigen Ausführungen deutlich gemacht haben, auf die gemäß § 19 Abs. 1 und 2 VStG 1950 relevanten Kriterien hinreichend Bedacht genommen. Im Hinblick darauf ist für den Gerichtshof nicht erkennbar, daß die belangte Behörde mit den von ihr ausgemessenen Strafen in der Höhe von jeweils S 5.000,-- bei einem gesetzlichen Strafrahmen von S 500,-- bis S 30.000,-- das ihr bei der Strafbemessung zustehende Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes gehandhabt hätte, zumal auch die im bekämpften Bescheid mit
S 30.000,-- monatlich angenommene Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers - diese blieb in der Beschwerde unbestritten - keineswegs zu einer gegenteiligen Beurteilung führt.
6. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzErschwerende und mildernde Umstände SchuldformEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991190251.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013